BfN-Workshop zu ökologischen Kriterien für Solarparks

Berlin, 27. April 2022

BfN-Workshop zu ökologischen Kriterien für Solarparks

Auf der schönen Insel Vilm kamen in der Internationalen Naturschutzakademie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) rund 25 Expertinnen und Experten aus Naturschutz, Kommunen und Behörden sowie Gutachter und Betreiber zu einem dreitägigen BfN-Workshop zusammen. Unter der Überschrift „Entwicklung von ökologischen (Mindest-)Kriterien bei der Errichtung von Solarparks“ erörterten die Teilnehmenden unterschiedliche Aspekte zu Anforderungen und ökologischen Kriterien zur naturverträglichen Umsetzung von Solarparks.

Dr. Elke Bruns, Leiterin der Fachinformation, moderierte im Rahmen der Veranstaltung die Arbeitsgruppe zum Thema „Umsetzung von Maßnahmen“. Hier ging es vorrangig um die Frage, wie die Umsetzung von Vermeidungs-, Ausgleichs und „Mehr-Maßnahmen“ bei Vorhaben sichergestellt werden kann.

Darüber hinaus ging es um Fragen zur Standortfindung und -wahl. Wieviel Fläche wird benötigt? Wie können geeignete Flächen identifiziert werden? Welche Flächen kommen in Frage und welches sind geeignete Auswahlkriterien?

Die Diskussionen zwischen den Teilnehmenden haben gezeigt, dass – insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten, massiven Ausbaus von PV-Freiflächenanlagen – auch zukünftig ein intensiver Austausch zur naturverträglichen Gestaltung für Solarparks und zu den entsprechenden ökologischen Kriterien sinnvoll und notwendig ist.

Vilm_BfN-Workshop
Schönes Wetter, die Teilnehmenden versammelten sich im Grünen.

Neue KNE-Publikation: Individuen- und Populationsschutz beim Ausbau der Windenergie an Land

Berlin, 27. April 2022

KNE-Publikation: Individuen- und Populationsschutz beim Ausbau der Windenergie an Land

Eine Einführung in die Thematik

In seinem neuen Publikationsformat „Ausgangspunkte“ veröffentlicht das KNE Ausarbeitungen zu grundsätzlichen Fragestellungen der naturverträglichen Energiewende. Jede Ausgabe der Reihe soll interessierte Leserinnen und Leser gut verständlich in ein anspruchsvolles Thema einführen.

Die erste Ausgabe zum „Individuen- und Populationsschutz beim Ausbau der Windenergie an Land“ geht auf Grundfragen ein, die sich beim Ausbau der Windenergie an Land bezüglich des Artenschutzes stellen:

  • Wie wird der Schutz der Wildtiere vor Verletzung und Tod durch Windenergieanlagen an Land gewährleistet?
  • Wie unterscheiden sich Individuenschutz und Populationsschutz?
  • Welche Vorgaben mach das Europarecht und wie verhalten sich diese zu den nationalen Regelungen?

Die „Ausgangspunkte“-Ausgaben verzichten auf eine umfangreiche wissenschaftliche Untersetzung. Im Mittelpunkt stehen die wesentlichen Fakten, rechtlichen Vorgaben und politischen Geschichtspunkte, die zum Verständnis in der Sache beitragen.

Weitere Aktivitäten und Informationen zum Thema 

Aktuelles aus Berlin, Brandenburg, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen

Berlin, 27. April 2022

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 04/22

Aktuelles aus Berlin, Brandenburg, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Berlin Institut für Partizipation

