Probabilistik in der Signifikanz-Bewertung

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Im „Bericht zur Prüfung der Einführung einer probabilistischen Methode zur Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit von Brutvögeln bei Windenergieanlagen an Land“ (Drucksache 20/9830 vom 15.12.2023) spricht sich die Bundesregierung dafür aus, die probabilistische Methode zur Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit von Brutvögeln bei Windenergieanlagen (WEA) an Land im Jahr 2024 einzuführen; zunächst für den Rotmilan, dann schrittweise für weitere Brutvogelarten.

Dem ging seit Dezember 2020 ein durch die Umweltministerkonferenz (UMK) initiierter Arbeitsprozess zur Standardisierung des Bewertungsrahmens einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos voraus. Die von der UMK eingesetzte Unterarbeitsgruppe Probabilistik (UAG 2) setzte sich zunächst mit den fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen probabilistischer Methoden sowie mit verschiedenen Modellen der Kollisionsrisikoermittlung auseinander. Sie begleitet seit 2022 die Erarbeitung des Raumnutzungs-Kollisionsrisikomodells durch Bionum GmbH, BioConsult SH GmbH und TB Raab GmbH. Das KNE ist Mitglied in der UAG 2 und moderiert ihren Arbeitsprozess.

Mehr über die UAG 2 und ihre Arbeitsweise können Sie hier lesen.

Fortsetzungsstudie Probabilistik – Das Raumnutzungs-Kollisionsrisikomodell

Das Raumnutzungs-Kollisionsrisikomodell (RKR-Modell) wurde in mehreren Schritten erarbeitet. Auftraggeber für die einzelnen Studien waren jeweils das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Mercker et al. 2023) sowie das Bundesamt für Naturschutz (Mercker et al. 2024). Alle Veröffentlichungen wurden durch die UAG 2 fachlich begleitet.

Das Ziel der auf der Pilotstudie (Mercker et al. 2023) aufbauenden Fortsetzungsstudie (Mercker et al. 2024) bestand darin, das in der Pilotstudie entwickelte Hybrid-Modell zu finalisieren, weiter zu validieren und zunächst für den Rotmilan vollzugstauglich auszugestalten. In diesem Zuge wurde das Modell u. a. in Bezug auf die Prognose der Raumnutzung sowie das Meideverhalten in unmittelbarer Nähe zu Windenergieanlagen verbessert.

Die Folgestudie bezieht sich – wie auch die Pilotstudie – auf den Rotmilan. Der Prüfbericht der Bundesregierung sieht weitere Bearbeitungsschritte vor, unter anderem, dass nach der Einführung der Methode für den Rotmilan im Jahr 2024 eine Weiterentwicklung für Seeadler und Weißstorch geprüft werden soll.

Pilotstudie „Erprobung Probabilistik“

Die Pilotstudie (Mercker et al. 2023) wurde im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erstellt. Sie wurde im Rahmen des UMK-Prozesses von der UAG 2, der das KNE angehört, federführend begleitet.

Ziel der Pilotstudie (Mercker et al. 2023) war die Klärung, ob die Voraussetzungen für die Ermittlung der Kollisionswahrscheinlichkeit über einen probabilistischen Ansatz als Basis für eine Signifikanzprüfung gegeben sind. Hierfür wurden zunächst bestehende Modellansätze und die vorliegenden Datengrundlagen evaluiert. Für den Anwendungszweck haben die Autoren ein neues, vorläufiges Modell entwickelt (Hybrid-Modell), welches die Raumnutzung am Beispiel des Rotmilans sowie das Kollisionsrisiko bei Rotordurchflug in seinen Grundzügen darlegt. Für das Modell wurden mehrere zentrale Parameter benannt, die Einfluss auf die Kollisionswahrscheinlichkeit haben. Diese Parameter galt es daraufhin zu prüfen, ob die benötigten Datengrundlagen (Vogelbewegungsdaten, Witterungsdaten, Betriebsdaten der Windenergieanlagen, Habitatausstattung) für eine tragfähige Untersetzung ausreichen.

Die Datenrecherche und die Modellierung fokussierte sich aus Zeitgründen nur auf eine Vogelart – den Rotmilan. Insofern beschränken sich auch alle Erkenntnisse über die Anwendbarkeit auf diese Art. Für andere Vogelarten können soweit keine Aussagen getroffen werden.

