Aktuelles aus Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt

Berlin, 24. Februar 2022

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 02/22

Aktuelles aus Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Baden-Württemberg

Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat auf Drucksache 17/1421 auf Antrag der Fraktion GRÜNE eine umfangreiche Stellungnahme zur Situation des Auerhuhns in Baden-Württemberg abgegeben. Im Schwarzwald gebe es seit 2013 einen deutlich negativen Trend sowohl bei der Populationsgröße als auch beim Verbreitungsgebiet des Auerhuhns. 2002 seien noch 303 balzende Hähne gezählt worden, 2021 nur noch 114 Exemplare. Die Art gelte bundesweit als vom Aussterben bedroht. Zirka 500 Auerhühner würden als Mindestanzahl einer überlebensfähigen Population gelten. Das MELV wolle daher mit einem Maßnahmenplan zeitnah und entschlossen handeln und zumindest eine Trendumkehr bewirken. Das Auerhuhn sei auch direkt vom Klimawandel betroffen. Die zunehmend kürzeren Winter führten zu einer Änderung der Reproduktionszeit, das geänderte Wetter beeinflusse den Reproduktionserfolg. Die Behauptung, die Klimaerwärmung führe zum Aussterben des Auerhuhns im Schwarzwald, könne aber nicht bestätigt werden. Wichtig für die Überlebensfähigkeit des Auerhuhns im Schwarzwald sei die Förderung des genetischen Austausches zwischen den Teilpopulationen, da der Genfluss abgenommen habe, möglicherweise durch eine qualitative Verschlechterung der Verbundkorridore.

Sachsen-Anhalt

Die sachsen-anhaltische Landesregierung hat auf Drucksache 8/656 eine dringliche Anfrage zum Einsatz von BirdScan im Windpark Osterburg schriftlich beantwortet. Sie weist darauf hin, dass der Betrieb der Pilotanlage, das Projekt und die Auswertung der Daten nicht durch die Landesregierung oder eine Landesbehörde veranlasst wurden. Das Radarsystem kann nach Aussage des Projektträgers Großvögel wie Rotmilan, Storch und Adler erkennen und klassifizieren. Zu den Ergebnissen führt der Projektträger aus: „Beim Rotmilan konnte eine Erfassungsrate von bis zu 86 % bei einer Reichweite von 1.200 m, und eine Klassifikationsrate von bis zu 85 % erreicht werden. Für den Mäusebussard lag die Erfassungsrate bei bis zu 74,3 % (bis 1.050 m) und die Klassifikationsrate bei bis zu 91 %. Dabei liegt die Falsch-Positivrate bzw. Fehlerquote bei ca. 2 %. Schlagopfer an den Windenergieanlagen konnten im gesamten Untersuchungszeitraum nicht festgestellt werden.“ Zu den Abschaltungen führt er aus: „2020 gab es während der Anwesenheitszeit der Zielarten (Anfang März bis Ende Oktober) ca. 0-14 Abschaltungen pro Tag pro WEA. Im Jahr 2020 gab es somit im Windpark Osterburg einen Ertragsausfall von ca. 3,4 % des Jahresertrags einer WEA.“

Sachsen

Das sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft hat eine Karte potenzieller Flächen nach der Photovoltaik-Freiflächenverordnung ins Netz gestellt. Die landwirtschaftlich benachteiligten Gebiete, in denen Freiflächen-Solaranlagen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden können, sind damit für Eigentümer, Planungsbüros und Kommunen online einsehbar. Potenzielle Flächen werden im Geoportal Sachsenatlas flurstückgenau dargestellt. Die Geodaten werden unter anderem in den Formaten WMS (Rasterdaten) und WFS (Vektordaten) zur Einbindung in ein Geoinformationssystem bereitgestellt. Weitere Layer können über den Reiter »Karteninhalt« ausgewählt und eingeblendet werden. Die Sächsische Photovoltaik-Freiflächenverordnung ist seit September 2021 in Kraft. Mit ihr wurde die Gebietskulisse für Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit möglicher EEG-Förderung ausgeweitet. Sie betrifft benachteiligte, landwirtschaftlich als Acker- oder Grünland genutzte Flächen abzüglich des Nationalparks sowie von Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten. Die Gemeinden können am Ertrag der Freiflächenanlagen auf ihrem Gebiet finanziell beteiligt werden.