Eine neue verdienstvolle Studie des Berlin Instituts für Partizipation „Alles digital – oder doch nicht?“ belegt einen spürbaren Rückschlag für die Bürgerbeteiligung als Folge der eine Zäsur setzenden Corona-Pandemie. Eine im Frühjahr 2020 durchgeführte Umfrage wurde mit derselben Zielgruppe nach einem Jahr wiederholt. Ziel war es, zu ermitteln, welche Befürchtungen und Erwartungen tatsächlich eingetreten sind, wie sich die Akteure mit den Einschränkungen arrangieren konnten, und welche langfristigen Veränderungen sich in der Praxis abzeichnen. Die im März 2022 erschienene zweite Studie enthält konkrete Empfehlungen zur Beteiligung im digitalen Zeitalter. Sie kann kostenlos heruntergeladen werden. Drei Botschaften wurden herausgearbeitet: 1. Es gibt eine deutliche Beteiligungslücke. Nachholeffekte entfallener Beteiligungsprozesse sind nur teilweise auszumachen. 2. Es gibt einen starken Digitalisierungsimpuls (Megatrend), ja einen Kulturwandel. Der virtuelle Raum wird auch nach Corona fester Bestandteil der Beteiligungslandschaft bleiben. 3. Analoge Beteiligung bleibt wichtig und gefragt. Sie hat ihre Stärken in Kontexten, bei denen ein dialogischer Austausch und eine vertiefende Vertrauensbildung im Vordergrund stehen.

Brandenburg

Seit dem 11. April ist der Solaratlas Brandenburg online. Er gibt Auskunft über nutzbare Flächen für solartechnische Anlagen in Brandenburg. Es werden alle umsetzbaren Potenziale aufgezeigt – von großen Freiflächen bis zu einzelnen Gebäuden. Die Potenzialanalyse wird einfließen in die „Energiestrategie 2040“ der Landesregierung, die auf eine signifikante Erhöhung der PV-Kapazitäten setzen wird. Gebäudeeigentümer können über das internetbasierte Tool unkompliziert ermitteln, ob ihre Dachfläche vor dem Hintergrund der Einstrahlungsberechnungen prinzipiell für die Nutzung von Solarenergie geeignet ist. Der Solaratlas zeigt auch in allen Brandenburger Kommunen die für Freiflächenanlagen geeigneten EEG-Basisflächen, d. h. die Flächen, die nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz für PV-Freiflächenanlagen genutzt werden sollen und bei denen keine übergeordneten naturschutzrechtlichen oder landesplanerischen Belange entgegenstehen. Ebenso werden die Potenziale für PV-Freiflächenanlagen außerhalb der EEG-förderfähigen Flächenkulisse dargestellt. Die Potenzialanalyse wurde von der Energieagentur Brandenburg erarbeitet, wissenschaftlich begleitet von der Technischen Hochschule Brandenburg.

Nordrhein-Westfalen

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hat Anfang April eine überarbeitete Potenzialanalyse Windenergie NRW veröffentlicht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung der in Nordrhein-Westfalen geltenden Abstandsregelung von 1.000 Metern im Außenbereich bis 2030 eine Gesamtleistung von bis zu 16,4 Gigawatt erreichbar ist. Voraussetzung sei, dass der Bund dafür die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffe. Auch die vermehrte Nutzung zusätzlicher Windenergiepotenziale auf sogenannten Kalamitätsflächen im Wald ist in die Berechnung mit eingeflossen. Mit der Fortschreibung der Energieversorgungsstrategie hatte sich die Landesregierung Ende letzten Jahres das Ziel gesetzt, den Windenergie-Ausbau von rund sechs Gigawatt Ende 2020 auf zwölf Gigawatt im Jahr 2030 zu verdoppeln. Das Wirtschafts- und Energieministerium hatte das LANUV damit beauftragt, die Vorgänger-Studie aus dem Jahr 2012 mit Blick auf die neuen Ausbauziele zu überarbeiten. Gemessen an der Fläche und der Einwohnerdichte weist Nordrhein-Westfalen unter den Flächenländern den höchsten Besatz an Windenergieanlagen auf. Auch bei den Genehmigungen von Windenergieanlagen lag Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021 mit 729 Megawatt im Länderranking auf Rang drei hinter Niedersachsen und Brandenburg.

