Artenschutz und Windenergie – aktuelle Entwicklungen

Berlin, 26. November 2021

Artenschutz und Windenergie – aktuelle Entwicklungen

Dr. Silke Christiansen, Leiterin unseres Rechtsreferats, vertrat das KNE bei den Windenergietagen NRW 2021 in Bad Driburg, dem zentralen Branchenevent in Nordrhein-Westfalen. Dort hielt sie einen Vortrag über die derzeit viel diskutierten Vorschläge zu „Artenschutz und Windenergie“ und beleuchtete die diesbezüglich aktuellen Entwicklungen aus juristischer Perspektive.

In ihrem gestrafften Überblick unterscheidet sie die Vorschläge, die im bestehenden Rechtssystem umsetzbar wären und diejenigen Vorschläge, die neuer rechtlicher Regelungen bedürfen. Der Fokus liegt auf der Signifikanz- und Ausnahmeprüfung, beleuchtet auch die europäische Ebene und nimmt Bezug auf den aktuellen Koalitionsvertrag.

Informationen zum kompletten Programm (windenergietage-nrw.de)

Aktuelles aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt

Berlin, 25. November 2021

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 10/21

Aktuelles aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Bayern

Dem Zusammenhang von Windenergieanlagen und dem Verschwinden von Regenwürmern und anderen Bodenlebewesen geht eine Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Drs. 18/17635 des Bayrischen Landtags nach. Spezielle Untersuchungen in Bayern zum Thema sind den Ministerien nicht bekannt. Sie verweisen aber auf eine aktuelle Studie vom Mai 2021 der Nordic Society Oikos (NSO) mit dem Titel „Vibrational noise from wind energy-turbines negatively impacts earthworm abundance“. Die Studie der NSO kommt zu dem Ergebnis, dass im Untersuchungsraum in der Provinz Flevoland, Niederlande, die Anzahl von Regenwürmern im Nahbereich einer WEA (8 Meter) um etwa 40 Prozent geringer war als in weiterer Entfernung (128 Meter). Von den Autoren wird ein Zusammenhang mit den von Windenergieanlagen ausgehenden Schallwellen angenommen, weil die Amplituden der Schallwellen mit zunehmendem Abstand von den Anlagen abnehmen. Auswirkungen auf die Mesofauna (zwischen 0,3 und 1 Millimeter große, bodenlebende Organismen) konnten nicht festgestellt werden, Auswirkungen auf den Maulwurf wurden nicht untersucht.

Sachsen-Anhalt

Die Landesregierung Sachsen-Anhalt hat sich zum Kollisionsopfer-Monitoring von Vögeln an Windenergieanlagen (WEA) geäußert. Auf Drs. 8/319 des sachsen-anhaltischen Landtages wird darauf hingewiesen, dass es keine gesetzliche Meldepflicht für verletzte oder tot aufgefundene Tiere gibt. Die beim Landesamt für Umwelt, Staatliche Vogelschutzwarte des Landes Brandenburg, geführte Funddatei sei eine Zusammenstellung von Zufalls- und projektbezogenen Funden von Schlagopfern an WEA. Aus der Funddatei seien in der Summe der Erfassungsjahre lediglich Tendenzen zur Schlaggefährdung einzelner Vogelarten abzulesen. Mit Stand 24. August 2021 enthalte die zentrale Funddatei 115 Funde von in Sachsen-Anhalt an WEA aufgefundenen Rotmilanen. Diese verteilen sich auf insgesamt 74 Windparks. Maximal wurden sieben und sechs Vögel je Windpark gefunden, sonst meist ein bis zwei. Die Gesamtzahl der Rotmilanfunde habe sich gegenüber 2014 nahezu verdoppelt (von 61 auf 115). Die Anzahl der WEA habe in diesem Zeitraum um mehr als 600 zugenommen. Die deutliche Zunahme der Totfunde kann allerdings auch auf erhöhte Suchaktivitäten in Folge der Sensibilisierung für den Konfliktbereich des Vogelschlags an Windenergieanlagen zurückzuführen sein.