Arten- und Naturschutz und Windenergie an Land: Übersicht zu Erlassen und Leitfäden der Länder

Berlin, 22. Februar 2022

Arten- und Naturschutz und Windenergie an Land: Übersicht zu Erlassen und Leitfäden der Länder

Die Länder erstellen in Form von Erlassen und Leitfäden landesspezifische Handreichungen zu Artenschutz und Windenergie. Diese Handreichungen sind sowohl für die zuständigen Behörden als auch für die Projektierer und die Gutachterbüros wichtige Orientierungshilfen zum Umgang mit artenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Planung und Genehmigung von Windenergievorhaben.

Auf Grundlage eines Beschlusses der Umweltministerkonferenz (UMK) vom 11. Dezember 2020 sind derzeit alle Länder gehalten, ihre Artenschutzleitfäden zu überprüfen und gegebenfalls bis Herbst 2022 an den von der UMK beschlossenen Signifikanzrahmen anzupassen. Somit laufen derzeit in mehreren Ländern Prozesse zu Leitfaden-Fortschreibungen, in weiteren Ländern sind diese geplant und in wenigen bereits abgeschlossen. Dieser Prozess läuft derzeit unabhängig davon, dass von der aktuellen Bundesregierung eine bundesweite Standardisierung und Vereinheitlichung der artenschutzrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der Windenegie beabsichtigt ist.

Das KNE hat auf Grundlage einer Abfrage bei allen Ländern die bestehende Übersicht zu den aktuellen Erlassen und Leitfäden zu Natur- und Artenschutz und Windenergie sowie zum Stand der laufenden Fortschreibungsaktivitäten grundlegend aktualisiert. Gegenüber der Vorläuferfassung aus dem Frühjahr 2021 wurden fast 30 Aktualisierungen vorgenommen.

Die Übersicht wird fortlaufend aktualisiert. Der jeweilige Stand der Information ist dem PDF zu entnehmen.

Fachkontakt und Hinweise zur Aktualisierung an
Holger Ohlenburg
Referent naturverträgliche Windenergie
holger.ohlenburg@naturschutz-energiewende.de
030-7673738-22

Gefährdung junger Rauhautfledermäuse an Windenergieanlagen

Berlin, 18. Februar 2022

KNE-Lesetipp

Gefährdung junger Rauhautfledermäuse an Windenergieanlagen

Kruszynski, C., Bailey, L. D., Bach, L., Bach, P., Fritze, M., Lindecke, O., Teige, T., Voigt, C. C. (2021): High vulnerability of juvenile Nathusius’ pipistrelle bats (Pipistrellus nathusii) at wind turbines.

Aufgrund neuer Forschungserkenntnisse zur Mortalität von Rauhautfledermäusen an Windenergieanlagen empfehlen Forscherinnen und Forscher unter anderem, saisonale witterungs- und aktivitätsabhängige Abschaltzeiten zum Fledermausschutz anzuwenden – und das möglichst europaweit.

Die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) gilt aufgrund ihres Flugverhaltens im freien Luftraum und aufgrund ihres Zugverhaltens über sehr lange Distanzen als Art mit einem erhöhten Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen (WEA). Sowohl in Deutschland als auch europaweit liegt sie auf Platz zwei der am häufigsten unter WEA gefundenen und in der Kollisionsopferdatenbank des LfU Brandenburg registrierten Fledermausarten.

Kerninhalte der Studie

Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchten Daten von etwa 650 Rauhautfledermäusen aus der Küstenregion Nordwestdeutschlands und Ostdeutschlands während der sommerlichen Wanderungszeit. Darunter waren 524 Individuen aus lokalen Beständen, die in Netzen gefangen oder in Fledermauskästen erfasst wurden, und 119 Kollisionsopfer, die aus Funden zurückliegender Jahre stammten und die tiefgefroren beim LfU Brandenburg bzw. bei der Universität Halle-Wittenberg lagerten. Bei allen Tieren wertete das Forschungsteam Daten zu deren Geschlecht, Alter und geografischer Herkunft über die Analyse von Wasserstoffisotopen in Fellproben aus. Dadurch konnten entsprechende Kollisionswahrscheinlichkeiten an Windenergieanlagen ermittelt werden.

