Aktuelles aus den Ländern und der Forschung

Berlin, 26. Juli 2022

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 07/22

Aktuelles aus den Ländern und der Forschung

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Baden-Württemberg

Die Agri-Photovoltaik biete laut der baden-württembergischen Landesregierung eine gute Möglichkeit den Ausbau PV-FFA Ausbau flächenschonend zu gestalten. Insbesondere im Bereich des Obst- und Beerenanbaus sehe man Potenziale, da neben der gemeinsamen Flächennutzung weitere Synergien zwischen Kulturführung und PV-Anlage zu erwarten seien, beispielsweise bei der simultanen Nutzung einer Aufständerung für PV-Module und Schutznetze oder dem Bewässerungsmanagement. Üblicherweise werde für PV-FFA eine bereits vorbelastete oder für die Landwirtschaft und den Naturschutz wenig bedeutsame Flächenkulisse angestrebt. Dies gelte aufgrund der simultanen Flächennutzung jedoch nicht für die Agri-PV. Dies geht aus Drucksache Drucksache 17/2546 hervor. In der Kleinen Anfrage bezieht sich der Abgeordnete Tobias Vogt (CDU) auf erneuerbare Energien im Landkreis Ludwigsburg. In ihrer Antwort betont das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dass dort aufgrund der Bedeutung von Sonderkulturen, der überdurchschnittlichen Bodenqualität und der hohen Flächenbedarfe für Siedlung und Verkehr von Seiten der Landwirtschaft im Einzelfall Interesse an Agri-PV Anlagen bestehen könne.

Rheinland-Pfalz

Die Landesregierung Rheinland-Pfalz begrüßt den Ansatz der Doppelnutzung bereits genutzter oder versiegelter Flächen, um zu einem flächenschonenden Ausbau der Photovoltaik beitragen zu können. Neben der Nutzung von Lärmschutzwänden bestehe die Möglichkeit, Autobahnen mit Solaranlagen zu überdachen. Dabei müsse jedoch berücksichtigt werden, dass derartige Bauwerke unmittelbar über stark belasteten Fahrbahnen bei der Errichtung und Wartung hohe Kosten nach sich zögen. Sie erschwerten den Wartungs- und Betriebsdienst und lösten Baumaßnahmen aus, die auch die Autobahn selbst berührten. Zudem seien Aspekte der Blendfreiheit, des Wechsels zwischen hell und dunkel, der Wartbarkeit, der Betriebs- bzw. Verkehrssicherheit sowie der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Neben den Potenzialen an Autobahnen könnten auch Lärmschutzwände entlang von Schienenwegen berücksichtigt werden. In Einzelfällen könnten auch Potenziale entlang von Landesstraßen und Bundesstraßen vorhanden sein. Dies geht aus einer Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland Pfalz auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Markus Wolf (CDU) auf Drucksache 18/3297 hervor.

Saarland

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage mehrerer CDU-Abgeordneter gibt die Saarländische Landesregierung auf Drucksache 17/29 (17/13) Auskunft über Windenergieanlagen auf historisch alten Waldstandorten. 58.807 Hektar seien als historisch alte Waldstandorte deklariert, davon 31.170 Hektar im Staatswald. Nach § 28 Absatz 1 Nr. 6 LWaldG „ist die Errichtung von baulichen Anlagen, die der Nutzung der Windenergie dienen unzulässig, sofern nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Errichtung vorliegt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse liegt vor, wenn am Errichtungsstandort in 150 Meter Höhe über dem Grund mindestens eine mittlere Windleistungsdichte von 321 W/m² gegeben ist und der Standort bereits erschlossen ist oder der Standort und die zur Erschließung des Standortes erforderlichen Flächen vorbelastet sind.“ Die Ausnahmeregelungen seien aufgrund der Entscheidung im Koalitionsvertrag 2017, im Staatswald keine neuen Nutzungsverträge mehr zu vereinbaren, bisher weggefallen. In der Vergangenheit seien auf sieben historisch alten Waldstandorten im Staatswald 19 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 59,5 Megawatt realisiert worden.