Niedersachsen

In Beantwortung einer Anfrage (Drucksache 18/11059) eines Abgeordneten an das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz zu erneuerbaren Energien in Landschaftsschutzgebieten teilte dieses unter anderem mit: Insgesamt liegen in Niedersachsen 166 Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten. In Landschafts- und Naturschutzgebieten bestehen keine Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Auf die Frage, wie groß der Anteil der für Freiflächen-Photovoltaik genutzten Flächen in Niedersachsen sei, gab es die Antwort: Bei der Abfrage haben (Stand: 17.03.2022) von den angeschriebenen 103 Bauaufsichtsbehörden 83 geantwortet, dies entspricht rund 80 Prozent. In ihren Zuständigkeitsbereichen befinden sich insgesamt 314 Freiflächenphotovoltaikanlagen. In knapp 63 Prozent der antwortenden Städte, Gemeinden und Landkreise befindet sich zumindest eine Freiflächenphotovoltaikanlage. Insgesamt haben die Anlagen eine Fläche von 8.003.533 Quadratmetern, was 0,0206 Prozent der Gesamtfläche der antwortenden Gebietskörperschaften entspricht. In den kreisfreien Städten befinden sich fünf Freiflächenphotovoltaikanlagen mit einer Gesamtfläche von 356.684 Quadratmetern. Das entspricht 0,0342 Prozent ihrer Fläche.

Wir schreiben das Jahr 2050

Berlin, 22. April 2022

KNE-Lesetipp

Wir schreiben das Jahr 2050

Über die Zukunft der Ökosysteme und die Ökosysteme der Zukunft

„Jede Veränderung beginnt mit einer Vision…“ – so lautet der Titel eines spannenden Exposés von Professor Dr. Michael Weiß, Leiter des Steinbeis-Innovationszentrum Organismische Mykologie und Mikrobiologie. Der Autor geht davon aus, dass die künstliche Trennung der Menschen von den Ökosystemen der Grund für die sich beständig verschlimmernde Biodiversitätskrise und den Verlust vieler Lebensräume weltweit ist. Um hier eine Veränderung zum Guten herbeizuführen, braucht es, seiner Meinung nach, für unsere Kulturlandschaft eine neue Einstellung des Menschen zur „Natur“, in der er sich selbst als mit diesen Ökosystemen verzahnt und von ihnen abhängig begreift.

In seiner Vision 2050, angelegt als Blick zurück auf die Veränderungen der letzten 30 Jahre, beschreibt Weiß Wege und Maßnahmen, wie wir es geschafft haben, unsere Ökosysteme unserer Kulturlandschaften entscheidend zum Besseren zu entwickeln. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Böden als Ökosysteme.

So beschreibt er beispielsweise anschaulich, welche positiven Folgen es hätte, wenn die industrielle Landwirtschaft abgeschafft würde: Durch den Stopp des riesigen Flächenverbrauchs für den Anbau von Futter für Tiere (60 % im Jahr 2020) würde die Landwirtschaft extensiviert: Mit Hecken umsäumte Felder würden die Bodenerosion vermindern, und so der Verlust  fruchtbaren Landes minimiert. Artenreiche Blühstreifen an den Feldsäumen böten Lebensräume für bestäubende Insekten und förderten die Biodiversität.

Nur ein Baustein unter vielen. Weiß spannt den Bogen erheblich weiter, über die positiven Auswirkungen einer konsequent ökologischen Bewirtschaftung unserer Wälder, eine nachhaltige Energiegewinnung, eine Reaktivierung der Moore bis hin zu einer „essbaren Stadt“ ohne automobilen Individualverkehr.

Eine Vision, die Mut macht

Auch wenn es „nur“ eine Vision ist: Die beschriebenen Möglichkeiten, die es zur Entwicklung von gesunden Ökosystemen unserer Kulturlandschaft braucht, sind keine abwegigen Hirngespinste, sondern liegen im Bereich des Machbaren. Die jeweiligen Prozesse und Ökosysteme sind miteinander verflochten und verzahnt. Sie greifen wie kleine Rädchen ineinander, beeinflussen sich gegenseitig positiv und initiieren weitere Veränderungen.

Sein Fazit: „Das zentrale Resultat aus diesen Prozessen? Die breite Einsicht, dass menschliches Leben langfristig nur innerhalb funktionierender Ökosysteme möglich ist“.