Auf Drs. 8/339 des sachsen-anhaltischen Landtages äußert sich die Landesregierung zum Kollisionsopfer-Monitoring von Fledermäusen an Windenergieanlagen. Die Daten würden (s. voranstehende Meldung) in der Staatlichen Vogelschutzwarte des Landes Brandenburg zusammengetragen, Informationen über verletzte Tiere lägen nicht vor. Eine Meldepflicht bestehe nicht. Die Daten spiegelten daher die Meldeaktivität wider, nicht die tatsächliche Lage. Eine Zuordnung von Schlagopfern zu konkreten WE-Anlagen oder -Parks sei nur für vier der elf Landkreise möglich. Die Kollisionsopfermeldungen fänden überwiegend aufgrund gezielter Erfassungen etwa im Rahmen von Genehmigungsverfahren bei behördlich beauflagtem bzw. gefordertem Schlagopfermonitoring statt. Teilweise komme es auch zu Zufallsfunden. Programme wie das Monitoring „Fledermauszug Deutschland“, welches den Fokus auf die Arten Kleiner und Großer Abendsegler, Rauhaut- und Zweifarbfledermaus lege, könnten zu vermehrten Meldungen von Schlagopfern dieser Arten führen. Ein Artenhilfsprogramm sei nicht geplant. Der Leitfaden „Artenschutz an Windenergieanlagen in Sachsen-Anhalt“ enthalte alle Informationen, um die artenschutzrechtlichen Regelungen im Rahmen von Genehmigungsverfahren angemessen umsetzen zu können.

Rheinland-Pfalz

Das Hermann-Hoepke-Institut der Technischen Hochschule Bingen hat einen Leitfaden für naturverträgliche und biodiversitätsfördernde Solarparks vorgelegt (PM 18.10.2021). Damit wurde deutschlandweit erstmalig ein praxisorientierter Maßnahmenkatalog mit insgesamt 30 Maßnahmensteckbriefen erarbeitet. Ausgeführt sind konkrete Maßnahmen für einen ‚Solarpark Plus‘, der Lösungsansätze enthält, wie Klima- und Naturschutz Hand in Hand gehen können. Die Steckbriefe sollen Betreiberinnen und Betreibern solcher Anlagen in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase unterstützen und neue Anreize schaffen, um Photovoltaik-Anlagen in der Freifläche naturverträglich und biodiversitätsfördernd zu installieren. Zusätzlich werden Empfehlungen zum Monitoring ausgesprochen, welches den Erfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen überprüfen soll. Das Ziel eines „Solarpark Plus“ ist es, den unvermeidbaren Eingriff in Natur und Landschaft zu minimieren und den nötigen Ausgleich ohne weitere Flächeninanspruchnahme innerhalb des Solarparks vorzunehmen. Zusätzliche, über die verpflichtenden Ausgleichsmaßnahmen hinausgehende Maßnahmen sind etwa die Schaffung von Ersatzlebensräumen und Sonderbiotopen (z. B. Feuchtbiotopen innerhalb der Anlagenfläche, die als Trittsteinbiotope zu einer Vernetzung mit dem Umland beitragen).

Neue KNE-Publikation zur Planung und Genehmigung der Windenergie an Land in Hinblick auf den Artenschutz

Berlin, 24. November 2021

Planung und Genehmigung der Windenergie an Land ändern?

Eine Einordnung des KNE in Hinblick auf den Artenschutz

Der seit 2018 stark eingebrochene Ausbau der Windenergie an Land muss – um unsere Klimaziele zu erreichen – schnellstmöglich deutlich beschleunigt werden. Mittlerweile liegen etliche Vorschläge vor, wie dies erreicht werden könnte. Inwiefern aber genügen diese den Anforderungen des Natur- und Artenschutzes?

In unserer neuen „Einordnung in Hinblick auf den Artenschutz“ setzen wir uns mit ausgewählten, aktuell diskutierten Ansätzen zur Veränderung der Planungs- und Genehmigungsprozesse von Windenergieanlagen an Land auseinander. Wir schätzen dabei ein, ob diese einerseits zu mehr Rechtssicherheit und einer Prozessbeschleunigung beitragen können, und welche Auswirkungen wir andererseits auf den Artenschutz erwarten. Dabei geht es uns nicht darum, die Differenzen der konkurrierenden Vorschläge herauszuarbeiten, sondern um das Verständnis der sich herauskristallisierenden Lösungsansätze und der mit diesen vermutlich eintretenden Wirkungen. Aus diesem Grund verzichten wir auf eine Zuordnung der jeweiligen Autorenschaft zu den Vorschlägen.