Reiner Lemoine Institut

Das Reiner Lemoine Institut (RLI) hat ein umfangreiches Datenpaket mit Potenzialflächen für Photovoltaik und Windenergieanlagen veröffentlicht. Die Geodaten können laut RLI dabei helfen, das Zwei-Prozent-Ziel des Wind-an-Land-Gesetzes der Bundesregierung umzusetzen. Bislang seien die Daten nur in der Anwendung „PV und Windflächenrechner“ des Thinktanks Agora Energiewende nutzbar gewesen und konnten nicht für andere Zwecke heruntergeladen werden. Die Sammlung der Potenzialflächen könne beispielsweise Planungsbüros oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei ihrer Arbeit unterstützen. Sie enthalte unter anderem mögliche Flächen für Windenergieanlagen mit verschiedenen Siedlungsabständen (400, 600, 800 und 1.000 Meter) sowie Freiflächen für Photovoltaik entlang von Autobahnen und Schienenwegen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben für das Datenpaket das Bundesgebiet ausgewertet. Potenzialflächen seien durch den Ausschluss ungeeigneter Flächen wie beispielsweise Siedlungsgebiete oder Natur-, Vogel- und Trinkwasserschutzgebiete ermittelt worden.

Thomas Schoder - Extrakte

KNE-Podcast: Die Erneuerbaren und das „überragende öffentliche Interesse“

Berlin, 22. Juli 2022

KNE-Podcast: Die Erneuerbaren und das „überragende öffentliche Interesse“

Die Bundesregierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien erheblich beschleunigen. Dazu gibt es die unterschiedlichsten Ansätze, Maßnahmen sowie rechtliche Neuerungen. Eine der rechtlichen Änderungen des Gesetzgebers dazu ist, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen der erneuerbaren Energien nun im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen. So formuliert in Paragraf 2 des neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Was ist eigentlich das „überragende öffentliche Interesse“? Welche rechtlichen Wirkungen hat die Neuregelung? Warum ist die Einführung dieses Passus jetzt so wichtig? Bringt das den erhofften Schub für die Energiewende? Bedeutet es, dass eine Windenergieanlage nun regelmäßig Vorrang vor anderen Naturschutzbelange hat? Steht nun, in Anbetracht der Biodiversitätskrise, zu befürchten, dass der Artenschutz langfristig doch auf der Strecke bleibt?

Über die unterschiedlichen Aspekte und Fragestellungen spricht Moderatorin Anke Ortmann mit Dr. Silke Christiansen, Leiterin der KNE-Rechtsabteilung.

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Der KNE-Podcast

Dialoge – Debatten – Denkanstöße: Der KNE-Podcast beschäftigt sich mit aktuellen Fragen rund um die naturverträgliche Energiewende. Wie können Vogelkollisionen an Windenergieanlagen vermieden werden, wie lassen sich Konflikte beim Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort klären, und was alles muss berücksichtigt werden, damit eine Erneuerbaren-Anlage genehmigt werden kann? Zu diesen und vielen weiteren Fragen kommen unterschiedlichste Expertinnen und Experten im Podcast zu Wort.

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Das KNE auf Tour: Agri-PV in Rheinland-Pfalz

Gelsdorf – Landkreis Ahrweiler , 14. Juli 2022

Das KNE auf Tour: Agri-PV in Rheinland-Pfalz

Sonne und Äpfel ernten – Besuch des Forschungsprojektes  »APV-Obstbau«

Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen für die Landwirtschaft neue Strategien entwickelt werden. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsverteilung und immer häufiger eintretende extreme Wetterereignisse wie Hagel oder Starkregen belasten schon heute den Obstanbau und ziehen negative Auswirkungen auf die Ernten nach sich. Der kommerzielle Obstanbau setzt daher zunehmend Hagelschutznetze und Folien ein, um Qualitäts- und Ertragseinbußen zu verhindern. Das ist teuer und aufwändig. Da bietet es sich an, über andere Lösungen nachzudenken, wie etwa eine Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen mittels Überbauung durch Photovoltaikanlagen.

