Aktuelles von der Bundesregierung, aus den Ländern und aus der Wissenschaft

Berlin, 24. Mai 2022

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 05/22

Aktuelles von der Bundesregierung, aus den Ländern und aus der Wissenschaft

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Bundesregierung

Auf Bundestags-Drucksache 20/1463 äußert sich die Bundesregierung im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage ausführlich zum Ausbau der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) in Deutschland. Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung unter Agri-PV sei für Anlagen unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtende Voraussetzung, wobei die landwirtschaftlich nutzbare Fläche durch die installierte Anlage höchstens um 15 Prozent verringert werden dürfe. Für 85 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche könne dann ab 2023 eine Direktzahlung gemäß (GAP-) Direktzahlungen-Verordnung gewährt werden. Ein spezieller „Technologie-Bonus“ für horizontal aufgestellte APV solle die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konventionellen PV-Freiflächenanlagen sicherstellen. Es gebe noch Forschungsbedarf, da noch keine aussagekräftigen Bewertungen zur Entwicklung der Biodiversität bei Agri-PV vorlägen. Offen sei etwa, welche Auswirkungen hoch aufgeständerte Agri-PV auf die Nutzung der Flächen als Brut- und Nahrungsrevier für Vögel haben. Die naturschutzfachlichen Anforderungen an Agri-PV-Freiflächenanlagen könnten die Gemeinden festlegen. Die Bundesregierung fördere weitere wissenschaftliche Studien zu technischen Fragen und zu geeigneten Kulturen.

Baden-Württemberg

Einen interessanten Überblick über den Stand der Nutzung, die Potenziale, die Maßnahmen zur Unterstützung des Ausbaus sowie über Genehmigungshürden und Ausschlussgründen schwimmender Photovoltaikanlagen (Floating-PV) gibt das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft auf Landtags-Drucksache 17/2361. Schwimmende Anlagen und ihr Betrieb bedürften einer wasserrechtlichen Zulassung. Aufgrund der zu erwartenden wasserwirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen, die noch weitgehend ungeklärt seien, eigneten sich in erster Linie stehende künstliche Gewässer, insbesondere in Auskiesung befindliche Baggerseen. Die Nutzung sollte auch zur Zweckbestimmung des künstlichen Gewässers passen, was zum Beispiel bei Hochwasserrückhalteräumen nicht der Fall wäre. Zudem könnten aus Naturschutzsicht artenschutzrechtliche Belange und Konflikte mit Schutzgebietszielen (z. B. Natura 2000) einer Errichtung entgegenstehen. Sollten Nutzungskonflikte bestehen, zum Beispiel mit Badeaktivitäten oder der Fischerei, wäre im Zulassungsverfahren zu prüfen, ob und ggf. wie ein angemessener Ausgleich gefunden werden kann. Bei den in Auskiesung befindlichen Baggerseen seien diese Konflikte von vornherein als relativ gering einzuschätzen.

Mecklenburg-Vorpommern

Einen kleinen Einblick in die Datenlage zu den personellen Kapazitäten der Genehmigungsbehörden sowie in die Meinungsbildung der Landesregierung zu einer Standardisierung artenschutzfachlicher Konfliktbewältigung gewährt die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage (Landtags-Drucksache 8/445). Zu den Stellenmehrbedarfen der Landkreise und kreisfreien Städte infolge des Ausbaus der Windenergie (Genehmigungen) liegen keine Erkenntnisse vor. Es gebe aber im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt (einschließlich seiner nachgeordneten Behörden) 21 Stellen aus dem gebührenfinanzierten Projekt „Energiewende“. Die Entwicklung technischer Antikollisionssysteme werde grundsätzlich begrüßt, eine tatsächliche Praxisreife sei jedoch eine notwenige Voraussetzung für eine regelmäßige verlässliche Anwendung. Im Artenschutz verfolge man einen multifunktionalen Ansatz, der durch verschiedene Fördermöglichkeiten für speziell ausgerichtete Projekte ergänzt werde. Exemplarisch wird dabei auf das Naturschutzgroßprojekt „Nordvorpommersche Waldlandschaft“ verwiesen, welches vorrangig auf die Lebensraumansprüche der Schreiadler ausgerichtet sei.

Fraunhofer IEE

Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik hat seine Studie zur Ermittlung der Flächenpotenziale für die Windenergienutzung an Land aus dem Jahre 2011 aktualisiert. Gemeinsam mit dem Umweltplanungsbüro bosch & partner und dem Bundesverband WindEnergie BWE e. V. wird in der Studie anhand einer bundesweiten Raumbewertung aufgezeigt, dass in allen 16 Bundesländern bei konsequenter Ausweisung ausreichend Flächen verfügbar seien, um das Mindestziel von zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie zu erreichen. Unter Berücksichtigung öffentlich zugänglicher Daten hat die Neuauflage der Studie auf Basis einer bundesweiten Raumbewertung zunächst alle kategorischen Ausschlussflächen ermittelt. Die danach verbliebenen Flächen wurden in sechs verschiedene Konfliktrisikoklassen von Klasse 1 (kein Konfliktrisiko) bis Klasse 6 (faktisch nicht nutzbar) eingeteilt. Gemäß dieser Analyse seien 26,1 Prozent der Bundesfläche (93.268 km2) keine Ausschlussflächen. Interessant: Auch in den Stadtstaaten sollen noch Potenziale vorhanden sein. Zusätzliche Optionen ließen sich etwa durch die Nutzung der Windenergie in Industriegebieten heben. Das zeigten beispielsweise die 14 Windenergieanlagen im Hamburger Hafen.

