Aktuelles aus dem Bund, Baden-Württemberg und Hamburg

Berlin, 23. Juni 2022

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 06/22

Aktuelles aus dem Bund, Baden-Württemberg und Hamburg

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Bundesregierung

Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro für die Erforschung innovativer Energietechnologien aufgewendet. Dies geht aus dem „Bundesbericht Energieforschung 2022“ hervor, den das Kabinett beschlossen hat. Anhand des 7. Energieforschungsprogramms „Innovationen für die Energiewende“ unterstütze die Bundesregierung Forschung, Entwicklung und Demonstration moderner Energie- und Effizienztechnologien. Von der ersten Grundlagenuntersuchung bis hin zur Erprobung moderner Energietechnologien werde der vollständige Innovationszyklus abgedeckt.

EU-Kommission/Bundesrat

Auf Bundesrats-Drucksache 274/22 erfolgt eine Unterrichtung des Bundesrates durch die Europäische Kommission zur EU-Strategie für Solarenergie. Die Strategie beinhaltet eine Vision zur raschen Nutzung der Vorteile der Solarenergie und umfasst vier Initiativen zur Bewältigung verbleibender Herausforderungen. Neben der Förderung einer zügigen und umfassenden Einführung von Photovoltaik im Rahmen der Europäischen Solardach-Initiative sollen Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Des Weiteren müssten ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um die Herausforderung der Erzeugung und des Einsatzes von Solarenergie bewältigen zu können. Zu guter Letzt sieht die Strategie die Gründung einer Europäischen Allianz für die Photovoltaikindustrie vor, um den innovationsorientierten Ausbau einer widerstandsfähigen industriellen Wertschöpfungskette für Solarenergie in der EU zu fördern.

Baden-Württemberg

Freiflächen-PV-Anlagen verändern vorhandene Lebensräume und deren Flora und Fauna in Abhängigkeit vom Ausgangszustand der Fläche in unterschiedlichem Maße. Die Auswirkungen auf die Biodiversität hängen vom naturschutzfachlichen Ausgangswert der zu überbauenden Fläche ab. Darüber informiert das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg in einer Stellungnahme zu einem Antrag des Abgeordneten Raimund Haser (CDU) auf Drucksache 17/2353. Intensiv genutzte Grün- und Ackerflächen wiesen eine geringere Biodiversität auf und böten in der Regel nur in geringem Umfang Lebensraum für gefährdete Arten. Die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen auf solchen Flächen könne einer Verminderung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und die Wiederansiedelung von Tieren und Pflanzen zur Folge haben. Für eine Förderung der Artenvielfalt sei ein gezieltes Management entscheidend, welches insbesondere auf eine naturschutzfachliche Aufwertung gerichtete Maßnahmen beinhaltet. Geeignet seien Maßnahmen wie die extensive Bewirtschaftung und Pflege durch Mahd oder Beweidung, die Einsaat von geeigneten Blühmischungen sowie der Erhalt und die Anlage von Strukturen wie Gräben, Hecken, Steinmauern und Nistplätzen.

Hamburg

Der weitere Ausbau der Windenergie in Hamburg steht vor mehreren Herausforderungen. Darauf geht der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (Die Linke) auf Drucksache 22/8216 ein. Neben aufwändigen Planungs- und Genehmigungsverfahren seien Nutzungskonkurrenzen im Außenbereich sowie Fragen zu Altlasten und benachbarten Störfallbetrieben im Hafen zu beachten. Gut ein Drittel der Leistung der Windenergie in Hamburg stamme von Anlagen im Hafengebiet. Dort würden keine Flächen für die Windenergie ausgewiesen, sondern lediglich Einzelgenehmigungen erteilt. Gemeinsam mit der Hamburg Port Authority (HPA) und den Hamburger Energiewerken (HEnW) sondiere der Senat Möglichkeiten für einen weiteren Ausbau der Windenergie im Hafen.