Quelle: Prof. dr. Michael Steinbeis (2021): Jede Veränderung beginnt mit einer Vision… , Transfer. Das Steinbeis-Magazin, (letzter Zugriff: 20.04.2022).

Keimling in Erde, Foto: ©totojang197- stock.adobe.com
Foto: ©totojang197- stock.adobe.com

Zum Tod von Josef Göppel

Berlin, 14. April 2022

Erklärung des KNE-Direktors

Zum Tod von Josef Göppel

Die Nachricht vom Tod Josef Göppels (geb. 16. August 1950) erfüllt mich mit Trauer und Bestürzung.

Josef Göppel war einer der großen konservativen Umweltaktivisten Deutschlands, dessen unermüdliches Engagement eine Inspiration für viele umweltbewegte Menschen aller Generationen war. Ich habe ihn als warmherzigen, fordernden, vor Ideen sprühenden, äußerst fachkundigen, durchsetzungsstarken und unbeugsamen, aber kompromissbereiten Politiker und Aktivisten erlebt.

In den Koalitionsverhandlungen des Jahres 2013 gehörte Josef Göppel zu denen, die der Idee eines Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende zum Durchbruch verhalfen.

Bis in die letzten Lebenstage hinein blieb Josef Göppel seinen Themen verpflichtet: Naturschutz, Landschaftspflege und den erneuerbaren Energien. Als Energiebeauftragter für Afrika des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit setzte er sich für die Förderung von Solarinitiativen und Solarunternehmen in den ländlichen Räumen Afrikas ein.

Seine Wählerinnen und Wähler haben ihm seine Authentizität in seiner politisch aktiven Zeit gelohnt, er erhielt immer ein besseres Erststimmenergebnis als seine Partei Zweitstimmen.

Er war ein wichtiger Brückenbauer, der konservative Wählerschaften anschlussfähig machte für die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit.

Solche wie Josef Göppel fehlen schmerzhaft.

Persönlich und auch im Namen des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende verbeuge ich mich vor dem Lebenswerk Josef Göppels.

Dr. Torsten Raynal-Ehrke

Josef Göppel
Foto: Maria Rita Wenk

KNE-Beirat: Spannungsfeld zwischen Windenergie und Artenschutz auflösen!

Berlin, 8. April 2022

Spannungsfeld zwischen Windenergie und Artenschutz auflösen!

KNE-Beirat diskutierte die aktuellen Herausforderungen einer naturverträglichen Energiewende

Heute kam der KNE-Beirat zu seiner 14. Sitzung zusammen. im Mittelpunkt stand das Eckpunktepapier des Bundesumwelt- und des Bundes-Wirtschafts- und Klimaschutz-Ministeriums zur „Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land“.

Herzlich begrüßt wurde der neue Parlamentarische Staatssekretär des Bundesumweltministeriums Christian Kühn, der erstmals Gast des Beirates war und dessen Keynote – wenige Tage nach Veröffentlichung des Eckpunktepapiers – mit Spannung erwartet wurde. Kühn führte unter anderem aus:

„Das Spannungsfeld zwischen dem Ausbau der Windenergie an Land und dem Artenschutz kann gelöst werden, indem der Ausbau schon auf der Planungsebene klug gesteuert wird. Dadurch können bereits frühzeitig die richtigen Weichen gestellt und konfliktarme Flächen identifiziert werden. Hierdurch wird auch der Prüfaufwand für den Artenschutz durch die Genehmigungsbehörden verringert und Genehmigungsverfahren werden beschleunigt. Die geplanten Standardisierungen und Konkretisierungen von Arten, Abständen, artspezifischen Vermeidungsmaßnahmen sollen die artenschutzrechtliche Prüfung einerseits durch den Betreiber wie auch durch die Behörde im Rahmen der Genehmigung klarer und berechenbarer machen, erleichtern und dadurch beschleunigen.“

KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke begrüßte in seiner Rede vor dem Gremium das Eckpunktepapier. Die Diskussion zu Windenergie und Artenschutz erhalte dadurch die notwendige Dynamik und Klarheit. Er erklärte