Dokumentation des Berechnungsalgorithmus des RKR-Modells

Die Dokumentation des Berechnungsalgorithmus, der dem RKR-Modell für den Rotmilan zugrunde liegt, hat das Ziel, die Berechnungsmethodik für Dritte nachvollziehbar darzulegen und damit einer externen Prüfung zugänglich zu machen. Die enthaltenen Berechnungsanleitungen erlauben es zudem, dass fachkundige Dritte eigenständig eine Software entwickeln können, die zur Anwendung des Modells dient. Das KNE stellt das Dokument, das die Formeln/Algorithmen des RKR-Modells beschreibt sowie notwendige Erläuterungen enthält, hier zum Download zur Verfügung.

Außerdem steht eine ZIP-Datei zur Verfügung, die sämtliche Dateien zur Durchführung und exemplarischen Validierung der Berechnungsvorschrift enthält. Damit die korrekte Realisierung der Berechnungsvorschrift des RKR-Modells geprüft werden kann, werden die jeweils verwendeten Eingangsdaten, Zwischen- und Endergebnisse für einen (einmalig) zufällig ausgewählten fiktiven Brutstandort und eine fiktive WEA zu Verfügung gestellt.

Wenn Sie diesen Datensatz erhalten möchten (ZIP-Datei, 374 MB), wenden Sie sich bitte an mathis.danelzik@naturschutz-energiewende.de

Die Dokumentation wurde vor Veröffentlichung im Auftrag des BfN durch unabhängige Expertinnen und Experten geprüft.

Weitere Veröffentlichungen zum Thema

  • Bericht der Bundesregierung zum Prüfauftrag zur Probabilistik nach § 74 Absatz 6 Satz 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) (2023), 15 S.
    Bericht zur Prüfung der Einführung einer probabilistischen Methode zur Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit von Brutvögeln bei Windenergieanlagen an Land.
    zum Bericht
  • Reichenbach, M. et al. (2023): Fachgutachten zur Ermittlung des Flugverhaltens des Rotmilans im Windparkbereich unter Einsatz von Detektionssystemen in Hessen, Hrsg. Arsu GmbH, 193 S.
    Das vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen in Kooperation mit dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz beauftragte Forschungsprojekt untersucht das Flugverhalten des Rotmilans im unmittelbaren Windparkbereich. Beobachtungszeitraum: März bis September 2022.
    zum Gutachten
  • Sailer, F. (2023): Der rechtliche Rahmen für probabilistische Ansätze bei der artenschutzrechtlichen Signifikanzbewertung. In: Natur und Recht , Heft 2, S. 78-84
    Der Autor Dr. Frank Sailer sieht die Bestimmung des Grundrisikos als Anknüpfungspunkt für die Konkretisierung der Signifikanz, da hierdurch ein hinreichender Bezugspunkt für die Beurteilung des vorhabenbezogenen Risikos bestehe.
    zum Artikel (nicht frei verfügbar)
  • Wulfert, K. et al. (2023): Einführung einer probabilistischen Methode zur Ermittlung der signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos, 16 S.
    Das Kurzpapier befasst sich kritisch mit der Entwicklung eines probabilistischen Ansatzes für die Signifikanzprüfung. Die Autr:innen weisen auf Umsetzungsprobleme und den zukünftig eingegrenzten Anwendungsbereich für Vorhaben außerhalb von Windgebieten hin. Empfohlen wird, probabilistische Ansätze für andere Anwendungsbereiche zu nutzen und weiter zu entwickeln.
    zum Kurzpapier
  • Köck, W. (2022): Artenschutzrechtliches Tötungsverbot und Probabilistik – Rechtliche Aspekte der Nutzung probabilistischer Verfahren bei der Anwendung des sog. Signifikanzrahmen. Hrsg. KNE gGmbH, 14 S.
    Das Kurzpapier befasst sich kritisch mit der Entwicklung eines probabilistischen Ansatzes für die Signifikanzprüfung. Die Autor:innen weisen auf Umsetzungsprobleme und den zukünftig eingegrenzten Anwendungsbereich für Vorhaben außerhalb von Windgebieten hin. Empfohlen wird, probabilistische Ansätze für andere Anwendungsbereiche zu nutzen und weiterzuentwickeln.
    zum Kurzgutachten
  • Korner-Nievergelt, F. (2022): Möglichkeiten und Risiken der Probabilistik im Individuen- und Artenschutz. Hrsg. KNE gGmbH, 14 S.
    Das Gutachten befasst sich mit der Klärung grundlegender statistischer Begriffe und die Rolle einzelner Parameter von Studiendesigns für die statistische Unsicherheit von probabilistischen Modellen. Frau Korner-Nievergelt benennt Risiken probabilistischer Modelle, kommt aber zu dem Schluss, dass sie grundsätzlich geeignet sind.
    zum Gutachten