Mit Dichtezentren Artenschutz und Windenergieausbau voranbringen?

Berlin, 30. April 2021

Mit Dichtezentren Artenschutz und Windenergieausbau voranbringen?

Fachgespräch zeigt unterschiedliche Wege der Bundesländer auf und plädiert für einheitlichere Kriterien. 

Mit Hilfe von Dichtezentren für windenergiesensible Arten sollen artenschutzrechtliche Konflikte bereits auf der Ebene der Planung vermindert werden. Welche Ansätze die Länder entwickelt haben, um einerseits einen wirksamen Artenschutz und andererseits den Ausbau der Windenergie an Land zu ermöglichen, war Gegenstand eines digitalen Fachgesprächs am 29. April 2021 mit rund 150 Teilnehmenden.

„Die Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergie ist ein entscheidender Hebel, um den Ausbau der Windenergie voranzutreiben”, betonte Dr. Elke Bruns, Abteilungsleiterin im Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). Durch Dichtezentren als Teil eines raumbezogenen Steuerungsansatzes sei es möglich, artenschutzrechtliche Konflikte frühzeitig zu vermeiden und Windenergieprojekte auf verträgliche Standorte zu lenken.

Das Konzept der Dichtezentren sieht vor, über ausgewiesene Schutzgebiete hinaus Bereiche zu identifizieren, die eine hohe Siedlungsdichte reviertreuer Arten aufweisen. Darüber hinaus sollen diese Gebiete in einigen Bundesländern die Funktion einer (Quell-) Population erfüllen: Durch Reproduktionsüberschüsse in den Dichtezentren sollen Individuenverluste an anderer Stelle ausgeglichen werden. Im Gegenzug sollen Windenergieanlagen dann in den dafür ausgewiesenen Gebieten realisiert werden können.

Eine Reihe von Bundesländern hat die Dichtezentrenausweisung bereits in ihre jeweiligen Leitfäden und Erlasse aufgenommen. Welche Ansätze es in den Ländern gibt, zeigt ein Gutachten des Planungsbüros Bosch & Partner im Auftrag des KNE. Dichtezentren werden derzeit zumeist für den Rotmilan, in einigen Ländern aber auch für weitere windenergiesensible Vogelarten ausgewiesen. Das können Gebiete mit hoher Individuendichte, aber auch seltene Einzelvorkommen sein.  In Hessen wurden auch Schwerpunktvorkommen  für Fledermäuse abgegrenzt. Bei der Ermittlung von Dichtezentren werden unterschiedliche Kriterien und Methoden angewendet: In manchen Ländern ist im Wesentlichen die Brutpaardichte pro Flächeneinheit ausschlaggebend, in anderen wird auch die Habitatausstattung in die Abgrenzung einbezogen. So entstehen in den Ländern Dichtezentren mit unterschiedlichem räumlichen Umgriff.

Im Fachgespräch wurden einzelne Länderkonzepte und deren Besonderheiten vorgestellt und eine Reihe fachlicher und methodischer Fragen diskutiert:  Anhand welcher Kriterien grenzt man solche Gebiete sinnvoll ab, und wie weist man nach, dass sie die gewünschte Funktion als Quell-Population auch erfüllen? Wovon hängt es ab, ob für alle windenergiesensiblen Arten Dichtezentren ermittelt werden oder nur für ausgewählte? Reichen die vorliegenden Brutvogelkartierungen aus, und in welchen zeitlichen Abständen sind Fortschreibungen erforderlich?

Elke Bruns betonte, dass die Ausweisung von Dichtezentren auf soliden fachlichen Füßen stehen sollte, zumal sie Auswirkungen auf die Nutzbarkeit des Raumes und – in einigen Ländern – auch auf die Zulässigkeit von Windenergieanlagen haben. Idealerweise sollte man länderübergreifend im Zuge von Fortschreibungen zu einheitlicheren Vorgehensweisen und Konzepten kommen.

NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann präsentierte eine Studie, die aufzeigt, wie auf der Grundlage einer Brutvogelkartierung und unter Berücksichtigung von Abstandsradien bundesweit Dichtezentren abgegrenzt werden könnten. Demnach stünde mit den auf Basis dieser Methode ermittelten Dichtezentren mindestens zwei Prozent (und damit noch ausreichend) Fläche für die Windenergienutzung zur Verfügung. Voraussetzung sei allerdings, dass die Windenergieanlagen auf den Flächen außerhalb der Dichtezentren entweder im Rahmen der Regelgenehmigung (Signifikanzprüfung) oder durch die Erteilung von Ausnahmen genehmigt werden würden. Ob diese Voraussetzung erfüllt werden kann, ist gegenwärtig jedoch nicht absehbar.

Hintergrund 

Das KNE möchte angesichts des Potenzials von Dichtezentren für eine artenschutzkonforme Steuerung des anstehenden massiven Windenergieausbaus auf das Erfordernis hinweisen, bald einen Konsens über die fachwissenschaftliche Belastbarkeit des Konzeptes zu erzielen und verstärkt einheitliche Anforderungen für Methodik und Praxis der Dichtezentren zu entwickeln.

Weiterführende Informationen

Kontakt:
Dr. Elke Bruns
Leiterin Fachinformation
elke.bruns@naturschutz-energiewende.de
T.: 030 7673738-20

Rotmilan im Flug - Foto: Manfred Stöber/adobestock.com
Rotmilan im Flug - Foto: Manfred Stöber/adobestock.com

PV-Ausbau auf Dächern vorantreiben – für eine naturverträgliche Energiewende

Berlin, 28. April 2021

KNE-Wortmeldung

PV-Ausbau auf Dächern vorantreiben – für eine naturverträgliche Energiewende

Dach-Photovoltaik (PV) ist mit besonders wenigen Eingriffen in die Natur verbunden und reduziert den Flächenverbrauch. Doch ein Großteil des Potenzials auf Deutschlands Dächern ist nach wie vor ungenutzt. Dabei gibt es zahlreiche Vorschläge, was der Gesetzgeber tun könnte, um Hürden zu beseitigen, die Nutzung von Dach-PV zu erleichtern und somit Naturschutz und Energiewende voranzubringen.

Das Potenzial von Photovoltaik-Dachanlagen in Deutschland ist groß. Laut einer Studie von EuPD Research[1] sind 89 Prozent der für Solarenergie möglichen Dachflächen von Ein- und Zweifamilienhäusern noch ungenutzt. Eine Studie des Stromversorgers EWS Schönau[2] sieht bis 2030 ein „technisch-praktisches Potenzial von 140 Gigawatt“ einer installierten Leistung für Dachanlagen mit einer Leistung kleiner als 100 Kilowatt. Zum Vergleich: Aktuell beträgt die installierte Leistung in Deutschland 54 Gigawatt. Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und das Fraunhofer ISE beziffern das theoretische Potenzial für Photovoltaik an Fassaden auf 12.000 Quadratkilometer.[3] Dieses Potenzial auf Dächern und an Fassaden sollte aus Naturschutzsicht möglichst schnell für die Installation von PV-Anlagen genutzt werden.

2020 wurde ein Gigawatt mehr PV-Anlagen (Dach- und Freiflächenanlagen) als 2019 installiert (4,9 Gigawatt gegenüber 3,9 Gigawatt). Davon machten Anlagen mit einer Leistung kleiner als 10 Kilowatt 1,1 Gigawatt aus. Für 2021 erwartet das Beratungsunternehmen EuPD Research eine geförderte installierte Leistung von sechs Gigawatt. Damit wird das Potenzial von Photovoltaikanlagen bei weitem nicht ausgeschöpft. Umweltverbände in Deutschland fordern einen jährlichen PV-Zubau von 10 Gigawatt.[4]

Warum wird das Potenzial nicht ausgeschöpft?

In einer Hemmnisanalyse[5] der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW, Stand Januar 2020) werden 56 Hemmnisse aufgeführt, die den weiteren Ausbau der Photovoltaik behindern. Die aufgeführten Hürden betreffen unterschiedliche Rechtsbereiche vom Energie-, über das Gewerbe- bis zum Baurecht.

Einige Hürden sind mit dem zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) beseitigt worden. Viele sind bestehen geblieben, und einige sind neu hinzugekommen.