Um uns einen Eindruck über diesen Ansatz zu verschaffen, haben wir, eine Delegation des KNE, ein Forschungsprojekt in Gelsdorf, im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, des Fraunhofer ISE besucht. Ziel des Projektes APV-Obstbau« ist eine gesteigerte Resilienz im Obstbau sowie die doppelte und ressourceneffiziente Nutzung von Land. Dazu wird untersucht, inwiefern Agri-PV-Anlagen die Plantagen, hier Apfelanbau, vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen und Hagelschutznetze überflüssig machen könnten. Dabei werden sowohl verschiedene Anlagendesigns als auch unterschiedliche Apfelsorten eingesetzt und getestet.

Drängendstes Problem im Freilandanbau: Der Kulturschutz

Wir treffen uns mit dem Leiter des Bio Obsthofes und Vertreterinnen und Vertretern vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, vom NABU-Landesverband Rheinland-Pfalz sowie von der NABU-Kreisgruppe Ahrweiler und machen uns auf zur nahegelegenen Anlage des Forschungsprojektes. Dabei passieren wir verschiedene Plantagenflächen, zum Beispiel für Johannisbeeren und Süßkirschen. Beim Anblick der Süßkirschen wird deutlich: Drängendstes Problem ist der Kulturschutz. Der Anbau von Süßkirschen sei im Freiland praktisch nicht mehr möglich, wird uns erklärt. Die Plantagenflächen werden vollständig von Schutzfolien und -netzen umspannt, um den Befall mit der Kirsch-Essig-Fliege zu verhindern (auch im Apfelanbau treten immer wieder neue Schädlinge auf – z. B. die marmorierte Baumwanze). Die Folien müssten sehr aufwendig auf- und abgebaut werden und führten zu einem abgeriegelten Produktionsraum ohne Austausch mit der umgebenden Landschaft. Im „Zelt“ sei wenig Biodiversität und eine hohe Anfälligkeit der Bäume zu beobachten, da auch die Nützlinge ausgesperrt seien.

Als wir die Agri-PV-Anlage mit Apfelanbau erreichen, bietet sich ein gänzlich anderes Bild.

Die Agri-PV-Anlage – Konstruktion und Effekte

Die Metallkonstruktion der in rund fünf Metern Höhe aufgeständerten Solarmodule ist relativ massiv umgesetzt, aktuelle Anlagen werden mit „schlankerem“ Gestänge gebaut. Es wurden zwei Modultypen verbaut: Ein sogenanntes Zebradesign und ein Blockdesign, das über drei von acht Apfelreihen variabel verstellbar ist, um den Sonnenstand optimal zu nutzen und den besten Kulturschutz zu erreichen. Beim Bau der Anlage haben alle Gewerke an einem Strang gezogen und auch unerwartete Hürden gut gemeistert. So hatte zum Beispiel niemand damit gerechnet, dass das schwere Gerät den Boden während der Bauphase derartig verdichten würde und dieser wieder maschinell gelockert werden müsste.

Der Hagelschutz sei leider nicht vollständig, da die Module kleiner als ursprünglich geplant ausgefallen seien. Er lag bei einem Hagelereignis in jüngster Vergangenheit bei rund 60 Prozent, mit anderen Modulen könne zukünftig sicherlich ein besserer Schutz erreicht werden. Eine Wasserrückführung finde nicht statt, der Niederschlag läuft von den Modulen in die Fahrrinne zwischen den Baumreihen ab und versickert dort. Die Verschattung durch die Module helfe zusätzlich, dass mehr Niederschlag auf der Fläche verbleibt. Über den realen Stromertrag ließe sich leider noch nichts sagen, da die Anlage noch nicht an das Stromnetz angeschlossen werden konnte. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten stehen derzeit keine Wechselrichter zur Verfügung.