Wir bieten Ihnen eine schnelle, komprimierte Orientierung zu wesentlichen Ansätzen wie zum Beispiel:

  • bundesweite Mengenvorgaben,
  • Kopplung der Freihaltung des übrigen Außenbereichs an die Erfüllung der Mengenvorgabe oder Weiterentwicklung der Konzentrationszonenplanung zur Positivplanung,
  • bundeseinheitliche Abstände zur Wohnbebauung,
  • Schaffung eines Windenergie-an-Land-Gesetzes,
  • Vereinfachung der Signifikanzprüfung,
  • verlässliche Kriterien zum Eintritt in die Ausnahmeprüfung,
  • zuverlässige Umsetzung populationsstützender Maßnahmen.

Alles Wichtige in Kürze und Download „Aktuelle Vorschläge zur Veränderung von Planung und Genehmigung der Windenergie an Land – Eine Einordnung im Hinblick auf den Artenschutz

Fachkontakte

Dr. Silke Christiansen
Leiterin Rechtsreferat
030 – 7673738-21
silke.christiansen@naturschutz-energiewende.de

Holger Ohlenburg
Referent naturverträgliche Windenergie
030 – 7673738-22
holger.ohlenburg@naturschutz-energiewende.de

Das Institute for Sustainable Energy Policy (ISEP) aus Japan im Austausch mit dem KNE

Berlin, 23. November 2021

Das Institute for Sustainable Energy Policy (ISEP) aus Japan im Austausch mit dem KNE

Seit seiner Gründung im Jahr 2016 ist das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende im regelmäßigen Austausch mit dem Institute for Sustainable Energy Policy (ISEP) in Japan. Das ISEP ist dort eng mit der Universität Tokio verbunden. Bei einem neuerlichen Austausch zwischen KNE und ISEP ging es darum, aus den Erfahrungen der KNE-Konfliktarbeit der vergangenen Jahre zu profitieren. Das KNE hat bis heute etwa 150 Konfliktfälle bearbeitet. Die meisten zur Windenergie an Land. Das ISEP ist besonders daran interessiert, wie das KNE die Stakeholder für diese Prozesse auswählt und wie die Konfliktbearbeitung stattfindet.

KNE-Geschäftsführer Michael Krieger machte in seinem Vortrag dazu deutlich, dass die Auswahl der teilnehmenden Stakeholder mit den Stakeholdern selbst passiere. So gebe es immer gesetzte Teilnehmende, etwa die Behörden vor Ort, die Kommune oder auch den Projektierer. Diese beraten dann zusammen mit den KNE-Mediatorinnen und -Mediatoren, welche weiteren Stakeholder gebraucht werden, um den Prozess erfolgreich zu gestalten. Dies sind oftmals Naturschutzorganisationen, Bürgerinitiativen, Expertinnen und Experten und auch Landesinstitutionen. Der Erfolg der Konfliktbearbeitung mache sich dann daran fest, wie konstruktiv der Konflikt bearbeitet werden kann. Das ISEP ist Initiator eines „japanischen KNE“, das in den nächsten drei bis fünf Jahren an den Start gehen soll. Japan ist seit dem Reaktorunglück von Fukushima stark in den Ausbau erneuerbarer Energien eingestiegen.

Im Gegensatz zu Deutschland ist der Rückhalt der Energiewende aber dennoch geringer. Daher erscheint es zielführend, dass trotz des gerade erst begonnenen Ausbaus von Wind- und Solarenergie bereits jetzt geeignete Strukturen geschaffen werden, damit die Konflikte in den Präfekturen frühzeitig erkannt und bearbeitet werden. Auch die Einbindung der größeren Naturschutzorganisationen soll von Anfang an erfolgen und Teil der geplanten Einrichtung werden. Das KNE wird den weiteren Prozess beratend begleiten.