Erkenntnisse

Es zeigte sich, dass die lokale beziehungsweise baltisch-russische Herkunft der Tiere keinen Einfluss auf die Kollisionswahrscheinlichkeit hatte. In Gebieten mit niedriger Dichte an WEA – in Wäldern und mit Gewässern – wurden jedoch mehr junge Rauhautfledermäuse als Kollisionsopfer gefunden, als aufgrund ihrer Häufigkeit in den lokalen Beständen zu erwarten gewesen wären. Wälder sind für die Rauhautfledermaus zentrale Gebiete für Paarung und Wochenstuben, Gewässer und Wälder sind wichtige Jagdhabitate.

In Gebieten mit hoher Windenergieanlagen-Dichte, zum Beispiel in Küstenregionen, entsprach das Verhältnis an Kollisionsopfern sowohl alters- als auch geschlechtsbezogen dem relativen Vorkommen in der lokalen Lebendpopulation. Aufgrund des höheren Anteils an weiblichen Tieren darin waren mehr Kollisionsopfer weiblichen Geschlechts.

Die Forscherinnen und Forscher befürchten insbesondere, dass die überproportionale Häufigkeit junger Rauhautfledermäuse als Kollisionsopfer die natürliche Alterspyramide verändern und sich damit langfristig negativ auf die Populationsentwicklung auswirken könnte. Zudem könne es zu einem verminderten Anpassungsvermögen der Art an die Auswirkungen des Klimawandels kommen. Auch der höhere Anteil an getöteten Weibchen könne möglicherweise populationsrelevante Auswirkungen haben. Vorsorglich empfehlen die Forscherinnen und Forscher, für die Art besonders wertvolle Waldgebiete mit großen Wasserflächen von Windenergievorhaben freizuhalten sowie saisonale Abschaltzeiten in den Nachtstunden bei für Fledermäuse günstiger Witterung.

Einordnung

Entsprechende anlagen- und standortspezifische Abschaltalgorithmen zum Fledermausschutz werden bei aktuellen Windenergievorhaben in Deutschland mittlerweile weitestgehend standardmäßig angewendet. Eine von den Forschenden in einer Pressemitteilung empfohlenen Anwendung derartiger Schutzmaßnahmen auch in anderen Ländern Europas, in denen eine Energiewende mittels Windenergie vorangetrieben wird, erscheint aus Sicht des KNE sinnvoll. Laut den Entwicklern der – im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte des Bundesamtes für Naturschutz entwickelten – Software ProBat ist eine Anwendung der Software auch in anderen Ländern Mitteleuropas möglich (vgl. FAQs zu Probat). Bereits seit Version 6 ist die Software in der Lage, die Rauhautfledermaus differenziert zu berücksichtigen. Auch die Freihaltung von Waldflächen mit besonders altem Baumbestand ist ein Beitrag zu einer naturverträglichen Windenergienutzung (vgl. KNE 2021).

Die Lektüre des englischsprachigen Artikels ermöglicht einen vertieften Einblick in die herangezogenen Daten, die angewendeten Methoden und die daraus gezogenen Erkenntnisse.

Quelle: Kruszynski, C., Bailey, L. D., Bach, L., Bach, P., Fritze, M., Lindecke, O., Teige, T., Voigt, C. C. (2021): High vulnerability of juvenile Nathusius’ pipistrelle bats (Pipistrellus nathusii) at wind turbines. DOI: 10.1002/eap.2513. Ecological Applications. 35 S.

Rauhautfledermaus im Flug, Pipistrellus nathusii, Nathusius pipistrelle in flight, Pipistrelle a Nathusius
Rauhautfledermaus im Flug, Foto: Dietmar Nill.