Zwischen den Apfelreihen erfolgt eine produktionsintegrierte Kompensation des Eingriffs durch die Einsaat von Blühstreifen in der Fahrgasse sowie die Anbringung von Nisthilfen für Insekten und Vögel. Lediglich die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wurde durch Ersatzzahlungen ausgeglichen.

Es wächst, blüht und brummt

Vor gut einem Jahr wurde der Grundstein für die Forschungsanlage gelegt, es wurden in elf Reihen insgesamt acht Apfelsorten angepflanzt. Die Untersuchungen, welche Sorte sich wie verhält und bei nahezu halbierter Sonneneinstrahlung möglicherweise am besten gedeiht, sind noch in vollem Gange. Bis 2025 erfolgen unter anderem Chlorophyllmessungen, Analysen der integrierten Wettermessungen, Analysen des Wachstumsverhaltens und Lagerversuche mit den Äpfeln.

Unter den in rund fünf Metern Höhe aufgeständerten Solarmodulen wachsen die Äpfel, zwischen ihnen, in einem bunten und vielfältigen Blühstreifen schwirren und brummen die unterschiedlichsten Insekten. Zur Förderung der Biodiversität wurde für die Blühstreifen RegioSaatgut[1] verwendet, das über die ganze Saison ein Nahrungsangebot liefert.

Einen Blühstreifen anzulegen und zu pflegen, klingt zunächst nicht so kompliziert, es bedeutet aber mehr, als ein paar Samen auszusähen und dann zur Mahd mit der Sense oder dem Rasenmäher durch die Reihen zu gehen. Um den Anforderungen und der Struktur der Pflanzen und des Untergrundes gerecht zu werden, werden zur Pflege Spezialmaschinen eingesetzt. Unter den Baumreihen wird Aufwuchs entfernt, in der Mitte der Fahrgasse bleibt der Blühstreifen stehen. An den beiden Enden der Baumreihen sind Ankerpflanzen gesetzt. Diese Sträucher liefern ein zusätzliches Blütenangebot und Früchte als Nahrung für Vögel. Insgesamt wird die Anlage gut angenommen: Das Gestänge wird von Vögeln für den Nestbau genutzt, es wurde auch schon ein jagender Bussard unter den Modulen beobachtet.

Wir bedanken uns bei den Akteuren für diesen interessanten Einblick in das Forschungsprojekt und die Gastfreundschaft und sind gespannt, ob die Agri-PV halten kann, was sie verspricht. Der Forschungsbericht mit vielen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Hinweisen zur Umsetzung wird hoffentlich auch in anderen Anbauregionen Projekte dieser Art befördern.

[1] Regiosaatgut ist Saatgut von gebietseigenen Wildpflanzen für die Erhaltung der natürlichen und regional typischen Diversität, das innerhalb eines Ursprungsgebietes (Herkunftsregion) gewonnen, in einem dem Ursprungsgebiet zugeordneten Produktionsraum vermehrt und innerhalb des Ursprungsgebietes wieder ausgebracht wird, ohne züchterisch verändert worden zu sein.

Fotos: Anke Ortmann, Michael Krieger (KNE gGmbH)

Das KNE auf Tour – vor Ort im Gespräch

Wir reisen vor Ort zu innovativen Erneuerbare-Energie-Projekten in die verschiedensten Regionen Deutschlands, um uns mit den Akteuren der naturverträglichen Energiewende über die konkreten Herausforderungen zu informieren und auszutauschen. Dabei sprechen wir mit Vertreterinnen und Vertretern von Naturschutzorganisationen und Energiebranche, von Kommunen und Behörden, der Regionalplanung, Gutachterinnen und Gutachter sowie und Bürgervertreterinnen und -vertretern. Wir hören den Menschen zu und wollen wissen: Was treibt sie um? Was heißt naturverträgliche Energiewende in der Praxis? Welche Probleme gibt es vor Ort? Was klappt gut? Wie sind die jeweiligen konkreten Positionen? Wie läuft die Zusammenarbeit?

