Berlin, 18. Juli 2022

KNE-Lesetipp

Neue Erkenntnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten von Rotmilanen

Pfeiffer, T., Meyburg, B.-U. (2022): Flight altitudes and flight activities of adult Red Kites (Milvus milvus) in the breeding area as determined by GPS telemetry.

Die statistische Auswertung von Telemetriedaten brütender Rotmilane liefert weitere Erkenntnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten der Vögel während der Brutzeit. Diese sind in Bezug auf die Beurteilung von Kollisionsrisiken von Rotmilanen an Windenergieanlagen relevant.

Der Rotmilan gilt derzeit als an Windenergieanlagen kollisionsgefährdete Brutvogelart und spielt bei der Genehmigung neuer Anlagen häufig eine Rolle. Möglichst genaue Kenntnisse über die Flugaktivität und Flughöhen der Tiere können zu einer verbesserten Beurteilung Berücksichtigung der Art in artenschutzrechtlichen Prüfungen des Tötungs- und Verletzungsrisikos führen und zu einer zielgerichteten Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen beitragen.

Inhalte der Studie

Die Forschenden besenderten in einem Zeitraum von 2012 bis 2018 insgesamt 29 Rotmilane in der Umgebung von Weimar (Thüringen) mit GPS-Loggern und darin integrierten Beschleunigungssensoren. Die damit gewonnenen Daten wurden statistisch hinsichtlich der Flugaktivität während der verschiedenen Brutzeitphasen, des tageszeitlichen Beginns und Endes der Flugaktivität sowie der Flughöhen ausgewertet. Zusätzlich wurden in der Datenanalyse als erklärende Variablen die Wetterparameter Niederschläge, Sonnenscheindauer und Windgeschwindigkeit, um eventuelle Effekte auf die Flugaktivität abzuschätzen.

Erkenntnisse

Der morgendliche Aktivitätsbeginn fiel am häufigsten direkt mit dem Sonnenaufgang zusammen. Die Wetterparameter hatten allerdings keinen nennenswerten Einfluss auf den Aktivitätsbeginn. In den Mittagsstunden und am frühen Nachmittag lag der Zeitanteil, an denen die Rotmilane fliegend verbrachten am höchsten. Je nach Brutzeitphase lag der Zeitanteil bei den Männchen in den Mittagsstunden bei 30 bis 80 Prozent. Die Flugzeit der Männchen war durchschnittlich zweieinhalbfach höher als die der Weibchen. Letztere verbrachten mehr Zeit auf, am und in der Nähe des Nestes. Das Ende der tageszeitlichen Flugaktivität lag deutlich vor Sonnenuntergang – bei Männchen rund anderthalb Stunden davor, bei den Weibchen sogar zweieinhalb Stunden davor.

Die Auswertung der Höhendaten ergab, dass die Rotmilane während der Nahrungssuche niedrige Höhen zwischen fünf und 60 Meter nutzen. Der Anteil lag bei 56 Prozent. Weibchen flogen häufiger in niedrigeren Höhen als Männchen. Größere Höhen wurden zunehmend weniger genutzt und dienten eher zum Überwinden größerer Entfernungen. Der Anteil an Flughöhen über 250 Meter (bis zu 1.600 Metern) lag bei Männchen bei knapp sieben Prozent, bei Weibchen lediglich bei einem Prozent. Innerhalb der Flüge wurde regelmäßig konstante Wechsel der Flughöhen registriert.

Höhere Windgeschwindigkeiten und - noch stärker – längere Sonnenscheindauer führten zu einer erhöhten Flugaktivität. Höhere Windgeschwindigkeiten führten aber insgesamt zu niedrigeren Flughöhen, längere Sonnenscheindauern hingegen zu höheren. Niederschläge hatten statistisch keinen relevanten Einfluss auf Flugaktivität und Flughöhen. Dies widerspricht laut Aussagen der Forschenden allerdings u. a. lokalen Sichtbeobachtungen, in deren Rahmen Rotmilane bei Niederschlägen eine verminderte Flugaktivität aufwiesen. Sie führen die von den Sichtbeobachtungen abweichenden Ergebnisse auf die sehr grob aufgelösten Durchschnittsdaten zurück, die zeitlich und lokal konzentrierte Niederschläge in den Sommermonaten nicht abbilden können.

Einordnung

Insbesondere die von der Autorenschaft ermittelten Höhendaten belegen, dass Rotmilane in der Brutzeit mehr als ein Drittel ihrer Flugzeit in Höhen der Rotoren moderner Windenergieanlagen und damit in potenziell kollisionsrelevanten Höhen verbringen. In den Grundzügen kommen die Autoren diesbezüglich zu ähnlichen Ergebnissen wie andere deutsche Studien.

Die Ergebnisse zu Flughöhen und Flugaktivitäten dieser und weiterer noch laufender Telemetrie-Studien, zum Beispiel im NatForWINSENT-Projekt des Bundesamtes für Naturschutz oder dem Eurokite-Projekt, werden weitere Kenntnisse hervorbringen.

Flugaktivität und Flughöhen spielen für die probabilistische Prognose von Kollisionsrisiken eine Rolle. Auch für die zielgerichtete Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen sind derartige Erkenntnisse wichtig. Je detaillierter und abgesicherter das Wissen zur tages- und brutzeitlichen Flugaktivität kollisionsgefährdeter Vögel ist, desto effektiver und präziser lassen sich womöglich Kollisionsrisiken minimieren. Temporäre Abschaltzeiten könnten beispielsweise auf Zeiträume mit den höchsten Flugaktivitäten bzw. höchsten Risiken gelegt werden. Zu Zeiten mit stark verringerter Flugaktivität könnten die Windenergieanlagen hingegen weiterlaufen.

Der englischsprachige Artikel bietet einen vertieften Einblick in die angewendeten Methoden und die daraus gezogenen Erkenntnisse und stellt einen interessanten Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Kollisionswahrscheinlichkeit dar.

Quelle: Pfeiffer, T., Meyburg, B.-U. (2022): Flight altitudes and flight activities of adult Red Kites (Milvus milvus) in the breeding area as determined by GPS telemetry. Journal of Ornithology 2022.

Rotmilan im Flug - Foto: © Mark Hunter - adobe.stock.com
Rotmilan im Flug - Foto: © Mark Hunter - adobe.stock.com