Ergebnisse der Veranstaltung „Artenschutz in Solarparks“

Berlin, 11. Februar 2022

Ergebnisse der Veranstaltung „Artenschutz in Solarparks“

Mit einer intensiven Debatte fand die digitale Veranstaltung am 10. Februar für kommunale Akteure einen sehr positiven Ausklang. Anlass für die Diskussionsrunde war die Vorstellung der neuen KNE-Broschüre „Wie Sie den Artenschutz in Solarparks optimieren – Hinweise zum Vorgehen für kommunale Akteure“. Die hohe Beteiligung daran macht Hoffnung, dass sich die Kommunen aktiv mit Artenschutz in Solarparks auseinandersetzen wollen und werden.

Bei lediglich 30 Prozent der anwesenden Kommunen sind Solarparks derzeit noch kein großes Thema. In den Kommunen der anderen Teilnehmenden der Veranstaltung gibt es dagegen schon Solarparks, beziehungsweise es liegen bereits zahlreiche Anträge vor. Nur etwa 40 Prozent der Befragten gaben an, dass der Bau von Solarparks bei ihnen recht „geräuschlos“ verläuft. Bei den anderen 60 Prozent ist er dagegen eher umstritten. Das lässt darauf schließen, dass der Ausbau von Solarparks ein Thema ist, das vor Ort unter den Nägeln brennt und in absehbarer Zukunft wahrscheinlich noch bedeutender werden wird. Die Gelegenheit zum Nachfragen und zum Gedankenaustausch wurde daher rege genutzt.

Kommunen teilten eigene Erfahrungen und berichteten, wie sie als Gemeinde vorgegangen sind und ganz konkret den Ausbau von Solarparks in naturverträgliche Bahnen lenkten. Es gab viele interessierte Rückfragen beispielsweise zu Kriterien guter Gestaltung (z. B. Zäune, Modulreihenabstand, Entwicklung von Lebensräumen für bestimmte Tierarten), zu Anforderungen an Floating- oder Agri-PV sowie zu Umsetzung und zum Erfolg von Ausgleichsmaßnahmen. Es zeigte sich, dass etwa 80 Prozent der Anwesenden die vorgestellten Maßnahmen als in ihren Kommunen umsetzbar einschätzten.

Angespornt durch die große Resonanz wird das KNE auf jeden Fall am Thema bleiben, dazu weiter fachlich arbeiten und auch weiterhin Austauschangebote machen.

Weitere Aktivitäten und Informationen zum Thema Photovoltaik

Fachkontakt

Dr. Elke Bruns
Leiterin Fachinformation
elke.bruns@naturschutz-energiewende.de
+49 30 7673738-20

Solarpark mit roter Blume

Bundesregierung fördert Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik

Berlin, 10. Februar 2022

Bundesregierung fördert Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik

Ausbau soll an Naturschutzkriterien gekoppelt werden.

Eckpunktepapier von BMWK, BMUV und BMEL verweist bei Auswahl der Naturschutzkriterien auf Veröffentlichungen des KNE.

Ein deutlicher Ausbau der Photovoltaik ist auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität unerlässlich. Im gemeinsamen Eckpunktepapier von Bundeswirtschafts-, Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium setzen die Ministerien dabei auf eine Koppelung des PV-Ausbaus an Naturschutzkriterien. Dabei wird auf Veröffentlichungen des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) verwiesen.

„Wir begrüßen das Eckpunktepapier und das damit verbundene Bekenntnis zum naturverträglichen Ausbau der Photovoltaik in der Freifläche ausdrücklich“, sagt Dr. Torsten Raynal-Ehrke, Direktor des KNE. „Es ist eine historische Chance, bei der Erschließung neuer Flächenkategorien für den Erneuerbare-Energien-Ausbau von Beginn an auch den Natur- und Artenschutz mitzudenken und zu fördern, denn nur so können wir Klima- und Biodiversitätskrise gleichermaßen bekämpfen.“ Dass das Eckpunktepapier auf Veröffentlichungen des KNE Bezug nehme, sei für das KNE-Team  Ansporn, mit seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner Beratungstätigkeit in der Energiewende  weiterhin wirksam zur Sicherung der unverzichtbaren Ansprüche des Artenschutzes beizutragen.