MultiplEE-Thesen: Wie der Windenergie an Land ausreichend Flächen bereitgestellt werden können

Berlin, 12. November 2021

MultiplEE-Thesen: Wie der Windenergie an Land ausreichend Flächen bereitgestellt werden können

Eine Nachwuchsforschungsgruppe des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung GmbH – UFZ, geleitet von Prof. Paul Lehmann, befasst sich mit dem Thema „Nachhaltiger Ausbau erneuerbarer Energien mit multiplen Umweltwirkungen. Politikstrategien zur Bewältigung ökologischer Zielkonflikte bei der Energiewende (MultiplEE)“. Im diesjährigen Beiratstreffen diskutierten jetzt die Teilnehmenden aus Forschung und Praxis über ein Thesenpapier mit Politikempfehlungen zur Verbesserung der Flächenbereitstellung für die Windenergie.

Da sich das KNE aktuell mit den Vorschlägen zur Vereinfachung und Beschleunigung befasst, waren die Überlegungen der Forschergruppe wie auch die Einschätzung der DiskutantInnen von großem Interesse. Die Leiterin der KNE-Fachinformation, Dr. Elke Bruns, nahm aus der Diskussion die Anregung mit, dass es auch wichtig sei, auf „Anreize“ zu setzen, wenn es darum geht, Länder und Kommunen zu veranlassen, das bundespolitische Flächenziel von 2 Prozent zu erreichen. Ein „Belohnungssystem“ für Flächenbereitstellung könnte möglicherweise die Bereitschaft für die Flächenbereitstellung steigern.

Internetseite des MultipIEE-Projektes MultiplEE – Nachwuchsforschungsgruppe – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ

Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen von Flächenvorgaben für den Windenergieausbau

Berlin, 12. November 2021

KNE-Lesetipp

Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen von Flächenvorgaben für den Windenergieausbau

Wormit, M. (2021): Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Festlegung von bundesraumordnerischen Flächenvorgaben für den Windkraftausbau an Land.

Für den klimagerechten Ausbau der Windenergie an Land stellt die Bereitstellung von ausreichend Flächen eine der drängendsten Herausforderungen dar. Der Artikel von Maximilian Wormit zeigt rechtliche Möglichkeiten wie auch Grenzen auf, quantitative Vorgaben in der Bundesraumordnung für die Bereitstellung und Sicherung von Flächen in den Ländern einzuführen.

Der aktuell schleppende Ausbau der Windenergie steht im Widerspruch zu seinen ambitionierten Zielen. Eine der wichtigsten Herausforderungen stellt die Bereitstellung und Sicherung von ausreichend Flächen dar. Das aktuelle Rechtsregime des Windenergieausbaus kann dies nicht in dem erforderlichen Maß leisten. So obliegt die planerische Steuerung der Verfügbarkeit von Flächen den Ländern, Regionen und Kommunen, während bundesweite Vorgaben wie die Ausbauziele im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Rahmen der Flächenfestlegung keine Berücksichtigung finden. An diese Ausbauziele rückgekoppelte (Mindest-) Flächenvorgaben könnten die Länder jedoch dazu anhalten, die aus Bundesperspektive für die Energiewende benötigten Flächen für den Windenergieausbau bereitzustellen.

Vor dieser Ausgangslage untersucht der Autor in seinem 24 Seiten umfassenden Artikel die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Festlegung derartiger Flächenvorgaben. Er stellt dabei fest, dass im geltenden Rechtsregime der Raumordnung bereits geeignete Instrumente angelegt sind, die zur Implementierung entsprechender Flächenvorgaben nutzbar gemacht werden könnten. So stellen die sogenannten Ziele und Grundsätze der Raumordnung für den Bund derartige Instrumente dar, um bundesweite (Mindest-) Flächenvorgaben festzulegen. Die Nutzbarmachung dieser Instrumente setzt politischen Willen zur Anpassung  der geltenden Gesetzeslage voraus.

Im Rahmen seiner Prüfung kommt Wormit zu dem Ergebnis, dass Flächenvorgaben als Ziele zwar Bindungswirkung für die nachfolgenden Ebenen entfalten, jedoch auch eines umfassenden Abwägungsprozesses bereits auf Bundesebene bedürfen. Grundsätze hingegen seien zwar unverbindlich, verlagerten diesen Prozess jedoch auf die weiteren, damit erprobten staatlichen Ebenen der Länder, Regionen und Kommunen. Gleichwohl müsse bei beiden Ansätzen die kompetenzverfassungsrechtliche Lage im Blick behalten werden, da in Fragen der Raumordnung ein rechtlich bisher ungeklärtes landesgesetzgeberisches Abweichungsrecht bestehen könne.