Thomas Schoder - Extrakte

Globale Energiewende stagniert

Berlin, 21. Juni 2022

KNE-Lesetipp

Globale Energiewende stagniert

Ernüchterndes Fazit des Renewable Energy Policy Network 21

Im jüngsten Bericht des Renewable Energy Policy Network 21 (REN21) wird der aktuelle Status der erneuerbaren Energien grundsätzlich zwar als positiv beschrieben, jedoch erfolgen der weltweite Ausbau und die Nutzung der Erneuerbaren viel zu langsam, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat zwar in den vergangenen fünf Jahren merklich zugenommen, aber in den Bereichen Wärme, Kälte und Verkehr geschehe zu wenig, so im Renewables 2020 Global Status Report (englisch) nachzulesen. Zudem dominieren die fossilen Brennstoffe nach wie vor die weltweiten Energiesysteme. Der Anteil von Kohle, Gas und Öl liegt weiterhin bei fast 80 Prozent am Gesamtenergieverbrauch. Darüber hinaus nehmen der weltweite Energiebedarf und der -verbrauch stetig zu. Sollte nicht unverzüglich in allen Sektoren auf effiziente und erneuerbare Energien umgestellt werden, werde der Klimawandel ungebremst und dramatisch fortschreiten.

Anteil der Erneuerbaren stagniert durch steigenden Energieverbrauch

Der Anteil der erneuerbaren Energien insgesamt am Endenergieverbrauch über alle Sektoren nimmt nur unwesentlich zu. Für das vergangene Jahrzehnt ist praktisch kein Wachstum zu erkennen. 2009 lag der Anteil erneuerbaren Energien bei 10,6 Prozent, 2019 bei 11,7 Prozent und im Jahr 2020 bei 12,6 Prozent – das ist eine Zunahme von gerade mal zwei Prozentpunkten im genannten Zeitraum.

Die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien finde damit nicht statt, so die Autorenschaft des Berichtes. Dabei waren erhebliche Zuwächse bei den Erneuerbaren-Kapazitäten zu verzeichnen, 314.000 Megawatt wurden im Stromsektor neu installiert. Jedoch habe der weltweit steigende Energieverbrauch den Ausbau der Erneuerbaren gewissermaßen „neutralisiert“, insbesondere nach der Corona-Pandemie sei ein starker Anstieg des Energieverbrauchs zu verzeichnen. Die Pandemie habe durch den außerordentlichen Wirtschaftseinbruch nur kurzfristig die energiebedingten CO2-Emissionen reduziert.

Fazit

Der Status Quo der Erneuerbaren weltweit sei weitgehend das Ergebnis der Politik und der Regulierung. Die entscheidenden Hindernisse in den Bereichen Wärme, Kälte und Verkehr müssten durch entschlossenes politisches Handeln aus dem Weg geräumt werden. Kurz- und langfristige Ziele und Pläne für den Umstieg auf erneuerbare Energien in Verbindung mit klaren Ausstiegsdaten für fossile Brennstoffe seien unbedingt notwendig. “Es ist klar, dass erneuerbarer Strom heute etabliert ist, und es ist großartig das zu sehen. Aber die Fortschritte in diesem Teilbereich sollten uns nicht zu der Annahme verleiten, dass die erneuerbaren Energien ein Selbstläufer sind. Die Regierungen müssen über wirtschaftliche Konjunkturpakete hinaus grundlegende Maßnahmen ergreifen und die Voraussetzungen für eine Umstellung auf ein effizientes und erneuerbares Energiesystem schaffen. Weltweit. Sofort.“ erklärt REN21-Präsident Arthouros Zervos in einer Pressemitteilung (PR REN21, 16.06.2022).

Quelle: REN21 (2022): Renewables 2022 Global Status Report. 312 S., ISBN 978-3-948393-04-5

Titelblatt REN21-Bericht, © ren21.net
© ren21.net

KNE-Podcast: Artenhilfsprogramme – Aktueller Stand, Fragen und Herausforderungen

Berlin, 20. Juni 2022

KNE-Podcast: Artenhilfsprogramme – Aktueller Stand, Fragen und Herausforderungen

Artenhilfsprogramme dienen dem Erhalt von Tier- und Pflanzenarten, entweder einer einzelnen oder ganzer Artengruppen. Sie sollen einem Populationsrückgang der Art Einhalt gebieten bzw. die Bestandssituation verbessern. Prinzipiell gibt es eine Riesenbandbreite: Vom Ameisenbläuling, einer Schmetterlingsart, über bedrohte Pflanzenarten wie dem böhmischen Enzian, über den Gartenschläfer bis hin zu den Weihen oder dem Weißstorch.