Das KNE hat 2021 „Kriterien für eine naturverträgliche Gestaltung von Solar-Freiflächenanlagen“ zusammengestellt, die allen Akteuren eine gute Hilfestellung beim Ausbau geben. Große Bedeutung kommt auch der Standortwahl von Solar-Freiflächenanlagen zu. Das KNE hat dazu die Übersicht „Kriterien für eine naturverträgliche Standortwahl von Solar-Freiflächenanlagen“ erstellt. Darüber hinaus haben Kommunen viele Möglichkeiten zur Vereinbarung mit den Projektierern, um die vorher oft intensiv genutzten oder versiegelten Flächen ökologisch erheblich aufzuwerten. Einen Überblick hierzu gibt die neue KNE-Broschüre „Wie Sie den Artenschutz in Solarparks optimieren“.

Alle aktuellen Ausarbeitungen des KNE finden Sie auch auf unserer Startseite.

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Mit Beratungsanliegen können Sie sich jederzeit wenden an: anliegen@naturschutz-energiewende.de, für weitere Rückfragen

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Photovoltaik und Landwirtschaft, Foto: ©jeson - stock.adobe.com
Foto: ©jeson - stock.adobe.com

Wortmeldung zum Flächenbedarf der Windenergie

Berlin, 10. Februar 2022

KNE-Wortmeldung

Zum Flächenbedarf der Windenergie

Was bedeutet „zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie“? Wie viele Anlagen sind darauf realisierbar? Welchen tatsächlichen Raumbedarf haben die Anlagen, und wie verteilen sie sich? Wie viel Fläche wird tatsächlich versiegelt und wie viel kann unverändert weiter genutzt werden?

Die neue Bundesregierung hat sich vorgenommen, zwei Prozent der Fläche Deutschlands für die Windenergienutzung planerisch zu „reservieren“ und dies gesetzlich zu verankern, ausgewiesen sind bisher 0,8 Prozent. Mit den avisierten zwei Prozent soll erreicht werden, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von jetzt 40 auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu verdoppeln. So steht es auch im Koalitionsvertrag und in der Eröffnungsbilanz Klimaschutz von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Dazu müssen Windenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt mehr als 100 Gigawatt in Betrieb sein, folglich in den kommenden neun Jahren also Anlagen mit rund 70 Gigawatt Gesamtleistung an Land neu errichtet werden.

Mitunter bestehen Unklarheiten darüber, welche Faktoren die Platzierung von Windenergieanlagen auf der Fläche und die Ausnutzung dieser beeinflussen, welchen Raumbedarf die einzelne Anlage hat, und ob zwei Prozent der Fläche Deutschlands für die geplanten Ausbauziele der Windenergie ausreichen werden. Dies veranlasst uns zu einer Prüfung auf Grundlage aktueller Zahlen.

Was bedeutet „zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie“?
Wie viele Anlagen mit welcher Leistung sind dort realisierbar?

Zwei Prozent der Landesfläche Deutschlands entsprechen einem Flächenumfang von rund 715.000 Hektar. Im Vergleich mit den deutschen Siedlungs- und Verkehrsflächen, die nach der offiziellen amtlichen Flächenstatistik für das Jahr 2020 14 Prozent bzw. über fünf Millionen Hektar ausmachen, ist dies deutlich weniger. Die zwei Prozent umfassen zunächst auch nur die Flächenkulisse, in der die Windenergieanlagen (WEA) stehen sollen, nicht die durch die WEA tatsächlich in Anspruch genommene Fläche.

Wie viele WEA mit welcher Gesamtleistung auf gut 700.000 Hektar realisiert werden können, hängt grundsätzlich davon ab, wie „dicht“ die Anlagen gestellt werden können. Einerseits müssen sie einen gewissen Abstand zueinander einhalten, um Turbulenzen zu minimieren, welche eine erhöhte Materialbeanspruchung und einen höheren Verschleiß von „im Lee“ stehenden Anlagen mit sich bringen würden. Auch hersteller- und anlagentypspezifische Vorgaben zur Standsicherheit sind zu berücksichtigen. Andererseits sind die Abstände auch so zu wählen, dass Verschattungseffekte und gegenseitiger „Windklau“ minimiert werden, die zu geringeren Wirkungsgraden und damit zu Ertragseinbußen führen.