  • Im Oktober 2021 besuchten wir die Paderborner Hochfläche, einen Hotspot der Windenergie, und nach Nordfriesland zum Bürgerwindpark Ellhöft. » mehr
  • Im Mai 2022 besuchten wie das Schachtwasserkraftwerk nach Großweil in Bayern. » mehr
KNE-Tour: Impressionen vom Besuch des Forschungsprojektes »APV-Obstbau« des Fraunhofer ISE: Agri-Photovoltaik und ökologischer Obstanbau, Fotos: © Anke Ortmann, KNE gGmbH

Neue Erkenntnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten von Rotmilanen

Berlin, 18. Juli 2022

KNE-Lesetipp

Neue Erkenntnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten von Rotmilanen

Pfeiffer, T., Meyburg, B.-U. (2022): Flight altitudes and flight activities of adult Red Kites (Milvus milvus) in the breeding area as determined by GPS telemetry.

Die statistische Auswertung von Telemetriedaten brütender Rotmilane liefert weitere Erkenntnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten der Vögel während der Brutzeit. Diese sind in Bezug auf die Beurteilung von Kollisionsrisiken von Rotmilanen an Windenergieanlagen relevant.

Der Rotmilan gilt derzeit als an Windenergieanlagen kollisionsgefährdete Brutvogelart und spielt bei der Genehmigung neuer Anlagen häufig eine Rolle. Möglichst genaue Kenntnisse über die Flugaktivität und Flughöhen der Tiere können zu einer verbesserten Beurteilung Berücksichtigung der Art in artenschutzrechtlichen Prüfungen des Tötungs- und Verletzungsrisikos führen und zu einer zielgerichteten Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen beitragen.

Inhalte der Studie

Die Forschenden besenderten in einem Zeitraum von 2012 bis 2018 insgesamt 29 Rotmilane in der Umgebung von Weimar (Thüringen) mit GPS-Loggern und darin integrierten Beschleunigungssensoren. Die damit gewonnenen Daten wurden statistisch hinsichtlich der Flugaktivität während der verschiedenen Brutzeitphasen, des tageszeitlichen Beginns und Endes der Flugaktivität sowie der Flughöhen ausgewertet. Zusätzlich wurden in der Datenanalyse als erklärende Variablen die Wetterparameter Niederschläge, Sonnenscheindauer und Windgeschwindigkeit, um eventuelle Effekte auf die Flugaktivität abzuschätzen.

Erkenntnisse

Der morgendliche Aktivitätsbeginn fiel am häufigsten direkt mit dem Sonnenaufgang zusammen. Die Wetterparameter hatten allerdings keinen nennenswerten Einfluss auf den Aktivitätsbeginn. In den Mittagsstunden und am frühen Nachmittag lag der Zeitanteil, an denen die Rotmilane fliegend verbrachten am höchsten. Je nach Brutzeitphase lag der Zeitanteil bei den Männchen in den Mittagsstunden bei 30 bis 80 Prozent. Die Flugzeit der Männchen war durchschnittlich zweieinhalbfach höher als die der Weibchen. Letztere verbrachten mehr Zeit auf, am und in der Nähe des Nestes. Das Ende der tageszeitlichen Flugaktivität lag deutlich vor Sonnenuntergang – bei Männchen rund anderthalb Stunden davor, bei den Weibchen sogar zweieinhalb Stunden davor.