Mit den Beschlüssen der Bundesregierung zum beschleunigten Ausbau der Windenergie ist klar, dass es zum Schutz windenergiesensibler Arten auch bundesweite Artenhilfsprogramme geben wird.

Diesbezüglich gilt es, noch etliche Fragen zu beantworten und Herausforderungen zu bewältigen, damit diese ein Erfolg werden können. Wie der aktuelle Stand in den Ländern ist, für welche Arten sie erstellt werden, wie die Programme aussehen, wie sie finanziert und umgesetzt werden und warum Hessen im Kontext von Artenhilfsprogrammen und Windenergie ein Vorreiter ist, bespricht Moderatorin Anke Ortmann mit Holger Ohlenburg, KNE-Referent für naturverträgliche Windenergie.

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Der KNE-Podcast

Dialoge – Debatten – Denkanstöße: Der KNE-Podcast beschäftigt sich mit aktuellen Fragen rund um die naturverträgliche Energiewende. Wie können Vogelkollisionen an Windenergieanlagen vermieden werden, wie lassen sich Konflikte beim Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort klären, und was alles muss berücksichtigt werden, damit eine Erneuerbaren-Anlage genehmigt werden kann? Zu diesen und vielen weiteren Fragen kommen unterschiedlichste Expertinnen und Experten im Podcast zu Wort.

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Internationales Interesse am Erprobungsvorhaben zum Einsatz von Antikollisionssystemen

Brandenburg, 13. Juni 2022

Internationales Interesse am Erprobungsvorhaben zum Einsatz von Antikollisionssystemen

ISEP Japan zu Besuch in Brandenburg

Kolleginnen des KNE besichtigten gemeinsam mit Christian Doedt, weitgereister Gast des Institute for Sustainable Energy Policies (ISEP) Japan, das Brandenburger Erprobungsvorhaben zum Einsatz von Antikollisionssystemen. Die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde HNEE und das KNE erproben dort mit Hilfe einer virtuell simulierten Windenergieanlage zwei Antikollisionssysteme in der abwechslungsreichen Landschaft der Uckermark (Meldung zum Start des Forschungsprojektes).

Bei einer Führung vor Ort erläuterte Jonas Hellmig von der FEFA Wind, die zur Erprobung vor Ort ein Radarsystem zur frühzeitigen Erkennung von Vögeln zur Verfügung stellen, ausführlich, was es für die Erprobung technisch und logistisch zu bedenken gab und wie vor Ort genau vorgegangen wird. Christian Doedt informierte sich insbesondere hinsichtlich der Möglichkeiten, wie und ob derartige Forschungsprojekte auch in Japan umgesetzt werden können. Eine wichtige Fragestellung war dabei beispielsweise, ob die Vogelerkennung auch in für Japan typischen Berglandschaften funtioniere.

Das Treffen gab allen die Möglichkeit, die Herausforderungen einer naturverträglichen Energiewende in einem globalen Kontext zu erörtern und zu verstehen und über den nationalen Tellerrand zu schauen. Wie unterschiedlich die gesetzlichen, politischen und logistischen Mittel und Hürden sind, war für alle Teilnehmenden interessant. In die Zukunft blickend, wird es weiterhin regen Austausch zwischen KNE und ISEP geben, um Erfahrungen miteinander zu teilen.

Hintergrund

Seit der Nuklearkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 herrscht in Japan großes öffentliches Interesse an erneuerbaren Energien, die Lobby des Naturschutzes ist jedoch im Vergleich zu Deutschland eher gering. Auch spielt Solarenergie momentan in Japan die größere Rolle, als Windkraft. Das Interesse daran, wie in Deutschland vorgangangen wird, um Naturschutz und Energiewende unter einen Hut zu bringen, ist groß. Das ISEP in Japan beschäftigt sich damit, wie die Energiewende in Japan umgesetzt werden kann. Der Kontakt zu dem Institut besteht daher schon länger. Unter anderem gab es im November 2021 einen intensiven Austausch zur Thematik der Konfliktbearbeitung in der Energiewende.

