Das KNE auf Tour in Bayern
Zum Schachtwasserkraftwerk nach Großweil
Die regionalen Akteure sind diejenigen, die tagtäglich in konkreten Projekten mit den Herausforderungen der naturverträglichen Energiewende zu tun haben und praktische Lösungen finden müssen. Wir reisen daher in regelmäßigen Abständen zu den unterschiedlichsten Projekten und in die unterschiedlichsten Regionen auf Tour, um uns bei den Akteuren vor Ort über konkrete Projekte und auszutauschen.
Wettertechnisch waren wir in den zwei Tagen in Murnau in Bayern auf alles eingestellt. Wolken, Sonne, Regen – sogar kurze Gewitter waren für die ersten Maitage angekündigt. Aber wir hatten Glück: Ankunft in Murnau und es schien die Sonne, und das sollte sich auch nicht ändern.
Wir, das ist eine Delegation des KNE, die sich aufgemacht hat, um das Schachtwasserkraftwerk in Großweil bei Murnau zu besichtigen und mit den Beteiligten und Betroffenen vor Ort zu sprechen. Das Schachtwasserkraft in der Loisach ist malerisch gelegen: weitläufige Wiesen, sanfte Hügel und am Horizont die Berge, zum Teil mit schneebedeckten Spitzen. Dazu blühender Löwenzahn und sattes Frühlingsgrün.
Von der Idee in die Praxis
Am Vormittag trafen wir uns mit verschiedenen Akteuren am Standort der Freiwilligen Feuerwehr Groß- und Kleinweil, nur ein paar Schritte vom Schachtwasserkraftwerk entfernt, um uns anschaulich über das Kraftwerk und dessen Technologie zu informieren und uns einen Eindruck zu verschaffen. Albert Sepp von der Firma Hydroshaft, die maßgeblich an der Realisierung beteiligt war, gab uns einen Überblick über die Entstehung: Von der Idee, über die Entwicklung eines Prototyps bis hin zur Inbetriebnahme der Pilotanlage in der Loisach in Großweil im Jahr 2020. Das Wasserkraftwerk arbeitet mit einer Anlagenleistung von 480 Kilowatt und einer Stromproduktion von rund 2,5 Millionen Kilowatt pro Jahr solide. Bei der beeindruckenden Besichtigung des Schachtwasserkraftwerks wurde uns auch die Bereinigung des Rechens von Geröll und anderem Unrat durch einen speziellen Schieber demonstriert.
Aufwertungsmaßnahmen am Mühlbach
Die lokale Bevölkerung sei aktiv „mit ins Boot“ geholt worden, so berichteten uns die Bürgermeister, als wir uns Aufwertungsmaßnahmen am Mühlbach anschauten. Dazu trugen neben der Perspektive einer vermehrt autarken und klimaschonenden Stromversorgung auch mehrere Renaturierungsmaßnahmen bei.
So wurde der Mühlbach, der durch eine Ausleitung aus der Loisach oberhalb des Kraftwerks mit rund 300 Liter Wasser pro Sekunde versorgt wird, renaturiert und durch zahlreiche kleinere und größere Maßnahmen mit viel Eigenleistung der Gemeinde aufgewertet. Die finanziellen Mittel kamen aus dem Kraftwerksvorhaben. So wurde der gradlinige Lauf durch das Einbringen von Steinen oder Baumelementen variiert. Durch das daraus entstandende Mäandern des Mühlenbachs entwickelten sich unterschiedliche Strukturen, die Lebensräume für eine vielfältige Fauna bieten. Anpflanzungen einheimischer Flora ergänzten die Maßnahmen. Innerhalb der Loisach wiederum wurden große Felsblöcke eingebracht, die für die Fischfauna vorteilhafte Bereiche darstellen und die Akzeptanz der Anlage bei den Fischereiverbänden erhöhte.
Im Anschluss sprachen wir Gewässerbeobachtern des Anglerbundes ISARIA, wie sie die Situation für den Fluss und die Fische einschätzen. Sie erklärten, dass die Fischtreppen, insbesondere durch ihre abknickende Führung, nicht für alle Fischarten geeignet seien und es nachhaltiger Beobachtung und Pflege des Gewässers bedarf, um einen akzeptablen Zustand zu erhalten.