Die Auswertung der Höhendaten ergab, dass die Rotmilane während der Nahrungssuche niedrige Höhen zwischen fünf und 60 Meter nutzen. Der Anteil lag bei 56 Prozent. Weibchen flogen häufiger in niedrigeren Höhen als Männchen. Größere Höhen wurden zunehmend weniger genutzt und dienten eher zum Überwinden größerer Entfernungen. Der Anteil an Flughöhen über 250 Meter (bis zu 1.600 Metern) lag bei Männchen bei knapp sieben Prozent, bei Weibchen lediglich bei einem Prozent. Innerhalb der Flüge wurde regelmäßig konstante Wechsel der Flughöhen registriert.

Höhere Windgeschwindigkeiten und – noch stärker – längere Sonnenscheindauer führten zu einer erhöhten Flugaktivität. Höhere Windgeschwindigkeiten führten aber insgesamt zu niedrigeren Flughöhen, längere Sonnenscheindauern hingegen zu höheren. Niederschläge hatten statistisch keinen relevanten Einfluss auf Flugaktivität und Flughöhen. Dies widerspricht laut Aussagen der Forschenden allerdings u. a. lokalen Sichtbeobachtungen, in deren Rahmen Rotmilane bei Niederschlägen eine verminderte Flugaktivität aufwiesen. Sie führen die von den Sichtbeobachtungen abweichenden Ergebnisse auf die sehr grob aufgelösten Durchschnittsdaten zurück, die zeitlich und lokal konzentrierte Niederschläge in den Sommermonaten nicht abbilden können.

Einordnung

Insbesondere die von der Autorenschaft ermittelten Höhendaten belegen, dass Rotmilane in der Brutzeit mehr als ein Drittel ihrer Flugzeit in Höhen der Rotoren moderner Windenergieanlagen und damit in potenziell kollisionsrelevanten Höhen verbringen. In den Grundzügen kommen die Autoren diesbezüglich zu ähnlichen Ergebnissen wie andere deutsche Studien.

Die Ergebnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten dieser und weiterer noch laufender Telemetrie-Studien, zum Beispiel im NatForWINSENT-Projekt des Bundesamtes für Naturschutz oder dem Eurokite-Projekt, werden weitere Kenntnisse hervorbringen.

Flugaktivität und Flughöhen spielen für die probabilistische Prognose von Kollisionsrisiken eine Rolle. Auch für die zielgerichtete Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen sind derartige Erkenntnisse wichtig. Je detaillierter und abgesicherter das Wissen zur tages- und brutzeitlichen Flugaktivität kollisionsgefährdeter Vögel ist, desto effektiver und präziser lassen sich womöglich Kollisionsrisiken minimieren. Temporäre Abschaltzeiten könnten beispielsweise auf Zeiträume mit den höchsten Flugaktivitäten bzw. höchsten Risiken gelegt werden. Zu Zeiten mit stark verringerter Flugaktivität könnten die Windenergieanlagen hingegen weiterlaufen.

Der englischsprachige Artikel bietet einen vertieften Einblick in die angewendeten Methoden und die daraus gezogenen Erkenntnisse und stellt einen interessanten Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Kollisionswahrscheinlichkeit dar.

Quelle: Pfeiffer, T., Meyburg, B.-U. (2022): Flight altitudes and flight activities of adult Red Kites (Milvus milvus) in the breeding area as determined by GPS telemetry. Journal of Ornithology 2022.