„Weder der Windenergieausbau noch der Artenschutz können pausieren. Auch wenn der Artenschutz nicht das Haupthemmnis des stockenden Windenergieausbaus ist, bestehen auch hier Potenziale zur Beschleunigung des Windenergieausbaus und im besten Fall zu einer gleichzeitigen Verbesserung der biologischen Vielfalt. Die Debatte, wie das gelingen kann, muss ernsthaft und zielorientiert geführt werden. Das KNE wird sich aktiv in die fachliche Untersetzung der vorliegenden Regelungsvorschläge einbringen, damit der Windenergieausbau tatsächlich seinen Beitrag zur Stärkung des Artenschutzes leistet.“

In diesem Sinne werde das KNE auch weiterhin den vertrauensvollen Dialog unter den verschiedenen Akteuren der naturverträglichen Energiewende fördern und intensivieren.

Wechsel im Beirat

Mit großem und herzlichem Dank für ihr langjähriges Engagement im Beirat wurden Dr. Herrmann Hüwels (Deutsche Industrie- und Handelskammer, DIHK) und Uwe Jansen (Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft Hamburg) verabschiedet, die in den Ruhestand getreten sind. Als neue Mitglieder begrüßte der Beirat in seiner Mitte Dr. Sebastian Bolay (DIHK) und Michael Hormann (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz).

Der KNE-Beirat ist ein auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages der KNE gGmbH eingerichtetes Beratungsgremium. In regelmäßigen Treffen lassen sich seine Mitglieder aus Naturschutz, Energiewirtschaft, Ländern und Kommunen sowie aus Wissenschaft und Forschung über die Arbeit des KNE berichten und beraten die Geschäftsführung bei der Erreichung der fachlichen und strategischen Ziele der Gesellschaft.

Gruppenfoto der Sitzung des 14. KNE-Beirats

Zum Grundsatz des „überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit“

Berlin, 8. April 2022

KNE-Wortmeldung

Zum Grundsatz des „überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit“

Die geplante Neuregelung des § 2 des EEG

„Herzstück“ des Energiesofortmaßnahmenpakets des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – so das BMWK in seiner Zusammenfassung der Kerninhalte des Pakets – ist die Verankerung des Grundsatzes, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll einen neuen § 2 erhalten, mit der Überschrift „Besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien“, sein Inhalt soll lauten:

„Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Satz 2 gilt nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung.“

Eine Regelung zum Vorrang von Anlagen erneuerbarer Energien aufgrund des öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit war bereits im Entwurf für die EEG-Novelle 2021 vorgesehen gewesen, wurde aber in den parlamentarischen Beratungen wieder gestrichen.

§ 2 EEG soll, laut dem Gesetzesentwurf, bereits mit der Verkündung des Gesetzes, und nicht erst nach der beihilferechtlichen Notifizierung (Genehmigung) des Gesetzes durch die EU-Kommission in Kraft treten. Hieran wird deutlich, dass die Bundesregierung dem neuen Grundsatz ein beachtliches Beschleunigungspotenzial für den Ausbau der erneuerbaren Energien beimisst. Der Paragraf selbst ist kompakt gehalten, die für seine Anwendung wesentlichen Erläuterungen finden sich in der Gesetzesbegründung.

Wen betrifft die Einführung dieses Grundsatzes?

Die Regelung hat nach KNE-Einschätzung zunächst klarstellenden Charakter. Zumeist werden Anlagen der erneuerbaren Energien von Unternehmen errichtet und dienen damit privatnützigen Interessen (Gewinnerzielungsabsicht). Gleichzeitig tragen sie aber zur Erreichung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung sowie der Klimaschutzziele Deutschlands und der Europäischen Union bei, dienen insofern auch einem übergeordneten öffentlichen Interesse. Der neue § 2 bekräftigt daher, dass die nachhaltige Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien einem überragenden öffentlichen Interesse dient.