Ihre Ansprechpartnerin im KNE
Karen Thormeyer
karen.thormeyer@naturschutz-energiewende.de

Besichtigung Erprobung Antikollisionssysteme Peetzig
V. l. n. r.: Jonas Hellmig (FEFA Wind), Tina Bär (KNE), Christian Doedt (ISEP) und Constanze Hartje (KNE).

KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“

Berlin, 10. Juni 2022

KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“

Naturverträgliche Solarparks in Zeiten beschleunigter Energiewende

Im Rahmen des KNE-Forums “Naturverträgliche Solarparks” trafen sich am 9. Juni 2022 zum bereits fünften Mal geladene Teilnehmerinnen und Teilnehmer, um sich darüber auszutauschen, wie sich Solarparks auch – oder gerade – in Zeiten einer beschleunigten Energiewende naturverträglich gestalten lassen. Die Teilnehmenden kommen von Naturschutzverbänden, aus der Solarbranche, Naturschutzbehörden, Bundes- und Landesministerien, Energieagenturen, Landwirtschaftsverbänden und der Wissenschaft und diskutieren in diesem Forum regelmäßig zu selbst gewählten Themen. Die Beteiligten schauen alle aus sehr unterschiedlichen Perspektiven auf Naturschutz und Energiewende, sie alle schätzen den Austausch untereinander. Und so gab es auch diesmal wieder lebendige Diskussionen, Impulse aus dem Kreis der Teilnehmenden, Aha-Erlebnisse genauso wie Raum für Fragen, neue Gedanken und kritische Anmerkungen.

Aktuelle politische Herausforderungen

Das Forum begann mit einem Austausch zu den Plänen der Bundesregierung, den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich zu beschleunigen. Vorgestellt und diskutiert wurden die Neuerungen, die voraussichtlich 2023 im Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft treten werden, sowie Vorschläge für naturschutzfachliche Anforderungen für die Nutzung der zukünftig förderfähigen Flächenkulissen. Der anschließende Austausch drehte sich darum, wie die neuen Regelungen im jeweiligen Umfeld aufgenommen und genutzt werden.
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die Genehmigung von Solarparks die Kommunen vor große personelle Herausforderungen stellt. In Kleingruppen wurden Chancen und Herausforderungen der geplanten politischen Neuerungen später weiter diskutiert. Teils wurde für eine stärker übergeordnete Planung plädiert, die sowohl Regelungen zur Ausgestaltung eines Solarparks trifft (Welchen Artenschutzbeitrag muss er leisten? Wie kann ein verpflichtendes Monitoring aus-sehen?) als auch Konflikte zwischen Kommunen im Rahmen der Standortsuche löst. Insgesamt wurden die Änderungen im Rahmen des Osterpakets als hilfreich empfunden.

Landwirtschaft, Solarparks und Naturschutz stärker zusammendenken?

Im zweiten Teil des Forums wurde diskutiert, wie das Zusammendenken von Landwirtschaft, Solarparks und Naturschutz verstärkt werden kann. Überlegt wurde, ob es die Errichtung von naturverträglichen Solarparks beschleunigen könnte, wenn Solarparks als ordnungsgemäße Landwirtschaft angesehen werden. Ein interessanter Gedanke war auch, ob und unter welchen noch zu schaffenden Voraussetzungen, Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen für mehr Biodiversität im Solarpark genutzt werden könnten, um einen finanziellen Anreiz für einen schnellen und umfassenden Ausbau von naturverträglichen Solarparks zu setzen. Die Mehrheit der Teilnehmenden erachtete eine weiterführende Debatte zum Thema als sinnvoll. Plädiert wurde dafür, dass die vorrangige kommunale Bauleitplanung trotzdem in jedem Fall erhalten bleibt. Rege diskutiert wurde der Vorschlag, für Solarparks vor allem landwirtschaftliche Flächen zu nutzen, auf denen bislang Energiepflanzen angebaut werden.