So setzt zum Beispiel die EEG-Umlagepflicht auf den Eigenverbrauch für Dachanlagen statt bei 10 Kilowatt nun erst bei 30 Kilowatt installierter Leistung ein, was zu einem verstärkten Zubau führen wird. Vorher führten Fehlanreize des EEG 2017 häufig noch zu einer schlechten Dachausnutzung und Anlagen mit einer Leistung von unter 10 Kilowatt installierter Leistung.

Auf der anderen Seite werden die Vergütungen für die Dachanlagen auch 2021 aufgrund des aktuell geltenden Degressionsmechanismus weiterhin deutlich sinken (2020 insgesamt minus 21 Prozent), was im Laufe des Jahres die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen könnte.

Für große Dach-PV-Anlagen (300-750 Kilowatt) gibt es weitere Erschwernisse. Zusätzlich zur sinkenden Vergütung müssen sich die Anlagenbetreiber zwischen zwei Vergütungsmodellen entscheiden. Entweder nehmen sie an einer Ausschreibung mit geringen Ausschreibungsmengen teil, was absehbar zu geringen Marktprämien führen wird. Oder sie verbrauchen 50 Prozent des produzierten Stroms selbst und erhalten für die anderen 50 Prozent keine Marktprämie.

Die HTW Berlin hat errechnet, dass das zweite Modell bei geringem Eigenverbrauch die Anlagen unwirtschaftlich macht.

Positiv an der kürzlich getroffenen Einigung der Großen Koalition zum EEG ist die geplante Gewerbesteuerfreiheit von Wohnungsunternehmen, wenn die Einnahmen aus erneuerbaren Energien weniger als zehn Prozent der Mieteinnahmen ausmachen.

Was könnte getan werden?

Aus Sicht des KNE sollte der Gesetzgeber im Rahmen der nächsten größeren Novelle des EEG folgende Möglichkeiten nutzen, um den Ausbau von PV-Dachanlagen zu beschleunigen:

  • Einführung einer bundesweiten Pflicht zur Installation und zum Betrieb neuer Photovoltaikanlagen bei Neubauten und Dachsanierung von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden:

Das Umweltbundesamt hat hierzu einen Vorschlag erarbeitet.[6] In Kombination mit einem Verpachtungskataster kann dabei sichergestellt werden, dass Eigentümer mit unrentablen Dachflächen diese Pflicht nicht erfüllen müssen.

Die bereits vorhandenen Solarpflichten (in Baden-Württemberg und Hamburg sowie die derzeit erarbeiteten Regelungen in Bayern, Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein) stützen diesen Vorschlag bzw. werden durch eine bundesweite Einführung erweitert.

Für Bestandsbauten könnte mit einer angemessenen Übergangsfrist mittelfristig eine gleichlautende Pflicht eingeführt werden.

  • Der Quartiersansatz beim Mieterstrom nach dem nicht nur die Mieter vom Dach ihres Hauses den Strom beziehen können, sondern auch Mieter in anderen Häusern im Quartier, sollte ausformuliert werden, damit entsprechende Konzepte umgesetzt werden können.
  • Entsprechend der HTW-Hemmnisanalyse sollten die erforderlichen Änderungen im Gewerbe-, Bau- und Planungsrecht sowie in anderen Rechtsgebieten geprüft und umgesetzt werden. Ziel muss es sein, die Flächeninanspruchnahme zu minimieren.
  • Ein zusätzlicher positiver Effekt für den Naturschutz ließe sich durch die Kombination mit einer Dachbegrünung erreichen. Zum einen würde zusätzlicher Lebensraum für eine Vielzahl an Arten geschaffen. Zum anderen würde im Sommer der Wirkungsgrad der Photovoltaikanlagen steigen, da sich ein begrüntes Dach deutlich weniger aufheizt als ein unbegrüntes.[7] Das Land Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel ein Solarkataster[8] und ein Gründachkataster eingerichtet, wo Gebäudebesitzern sich über die Tauglichkeit ihrer Dächer für eine Solaranlage und eine Dachbegrünung informieren können.[9] Die Verbraucherzentrale NRW informiert parallel über die Möglichkeiten und die konkrete Umsetzung der Dachbegrünung.[10]

Fazit

Angesichts der anspruchsvollen Ausbauziele für erneuerbare Energien und der intensiven Flächennutzung in Deutschland sollten bestehende Hemmnisse für den weiteren Ausbau der besonders naturverträglichen Dach-Photovoltaik zügig beseitigt werden – das läge auch im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes.