Rotmilan im Flug - Foto: © Mark Hunter - adobe.stock.com
Rotmilan im Flug - Foto: © Mark Hunter - adobe.stock.com

Besuch der Gedenkstätte Sachsenhausen

Berlin, 6. Juli 2022

Besuch der Gedenkstätte Sachsenhausen

„Und noch eines weiß ich, dass das künftige Europa ohne Gedenken an all diejenigen – abgesehen von ihrer Nationalität – nicht existieren kann, die in der damaligen Zeit voller Verachtung und Hass umgebracht, zu Tode gefoltert, ausgehungert, vergast, verbrannt, aufgehängt wurden …“ Andrzej Szczypiorski

Dieses Zitat steht am Eingang der Station Z – Ort des Tötens und Krematorium zugleich. Szczypiorskis Sätze stammen aus einer Rede, die der polnische Autor und ehemalige Häftling des KZ Sachsenhausen 1995 beim 50. Jahrestag der Befreiung in Sachsenhausen gehalten hat. Auch 27 Jahre später haben sie nichts von ihrer Aktualität verloren. Im Gegenteil: Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Nationalismus, Hass und Vorstellungen von der Ungleichwertigkeit der Menschen in vielen Ländern wieder auf dem Vormarsch sind, ist es wichtig, sich zu erinnern und der Opfer und des damaligen Grauens zu gedenken.

Wir vom KNE sind daher gemeinsam nach Sachsenhausen gefahren und haben an einer Führung über das Gelände der Gedenkstätte teilgenommen. Von einem SS-Architekten geplant und als Modell- und Schulungslager hatte das KZ Sachsenhausen auch durch seine Nähe zu Berlin eine besondere Stellung inne. Insgesamt waren hier zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende von ihnen kamen durch Zwangsarbeit, Hunger, Krankheiten und unmenschliche Bedingungen um bzw. wurden von der SS ermordet. Mehr zur Geschichte des KZ gibt es auf den Seiten der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Eines ist definitiv klar: Wir dürfen nicht vergessen! Dies darf sich nie wiederholen!

Fotos: © Elke Thiele.

Naturverträgliche Energiewende – auch Thema auf dem DNT 2022

Hannover, 1. Juli 2022

Naturverträgliche Energiewende – auch Thema auf dem DNT 2022

In Hannover fand vom 28. Juni bis zum 2. Juli 2022 Deutschlands größter Naturschutzkongress unter dem Motto „NATURSCHUTZ JETZT! Natur. Landnutzung. Klima.“ statt Für das KNE war Dr. Julia Wiehe vor Ort und nahm unter anderem an der Session „Energiewende: naturverträglich – aber wie?“ teil. Die Kernfragen „Wie schaffen wir es, diesen Flächenbedarf nicht in Konkurrenz zu bringen mit Natur- und Artenschutz?“ und „Wie können wir Zielkonflikte benennen und beseitigen?“ diskutierte Katrin Ammermann (BfN) mit ihre Gästen.

Prof. Christina von Haaren ( Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover) stelle zunächst Projekte zur Ermittlung von mensch- und naturverträglichen Potenzialflächen für Windenergie- und PV-Freiflächenanlagen vor. Demnach sei die zur Verfügung stehende Fläche ausreichend, um den zukünftig hohen Strombedarf zu decken, aber sehr heterogen in Deutschland verteilt. Die Verteilung entspräche in den gerechneten Szenarien nicht der geplanten Bereitstellung von 2 Prozent der Fläche in jedem Bundesland.

Von Dr. Katrin Wulfert (Bosch & Partner GmbH) wurden die geplanten Änderungen der Gesetzgebung zur Windenergie detailliert vorgestellt. In der anschließenden Diskussion wurden Bedenken geäußert, dass die Änderungen zu einer Beschleunigung des Ausbaus beitragen würden, da die Rechtsunsicherheit erhöht werde. Auch bestand die Sorge, dass die Lenkung auf die naturverträglich nutzbaren Standorte schwieriger werde, da das Erreichen der vorgegebenen Flächenziele je Bundesland im Vordergrund steht.

Zur Naturverträglichkeit von Solarparks präsentierte Dr. Tim Peschel (Peschel Ökologie & Umwelt) Maßnahmen und gute Beispiele für eine gelungene Verknüpfung von Naturverträglichkeit und Stromproduktion. Über die zeitgleiche Nutzung der Fläche als Solarpark werde gewährleistet, dass die Fläche gepflegt und offen gehalten wird. So könnten für den Biodiversitätsschutz wichtige Biotope entstehen und langfristig erhalten bleiben.