Dieser Aufsatz bietet aus unserer Sicht interessante rechtliche Ansätze, um das geltende Rechtsregime um Flächenvorgaben für einen klimagerechten Windenergieausbau zu ergänzen.

Quelle: Wormit, M. (2021): Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Festlegung von bundesraumordnerischen Flächenvorgaben für den Windkraftausbau an Land. Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht (ZfU). Heft 3. S. 324 – 348.

Windenergieanlage Luftaufnahme
Foto: Holger Ohlenburg

ZUM ARTIKEL
(nicht frei verfügbar)

Austausch zu aktuellen Entwicklungen aus Recht und Wissenschaft zum Artenschutz

Flintbek, 11. November 2021

Austausch zu aktuellen Entwicklungen aus Recht und Wissenschaft zum Artenschutz

Am 11. November führte das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) Schleswig-Holstein unter der Überschrift „Artenschutz – Neues und Bewährtes“ in Flintbek seine jährliche Informations- und Fortbildungsveranstaltung durch.

Die Veranstaltung gab einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Rund 40 Teilnehmende aus der Naturschutzverwaltung, der Straßenbauverwaltung, aus Gutachterbüros sowie einzelne Windenergieprojektierer nahmen an der Veranstaltung teil. Am Vormittag erläuterte Johannes Fischer, Leiter der Projektgruppe Windkraft im LLUR, den neuen Artenschutzleitfaden zur Standardisierung des Vollzugs artenschutzrechtlicher Vorschriften bei der Zulassung von Windenergieanlagen. Dieser besagt im Zusammenhang mit Vermeidungsmaßnahmen, dass sich Antikollisionssysteme unter bestimmten Rahmenbedingungen voraussichtlich in der Genehmigungspraxis Schleswig-Holsteins etablieren werden.

Dr. Elke Bruns informiert zu Radar- und Kamerasystemen

Dr. Elke Bruns vom KNE gab einen Überblick über die Radar- und Kamerasysteme und ihre Funktionsweise. Sie erläuterte überdies, welche Anforderungen die Systeme erfüllen sollten, wenn sie als vermeidungswirksam eingestuft werden sollen. Die Teilnehmenden begrüßten, dass das System IdentiFlight mit guten Ergebnissen erprobt wurde. Sie wünschten sich aber ein breiteres Angebot von Kamerasystemen für unterschiedliche Einsatzbereiche.

Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR)

Das LLUR ist eine Landesoberbehörde im Geschäftsbereich des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) des Landes Schleswig-Holstein. Im Fokus der Arbeit des LLUR liegen die Themenbereiche Landwirtschaft, Fischerei, Gewässer, Naturschutz und Forst, Geologie und Boden sowie technischer Umweltschutz und ländliche Räume.

Weitere Aktivitäten und Veröffentlichungen des KNE zum Thema

Ihre Ansprechpartnerin im KNE
Dr. Elke Bruns
Leiterin Fachinformation
elke.bruns@naturschutz-energiewende.de
030-7673738-20

Voegel im Flug vor Windenergieanlagen, © Roland T Frank – stock.adobe.com
© Roland T Frank – stock.adobe.com

Anforderungen an die Flächenbereitstellung für die Windenergie an Land

Berlin, 9. November 2021

KNE-Wortmeldung

Anforderungen an die Flächenbereitstellung für die Windenergie an Land

Anlass

Bei der derzeitigen Regierungsbildung spielen die Forderungen nach Verankerung des 2-Prozent-Flächenziels bzw. nach einer ausreichenden Flächenbereitstellung, um die für Klimaneutralität benötigten Zubaumengen an landseitiger Windenergie bis 2030 realisieren zu können, eine große Rolle. Das KNE stellt dieses Anliegen in den Kontext zur kürzlich veröffentlichten Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zur „Flächenverfügbarkeit und Flächenbedarfe für den Ausbau der Windenergie an Land“[1].