Aus dem überragenden öffentlichen Interesse und dem Umstand, dass die Anlagen der erneuerbaren Energien der öffentlichen Sicherheit dienen, werden sodann rechtliche Implikationen abgeleitet. Staatliche Behörden haben dieses überragende öffentliche Interesse bei der Abwägung mit anderen Rechtsgütern zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Norm überhaupt nur dort Bedeutung erlangt, wo eine behördliche Abwägung durchzuführen ist. Laut der Gesetzesbegründung soll sie insbesondere bei der Windenergie an Land greifen, da hier aufgrund knapper Flächen die Ausbauziele nicht erreicht werden – mithin soll die Regelung der Windenergie zu mehr Flächen verhelfen.

Die Regelung ist zeitlich begrenzt. Sie räumt dem Ausbau der erneuerbaren Energien, bis die Stromerzeugung nahezu treibhausgasneutral gelingt, in behördlichen Schutzgüterabwägungen einen Vorrang ein.

Welche Abwägungsentscheidungen sind vom Grundsatz betroffen?

Als Abwägungsentscheidungen werden in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannt die Belange

  • von seismologischen Stationen,
  • Radaranlagen,
  • Wasserschutzgebieten,
  • des Landschaftsbildes,
  • Denkmalschutzes,
  • Forstrechts,
  • Immissionsschutzrechts,
  • Naturschutzrechts,
  • Baurechts und
  • Straßenrechts.

Damit zielt die Regelung darauf ab, in den Abwägungsentscheidungen aus anderen Rechtsbereichen, deren Ausdifferenzierung in den jeweiligen Fachgesetzen aufzufinden ist, eine grundsätzliche Priorisierung zugunsten der erneuerbaren Energien zu erreichen.

Wie stark ist die rechtliche Wirkung des Grundsatzes?

Hier ist zunächst die Frage zu beantworten, inwieweit das EEG überhaupt in gleichrangige Gesetze „hineinregeln“ kann, beziehungsweise inwieweit die Abwägungsregelungen der Fachgesetze als „speziellere Norm“ (lex-specialis-Grundsatz) den Regelungen des EEG vorgehen.

Könnte der neue § 2 EEG eventuell ins Leere laufen?

Ausgehend von der skizzierten Normenhierarchie kann die bloß „einseitige“ Festlegung im EEG nach KNE-Auffassung die Abwägungsentscheidungen in anderen Fachgesetzen nicht abschließend beeinflussen. Ändern würde sich jedoch das Gewicht des abzuwägenden Arguments. Letztlich wird aus rechtlicher Sicht auch hier abzuwarten sein, wie die Gerichte die Regelung auslegen.

Will der Gesetzgeber dieser rechtlichen Unsicherheit entgehen oder zumindest entgegenwirken, müsste der Vorrang der erneuerbaren Energien auch in den jeweiligen Fachgesetzen oder auf höherrangiger gesetzlicher Ebene entsprechend verankert werden.

Zudem: Für jene Abwägungsregelungen, die auf europäischem Recht fußen, bleiben die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes maßgeblich. Eine nationale Regelung vermag europarechtliche Vorgaben nicht zu überwinden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die EU-Vogelschutzrichtlinie relevant, die gar keine Abwägungsentscheidung aufgrund überragenden öffentlichen Interesses vorsieht. Für die Vogelschutzrichtlinie fehlt damit ein substanzieller Anknüpfungspunkt, um eine Abwägung zugunsten der erneuerbaren Energien aufgrund eines überragenden öffentlichen Interesses vorzunehmen.

Andererseits bietet die Vogelschutzrichtlinie aber die Möglichkeit der Abwägung der Belange des Vogelschutzes mit dem „Interesse der öffentlichen Sicherheit“. Hierzu liegt bereits eine KNE-Einordnung vor: Dienen Windräder der öffentlichen Sicherheit? Eine europarechtliche Einordnung – Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende. Das Interesse der öffentlichen Sicherheit hat aufgrund der sicherheitsrelevanten Bedeutung der Energieversorgungssouveränität enorm an Gewicht gewonnen.

Welche Auswirkungen hat der Grundsatz auf das besondere Artenschutzrecht?

Im Hinblick auf das besondere Artenschutzrecht ist die neue Regelung im EEG in zweifacher Hinsicht zu betrachten. Zunächst ist festzuhalten, dass im Bereich des vorhabenbezogenen Artenschutzes eine Abwägung nur in Betracht kommt, wenn eine Ausnahme von einem artenschutzrechtlichen Verbot erteilt wird.

