Frage
Was muss allgemein für eine naturverträgliche Planung und Errichtung von Windenergieanlagen im Wald beachtet werden? Können Sie relevante Studien und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit diesem Thema benennen und deren Inhalt kurz skizzieren?
Vollständige Antwort
Für eine naturverträgliche Planung und Realisierung von Windenergieanlagen (WEA) auf Waldstandorten sollte aus Sicht des KNE ein möglichst frühzeitiger Austausch der relevanten Akteure (Projektierer, behördlicher und verbandlicher Naturschutz, Wald und Forst) erfolgen und auch die Bürger vor Ort „mitgenommen“ werden. Zudem sollte auf folgende Punkte geachtet werden:
- Meidung bzw. Ausschluss von Waldflächen mit altem und artenreichen Laub- und Laubmischbeständen oder solcher mit einem hohen Anteil an Höhlenbäumen;
- vorrangige Nutzung von Kalamitätsflächen;
- möglichst geringe Flächen- und Waldinanspruchnahme sowie Eingriffsminimierung durch frühzeitig optimierte Standortwahl und möglichst kurze Zuwegungen bzw. Nutzung bereits vorhandener Wege;
- Minimierung von Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt, zum Beispiel durch Rodungs- und Bauzeitenoptimierung;
- Einhaltung eines hinreichenden Abstands der unteren Rotorkante der WEA zur Vegetation;
- eine sorgfältige Umweltbaubegleitung während der Errichtung der Anlage;
- Umsetzung von artspezifischen und fachlich validen SchutzmaĂźnahmen sowie entsprechender KompensationsmaĂźnahmen im Rahmen der rechtlichen und fachlichen Erfordernisse.
Nachfolgend werden besonders relevante Studien und Veröffentlichungen der letzten Jahre inhaltlich knapp vorgestellt. An geeigneten Stellen weisen wir auf noch laufende Forschungen hin.
Ăśbergreifende Studie zu WEA im Wald (Reichenbach et al. 2015)
Umfassend mit dem Thema haben sich Reichenbach et al. (2015) beschäftigt. Für die Schutzgüter Vögel, Fledermäuse und Wildkatze wurde jeweils der aktuelle Wissensstand zusammengetragen. Für Vögel und Fledermäuse wurden zudem eigene Untersuchungen bzw. Analysen durchgeführt und darüber hinaus zahlreiche natur- und artenschutzfachliche Gutachten zu WEA-Vorhaben auf Waldstandorten ausgewertet.
Fledermäuse
Aus der Analyse von Gondelmonitoring-Daten von Fledermäusen an Wald- und Offenlandstandorten konnte geschlossen werden, dass die ursprünglich an Offenlandstandorten entwickelten witterungs- und aktivitätsabhängigen Abschaltzeiten und -algorithmen aus den RENEBAT-Forschungsvorhaben I-III (Brinkmann et al. 2011, Behr et al. 2015 und 2018) auf Waldstandorte übertragbar sind.[1]
Vögel
Für die untersuchten Waldvögel konnten für zahlreiche Arten keine signifikant negativen Auswirkungen festgestellt werden. Nicht gänzlich auszuschließende Störwirkungen für die Artengruppe der Spechte sowie für mögliche Störwirkungen auf weitere Arten werden in einem laufenden Forschungsvorhaben des BfN noch weiter untersucht.
Flächen- und Waldinanspruchnahme, Biotope sowie Natur- und Artenschutzmaßnahmen
Weitere eigene Untersuchungen wurden zur Entwicklung von Biotopen auf WEA-Standorten und zu deren Wertigkeiten angestellt.
Darüber hinaus wurden fast 70 Landschaftspflegerische Begleitpläne zu WEA-Vorhaben im Wald hinsichtlich der Flächen- und Waldinanspruchnahme durch die Vorhaben ausgewertet und daraus die Vermeidungs-, Verminderungs- sowie Kompensationsmaßnahmen zusammengetragen, systematisiert und fachlich bewertet.
In einem zusammenfassenden Kapitel leiten die Autorinnen und Autoren Empfehlungen für eine naturverträgliche Realisierung von WEA auf Waldstandorten ab. Diese sind auch in die oben genannten allgemeinen Hinweise eingeflossen.