Greifswald Moor Centrum

Das Greifswald Moor Centrum hat ein Informationspapier zu Photovoltaik-Anlagen auf Moorböden veröffentlicht. Moorböden seien vor allem in der norddeutschen Tiefebene und im Alpenvorland verbreitet und werden überwiegend (rund 70 %) landwirtschaftlich genutzt. Moorböden nähmen in Mecklenburg-Vorpommern 12 Prozent und in Niedersachsen 14 Prozent der Landesfläche ein. Während bereits erste Anlagen auf (entwässerten) Moorböden errichtet (und so unter Umständen die hohen bodenbürtigen Treibhausgas-Emissionen langfristig festgeschrieben) würden, gebe es noch keine ökologisch-rechtlichen Leitplanken bzw. „guten fachlichen Standard“ für Photovoltaik auf Moorböden. In den meisten Bundesländern fehlten bisher auch Vorgaben für die Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen auf Moorböden. Die Suche nach für PV-Anlagen-geeignete Flächen sollte sich auf degradierte, landwirtschaftlich genutzte Moorböden ohne naturschutzrechtlich einschränkende Schutzauflagen konzentrieren. Über die ökonomischen Rahmenbedingungen sowie die Auswirkung von Photovoltaik-Anlagen auf den Naturhaushalt von Moorböden gebe es noch keine evidenzbasierten Erfahrungen. Sobald diese Erfahrungen vorlägen und ausgewertet seien, sollten die vorläufigen Flächenkulissen überprüft und ggf. angepasst werden.

Fledermäuse und naturverträglicher Ausbau der Windenergie

Berlin, 23. Mai 2022

KNE-Wortmeldung

Fledermäuse und naturverträglicher Ausbau der Windenergie

Auswirkungen und Perspektiven des Fledermausschutzes im Kontext des Eckpunktepapiers des BMUV und BMWK

Die Bundesregierung will laut Eckpunktepapier des Bundesumweltministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums den Ausbau der Windenergie beschleunigen und dabei „hohe Standards für den Artenschutz“ bewahren. Die Eckpunkte zu den artenschutzrechtlichen Regelungen beziehen sich vornehmlich auf den zukünftigen Umgang mit als kollisionsgefährdet geltenden Brutvogelarten. Doch was ist mit den Fledermäusen, die zum Teil ebenfalls von Kollisionen betroffen sein können? Warum sind sie sowohl bei der ‚Signifikanzprüfung‘ als auch bei der ‚Ausnahme‘ bisher nicht erkennbar berücksichtigt? Sollte diese Artengruppe bei der rechtlichen Umsetzung des Eckpunktepapiers nicht ebenfalls beachtet werden? Das KNE unternimmt eine erste Einordnung anhand der Kerninhalte des Eckpunktepapiers, die den Fledermausschutz an Windenergieanlagen (WEA) betreffen.

1. Standardisierung der Signifikanzprüfung

Laut Eckpunktepapier (S. 2 f.) sollen für die Signifikanzprüfung von Tötungs- und Verletzungsrisiken kollisionsgefährdeter Vogelarten zukünftig gesetzliche Standards gelten. Die neuen Regelungen sollen abschließend sein und den Ländern keine Abweichungen ermöglichen. Beim „Umgang mit Fledermäusen“ jedoch sollen die Länder „ihre individuellen Vorgehensweisen beibehalten“ können.

Einordnung

Dies würde bedeuten, dass die jeweiligen Vorgaben zum Fledermausschutz in den Artenschutzleitfäden der Länder zur Windenergie ihre Gültigkeit behalten. Ähnlich wie bei Vögeln gibt es dort bei den Fledermäusen Unterschiede beim Umgang mit dem Tötungsverbot. Ein wesentlicher Unterschied liegt in unterschiedlich hohen Fledermaus-Signifikanzschwellen in der Betriebsphase der Anlagen. Sie liegen – so sie denn definiert sind – gegenwärtig bei kleiner 0,5, 1 oder 2 Schlagopfern pro Windenenergieanlage und Jahr, in der Regel nicht artspezifisch, sondern über alle Fledermausarten hinweg. Aus Sicht des KNE spricht viel dafür, auch hier eine fachlich und rechtlich begründete bundesweite Vereinheitlichung vorzunehmen.[1] In diesem Zusammenhang müssten gegebenenfalls auch die geltenden Anlaufwindgeschwindigkeiten von vorsorglichen „pauschalen“ Abschaltungen angepasst werden.

2. Perspektive temporärer Abschaltungen

Sowohl für Vögel als auch für Fledermäuse sind Abschaltungen während Phasen hoher Aktivität geeignete und wirksame Schutzmaßnahmen. Für Fledermäuse sind sie nachweislich die wirksamste Maßnahme zur Reduzierung von Schlagopferzahlen und mittlerweile eine artenschutzrechtliche „Standardmaßnahme“.