[1] 89 Prozent des Solarpotenzials noch ungenutzt – EuPD Research (eupd-research.com).

[2] Chancen einer Verdreifachung des PV-Kleinanlagenanteils am Strommix bis 2030, Energy Brainpool im Auftrag von EWS Schönau, Oktober 2020.

[3] Pressemitteilung IÖR Strom von der Hauswand – Gebäudefassaden bieten großes Potenzial für die Gewinnung von Solarenergie, 20.01.2021.

[4] Offener Brief vom 12.02.2021 an Bundeswirtschaftsminister Altmaier von DNR, BUND, DUH, Germanwatch, Greenpeace, Klimaallianz, NABU, WWF.

[5] Hemmnisse und Hürden für die Photovoltaik (Stand Januar 2020), HTW Berlin.

[6] Photovoltaik-Pflicht mit Verpachtungskataster: Optionen zur Gestaltung einer bundesweiten Pflicht zur Installation und zum Betrieb neuer Photovoltaikanlagen, CLIMATE CHANGE 34/2020, Umweltbundesamt.

[7] Auf einem Dach: Begrünung und Photovoltaik, Bund Naturschutz in Bayern, abgerufen 16.04.2021.

[8] www.solarkataster.nrw.de

[9] https://www.klimaanpassung-karte.nrw.de/?feld=gruendach

[10] https://www.mehrgruenamhaus.de/

Kontakt:
Harald Uphoff
Leiter Konfliktvermeidung
harald.uphoff@naturschutz-energiewende.de
T.: 030 7673738-30

Aktuelles aus Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg

Berlin, 26. April 2021

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 04/21

Aktuelles aus Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE regelmäßig Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. 

Niedersachsen

Der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen-Bremen e. V. (LEE) hat die von der Nefino GmbH erstellte Studie „Analyse der Flächenpotenziale für Windenergieanlagen in Niedersachsen“ an den Energie- und Klimaschutzminister Olaf Lies (SPD) übergeben (PI 040/2021). In der Studie wird landkreisscharf abgebildet, in welchen Regionen des Landes Offenlandpotenziale bestehen und wo Potenziale für die Errichtung von Windenergieanlagen in Wäldern erschlossen werden könnten. Die Studie schlägt vor, durch die Neuaufstellung des Landesraumordnungsprogramms eine behutsame Öffnung der Wälder für die Windenergie zu ermöglichen. Einen immensen Einfluss auf das Flächenpotenzial hätten laut Studie die Pufferabstände zu Wohnbebauungen. Pro 100 Meter zusätzlichem Pufferabstand zu Wohnbebauung im Innenbereich entstünden zirka 12 Prozent Potenzialverluste. Minister Lies betonte daher, dass starre, pauschale Abstände bei Neubau oder Repowering von Windenergie-Anlagen das Potenzial künstlich verkleinere. Die Ergebnisse des Runden Tisches zur Zukunft der Windenergie sollen die Leitplanken bilden für eine Neujustierung unterschiedlicher Schutzgüter in naher Zukunft.

Rheinland-Pfalz

Die amtierende rheinland-pfälzische Umweltministerin Spiegel hat sich für eine effiziente und naturverträgliche Nutzung von Windenergie im Wald ausgesprochen (PM, 25.03.2021). Durch den erneuerbaren Strom einer Windenergieanlage könnten im Vergleich zur gleichen Menge Braunkohlestrom jährlich rund 4.500 Tonnen Kohlenstoffdioxid vermieden werden. Dabei seien die Emissionen für den Bau der Anlage bereits berücksichtigt. Zum Vergleich belaufe sich der Klimaschutzbeitrag von einem Hektar Wald in Rheinland-Pfalz auf rund 10,4 Tonnen CO2. Dementsprechend könnten alle Windenergieanlagen in den rheinland-pfälzischen Wäldern – insgesamt 467 – so viel CO2 einsparen wie eine Fläche von etwa 200.000 Hektar Wald. Mit 840.000 Hektar sind 42 Prozent der gesamten Landesfläche in Rheinland-Pfalz Waldgebiet. Jedes vierte Windrad beziehungsweise 33 Prozent der in Rheinland-Pfalz installierten Gesamtleistung drehte sich Ende 2020 im Forst. Dass sich der Ausbau von Windenergie im Wald rentiert, zeigt der Rhein-Hunsrück-Kreis, der als erster Landkreis in Deutschland bilanziell CO2-neutral wurde. Zuvor eine der strukturschwächsten Regionen, haben die dortigen Gemeinden mittlerweile die landesweit geringste kommunale Verschuldung.