Forschung zu Fledermäusen und Windenergie im Wald (Hurst et al. 2016)
Aufgrund der zunehmenden Realisierung von WEA auf Waldstandorten insbesondere in den mittel- und süddeutschen waldreichen Bundesländern und der besonderen Bedeutung von Wäldern als Lebensraum für Fledermäuse, befassten sich Hurst et al. (2016) im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz in einem weiteren Forschungsvorhaben mit diesem Thema. Zusätzlich zu möglichen Kollisionen von Fledermäusen mit den Rotorblättern der WEA, spielen bei WEA auf Waldstandorten mögliche Lebensraumverluste bzw. der Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten waldnutzender Fledermausarten eine besondere Rolle.
Das KNE hat hierzu einen Studiensteckbrief mit einer Kurzfassung und Einordnung der Ergebnisse und Empfehlungen erstellt (s. KNE 2017).
Auch zu Fledermäusen auf Waldstandorten laufen weitere Forschungen des BfN. In diesem Zuge sollen auch Empfehlungen für Standards bei der Auswahl von Windenergiestandorten aus Sicht des Fledermausschutzes entwickelt werden.
Weitere laufende Forschung zu Windenergie auf Waldstandorten
In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekt werden noch bis 2022 die Auswirkungen von WEA auf Vogel- und Fledermausgemeinschaften sowie ihre Rolle als Prädatoren für pflanzenfressende Insekten untersucht. Dies soll zu einem besseren Verständnis führen, wie Lebensraumveränderungen im Wald durch Windenergieanlagen die Biodiversität und Ökosystemfunktionen beeinflussen.
Gute Beispiele aus der Praxis
Die Fachagentur Windenergie an Land hat 2017 eine Broschüre mit 16 guten Praxisbeispielen mit ihren jeweiligen Herausforderungen, Lösungen und daraus gezogenen Lehren publiziert (FA Wind 2017). Hierin finden sich auch Anregungen für eine naturverträgliche Realisierung von Windvorhaben auf Waldstandorten.
Weitere Studien und Positionspapiere
In einer Auswahlbibliografie zum Thema haben wir relevante Fachveröffentlichungen, aber auch Positionen unterschiedlicher Akteure, zusammengetragen, die einen Einstieg bzw. eine Vertiefung in das Thema ermöglichen (KNE 2021). Viele der dort aufgeführten Quellen sind frei verfügbar und können direkt über eine Verlinkung aus dem Dokument heraus abgerufen werden.
Quellen
[1] In der Praxis wird häufig das Tool ProBat zur nachträglichen Optimierung pauschaler Abschaltzeiten anhand der standortspezifischen Fledermausaktivität angewendet, um einen fledermausfreundlichen Betrieb der WEA zu gewährleisten (vgl. PraxisINFO ProBat sowie laufendes Projekt bei der Naturstiftung David).
Brinkmann, R., Behr, O., Niermann, I., Reich, M. (2011): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Umwelt und Raum 4. 1. Auflage. Cuvillier Verlag, Göttingen. 457 S.
Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (Hrsg.) (2018): Bestimmung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen in der Planungspraxis (RENEBAT III) – Endbericht des Forschungsvorhabens gefördert durch das Bundesministerium fĂĽr Wirtschaft und Energie (Förderkennzeichen 0327638E). Erlangen, Freiburg, Ettiswil. 415 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.02.2021).
Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (Hrsg.) (2015): Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II). Schriftenreihe Institut für Umweltplanung 7. Leibniz Universität, Hannover. 368 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.02.2021).
FA Wind (2017): Windenergie im Wald. Good Practice / Lessons learned – 16 gute Beispiele. 24 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.02.2021).
Hurst, J., Biedermann, M., Dietz, C., Dietz, M., Karst, I., Krannich, E., Petermann, R., Schorcht, W., Brinkmann, R. (2016): Fledermäuse und Windkraft im Wald. Naturschutz und Biologische Vielfalt 153. BfN – Bundesamt fĂĽr Naturschutz, Bonn–Bad Godesberg. 396 S.
KNE (2021): Auswahlbibliografie „Windenergienutzung auf Waldstandorten“. Berlin. 3 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 15.02.2021).
KNE (2017): Studien-Steckbrief „Untersuchungen und Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen von Windenergieanlagen im Wald“ (Hurst et al. 2016). Berlin. 8 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.02.2021).
Reichenbach, M., Brinkmann, R., Kohnen, A., Köppel, J., Menke, K., Ohlenburg, H., Reers, H., Steinborn, H., Warnke, M. (2015): Bau- und Betriebsmonitoring von Windenergieanlagen im Wald. Abschlussbericht vom 30.11.2015. Oldenburg. 351 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.02.2021).