Nach dem Eckpunktepapier (S. 3) sollen die temporären Abschaltungen für Vögel und Fledermäuse zukünftig aber einer Zumutbarkeitsprüfung unterliegen. Überschreiten die Verluste zusammengenommen sechs Prozent der jährlichen Erzeugung bzw. an besonders windhöffigen Standorten bis zu acht Prozent des jährlichen Ertrags, ist die Zumutbarkeitsgrenze erreicht. (ebd.)

Einordnung

Aus Sicht des KNE könnte die geplante Zumutbarkeitsgrenze an Standorten mit hoher saisonaler Aktivität kumulativ recht schnell erreicht bzw. überschritten werden und damit der Weg in die Ausnahme (siehe unten) vorgezeichnet sein.

In einer Betreiber-Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind 2020) schätzten bzw. berechneten die Betreiber rückwirkend, dass bei immerhin rund 20 Prozent der Vorhaben allein die (zumeist pauschalen) Fledermausabschaltungen im Jahr der Inbetriebnahme zu Einbußen größer als sechs Prozent führten (30 Prozent der Vorhaben mit Einbußen über vier Prozent) (eigene Berechnung auf Grundlage von FA Wind 2020, S. 21).

Eine perspektivisch mögliche Absenkung von zulässigen Schlagopferschwellenwerten, würde den Anteil an Vorhaben, die die Zumutbarkeitsgrenze allein aus Gründen des Fledermausschutzes überschreiten, weiter erhöhen.

Zweijährige Gondelmonitorings der Fledermausaktivität und eine auf den Ergebnissen basierende standortspezifische Optimierung der Abschaltzeiten sind in fast allen Länderleitfäden explizit ermöglicht bzw. sogar vorgegeben. Sie werden heute somit bei den meisten Vorhaben durchgeführt. Nach Betreiberangaben führten Gondelmonitorings bei zwei Drittel der Vorhaben zu verringerten Ertragseinbußen, bei einem Drittel vergrößerten sie sich aber auch (FA Wind 2020, S. 37). In einigen Fällen entfielen die Abschaltzeiten sogar komplett. Der Anteil an Vorhaben mit Einbußen größer als sechs Prozent lag nur noch bei rund fünf Prozent der Vorhaben (eigene Berechnung).[2] Auf Waldstandorten und ebenso süddeutschen sowie Mittelgebirgs-Standorten lagen die Einbußen eher im höheren Bereich. (FA Wind 2020, S. 37)

Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass bisher alle bekannten Zahlen zu Ertragseinbußen lediglich rückwirkend ermittelt wurden, ist aus Sicht des KNEs fraglich, wie (und durch wen) zukünftig bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung überhaupt eine Prognose von vorhabenspezifischen Ertragseinbußen durch Fledermausabschaltungen erfolgen könnte. Eine verlässliche Prognose ist angesichts der Veränderungen, die sich durch die mittlerweile standardmäßig durchgeführten Gondelmonitorings in den ersten Betriebsjahren und in Folge standortspezifisch „maßgeschneiderter“ Abschaltalgorithmen ergeben, kaum möglich.

3. Artenschutzrechtliche Ausnahmen für Fledermäuse

Wird die Zumutbarkeitsschwelle überschritten, soll laut Eckpunktepapier zukünftig in die artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung eingestiegen werden. Im Rahmen der Ausnahmeerteilung sollen die Abschaltzeiten durch die Vorgabe einer maximalen Stundenzahl begrenzt werden. (Eckpunktepapier, S. 3)

Bei der Prüfung der artenschutzrechtlichen Ausnahme rücken der „Zustand der Population“ der Art bzw. „Bestandstrends“ in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ohne dies konkret auf Fledermäuse zu beziehen, weist das Eckpunktepapier auf die – bereits jetzt schon geltende – Ausnahmevoraussetzung hin, dass sich der „bundesweite Erhaltungszustand [von Arten] nicht verschlechtert“ bzw. der „Zustand von Populationen einen positiven Trend“ aufweisen müsse. (ebd., S. 4)

Einordnung

Eine Deckelung von Abschaltzeiten würde erwarten lassen, dass es zu insgesamt kürzeren Abschaltzeiten als bisher kommt. Doch kommt für Fledermäuse eine artenschutzrechtliche Ausnahme überhaupt in Frage?

Der Populationsbezug bei Fledermäusen ist nach KNE-Einschätzung schwer handhabbar. Eine Herausforderung stellt die Ermittlung bzw. Abgrenzung von Fledermaus-Populationen dar. Der Populationsbegriff und die räumliche Abgrenzung müssten zunächst klarer definiert werden. Eine jeweils vorhabenbezogene Ermittlung von Populationen wäre gegenüber den bislang durchzuführenden Erfassungen im Zuge von Genehmigungsverfahren mit einem enormen gutachterlichen Mehraufwand verbunden. Für die besonders kollisionsgefährdeten Fledermausarten gibt es zudem bislang kein umfassendes Populationsmonitoring, wodurch eine Überprüfung und Gewährleistung einer günstigen Populationsentwicklung derzeit praktisch kaum möglich ist.