Ausblick

Mit dem Forum möchte das KNE einen Beitrag zu einem Austausch bundesweit interessierter Akteure leisten: Was gibt es an erfolgreicher Praxis naturverträglicher Solarparks schon? Welche Ideen, Bedenken und Fragen bestehen von verschiedenen Seiten? Wie können Solarparks und Naturschutz besser zusammengebracht werden? Im Vordergrund des Forums steht der offene Austausch zu Themen, die den Teilnehmenden besonders am Herzen liegen. Das Forum findet zweimal im Jahr statt.

connections © Gordon Johnson, Pixabay

Windenergie und Vogelschutz mit moderner Technik verbinden: Forschungsprojekt startet in der Uckermark

Berlin, 9. Juni 2022

Windenergie und Vogelschutz mit moderner Technik verbinden: Forschungsprojekt startet in der Uckermark

Rotmilan, Seeadler & Co. sind potenziell gefährdet, mit Windenergieanlagen zu kollidieren. Ob und wie Kameras und Radaranlagen dabei helfen können, diese kollisionsgefährdeten Vogelarten zu schützen, untersuchen jetzt die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) und das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) im Landkreis Uckermark (Brandenburg).

Die für das Forschungsprojekt als Beispielregion genutzte Uckermark ist Lebensraum zahlreicher, besonders geschützter Vögel, darunter Milane, Weißstörche, Wanderfalken, Bussarde, See- und Fischadler. Sie alle zählen zu den Greif- und Großvogelarten, die durch Kollisionen mit Windenergieanlagen besonders gefährdet sind. Damit die Ziele der brandenburgischen Energiestrategie erreicht werden können, ist der Ausbau der Windenergie in mindestens zwei Prozent der Landesfläche notwendig. Ein effektiver Schutz der Groß- und Greifvögel und die Nutzung von Windenergieanlagen müssen also vereint werden. Eine Lösung dafür könnten Antikollisionssysteme sein, da diese die Windenergieanlage bei Annäherung eines Vogels abschalten.

HNEE und KNE erproben jetzt – mit Hilfe einer virtuell simulierten Windenergieanlage – zwei Antikollisionssysteme in der abwechslungsreichen und vielfältigen Landschaft der Uckermark. Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Systeme werden in diesen Landstrichen erstmals empirisch untersucht und erlauben damit Rückschlüsse auf spätere Einsätze im ganzen Bundesland. „Die hohe Artenvielfalt an diesem Standort ermöglicht es uns, die Systeme wirklich auf Herz und Nieren zu prüfen,“ freut sich Karen Thormeyer, Leiterin des Projektes beim KNE. „Dieses Gelände sowie die Kombination aus Radar und Kamera erweitern die Möglichkeiten für den Artenschutz immens.“
Antikollisionssysteme kommen – mit anderen Maßgaben – bereits im Ausland zum Einsatz und werden derzeit auch an einigen anderen Standorten in Deutschland erprobt. Eine hohe Wirksamkeit der Systeme ist jedoch nur bei ausreichender Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit wahrscheinlich, die durch Erprobungen nach fachwissenschaftlichen Maßstäben nachgewiesen werden müssen. Auch gilt es, den Kenntnisstand über Leistungsfähigkeit und die standörtliche Eignung einzelner Systeme zu konkretisieren.

Bis Oktober sind die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der HNEE und des KNE vor Ort im Einsatz. Die dann gewonnenen Erkenntnisse aus dem Forschungsvorhaben sollen als Diskussionsgrundlage für den Dialog mit Entscheidungsträgern des Landes Brandenburg dienen. Träger des bis 31. Dezember 2022 laufenden Projektes ist das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg (MWAE).

Weitere Informationen zum Thema 

 

Ihre Ansprechpartnerin
Karen Thormeyer
karen.thormeyer@naturschutz-energiewende.de

AKS-Erprobung, Versuchsgelände in Brandenburg, © Karen Thormeyer

Regelungen zu Antikollisionssystemen in den Leitfäden der Länder

Berlin, 7. Juni 2022

Regelungen zu Antikollisionssystemen in den Leitfäden der Länder

Seit 2018 verfolgt das KNE den Entwicklungsprozess von Radar- und Kamerasystemen, veröffentlicht die Erkenntnisse und setzt sich für eine systematische Erprobung verschiedener Systeme ein. Ziel ist es, Behörden und Anwender über die Leistungsfähigkeit der Systeme zu informieren und Aussagen über Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes treffen zu können.