Leitsätze

  1. Zur Erreichung der Klimaschutzziele müssen bis 2030 optimal 105 Gigawatt (GW) an Windenergieleistung installiert sein, jährlich also etwa 7 GW brutto zugebaut werden.[2]
  2. Der tatsächlich freie und verfügbare Flächenanteil an rechtskräftig ausgewiesenen Flächen beträgt aktuell 0,52 Prozent der Landesfläche, das dort erzielbare Leistungspotenzial etwa 20 Gigawatt. Das ist unzureichend.
  3. Regionalplanung und kommunale Planung sollten dafür in ausreichendem Umfang geeignete und faktisch nutzbare Flächen bauplanungsrechtlich sichern.
  4. Neben der Bereitstellung eines ausreichenden Flächenumfangs muss flankierend auch für eine optimale Ausnutzung der Flächen Sorge getragen werden.
  5. Verbindliche Vorgaben des Bundes mindestens zu den Mengenzielen sind notwendig, um die Ausbauverpflichtungen zu konkretisieren. Sie sollten eine hohe Verbindlichkeit haben, die rechtlichen Voraussetzungen dafür sollten zügig verbessert werden.
  6. Im Falle absehbarer Verfehlung einzelner Ziele sollten die Länder – auf der Grundlage einer bundesweit einheitlichen Weißflächenermittlung – im Wege fairer Aushandlungen klären, wie das Gesamtziel dennoch erreicht werden kann. Entsprechende Formate sind zügig zu etablieren.
  7. Die Planungsverfahren (Zeiträume) für die Regionalpläne und die Flächennutzungspläne müssen dringend verkürzt und rechtssicher gemacht werden. Die notwendigen verfahrensrechtlichen Änderungen müssen zügig eingeleitet werden.

1 – Ausbaubedarf

Nach dem aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollen in Deutschland bis 2030 71 GW Windenergie an Land installiert sein. Aus Sicht des ⁠UBA⁠ sind für das Erreichen der Klimaschutzziele (vgl. Klimaschutzgesetz) ambitioniertere Ziele erforderlich. Nach dem GreenSupreme-Szenario der RESCUE-Studie[3] müssten optimal 105 GW bis 2030 installiert sein, das wäre ein jährlicher Zubau von etwa 7 GW brutto.

2 – Anforderungen an die Flächensicherung

Der Zubau muss auf die geeignetsten und vergleichsweise konfliktarmen Flächen gelenkt werden. Diese müssen die Länder in ausreichendem Umfang ausweisen und planerisch sichern. Dies kann sowohl auf Ebene der Regionalplanung als auch der kommunalen Planung (Bauleitplanung) erfolgen. Auf den bereitgestellten Flächen sollte der Windenergienutzung ein Vorrang gegenüber anderen Nutzungen eingeräumt werden, dann kann auch für andere Flächen eine Windenergienutzung ausgeschlossen werden.

Sofern der erforderliche Zubau auf die dafür ausgewiesenen Flächen begrenzt bleiben soll, muss sichergestellt werden, dass diese erstens ausreichend und zweitens auch faktisch nutzbar sind, dass also Windenergieprojekten innerhalb der ausgewiesenen Flächen keine anderen Belange entgegenstehen.

3 – Derzeitige Flächenverfügbarkeit

In der UBA-Studie „Flächenverfügbarkeit und Flächenbedarfe“ kommen die Gutachtenden zu dem Ergebnis, das derzeit bundesweit 0,8 Prozent der Landesfläche planerisch für die Windenergie festgelegt und damit verfügbar sind.

Durch Restriktionen wie Siedlungsabstände, Ausschluss von Waldgebieten und die Vorgabe, dass der Rotorradius innerhalb der Gebietsgrenze liegen muss, reduziert sich die verfügbare Fläche auf einen Anteil von 0,52 Prozent der Landesfläche. Das vorläufig ermittelte Leistungspotenzial auf den freien und verfügbaren Anteilen der rechtskräftig ausgewiesenen Flächen beträgt nach Angaben des UBA lediglich 20 GW.

Wollte man bis 2030 nur das aktuelle Ausbauziel des EEG 2021 von 71 GW erreichen, würden 0,8 Prozent der Landesfläche benötigt. Für die erforderlichen 105 GW ergibt sich ein Bedarf von 1,3 Prozent der Landesfläche. Das bedeutet, dass mehr als eine Verdoppelung des bisher ausgewiesenen Flächenumfangs notwendig würde. Mit den o. g. Restriktionen, Beschränkungen und Vorgaben erhöhte sich dieser Umfang weiter, im UBA-Szenario geht man daher schlussendlich von etwa 2,0 Prozent der Landesfläche aus.