Verbotsebene

Die „Verbotsebene“ indes lässt keinen Raum für eine Abwägung, das heißt, die artenschutzrechtlichen Verbote können nicht mit Verweis auf ein übergeordnetes öffentliches Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien oder auf das Interesse der öffentlichen Sicherheit überwunden werden. Dies haben wir in einer früheren KNE-Wortmeldung bereits ausgeführt: Wird die Ausnahme jetzt zur Regel? Was bedeutet es, wenn erneuerbare Energien im Interesse der öffentlichen Sicherheit liegen?

Ausnahmeebene

Die Ausnahme wiederum ist an verschiedene Voraussetzungen (Ausnahmegrund, Alternativenprüfung und Nichtverschlechterung des Erhaltungszustandes) gebunden, die kumulativ vorliegen müssen. Der Vorrang der erneuerbaren Energien allein kann nicht genügen, um die rechtlichen Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahme zu erfüllen.

Zudem: In der Gesetzesbegründung ist – wenn auch etwas verklausuliert – festgehalten, dass andere Schutzgüter sich durchaus gegenüber den erneuerbaren Energien durchsetzen können und hier gerade kein absoluter Automatismus für einen Vorrang der erneuerbaren Energien geregelt wurde. Die relevante Passage lautet:

„Konkret sollen die erneuerbaren Energien damit im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u. a. gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht nur in Ausnahmefällen überwunden werden.“

Die Neuregelung des § 2 EEG kommt damit einer widerlegbaren Regelvermutung gleich. In dem Sinne, dass die erneuerbaren Energien grundsätzlich in der Abwägung überwiegen sollen, hiergegen aber auch Gründe angeführt werden können, die zu einem Unterliegen der erneuerbaren Energien in der Abwägung führen können.

Ein denkbarer Fall, im Hinblick auf den Artenschutz, wäre die Betroffenheit von Exemplaren besonders geschützter und besonders seltener Arten, deren Verlust bereits populationsgefährdende Wirkung haben könnte. In einem solchen Fall würde das Schutzgut Artenschutz in der Abwägung stark zu gewichten sein und sich gegenüber dem öffentlichen Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien durchsetzen können. Ein entsprechender Nachweis über die außergewöhnliche Betroffenheit müsste allerdings – aufgrund der rechtlichen Konstruktion als Regelvermutung – für den Artenschutz erbracht werden.

Wie wirkt sich der Grundsatz auf baurechtliche Vorschriften aus?

Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der geplante § 2 EEG auch bei der Außenbereichsprivilegierung eine zentrale Rolle spielen. Es heißt dort:

„Besonders im planungsrechtlichen Außenbereich, wenn keine Ausschlussplanung erfolgt ist, muss dem Vorrang der erneuerbaren Energien bei der Schutzgüterabwägung Rechnung getragen werden. Öffentliche Interessen können in diesem Fall den erneuerbaren Energien als wesentlicher Teil des Klimaschutzgebotes nur dann entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Artikel 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind oder einen gleichwertigen Rang besitzen.“

Die Windenergie soll sich hiernach im Außenbereich gerade dann durchsetzen, wenn keine Ausschlussplanung erfolgt ist, sprich, wenn keine Flächen für die Windenergie ausgewiesen und gleichzeitig andere Flächen von der Windenergie freigehalten wurden. Zusätzlich zur Privilegierung im Außenbereich soll die Windenergie in einem solchen Fall auch in der baurechtlichen Abwägung etwaige entgegenstehende öffentliche Belange grundsätzlich überwinden. Eine Ausnahme gilt allerdings für diejenigen Belange, die verfassungsrechtlichen Rang haben bzw. gesetzlich geschützt sind. Der Erhalt der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten fallen unter den Begriff der natürlichen Lebensgrundlagen, die durch Art. 20a Grundgesetz geschützt werden und können daher als Schutzgüter mit Verfassungsrang der Privilegierung im Außenbereich auch weiterhin entgegenstehen.