Zudem sind nicht nur Individuen lokaler Populationen von Kollisionen mit Windenergieanlagen betroffen. Viele Kollisionen ereignen sich während der Migrationszeit(en) bei der Wanderung zwischen Sommer- und Winterlebensräumen. Bei einigen Arten liegen diese Räume bis zu mehrere hundert Kilometer auseinander. Aber selbst bei Arten mit kürzeren Zugstrecken ist die Populationszugehörigkeit häufig unklar.

All dies dürfte artenschutzrechtliche Ausnahmen für Fledermäuse zumindest deutlich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. In der Konsequenz wäre zu klären, ob nicht Abschaltungen für Fledermäuse gegenüber solchen für kollisionsgefährdete Vögel Vorrang haben sollten.

Betrachtet werden muss auch, ob Windenergie-Vorhaben überhaupt noch genehmigungsfähig wären, wenn die Zumutbarkeitsschwelle bereits durch die Fledermausabschaltungen überschritten würde, eine Ausnahme aber nicht erteilt werden kann.

4. Artenhilfsprogramme für Fledermäuse

Im Eckpunktepapier (S. 4) ist die Einzahlung der Vorhabenträger in ein Artenhilfsprogramm als „weitere Voraussetzung“ für die Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen aufgeführt.

Die Kosten, die Vorhabenträger für (begrenzte) „abschaltungsbezogene Vermeidungsmaßnahmen“ aufwenden, „können bei den erforderlichen Zahlungen in die Artenhilfsprogramme angerechnet werden“. (ebd., S. 3)

Einordnung

Das geplante Artenhilfsprogramm soll der Stützung der vom Windenergieausbau betroffenen Arten dienen und damit in erster Linie der „Kompensation“ für die im Rahmen der Ausnahme „in Kauf genommenen“ Kollisionsrisiken oberhalb der Signifikanzgrenze. Dass sich bereits vermiedene Kollisionsrisiken auf die Zahlungen entsprechend vermindernd auswirken sollen, ist naheliegend. Die generellen Herausforderungen bei der Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen für Fledermäuse wurden bereits dargelegt.

Abgesehen von der Kopplung an die konkrete Genehmigung von Windenergieanlagen im Wege der Ausnahme können Artenhilfsprogramme aus Sicht des KNE für einen Teil der als windenergiesensibel geltenden Fledermausarten – und für Fledermäuse allgemein – durchaus dazu beitragen, Vorkommen und Lebensstätten bzw. besonders wertvolle Lebensräume zu identifizieren und zu schützen sowie für Fledermäuse geeignete Habitate aufzuwerten. Entsprechende Aktivitäten im Kontext des Windenergieausbaus gibt es für einzelne Arten bereits in Hessen. Konzeptionelle Grundlagen für ein Artenschutz- bzw. Artenhilfsprogramm wurden unlängst für Baden-Württemberg erarbeitet. In mehreren Ländern gibt es darüber hinaus weitere, zum Teil langjährige, jedoch nicht spezifisch auf die windenergiesensiblen Arten ausgerichtete Programme. (vgl. KNE 2022)

Aus KNE-Sicht können Artenhilfsprogramme für Fledermäuse Summationswirkungen eines verstärkten Windenergieausbaus sowie einer verstärkten Inanspruchnahme von insbesondere Waldlebensräumen durch Windenergievorhaben und dadurch insgesamt nicht auszuschließenden negativen Effekten auf Fledermauspopulationen entgegenwirken. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der größte Teil der Maßnahmen erst langfristig positiv wirkt und eine kurzfristige Bestandsstützung, zum Beispiel durch eine Erhöhung des Fortpflanzungserfolgs nicht erwartet werden kann. Letzteres gilt insbesondere auch für die während des Zuges von Kollisionen betroffenen Arten (z. B. Großer Abendsegler und Rauhautfledermaus), die entsprechend nicht lokalen Populationen zuordenbar sind.

Für den Schutz und langfristigen Erhalt von Populationen kollisionsgefährdeter Fledermausarten sollte die Vermeidung von Kollisionen durch betriebsoptimierte Abschaltungen gegenüber Artenhilfsprogrammen und Artenhilfsmaßnahmen auch zukünftig das Mittel der ersten Wahl sein.

5. Nachträgliche Anordnungen von Maßnahmen

Nachträgliche Anordnungen sollen laut dem Eckpunktepapier (S. 5) nur in Ausnahmefällen und ebenfalls nur bis zur Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit möglich sein. Nisthilfen für windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten [d. h. zum Beispiel Fledermauskästen] sollen im Nahbereich um bestehende Windenergieanlagen sowie auf regional- und bauleitplanerisch für die Windenergie ausgewiesenen Flächen unzulässig sein.

Einordung

Aus KNE-Sicht ist es zweckmäßig, dass Fledermauskästen, ähnlich wie andere Kompensations- und Aufwertungsmaßnahmen, von denen eine Anlockwirkung auf kollisionsgefährdete Arten ausgehen kann, nicht im Nahbereich von WEA oder auf zukünftigen Vorrangflächen für die Windenergie umgesetzt werden sollen.