Hessen

In seiner Antwort (Drucksache 20/3269) auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Tobias Eckert (SPD) hat der hessische Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Tarek Al-Wazir, die für Infrastrukturvorhaben geltenden formellen und materiellen Anforderungen an die sog. Fachplanung zusammengefasst dargestellt, unterteilt in die formellen (Verfahrensregelungen) und die materiellen Anforderungen (inhaltliche Übereinstimmung mit dem geltenden Recht). Des Weiteren werden in der Antwort die rechtlichen Kompetenzen des Landes bei der Planung und Genehmigung dargelegt. Zudem wird dargestellt, welche organisatorischen Vorgaben, die allein im Entscheidungsrecht des Landes liegen, in den letzten zehn Jahren mit der Zielrichtung der Beschleunigung des Planungsverfahrens verändert wurden. Die Antwort bringt Licht in das feine Gestrüpp bundes- und landesrechtlicher Regelungen. Die Ausführungen beziehen sich auf alle fachplanerischen Infrastrukturvorhaben.

Baden-Württemberg

Auf dem Deponieforum 2021 am 18. März zum Thema „Deponie im Wandel“ hat das Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg mit Fachleuten aus der Abfall- und Entsorgungswirtschaft diskutiert. Der Amtschef des Ministeriums Ministerialdirektor Helmfried Meinel stellte dabei heraus, dass sich stillgelegte Deponieflächen „hervorragend als Standort für Photovoltaik-Anlagen“ eignen, eine solche Nachnutzung würde die Freiflächen-Photovoltaik in Baden-Württemberg einen wichtigen Schritt voranbringen. Unter Federführung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) wird aktuell das Potenzial verschiedener Deponiestandorte für Photovoltaik ermittelt. Mit der ‚intelligenten Nutzung von Brachflächen‘ könnte ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende geleistet werden. Für die Entscheidung zur Nutzung ehemaliger Deponien müssen insbesondere die Standorteignung, die potenzielle Wirtschaftlichkeit, die Einbindung in das Landschaftsbild und der ökologische Ausgleich geklärt werden (LUBW Karte des Monats: Nutzung von ehemaligen Deponien für die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen).

Berechnungen zufolge enormes Solarenergie-Potenzial in Niedersachsen

Berlin, 22. April 2021

KNE-Lesetipp

Titel: Badelt, O., Niepelt, R., Wiehe, J., Matthies, S., Gewohn, T., Stratmann, M., Brendel, R., von Haaren, C. (2020): Integration von Solarenergie in die niedersächsische Energielandschaft (INSIDE).

Laut Berechnungen der Leibniz Universität Hannover und des Instituts für Solarenergieforschung GmbH Hameln/Emmerthal (ISFH) soll es in Niedersachsen ein naturverträgliches Solarenergie-Potenzial von etwa 1300 Terrawattstunden pro Jahr geben. Das wäre enorm! Zum Vergleich: 2020 betrug der Gesamtenergiebedarf in Deutschland ungefähr das Doppelte (Umweltbundesamt 2021, online).

Die Berechnung stammt aus der im November 2020 veröffentlichten Studie zur Integration der Solarenergie in die niedersächsische Energielandschaft. Aber wie kommen die Autorinnen und Autoren auf solch ein hohes Potenzial und ist dieses realistisch?