Im Eckpunktepapier zur Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Antikollisionssysteme (AKS) als eine mögliche Vermeidungsmaßnahme genannt. Sie sollen das Tötungsrisiko von Vögeln unter die Signifikanzschwelle senken. Auf saisonale Abschaltungen soll verzichtet werden.

Als Ausgangspunkt für die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes der Systeme haben wir eine Übersicht zusammengestellt, welche Regelungen zu AKS in den artenschutzrechtlichen Leitfäden der Bundesländer (siehe KNE-Leitfadenübersicht) bereits enthalten sind.

Bisher führen fünf Bundesländer (Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen) AKS im Katalog der geeigneten Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen zur Minderung von Vogelkollisionen auf. Für die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben wir den Entwurfsstand abgefragt.

Ihre Anwendung ist zumeist unter den Vorbehalt der weiteren Erprobung gestellt. Es wird dabei offengelassen, wie und wodurch der Nachweis der Vermeidungswirksamkeit erfolgen soll und in wessen Verantwortung die weitere Klärung liegt.

In einigen Bundesländern (Bayern, Brandenburg, Hessen und Schleswig-Holstein) wurden Forschungsprojekte gestartet, die weitere verallgemeinerbare Erkenntnisse über die Vermeidungswirksamkeit von Antikollisionssystemen erbringen sollen. Erste Ergebnisse sind allerdings frühestens Anfang 2023 zu erwarten.

Antikollisionssysteme für Windenergieanlagen. Das KNE bei der NABU-Sofa-Akademie

Berlin, 3. Juni 2022

Antikollisionssysteme für Windenergieanlagen. Das KNE bei der NABU-Sofa-Akademie

Am 31. Mai führte das Dialogforum Energiewende und Naturschutz eine Veranstaltung zu „Technischen Abschaltsystemen für Windkraftanlagen“ durch. Die NABU-Sofa-Akademie widmete sich der Frage, wie diese Systeme funktionieren und ob sie tatsächlich dabei helfen können, Kollisionsrisiken zu minimieren. Für das KNE nahmen Dr. Elke Bruns, Leiterin der Fachinformation, und Dr. Julia Hoffmann, Fachreferentin für Naturschutz und Windenergie an der gut besuchten Online-Veranstaltung teil.

Dr. Frank Musiol vom Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung stellte erste Erkenntnisse aus der Naturschutzforschung am Windenergietestfeld Geislingen-Donzdorf vor (NATForWINSENT). Im Fokus der Forschung steht hier die Konzeption und der Test von Vermeidungsmaßnahmen zum Schutz von Vögeln und Fledermäusen. Erste Ergebnisse zeigen, dass die bisher verwendeten Abschaltalgorithmen für Fledermäuse (Abschaltung, wenn Temperatur über 10 °C oder bei Windstärken unter 6 m/s) angemessen sind, mit Ausnahme der Rauhautfledermaus. Diese scheint auch noch bei niedrigeren Temperaturen und höheren Windgeschwindigkeiten eine vergleichsweise hohe Aktivität zu zeigen.

Dr. Elke Bruns vom KNE gab einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand von Antikollisionssystemen (AKS) und erläuterte unter anderem die Vor- und Nachteile der kamerabasierten und radarbasierten Systeme. Es zeigte sich, dass generell noch viel Bedarf an genaueren Informationen zu AKS besteht. Die Teilnehmenden stellten zahlreiche Fragen zur Verfügbarkeit der Systeme sowie zu deren Anwendungsmöglichkeiten für verschiedene Zielarten.

Das KNE verfolgt das Potenzial von Antikollisionssystemen zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie bereits seit 2018. Da diese technischen Überwachungs- und Abschaltsysteme an Windenergieanlagen helfen können, Vogelkollisionen wirkungsvoll zu vermeiden, stellen wir Ihnen auf unserer Internetseite eine Übersicht mit aktuellen und relevanten Veröffentlichungen zu Antikollisionssystemen zur Verfügung. Diese Übersicht wird kontinuierlich aktualisiert.

Rotmilan im Flug - Foto: Manfred Stöber/adobestock.com
Rotmilan im Flug - Foto: Manfred Stöber/adobestock.com