Wenngleich es Windparks mit sowohl geringeren als auch größeren Anlagenabständen gibt – in der Praxis gilt die Faustformel vom Fünffachen des Rotordurchmessers zwischen den Türmen in Hauptwindrichtung und dem Dreifachen des Rotordurchmessers in Nebenwindrichtung. Bezogen auf eine durchschnittliche 2021 in Betrieb genommene WEA mit 133 Metern Rotordurchmesser und vier Megawatt Leistung (gemäß Statusbericht Windenergie 2021 der Deutschen Windguard) ließen sich – auf einer Fläche von gut 83 Hektar – bei einer idealisierten Modellanordnung von einer WEA im Zentrum und weiteren vier WEA im rechten Winkel mit den entsprechenden Faustformelabständen zueinander (vgl. FA Wind 2019 S. 4 f.) etwa 20 Megawatt Nennleistung realisieren – pro Anlage wäre dies ein Raumbedarf von rund 16,5 Hektar.[1]

Bezogen auf die noch etwa 1,2 Prozent der Landesfläche, also rund 430.000 Hektar, die noch ausgewiesen werden sollen, ließen sich demnach darauf theoretisch zirka 100 Gigawatt Leistung installieren. Das wären 40 Prozent mehr als die 70 Gigawatt, die bis 2030 realisiert werden sollen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die reale Flächenkulisse für die Windenergie nicht aus einer einzigen zusammenhängenden Fläche besteht, sondern aus einer Vielzahl unterschiedlich großer Einzelflächen. Auch ist Landschaft nie idealtypisch, weshalb immer weitere einschränkende Faktoren hinzutreten, die einen Einfluss auf die Anlagenzahl und die real installierbare Leistung haben.

Was beeinflusst die reale Ausnutzung planerisch gesicherter Flächen für die Windenergie?

Je nach Region und vorherrschenden Windgeschwindigkeiten, nach Topografie und von Vegetationsstrukturen abhängiger „Rauigkeit“ der Landschaft kommen unterschiedliche Anlagentypen mit unterschiedlichen Generatorleistungen, Rotordurchmessern und Turmhöhen zum Einsatz. Die technologische Entwicklung geht dabei hin zu größeren Rotoren und höheren Leistungen. Neben dem Rotordurchmesser und den daraus resultierenden Abständen der Anlagen zueinander (s. o.) hat die jeweilige Flächengröße, der genaue Flächenzuschnitt sowie die Lage der Flächen im Raum – und damit zur Hauptwindrichtung – einen Einfluss auf Anzahl und Leistung der in den Flächen zu errichtenden Anlagen. Forscher und Forscherinnen, die im Auftrag des Umweltbundesamtes für die Windenergie die noch freien Zubaupotenziale auf bereits ausgewiesenen Flächen ermittelten, kamen zu dem Ergebnis, dass ein höherer Flächenbedarf pro Megawatt installierbarer Leistung auf überdurchschnittlich große Flächen zurückzuführen ist (Bons et al. 2019, S. 64). Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass auf kleineren Flächenzuschnitten letztlich mehr Leistung pro Fläche installiert werden könnte.

Der konkrete Vorhabenstandort muss auch mit Wege- und Leitungsinfrastruktur erschlossen werden. Der damit verbundene „Flächenzugriff“ muss über Verträge mit Flächeneigentümern gewährleistet sein. Auch Abstandsregelungen zur Wohnbebauung (Stichwort: „10-H-Regelung“), Bauhöhenbeschränkungen oder Anforderungen des Immissions- oder Denkmalschutzes können dazu führen, dass ausgewiesene Flächen nur teilweise nutzbar sind. Auf bestimmten Flächen kann die Errichtung von WEA auch aufgrund von Artenschutzkonflikten nicht realisiert werden.