Es sollte jedoch geprüft werden, ob bislang ohne Abschaltungen zum Fledermausschutz laufende Bestandsanlagen noch nachträglich mit Abschaltzeiten ausgestattet werden könnten – zumindest solche, die besonders hohe Kollisionsrisiken aufweisen und noch längere Laufzeiten haben. Im Vergleich zu Artenhilfsmaßnahmen mit eingeschränkter Wirkung für die kollisionsgefährdeten Arten würde die Kollisionsvermeidung einen deutlich effektiveren Fledermausschutz bieten und aus Sicht des KNEs „low hanging fruits“ darstellen.

Fachkontakt
Holger Ohlenburg
Referent naturverträgliche Windenergie
holger.ohlenburg@naturschutz-energiewende.de

[1] Das BfN fördert aktuell ein Forschungsvorhaben zur wissenschaftlichen Schwellenwert-Herleitung und einer entsprechenden Konventionsbildung.

[2] In der Umfrage wurden Vorhaben berücksichtigt, die zwischen 2006 und 2018 in Betrieb gingen, die meisten (72 %) in den Jahren 2015 bis 2017. Das in der Praxis zur Berechnung von Fledermaus-Abschaltzeiten häufig angewendete Tool ProBat führt in den jüngeren Programm-Versionen (seit 2019 und Version 6.2) zu durchschnittlich etwas höheren Ertragsminderungen. Eine Betrachtung jüngerer Vorhaben dürfte zu entsprechend veränderten Zahlen und Verhältnissen führen.

Fledermaus - Abendsegler ©JuergenL - adobe.stock.com
Abendsegler ©JuergenL - adobe.stock.com

Maßnahmen gegen den Verlust der biologischen Vielfalt kommen dem Klima zugute

Berlin, 19. Mai 2022

KNE-Lesetipp

Maßnahmen gegen den Verlust der biologischen Vielfalt kommen dem Klima zugute

Quelle: Shin, Y., Midgley, G.F., Archer, E.R.M., Arneth, A., Barnes, D.K.A., Chan, L., Hashimoto, S., Hoegh‐Guldberg, O., Insarov, G., Leadley, P., Levin, L.A., Ngo, H.T., Pandit, R., Pires, A.P.F., Pörtner, H., Rogers, A.D., Scholes, R.J., Settele, J., Smith, P. (2022): Actions to halt biodiversity loss generally benefit the climate.

Voraussichtlich im Herbst trifft sich die Weltgemeinschaft zum zweiten Teil der UN-Artenschutzkonferenz in Kunming (China), um unter anderem die nächste Generation der UN-Biodiversitätsziele zu verabschieden. Im Rahmen der bisherigen Übereinkommen wurden die mit der biologischen Vielfalt und dem Klima verknüpften Herausforderungen weitgehend getrennt behandelt, auch wenn sie eng miteinander verzahnt sind: Der Klimawandel verschärft die Risiken für die biologische Vielfalt sowie die natürlichen und bewirtschafteten Lebensräume. Gleichzeitig spielen die natürlichen und bewirtschafteten Ökosysteme und ihre biologische Vielfalt eine Schlüsselrolle bei der Freisetzung wie auch der Bindung von Treibhausgasen und bei der Klimaanpassung. Die zunehmende Schädigung von Ökosystemen, hervorgerufen durch Landnutzungsänderungen und andere Eingriffe in natürliche Kohlenstoffspeicher und damit in die Kohlenstoffbindung, ist ein Hauptfaktor für kumulative CO2-Emissionen und damit ein zusätzlicher Treiber des Klimawandels.

In einer Review-Studie für die Zeitschrift Global Change Biology greifen die Autorinnen und Autoren den gemeinsamen Bericht von Weltbiodiversitätsrat und Weltklimarat aus dem Juni 2021 auf (siehe KNE-Lesetipp vom 25.06.2021) und bewerten, ob die bereits vorformulierten 21 Biodiversitätsziele („Post-2020 Action targets for 2030“) den Klimawandel aufhalten können und wie zuverlässig eine solche Prognose ist. Die Bilanz: 14 von 21 Zielen leisten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. Erhaltungsmaßnahmen, die den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten, bremsen oder umkehren, können gleichzeitig den vom Menschen verursachten Klimawandel erheblich verlangsamen. Konkrete Beispiele für lokale Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt werden vorgestellt, die durch globale Ziele und Vorgaben gefördert, gelenkt und priorisiert werden können.

Die Autorinnen und Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein neues Schutzparadigma die Umsetzung der drei wichtigen Ziele – ein ausgewogenes Klima, eine sich selbst erhaltende biologische Vielfalt und gute Lebensbedingungen für alle – gleichzeitig in Angriff nehmen müsste. So konzentriert sich die Suche nach Maßnahmen mit Mehrfachnutzen auf den Schutz multifunktionaler ‚Landschaften‘, und nicht nur auf einige wenige voneinander unabhängige Naturelemente, etwa kritische oder intakte Lebensräume oder symbolträchtige Arten. Er umfasst Schutzgebietsnetzwerke und Korridore, Kulturlandschaften sowie stark veränderte Ökosysteme wie städtische und intensiv bewirtschaftete Gebiete. Damit diese neuen Ansätze erfolgreich sind, wird vorgeschlagen betroffene Gemeinden und Anwohner an ihrer Ausgestaltung und Umsetzung schrittweise zu beteiligen. Nur so können Lösungen gefunden werden, welche die lokale Wirtschaft, die Bedürfnisse der Menschen, ihre Lebensgrundlagen und die lokale Politik berücksichtigen.