In der Diskussion zeigte sich, dass noch große Wissenslücken in den Verwaltungen bestehen, welche Maßnahmen möglich seien, und wie sie mit den Betreibern abgestimmt werden könnten. Das KNE wird diesen Bedarf aufgreifen, und den Wissenstransfer diesbezüglich auch weiterhin unterstützen.

36. Deutscher Naturschutztag

Unter dem Motto: „Naturschutz jetzt! Natur. Landnutzung. Klima.“ haben sich die Teilnehmenden des Deutschen Naturschutztages 2022 mit drängenden Fragen beschäftigt, die sich insbesondere durch die Landnutzung ergeben: Welche neuen politischen Rahmenbedingungen zeichnen sich ab, welche neuen Strategien benötigen wir, wie können die negativen Auswirkungen auf Biodiversität, Böden, Gewässerhaushalt und Klima schnellstmöglich und nachhaltig gemindert werden und wie muss die Gesellschaft mitagieren? Zudem wurden die aktuellen Herausforderungen beim schnellen Ausbau erneuerbarer Energien sowie das Thema Restaurierung und Klimaanpassung, bezogen auf die Ökosystemleistungen von Wald, Mooren, Seen und Wattenmeer aufgegriffen und diskutiert (Quelle: DNT).

Solarpark inmitten landwirtschaftlicher Flächennutzung, Foto: © Michael von Aichberger - stock.adobe.com
Foto: © Michael von Aichberger - stock.adobe.com

Energiewende in Brandenburg: Mediationsfonds des Landes steht bereit

Berlin, Potsdam, 4. Juli 2022

Energiewende in Brandenburg: Mediationsfonds des Landes steht bereit  

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist erklärtes Ziel der Landesregierung. Dieser geht aber nicht immer ohne Konflikte vonstatten, denn die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern sowie die des Natur- und Klimaschutzes müssen in Einklang gebracht werden. „Damit die Energiewende auch bei uns in Brandenburg gelingt, brauchen wir gute Lösungen – und das geht nur gemeinsam“, unterstreicht Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach. Der Minister weiter: „Miteinander zu reden ist bei Konflikten ein erster wichtiger Schritt. Damit stockende Gespräche wieder in Gang kommen, fördern wir als Land die Unterstützung durch spezialisierte Mediatoren und Mediatorinnen.“  

Für 2022 stehen bis zu 10.000 Euro für Mediationen rund um den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung. Konfliktparteien können die Unterstützung des Mediatorinnen- und Mediatoren-Pools des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) in Anspruch nehmen. „Miteinander statt übereinander zu reden, so kommen wir in der Energiewende weiter“, davon ist auch Michael Krieger, KNE-Geschäftsführer, überzeugt und berichtet von zahlreichen guten Erfahrungen in Brandenburg. „Auf Infomärkten, in Einzelgesprächen oder bei Bürgerversammlungen geht es darum, Themen zu diskutieren, die die Menschen vor Ort bewegen – von Lärm über den Naturschutz bis hin zu Sichtachsen. Das gelingt unseren Mediatorinnen und Mediatoren sehr gut.“ 

Die Mediatorinnen und Mediatoren des KNE-Pools sind speziell für Fragen des Ausbaus der erneuerbaren Energien geschult und stehen allen Konfliktparteien als neutrale Vermittler zur Verfügung. Die Erstberatungen führt das KNE durch. 

Fachkontakt im KNE
Karen Thormeyer
+49 30
7673738-17
karen.thormeyer@naturschutz-energiewende.de 

Haende, die Zahnraeder bewegen, Illustration: ©Chitraporn - stock.adobe.com
Illustration: ©Chitraporn - stock.adobe.com