Wie die Flächen konkret ausgenutzt werden können, ist also stark einzelfallabhängig und wird durch eine Vielzahl von Variablen beeinflusst, die zum Teil erst auf der Zulassungsebene relevant werden. Das reale Ausbaupotenzial ist somit geringer als oben berechnet. Das deckt sich auch mit Ergebnissen der Forschung (vgl. Bons et al. 2019) und der aktuellen Situation, dass laut Eröffnungsbilanz, statt der für die Windenergie ausgewiesenen 0,8 Prozent der Landesfläche, tatsächlich nur 0,5 Prozent, also zwei Drittel davon, genutzt werden können.

Die Ausnutzbarkeit planerisch gesicherter Flächen durch die Windenergie kann sowohl auf Planungs- als auch Zulassungsebene erhöht werden. Beispielsweise durch reduzierte bundeseinheitliche Mindestabstände zur Wohnbebauung und durch reduzierte Abstände zu Einrichtungen der militärischen und zivilen Flugsicherheit. Weitere Potenziale könnten erschlossen werden, wenn die Rotoren stets über die Grenzen der ausgewiesenen Flächen hinausragen dürften und lediglich die Fundamente bzw. Türme innerhalb der Flächen liegen müssten. Auch beim Artenschutz sind Regelungen möglich, die sich positiv auf die Ausnutzbarkeit von planerisch gesicherten Flächen auswirken könnten (vgl. KNE 2021).

Wie viel Fläche wird tatsächlich durch Windenergieanlagen versiegelt?

Die Windenergienutzung auf einer Fläche ist keinesfalls mit einem vollständigen Flächenverbrauch oder gar Flächenverlust gleichzusetzen. Anders als bei der Ausweisung neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen, die nach der Realisierung der Projekte größtenteils versiegelt sind oder bei Tagebauen, die ebenfalls eine langfristige, komplette Flächeninanspruchnahme mit sich bringen, ist die Inanspruchnahme durch Windenergieanlagen anderer Natur.

Sichtbar versiegelt ist bei derzeit üblichen Anlagentypen eine Sockelfläche von zirka 100 Quadratmetern als Teil des Fundamentes, auf dem der Turm steht bzw. montiert wird. Der gesamte Fundamentbereich mit dauerhafter Beeinträchtigung der Bodenfunktionen umfasst je nach Anlagentyp und Hersteller 350 bis 600 Quadratmeter. Der Bereich des Fundamentes, der über den Sockel hinausgeht, ist in der Betriebsphase größtenteils wieder mit Oberboden bzw. Schotter überdeckt. Dauerhaft teilversiegelt bleibt die ebenfalls zumeist geschotterte Kranstellfläche für die Errichtung der Anlage und für etwaige Reparaturen. Auf diese entfallen durchschnittlich zirka 0,15 Hektar pro Anlage und auf die Zuwegung durchschnittlich weitere 0,25 Hektar.[2] Wo immer möglich, wird auf bestehende Straßen und Wege zurückgegriffen, die dann nur etwas verbreitert werden müssen.

Pro WEA kann demnach von insgesamt weniger als einem halben Hektar an voll- und teilversiegelter Fläche ausgegangen werden. Bezogen auf den oben berechneten Raumbedarf von 16,5 Hektar pro Anlage macht die dauerhafte Flächeninanspruchnahme nur drei Prozent aus. Die übrigen 97 Prozent, einschließlich der nur in der Bauphase benötigten Montage- und Lagerflächen (weitere zirka 0,4 Hektar pro WEA), sind in der Betriebsphase unversiegelt.

Legt man die bis 2030 zu realisierende zusätzliche Windenergieleistung von 70 Gigawatt zugrunde und die aktuelle durchschnittliche Anlagenleistung, so ergeben sich 17.500 neue WEA mit einer (teil-)versiegelten Fläche von rund 8.000 Hektar.[3] Bezogen auf die zur Erreichung des Zwei-Prozent-Ziels fehlenden 1,2 Prozent der deutschen Landesfläche (knapp 430.000 Hektar) wären dies sogar nur zwei Prozent an (teil-)versiegelter Fläche – demnach stünden 98 Prozent der für die Errichtung von WEA nötigen Flächenkulisse weiterhin ohne Einschränkungen für die größtenteils land- und forstwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung.