Galerie beschriftung
Forschung und Entwicklung
Am kommenden Tag besichtigten wir die Versuchsanlagen für Wasserkraftanlagen des Lehrstuhl für Wasserkrafttechnologie an der TU München, an denen der Betrieb von Turbinen und Wasserkrafttechnologien simuliert und untersucht werden kann. Hier wurde die Technologie des Schachtwasserkraftwerks entwickelt und getestet. Ebenso wurden und werden hier Verhaltensuntersuchungen von Fischen im Ausströmungsbereich von Turbinen durchgeführt. Auf unsere Frage zur Nachhaltigkeit und Naturverträglichkeit der Wasserkraftnutzung – und damit auch deren Auswirkungen auf Ökosysteme und Landschaften – erklärte man uns, dass die Wasserkraft und ihre Auswirkungen auf die Ökologie und die Fauna der Fließgewässer differenziert zu betrachten sei. Es sei zwischen den unterschiedlichen Kraftwerks- und Turbinenarten zu unterscheiden sowie die jeweilige projektspezifische Fließgewässersituation in den Blick zu nehmen.
Rahmenbedingungen
Das Gespräch mit Vertretern und Vertreterinnen des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und des Bayerischen Landesamts für Umwelt drehte sich unter anderem um die Perspektiven für die Wasserkraft in Bayern. Die Kleinwasserkrafttechnologie werde voraussichtlich aus der EEG-Förderung fallen. Das stoße aktuell auf Widerstand, so die Ausführungen. Aber auch die Schachtwasserkraftwerkstechnologie würde von einigen Seiten kritisch gesehen.
Das Prinzip des Schachtwasserkraftwerks
Der neue Kraftwerkstyp – das Schachtwasserkraftwerk – wurde von einem Team am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München entwickelt. Es soll die Natur deutlich stärker schonen. Für den neuen Kraftwerkstyp muss der Flusslauf nicht umgeleitet werden. Stattdessen wird vor einem Wehr ein Schacht ins Flussbett gebaut, in dem Turbine und Generator untergebracht werden. Das Wasser fließt in den Schacht, treibt die Turbine an und wird unter dem Wehr in den Fluss zurückgeleitet. Ein kleinerer Teil des Wassers fließt über den Schacht und das Wehr hinweg.
Dabei wird die Strömung so gesteuert, dass das Kraftwerk effizient Strom erzeugt, aber gleichzeitig der Sog in den Schacht gering ist, so sollen die Fische sicher über dem Schacht schwimmen. Durch zwei Öffnungen im Wehr können die Fische flussabwärts wandern. Flussaufwärts gelangen sie über eine übliche Fischtreppe.
Das Schachtkraftwerk eignet sich sowohl für unterschiedlich große Flüsse als auch für unterschiedliche Fallhöhen. Je nach Gewässergröße und Bedarf wird in mehreren Schächten nebeneinander Strom erzeugt, in der Loisach sind es zwei, die Fallhöhe beträgt 2,5 Meter. (Quelle: Pressemitteilung TU München, 20.07.2020)
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Fotos v. li. n. re. und o. n. u.
Bild 1 bis 4: Das Schachtwasserkraftwerk // Bild 5 und 6: Aufwertungsmaßnahmen im Mühlbach // Bild 7 und 8: Landschaftsimpression und die KNE-Delegation. Bildrechte: KNE gGmbH.
Das KNE auf Tour – vor Ort im Gespräch
Wir reisen vor Ort zu innovativen Erneuerbare-Energie-Projekten in die verschiedensten Regionen Deutschlands, um uns mit den Akteuren der naturverträglichen Energiewende über die konkreten Herausforderungen zu informieren und auszutauschen. Dabei sprechen wir mit Vertreterinnen und Vertretern von Naturschutzorganisationen und Energiebranche, von Kommunen und Behörden, der Regionalplanung, Gutachterinnen und Gutachter sowie und Bürgervertreterinnen und -vertretern. Wir hören den Menschen zu und wollen wissen: Was treibt sie um? Was heißt naturverträgliche Energiewende in der Praxis? Welche Probleme gibt es vor Ort? Was klappt gut? Wie sind die jeweiligen konkreten Positionen? Wie läuft die Zusammenarbeit?
Bereits im Oktober 2021 war ein Team des KNE auf Tour. Damals ging es auf die Paderborner Hochfläche, einen Hotspot der Windenergie, und nach Nordfriesland zum Bürgerwindpark Ellhöft. Lesen Sie hier unseren Bericht.