Einordnung

Die Studie zeigt sehr deutlich die Notwendigkeit, Biodiversitätsschutz auch bei der Umsetzung der Energiewende als gleichrangiges Ziel neben dem Klimaschutz zu verfolgen. Technologiebasierte Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels, wie der Ausbau der Wind- und Solarenergie, müssen ökologisch und sozial nachhaltig umgesetzt werden, um ihre volle Wirkung für die Lösung der beiden globalen Krisen zu entfalten. Das KNE unterstützt den vorgeschlagenen ‚Landschafts-Ansatz‘, der auch für die Wahl des richtigen Standortes der Energieerzeugungsanlagen zugrunde gelegt werden sollte. So können Auswirkungen der erneuerbaren Energieerzeugung auf wandernde Arten oder die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen und die Intensivierung der Landnutzung vermieden werden.

Quelle: Shin, Y., Midgley, G.F., Archer, E.R.M., Arneth, A., Barnes, D.K.A., Chan, L., Hashimoto, S., Hoegh‐Guldberg, O., Insarov, G., Leadley, P., Levin, L.A., Ngo, H.T., Pandit, R., Pires, A.P.F., Pörtner, H., Rogers, A.D., Scholes, R.J., Settele, J., Smith, P. (2022): Actions to halt biodiversity loss generally benefit the climate. Global Change Biology 28 (9). S. 2846–2874. (letzter Zugriff: 17.05.2022).

Biene auf Bluete. Foto: © APHOTOSTUDIO - stock.adobe.com
Foto: © APHOTOSTUDIO - stock.adobe.com

KNE veröffentlicht Übersicht zu Schutzgebieten und erneuerbaren Energien

Berlin, 18. Mai 2022

Übersicht zu Schutzgebieten und erneuerbaren Energien

Erneuerbare Energien sollen zügig ausgebaut werden. Hierbei kommen zunehmend solche Räume in den Fokus, die innerhalb von Schutzgebieten nach dem Bundesnaturschutzgesetz liegen. Dieses Schutzgebietssystem ist bisweilen komplex und selbst nach Lektüre der einschlägigen Rechtsnormen nicht ohne Weiteres verständlich. Um einen schnellen und praktischen Überblick über die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Schutzgebietstypen zu geben, hat das KNE eine entsprechende Übersicht erstellt.

Die Übersicht verzichtet auf eine detailgetreue Darstellung der maßgeblichen Vorschriften des Bau- und Umweltrechts. Stattdessen werden die Kernaussagen komprimiert und insbesondere hinsichtlich Photovoltaik und Windenergie dargestellt. Letztlich kommt es für eine endgültige Beurteilung einer Anlage an einem konkreten Ort immer auf die jeweils anwendbare Schutzgebietsverordnung und deren Festlegungen an.

Bildnachweis zum Beitragsfoto auf der Startseite: Foto: Arne List, CC BY-SA 2.0, flickr.com.

Austausch zu Mediation im Spannungsfeld Naturschutz und Energiewende

Berlin, 13. Mai 2022

Austausch zu Mediation im Spannungsfeld Naturschutz und Energiewende

Eine beschleunigte Energiewende braucht professionelle Prozessbegleitung, wenn Konflikte vor Ort frühzeitig verhindert werden sollen. Unsere KNE-Mediatorinnen und Mediatoren stehen dazu regelmäßig im Austausch und sind bundesweit im Einsatz.

Am 11. Mai 2022 kamen die KNE-Mediatorinnen und Mediatoren auf dem 9. KNE-Fachforum zusammen. Im Zentrum des Forums stand der Austausch zu Praxiserfahrungen und innovativen Methoden beim Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Es wurde intensiv diskutiert, welche aktuellen politischen Herausforderungen sich stellen und wie die Pläne zur nötigen Beschleunigung der Energiewende sich möglicherweise auf die Mediationsarbeit auswirken. Insgesamt wurde insbesondere bekräftigt, dass eine frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger viele Konflikte vermeiden kann.

Die KNE-Mediatorinnen und Mediatoren sind nicht nur eine gute Adresse, wenn ein Konflikt schon sehr eskaliert ist und die Positionen verhärtet. Auch für frühzeitige Informationsveranstaltungen oder die Gestaltung von Kommunikationsprozessen vor Ort sind die KNE-Mediatorinnen und Mediatoren jederzeit ansprechbar und verfügen über ein breites Spektrum an Erfahrungen auch in der Konfliktprävention.

Kommunikation

Das KNE auf Tour in Bayern

Berlin, 10. Mai 2022

Das KNE auf Tour in Bayern

Zum Schachtwasserkraftwerk nach Großweil

Die regionalen Akteure sind diejenigen, die tagtäglich in konkreten Projekten mit den Herausforderungen der naturverträglichen Energiewende zu tun haben und praktische Lösungen finden müssen. Wir reisen daher in regelmäßigen Abständen zu den unterschiedlichsten Projekten und in die unterschiedlichsten Regionen auf Tour, um uns bei den Akteuren vor Ort über konkrete Projekte und auszutauschen.