Fazit

Von den zwei Prozent der Landesfläche, die der Windenergie zur Verfügung stehen sollen, werden wiederum nur zwei Prozent real mit Anlagen überstellt. Das ist im Hinblick auf andere Nutzungen vergleichsweise wenig, und angesichts des großen Nutzens für den Klimaschutz gut vertretbar. Nur ein sehr geringer Teil der bereitgestellten Flächen wird tatsächlich versiegelt.

Fachkontakt
Holger Ohlenburg
Referent naturverträgliche Windenergie
holger.ohlenburg@naturschutz-energiewende.de
T.: 030 7673738-22

[1] Die Flächenform entspricht bei dieser Flächenberechnung einer Ellipse, wobei die Türme der außenstehenden Anlagen innerhalb der Fläche liegen, die Rotorblätter außen jedoch über die Fläche hinausragen.

[2] Die Fachagentur Windenergie an Land ermittelte derartige Größenordnungen für WEA-Vorhaben auf Forststandorten und kam auf eine Fläche von durchschnittlich 0,46 Hektar an dauerhaft in Anspruch genommener (Wald-)Fläche (FA Wind 2021, S. 15 f.). Aktuellen Vorhabeninformationen von Projektierern zufolge sind die Größen für Fundament- und Kranstellflächen auf Offenlandstandorten analog, selbst bei mittlerweile größeren Anlagen. Die Flächeninanspruchnahme für die Zuwegung hängt auch hier vom Vorhandensein bestehender Straßen und Wege ab, von der Landschaftsstruktur, der Schlaggröße und der Flächenverfügbarkeit – es gibt aber bislang aber keine statistisch ermittelten Durchschnittswerte. Es ist zu vermuten, dass die Werte nicht wesentlich von den Vorhaben auf Forststandorten abweichen.

[3] Jährlich wären dies rund 890 Hektar. Zum Vergleich: Aktuell werden nach Angaben des Umweltbundesamtes jährlich (Stand 2020) noch über 500 Hektar an Flächen allein durch den Braunkohletagebau abgebaggert und damit für immer zerstört.

Naturschutz und Solarenergie-Freiflächenanlagen: Übersicht zu Erlassen und Leitfäden der Länder

Berlin, 2. Februar 2022

Naturschutz und Solarenergie-Freiflächenanlagen: Übersicht zu Erlassen und Leitfäden der Länder

Die Länder erstellen in Form von Erlassen, Leitfäden, Verwaltungsvorschriften und weiteren Informationen landesspezifische Handreichungen zu Naturschutz und Solarenergie-Freiflächenanlagen. Diese Handreichungen sind sowohl für die zuständigen Behörden als auch für die Projektierer und die Gutachterbüros wichtige Orientierungshilfen bzw. Vorgaben zum Umgang mit naturschutzrechtlichen Anforderungen bei der Planung und Genehmigung von Solarenergie-Freiflächenanlagen.

Um neue Erkenntnisse aus der Forschung, Praxis und Rechtsprechung berücksichtigen zu können, ist es sinnvoll, die Handreichungen in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren und fortzuschreiben.

Die tabellarische Übersicht stellt den Stand der vorliegenden Handreichungen der Länder zu Naturschutz und Solarenergie-Freiflächenanlagen dar und enthält Angaben zu bekannten laufenden und geplanten Aktualisierungen. Über angegebene Links können Sie schnell auf die jeweiligen Dokumente zugreifen.

Die Übersicht wird fortlaufend aktualisiert. Der jeweilige Stand der Information ist dem PDF zu entnehmen.

Weitere Aktivitäten und Informationen zum Thema Photovoltaik

Fachkontakt

Dr. Elke Bruns
Leiterin Fachinformation
elke.bruns@naturschutz-energiewende.de
+49 30 7673738-20