4 – Optimale Nutzbarkeit der Flächen ermöglichen

Es ist evident, dass man – will man es bei der Nutzung von zwei Prozent der Landesfläche belassen – sicherstellen muss, dass die ausgewiesenen Flächen bestmöglich ausgenutzt werden können. Der Genehmigung von Anlagen auf den Flächen stehen jedoch häufig Belange entgegen, die eine Genehmigung erschweren, wenn nicht gar verhindern. Hierzu gehören unter anderem militärische und Belange der Luftfahrt, aber auch des Artenschutzes. Neben der quantitativ ausreichenden Ausweisung von Flächen muss also auch dafür gesorgt werden, dass entgegenstehende Belange überwunden werden können.

5 – Gesetzliche Zielvorgaben

Dafür, wie eine ausreichende Flächenbereitstellung von bundesweit durchschnittlich zwei Prozent erreicht werden kann, liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Das UBA schlägt vor, bundesrechtliche Zielvorgaben einzuführen und über diese den Ländern gesetzliche Mengenziele vorzugeben. Bei zu geringem Umfang geeigneter bzw. ausgewiesener Flächen oder bei faktischer Nichtnutzbarkeit großer Teile der ausgewiesenen Flächen wäre das jeweilige Land dann gezwungen, zeitnah mit anderen Ländern auszuhandeln, wie das Flächendefizit aufgefangen und das Gesamtziel dennoch erreicht werden kann.

Flächenziele allein werden aber, so das UBA, nicht ausreichen. Es sollten unter Berücksichtigung regionaler Möglichkeiten auch gesetzliche Mengenziele (Leistungs- und Ertragsziele) vorgegeben werden. Nur so könnten Klimaschutzerfordernisse an den Windenergieausbau rückgekoppelt werden. Hierfür ist zügig abzuklären, ob die aktuelle Rechtslage und Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern derartige verbindliche Zielvorgaben zulassen.

6 – Planungszeiträume verkürzen!

Eine – selbst mittelfristig – zeitgerechte Flächenbereitstellung wird sich nur verwirklichen lassen, wenn die Planungszeiträume für Regionalpläne und Flächennutzungspläne stark verkürzt werden. Auch hier muss rasch geklärt werden, welche rechtlichen Schritte eingeleitet werden sollten, um die Planung von Windnutzungsgebieten zu vereinfachen und zu beschleunigen.[4] Priorität sollte darauf liegen, Planungskriterien zu vereinheitlichen, die Rechtssicherheit von Plänen zu verbessern und „Endlosschleifen“ der Öffentlichkeitsbeteiligung zu begrenzen.

Fazit des KNE

Die Bereitstellung, Ausweisung und Nutzbarmachung ausreichender Flächen für den notwendigen Ausbau der landseitigen Windenergie bis 2030 bringt hohe Anforderungen mit sich. Die Umsetzung bedarf einer zügigen Klärung und Ausgestaltung der dazu erforderlichen rechtlichen Instrumentarien (Vorgabe von Mengenzielen durch den Bund; Verkürzung der Planungsverfahren für die Regionalpläne und die Flächennutzungspläne), aber auch des klugen und aufgeschlossenen Zusammenwirkens von Bund und Ländern.

Kontakt
Dr. Elke Bruns
Leiterin Fachinformation
elke.bruns@naturschutz-energiewende.de
T.: 030 7673738-20

 

[1]  UBA (2021): Flächen für die Windenergie an Land. Vorläufige Ergebnisse der Studie (abgerufen 04.11.2021). Bearbeitung durch Guidehouse, Fraunhofer IEE, Stiftung Umweltenergierecht, Laufzeit 07/2020 bis 06/2022.

[2] „Ausgehend von etwa 55 GW aktuell installierter Leistung und einem erwarteten Rückbau alter Anlagen bis 2030 von etwa 20 GW ist für eine installierte Leistung von 71 bis 105 GW bis 2030 ein jährlicher Zubau von etwa 4 bis 7 GW brutto erforderlich.“ ebd.

[3] UBA (2019): RESCUE-Szenario GreenSupreme. (abgerufen 04.11.2021)

[4] Siehe hierzu etwa SUER (2021, S. 6 ff.) Gesetzgeberische Handlungsmöglichkeiten zur Beschleunigung des Windenergieausbaus. Leitplanken und Werkzeuge für die Ausweisung zusätzlicher Flächen sowie die Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungen. Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht 53, Stand 28.10.2021.