Eine privilegierte Zulassung von Windenergieanlagen im Außenbereich, die durch einen Vorrang der erneuerbaren Energien in der Schutzgüterabwägung zusätzlich verstärkt würde, könnte zu einer Diffusion der Anlagen über größere Bereiche führen. Eine solche Streuung würde mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch zu einer Steigerung der artenschutzrechtlichen Konflikte führen.

Aus Sicht des Artenschutzes wird eine Bündelung von Windenergieanlagen an möglichst konfliktarmen Standorten daher stets zu favorisieren sein. Innerhalb von Vorranggebieten für Windenergieanlagen ist die Abwägungspriorisierung des geplanten § 2 EEG daher auch aus Sicht des Natur- und Artenschutzes eher zu vertreten als im unbeplanten Außenbereich.

Fazit

Aus Artenschutzsicht ist die neue Regelung – gerade auch im Kontext der aktuellen energiepolitischen Herausforderungen – nicht zu beanstanden.

Die Regelung bezieht sich auf eine Vielzahl von Abwägungsentscheidungen aus unterschiedlichen Rechtsbereichen und nimmt damit auch verschiedenste Belange in den Blick. Auf diese Weise können auch die anderen, in der Gesetzesbegründung beispielhaft aufgezählten Belange durch den Vorrang der erneuerbaren Energien überwunden werden und so weitere Flächen, insbesondere für den Windenergieausbau, erschlossen werden. Hierdurch kann der Flächendruck insgesamt vermindert werden, damit auch der Druck auf artenschutzrechtlich konfliktträchtige Flächen.

Wichtig bleibt: Gewichtige Belange des Artenschutzes müssen sich auch weiterhin in der Schutzgüterabwägung durchsetzen können. Denn nur so können beide Krisen – Klima- und Biodiversitätskrise – gelöst werden.

Fachkontakt
Dr. Silke Christiansen, LL.M.
Leiterin Recht
silke.christiansen@naturschutz-energiewende.de
+49 30 7673738-21

Internationaler Austausch zu Auswirkungen der Windenergie auf wildlebende Arten

Berlin, 7. April 2022

Internationaler Austausch zu Auswirkungen der Windenergie auf wildlebende Arten

Dr. Elke Bruns, Leiterin der KNE-Fachinformation, nahm für uns auch in diesem Jahr an der CWW, der „Conference on Wind energy and Wildlife impacts“ teil – DIE Fachmesse rund um das Themenfeld „Auswirkungen der Windenergie auf wildlebende Arten“. Die sechste CWW – mit über 400 Teilnehmenden aus 35 Ländern – fand in den Niederlanden, in Egmond aan Zee, statt.

Im Programm nahm das Thema Offshore einen größeren Raum ein. Aber auch im Bereich der Windenergie an Land wurden unterschiedlichste Themen beleuchtet, wie beispielsweise der Umgang mit Prognoseunsicherheiten bei der Bestimmung von Kollisionsrisiken für Fledermäuse. Der Einsatz technischer Systeme zur Detektion, zum Monitoring, zur Auslösung von Vergrämungssignalen und zur bedarfsgerechten Abschaltung von Windenergieanlagen ist aus dem Spektrum der bei der CWW diskutierten Vermeidungsmaßnahmen nicht mehr wegzudenken und spielt zunehmend eine wichtige Rolle.

Zahlreiche Entwickler von Antikollisionssystemen gaben auf der Konferenz einen Überblick über die unterschiedlichen Systeme zur automatisierten Vergrämung oder Abschaltung. Mit ihnen tauschte sich Bruns über den Entwicklungsfortgang von Kamera- und Radarsystemen, über Einsatzmöglichkeiten und Anforderungen an die Vermeidungswirksamkeit aus.

Schließlich bot die Konferenz noch einen Überblick über die Windenergie in Asien, Indien und Afrika. Dort müssen beispielsweise rechtliche Rahmenbedingungen und fachliche Standards noch implementiert werden.

Leuchtturm in Egmond an Zee

Foto: bert knottenbeld, lighthouse egmond aan zee, flickr.com.