Wettertechnisch waren wir in den zwei Tagen in Murnau in Bayern auf alles eingestellt. Wolken, Sonne, Regen – sogar kurze Gewitter waren für die ersten Maitage angekündigt. Aber wir hatten Glück: Ankunft in Murnau und es schien die Sonne, und das sollte sich auch nicht ändern.

Wir, das ist eine Delegation des KNE, die sich aufgemacht hat, um das Schachtwasserkraftwerk in Großweil bei Murnau zu besichtigen und mit den Beteiligten und Betroffenen vor Ort zu sprechen. Das Schachtwasserkraft in der Loisach ist malerisch gelegen: weitläufige Wiesen, sanfte Hügel und am Horizont die Berge, zum Teil mit schneebedeckten Spitzen. Dazu blühender Löwenzahn und sattes Frühlingsgrün.

Von der Idee in die Praxis

Am Vormittag trafen wir uns mit verschiedenen Akteuren am Standort der Freiwilligen Feuerwehr Groß- und Kleinweil, nur ein paar Schritte vom Schachtwasserkraftwerk entfernt, um uns anschaulich über das Kraftwerk und dessen Technologie zu informieren und uns einen Eindruck zu verschaffen. Albert Sepp von der Firma Hydroshaft, die maßgeblich an der Realisierung beteiligt war, gab uns einen Überblick über die Entstehung: Von der Idee, über die Entwicklung eines Prototyps bis hin zur Inbetriebnahme der Pilotanlage in der Loisach in Großweil im Jahr 2020. Das Wasserkraftwerk arbeitet mit einer Anlagenleistung von 480 Kilowatt und einer Stromproduktion von rund 2,5 Millionen Kilowatt pro Jahr solide. Bei der beeindruckenden Besichtigung des Schachtwasserkraftwerks wurde uns auch die Bereinigung des Rechens von Geröll und anderem Unrat durch einen speziellen Schieber demonstriert.

Aufwertungsmaßnahmen am Mühlbach

Die lokale Bevölkerung sei aktiv „mit ins Boot“ geholt worden, so berichteten uns die Bürgermeister, als wir uns Aufwertungsmaßnahmen am Mühlbach anschauten. Dazu trugen neben der Perspektive einer vermehrt autarken und klimaschonenden Stromversorgung auch mehrere Renaturierungsmaßnahmen bei.

So wurde der Mühlbach, der durch eine Ausleitung aus der Loisach oberhalb des Kraftwerks mit rund 300 Liter Wasser pro Sekunde versorgt wird, renaturiert und durch zahlreiche kleinere und größere Maßnahmen mit viel Eigenleistung der Gemeinde aufgewertet. Die finanziellen Mittel kamen aus dem Kraftwerksvorhaben. So wurde der gradlinige Lauf durch das Einbringen von Steinen oder Baumelementen variiert. Durch das daraus entstandende Mäandern des Mühlenbachs entwickelten sich unterschiedliche Strukturen, die Lebensräume für eine vielfältige Fauna bieten. Anpflanzungen einheimischer Flora ergänzten die Maßnahmen. Innerhalb der Loisach wiederum wurden große Felsblöcke eingebracht, die für die Fischfauna vorteilhafte Bereiche darstellen und die Akzeptanz der Anlage bei den Fischereiverbänden erhöhte.

Im Anschluss sprachen wir Gewässerbeobachtern des Anglerbundes ISARIA, wie sie die Situation für den Fluss und die Fische einschätzen. Sie erklärten, dass die Fischtreppen, insbesondere durch ihre abknickende Führung, nicht für alle Fischarten geeignet seien und es nachhaltiger Beobachtung und Pflege des Gewässers bedarf, um einen akzeptablen Zustand zu erhalten.

Forschung und Entwicklung

Am kommenden Tag besichtigten wir die Versuchsanlagen für Wasserkraftanlagen des Lehrstuhl für Wasserkrafttechnologie an der TU München, an denen der Betrieb von Turbinen und Wasserkrafttechnologien simuliert und untersucht werden kann. Hier wurde die Technologie des Schachtwasserkraftwerks entwickelt und getestet. Ebenso wurden und werden hier Verhaltensuntersuchungen von Fischen im Ausströmungsbereich von Turbinen durchgeführt. Auf unsere Frage zur Nachhaltigkeit und Naturverträglichkeit der Wasserkraftnutzung – und damit auch deren Auswirkungen auf Ökosysteme und Landschaften – erklärte man uns, dass die Wasserkraft und ihre Auswirkungen auf die Ökologie und die Fauna der Fließgewässer differenziert zu betrachten sei. Es sei zwischen den unterschiedlichen Kraftwerks- und Turbinenarten zu unterscheiden sowie die jeweilige projektspezifische Fließgewässersituation in den Blick zu nehmen.

Rahmenbedingungen

Das Gespräch mit Vertretern und Vertreterinnen des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und des Bayerischen Landesamts für Umwelt drehte sich unter anderem um die Perspektiven für die Wasserkraft in Bayern. Die Kleinwasserkrafttechnologie werde voraussichtlich aus der EEG-Förderung fallen. Das stoße aktuell auf Widerstand, so die Ausführungen. Aber auch die Schachtwasserkraftwerkstechnologie würde von einigen Seiten kritisch gesehen.