Windpark in Nordfriesland, Foto: Holger Ohlenburg
Foto: Holger Ohlenburg

Internationales Symposium zu Windenergie und Fledermäusen zeichnet heterogenes Bild beim Fledermausschutz

Berlin, 4. November 2021

Internationales Symposium zu Windenergie und Fledermäusen zeichnet heterogenes Bild beim Fledermausschutz

Im Zentrum des ersten vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) veranstalteten „International Bat Research Online Symposium (IBROS): Towards solving the wind energy-bat conflict“ stand das Grün-Grün-Dilemma zwischen Windenergieausbau und Fledermausschutz.

Internationale Expertinnen und Experten berichteten am 2. November zum aktuellen Forschungs-, Kenntnis- und Konfliktstand bei Fledermäusen und Windenergie. Insgesamt 19 Beiträge aus elf Ländern und fünf Kontinenten sowie die intensive Diskussionsrunde zeichneten ein heterogenes Bild und verdeutlichten, dass es in einigen Staaten beim Windenergieausbau einen deutlichen Verbesserungsbedarf beim Fledermausschutz gibt.

Insbesondere aus den Beiträgen aus Europa und Nordamerika wurde deutlich, dass hier bereits seit langem und umfangreich zum Verhalten von Fledermäusen im Kontext von Windenergieanlagen, zu deren Auswirkungen und zu Maßnahmen zur Konfliktreduzierung geforscht wird. Während sich zum Beispiel temporäre Abschaltungen zur Verminderung von Kollisionen von Tieren mit den Rotoren als hochgradig wirksam erwiesen hätten und sich in Europa, insbesondere jedoch in Deutschland immer mehr zum „Standard“ entwickeln, seien derartige Maßnahmen in Nordamerika bislang nur bei Projekten erforderlich, wenn eine von wenigen als besonders gefährdet geltende Fledermausarten betroffen sind. Für einzelne, noch nicht so seltene Arten, lägen jedoch mittlerweile Populationsmodellierungen vor, die kollisionsbedingt einen erheblichen Rückgang der Population voraussagen, so eine Forscherin in ihrem Beitrag. In weiteren Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas, in denen zunehmend Windenergieanlagen „grünen“ Strom produzieren, steht die Maßnahmenentwicklung und -anwendung noch relativ am Anfang, obwohl von ähnlichen Auswirkungen auszugehen ist. In einem Beitrag aus Brasilien wurde deutlich gemacht, dass dort Fledermäuse bislang gar nicht oder nur sehr unzureichend bei der Vorhabenplanung von Windenergienanlagen berücksichtigt würden.

In diesem Zusammenhang, aber auch in der abschließenden Diskussion wurde mehrfach von den Expertinnen und Experten gefordert, bei allen weltweiten Klimaschutzbemühungen durch den Ausbau der Windenergie die Biodiversitätskrise und den Arten- und Fledermausschutz nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern bestenfalls zukünftig sogar noch zu stärken.

Das KNE befürwortet einen wirksamen Fledermausschutz bei Windenergievorhaben. Mit zunehmendem Abbau älterer Anlagen, die gänzlich ohne Fledermausabschaltungen laufen, dürfte sich der bislang auch in Deutschland noch mäßige Anteil an Windenergienanlagen mit Abschaltungen zum Fledermausschutz zukünftig wesentlich erhöhen (vgl. KNE 2020).

Weitere Informationen zum Thema

Ihr Ansprechpartner im KNE
Holger Ohlenburg
Referent für naturverträgliche Windenergie
holger.ohlenburg@naturschutz-energiewende.de
030-7673738-22

Rauhatufledermaus im Flug, Foto Dietmar Nill
Die zu den Zwergfledermäusen gehörende Rauhautfledermaus ist europaweit verbreitet, ihren Verbreitungsschwerpunkt im Sommer liegt im Baltikum. Durch ihren mittelhohen Flug im freien Flugraum zählt die Art zu den häufigsten Schlagopfern von Fledermäusen an Windenergieanlagen. Gerade auf der Reise vom Baltikum in den Südwesten verunglücken im Herbst viele der Tiere an Windenergieanlagen im Küstenbereich, aber auch im Binnenland. Foto: Dietmar Nill