Zunächst wurden auf der Basis der Empfindlichkeit beziehungsweise Wertigkeit der verschiedenen Naturschutzgüter (wie Flora, Fauna, Boden, Landschaftsbild usw.) sowie der potenziellen Belastung durch eine Solaranlage vier Raumwiderstandsklassen definiert. Zwölf Prozent der Landesfläche könnten laut den Autorinnen und Autoren der geringsten Raumwiderstandsklasse zugeordnet werden. Auf diesen Flächen bestünde ein Potenzial von 614 Terrawattstunden. Durch die Anpassung der Technologie könnten weitere Gebiete mit einem mittleren Raumwiderstand für die Solarenergie erschlossen werden, und landwirtschaftliche Flächen könnten mit Agri-PV nutzbar gemacht werden. Somit ergäbe sich ein zusätzliches Potenzial von 400 bis 800 Terrawattstunden. Hinzu kämen noch die Potenziale auf den Dächern (in etwa 80 Terrawattstunden) und auf Gewässern (in etwa 32 Terrawattstunden).

Gebietskategorien, die als naturverträglich eingestuft wurden, sind beispielsweise ertragsschwache Ackerflächen, intensiv bewirtschaftete Grünländer, Flächen mit einer geringen landschaftsästhetischen Qualität oder Wasserschutzgebiets-Zonen III A und B.

Diese hohen Ausbaupotenziale wecken natürlich bei vielen Akteuren der Energiewende große Hoffnungen. Für den tatsächlichen Ausbau wird aber die Bereitschaft der Eigentümer entscheidend sein, die Fläche für die Nutzung auch tatsächlich freizugeben. Dafür sind die Eigentumsverhältnisse sowie die wirtschaftliche Rentabilität der Vornutzung ausschlaggebend. Zudem sind die Folgen der Inanspruchnahme großer Teile der ertragsschwachen Ackerflächen und intensiv bewirtschafteten Grünländer, wie in der Studie einkalkuliert, im Hinblick auf die Naturverträglichkeit zu überprüfen.

Neben dem naturverträglichen Ausbaupotenzial beleuchtet die Studie auch noch die Auswirkungen der Freiflächensolaranlagen auf die Ackerland-Pachtpreise sowie die Steuerungsmöglichkeiten auf regionaler und kommunaler Ebene. In diesem Zusammenhang appellieren die Autorinnen und Autoren an die Planungsträgerinnen und -träger, proaktiver zu agieren und Flächen gezielt auszuweisen, ein ökologisches Gesamtkonzept zu erarbeiten und Anreize für eine effiziente Flächennutzung und eine naturverträgliche Gestaltung zu schaffen.

Quelle: Badelt, O., Niepelt, R., Wiehe, J., Matthies, S., Gewohn, T., Stratmann, M., Brendel, R., Haaren, C. Von (2020): Integration von Solarenergie in die niedersächsische Energielandschaft (INSIDE). Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, Hannover. 129 S.

Solarpark inmitten landwirtschaftlicher Flächennutzung, Foto: © Michael von Aichberger - stock.adobe.com
Foto: © Michael von Aichberger - stock.adobe.com

Foto: © Michael von Aichberger – stock.adobe.com

Neue Auswahlbibliografie „Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Naturschutz“

Berlin, 22. April 2021

Neue Auswahlbibliografie „Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Naturschutz“

In der neuen Auswahlbibliografie „Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Naturschutz“ werden die Umweltauswirkungen von Solarparks sowie Kriterien für eine naturverträglichere Standortwahl und Ausgestaltung thematisiert. Des Weiteren werden raumordnerische und planungsrechtliche Rahmenbedingungen sowie Aspekte des Flächenbedarfes aufgegriffen. Aufgrund neuer Veröffentlichungen wurde diese Auswahlbibliografie kürzlich aktualisiert. Neue Dokumente sind beispielsweise verschiedene Handlungsempfehlungen oder Planungshilfen aus Brandenburg, eine Potentialanalyse aus Niedersachen oder das Positionspapier des bayerischen CARMEN e. V. zu Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Agri-Photovoltaikanlagen.

Die Auswahlbibliografien des KNE bieten einen Überblick über einschlägige Veröffentlichungen zu bestimmten Teilaspekten der naturverträglichen Energiewende. Sie fassen die neuesten Forschungsergebnisse, Handlungsleitfäden und Positionspapiere zusammen. Die Auswahlbibliografien sollen sowohl den Einstieg in ein Thema ermöglichen, als auch den aktiven Akteuren den Zugang zu verlässlichen Quellen erleichtern.