Das Prinzip des Schachtwasserkraftwerks

Der neue Kraftwerkstyp – das Schachtwasserkraftwerk – wurde von einem Team am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München entwickelt. Es soll die Natur deutlich stärker schonen. Für den neuen Kraftwerkstyp muss der Flusslauf nicht umgeleitet werden. Stattdessen wird vor einem Wehr ein Schacht ins Flussbett gebaut, in dem Turbine und Generator untergebracht werden. Das Wasser fließt in den Schacht, treibt die Turbine an und wird unter dem Wehr in den Fluss zurückgeleitet. Ein kleinerer Teil des Wassers fließt über den Schacht und das Wehr hinweg.

Dabei wird die Strömung so gesteuert, dass das Kraftwerk effizient Strom erzeugt, aber gleichzeitig der Sog in den Schacht gering ist, so sollen die Fische sicher über dem Schacht schwimmen. Durch zwei Öffnungen im Wehr können die Fische flussabwärts wandern. Flussaufwärts gelangen sie über eine übliche Fischtreppe.

Das Schachtkraftwerk eignet sich sowohl für unterschiedlich große Flüsse als auch für unterschiedliche Fallhöhen. Je nach Gewässergröße und Bedarf wird in mehreren Schächten nebeneinander Strom erzeugt, in der Loisach sind es zwei, die Fallhöhe beträgt 2,5 Meter. (Quelle: Pressemitteilung TU München, 20.07.2020)

Fotos v. li. n. re. und o. n. u.
Bild 1 bis 4: Das Schachtwasserkraftwerk // Bild 5 und 6: Aufwertungsmaßnahmen im Mühlbach // Bild 7 und 8: Landschaftsimpression und die KNE-Delegation. Bildrechte: KNE gGmbH.

Das KNE auf Tour – vor Ort im Gespräch

Wir reisen vor Ort zu innovativen Erneuerbare-Energie-Projekten in die verschiedensten Regionen Deutschlands, um uns mit den Akteuren der naturverträglichen Energiewende über die konkreten Herausforderungen zu informieren und auszutauschen. Dabei sprechen wir mit Vertreterinnen und Vertretern von Naturschutzorganisationen und Energiebranche, von Kommunen und Behörden, der Regionalplanung, Gutachterinnen und Gutachter sowie und Bürgervertreterinnen und -vertretern. Wir hören den Menschen zu und wollen wissen: Was treibt sie um? Was heißt naturverträgliche Energiewende in der Praxis? Welche Probleme gibt es vor Ort? Was klappt gut? Wie sind die jeweiligen konkreten Positionen? Wie läuft die Zusammenarbeit?

  • Bereits im Oktober 2021 war ein Team des KNE auf Tour. Damals ging es auf die Paderborner Hochfläche, einen Hotspot der Windenergie, und nach Nordfriesland zum Bürgerwindpark Ellhöft. Lesen hier unseren Bericht.
Schachtwasserkraftwerk in Großweil
Schachtwasserkraftwerk in Großweil
Großweil
Schachtwasserkraftwerk in Großweil
Turbine im Schachtwasserkraftwerk in Großweil
Mühbach in Großweil
KNE-Delegation zum Schachtwasserkraftwerk in Großweil

Neue KNE-Publikation: Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten

Berlin, 9. Mai 2022

KNE-Publikation: Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten

Eine rechtliche Einführung in die Thematik

Landschaftsschutzgebiete bedecken mit einer Gesamtfläche von 9,9 Millionen Hektar rund 28 Prozent der Fläche Deutschlands, ihr Anteil an den Flächen der Länder liegt zwischen neun und rund 42 Prozent. Angesichts des notwendigen Ausbaus der Windenergie an Land ist ein generelles Freihalten von Landschaftsschutzgebieten schwer vermittelbar. Natur- und Energieverbände äußerten sich uneinheitlich zu den Inhalten des Eckpunktepapiers, wobei der Bundesverband für Fledermauskunde der Öffnung von Landschaftsschutzgebieten kritisch gegenübersteht. Vor diesem Hintergrund widmen wir uns folgenden Fragen:

  • Welchem Schutz dient die Einrichtung von Landschaftsschutzgebieten?
  • Welche rechtlichen Möglichkeiten bieten die Schutzverordnungen, Landschaftsschutzgebiete für Windenergie zu öffnen, und welche Grenzen setzen sie?
  • Wie kann der Windenergieausbau in Landschaftsschutzgebieten, vor allem bei der gewollten Freihaltung von Natura-2000-Gebieten, naturverträglich erfolgen?

Weitere Informationen zum Thema

„Ausgangspunkte“

In dem Format „Ausgangspunkte“ veröffentlicht das KNE Ausarbeitungen zu grundsätzlichen Fragestellungen der naturverträglichen Energiewende. Jede Ausgabe der Reihe soll interessierte Leserinnen und Leser gut verständlich in ein anspruchsvolles Thema einführen. „Ausgangspunkte“ verzichtet auf eine umfangreiche wissenschaftliche Untersetzung. Im Mittelpunkt stehen die wesentlichen Fakten, rechtlichen Vorgaben und politischen Geschichtspunkte, die zum Verständnis in der Sache beitragen.

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