Gern können Sie sich mit Ergänzungsvorschlägen oder Anregungen an uns wenden.

Kontakt
Natalie Arnold
Referentin naturverträgliche Solarenergie
natalie.arnold@naturschutz-energiewende.de
T.: 030 7673738-26.

Solarpark mit Wiese und Schaf

Foto: ©sergiymolchenko – stock.adobe.com

Wie geplante Windenergieanlagen realitätsgetreu visualisieren? Neuer Leitfaden gibt Empfehlungen

Berlin/Stralsund, 13. April 2021

Wie geplante Windenergieanlagen realitätsgetreu visualisieren? Neuer Leitfaden gibt Empfehlungen

Gemeinsame Pressemitteilung der Fachagentur Windenergie an Land e. V., der Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern GmbH sowie des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende gGmbH.

Bei der Planung von Windenergieanlagen spielen optische Auswirkungen eine zentrale Rolle. Sachgerechte Visualisierungen sind ein wichtiges Instrument, um im Genehmigungsverfahren mögliche Beeinträchtigungen von Anwohnenden, der Landschaft oder von Denkmälern möglichst objektiv einzuschätzen. In einem einjährigen Prozess mit Expertinnen und Experten haben die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind), die Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern (LEKA MV) sowie das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) nun einen praxisorientierten Leitfaden erarbeitet, um eine verlässlichere Handhabung und Prüfung von 2-D-Visualisierungen von Windenergieanlagen zu ermöglichen.

„Die Qualität solcher Visualisierungen brennt vielen Akteuren der umwelt- und naturverträglichen Energiewende unter den Nägeln. Die erarbeiteten Empfehlungen können perspektivisch die Rechtssicherheit erhöhen und den Ausbau beschleunigen. Wir merken zunehmend, dass Visualisierungen auch im Rahmen der Regionalplanung, insbesondere bei der Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergie an Land, eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Dr. Antje Wagenknecht, Geschäftsführerin der FA Wind.

Gunnar Wobig, Geschäftsführer der LEKA MV, betont weiter: „Eine glaubwürdige und transparente Planung von Windenergieanlagen ist der Schlüssel zu deren Akzeptanz. Bei Visualisierungen darf daher weder beschönigt noch dramatisiert werden. Mit dem gemeinsamen Leitfaden liegt erstmals eine Anleitung zur fachgerechten Erstellung fotobasierter Visualisierungen im Rahmen von Windenergieplanungen vor.“

KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke ergänzt: „Neue Windenergieanlagen dürfen nicht erst mit ihrem Baubeginn vor das Auge der Anwohnenden treten. Gute Praxis zeichnet sich durch frühzeitige Beteiligung aus. Realitätsnahe Visualisierungen helfen, Debatten und Entscheidungen zu versachlichen. Allerdings fehlte es bislang noch an klaren Maßstäben, sodass Visualisierungen oft selbst Gegenstand von Konflikt und Verzögerung wurden. Dieser Mangel ist nun behoben.“

Hintergrund

Der Leitfaden „Gute fachliche Praxis für die Visualisierung von Windenergieanlagen“ beschreibt Anforderungen an eine fotobasierte 2-D-Visualisierung hinsichtlich Methodik und Darstellung sowie spezielle Erfordernisse je nach Fachbereich und Aufgabenstellung. Zusätzlich enthält er hilfreiche Informationen hinsichtlich Auswahl, Festlegung, Anfertigung und Darstellung von Betrachtungspunkten.

Die gute fachliche Praxis wurde von der Ramboll Deutschland GmbH im Auftrag der FA Wind, der LEKA MV sowie des KNE erarbeitet und mit Hilfe von Expertinnen und Experten aus Fachbehörden des Denkmalschutzes, von Fachgutachtern, Visualisierungsexperten sowie Praktikerinnen und Praktikern der Windenergiebranche in drei umfangreichen Workshops überarbeitet und verbessert.

Herausgeber:

Logos FA Wind, LEKA MV , KNE
Titelblatt der Publikation zur Visualisierung von Windenergieanlagen

PDF DOWNLOAD (hohe Qualität)

PDF DOWNLOAD (Web-Version)