Aktuelles aus Bund und Ländern, Forschung und internationalen Netzwerken

Berlin, 29. Juni 2021

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 06/21

Aktuelles aus Bund und Ländern, Forschung und internationalen Netzwerken

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Brandenburg

Der Brandenburger Landtag hat mit den Stimmen von SPD, CDU, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und der Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/FREIE WÄHLER einem von den Freien Wählern vorgelegten Gesetzentwurf zugestimmt, der die Verlängerung des Wind-Moratoriums von zwei auf maximal vier Jahre möglich macht. Der Brandenburger Landesverband des BWE forderte bei dieser Gelegenheit (PM 16.06.2021), dass in der Regionalplanung anstelle von Eignungsgebieten Vorranggebiete ausgewiesen werden sollten. Hilfreich wären auch landeseinheitliche Kriterien als Leitplanken für die Regionalplanung. Derzeit sei es möglich, dass es in den fünf regionalen Planungsgemeinschaften Brandenburgs fünf unterschiedliche Kriterienkataloge gebe, was enorme rechtliche Risiken berge. Die Landesregierung müsse die Regionalplaner aktiv bei der Erstellung von rechtssicheren Plänen unterstützen. Um einen weiteren Einbruch der Windenergie zu vermeiden, müssten Windenergieanlagen trotz eines Moratoriums genehmigt werden.

Energy Watch Group

Nach einer neuen Studie des Berliner Thinktanks Energy Watch Group (EWG) könnte die Energieversorgung in Deutschland bereits 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Demnach sei es möglich, nicht nur den Strombedarf allein mit Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie zu decken, sondern auch die Wärmeversorgung aus rein grünen Quellen zu speisen. Der entscheidende Faktor in Deutschland sei der Ausbau der Windenergie. Mit guten Konzepten ließen sich Windenergieanlagen auch in Naturgebieten auf den Bergen installieren. Die Autoren haben drei Szenarien entwickelt in Abhängigkeit von drei Grundannahmen zur Windenergienutzung im Süden Deutschlands: I. kompletter Verzicht auf den dortigen Windausbau, II. Nutzung von 50 Prozent des dortigen Potenzials, III. Ausschöpfung des gesamten dortigen Potenzials von 37 Gigawatt. Entsprechend werden Folgerungen für den PV-Ausbau, den Ausbau der Netze und die Speichertechnologien gezogen.

Fraunhofer-Institute

Drei Fraunhofer-Institute haben in einer gemeinsamen Analyse herausgearbeitet, dass gerade die ostdeutschen Bundesländer beste Voraussetzungen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft haben. Beim Markthochlauf der Wasserstoffgewinnung und seiner Anwendungsfelder könne Ostdeutschland ganz vorn mitmischen. In einem Masterplan skizzieren sie detailliert die Herausforderungen und Chancen. Mecklenburg-Vorpommern etwa erzeuge 12-mal mehr Strom aus erneuerbaren Energien als zur Deckung der eigenen Stromnachfrage gebraucht werde. Das eröffne Chancen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und Syntheseprodukten. Brandenburg habe mit knapp dem vierfachen Erneuerbare-Energien-Potenzial im Verhältnis zur heutigen Stromnachfrage ebenfalls bedeutsame Möglichkeiten. In den drei anderen neuen Ländern liege das Verhältnis zwischen 1,4 und 2,3. Von den Autoren werden 50 konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die das Ausschöpfen des Potenzials ermöglichen sollen.

Bund

In Beantwortung einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion teilte die Bundesregierung auf Bundestags-Drucksache 19/30212 mit, dass der Bund bisher fünf Projekte zur Agri-Photovoltaik fördere. Sie plane zudem, die Auswirkungen der Agri-PV auf Natur und Landschaft untersuchen zu lassen. Eine über die für 2022 vorgesehene Ausschreibung hinausgehende spezielle Förderung von Agri-PV-Projekten nach dem EEG sei derzeit nicht geplant. Nach der nationalen Direktzahlungen-Durchführungsverordnung kommen Flächen, auf denen sich Photovoltaikanlagen befinden derzeit nicht für die Gewährung von EU-Direktzahlungen in Betracht. Für die nationale Nachfolgeregelung in der kommenden Förderperiode ab dem Jahre 2023 prüfe man, ob eine Gewährung der EU-Direktzahlungen in Betracht kommen könnte.  Die Anforderungen an Solaranlagen auf Ackerflächen werde die Bundesnetzagentur in der Innovationsausschreibungsverordnung definieren. Das Verfahren hierzu werde kurzfristig eingeleitet werden.

Nordrhein-Westfalen

Mit den Auswirkungen geltender Außenbereichssatzungen auf die Flächenverfügbarkeit für die Windenergie befasste sich eine Kleine Anfrage von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. Konkret geht es um den Gebrauch der Möglichkeit mittels einer Außenbereichssatzung, Splittersiedlungen im Außenbereich in den Geltungsbereich des 1.000-Meter-Mindestabstandes aufzunehmen und damit die Nutzung der Windenergie weiter zu erschweren. Die Landesregierung teilte auf Drucksache 17/14123 mit, dass das Instrument sehr gezielt und nicht flächendeckend eingesetzt werde. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz plane eine Erhebung, um die Auswirkungen auf das Flächenpotenzial abschätzen zu können. Ansonsten liege das Aufstellen solcher städtebaulicher Satzungen im eigenverantwortlichen Ermessen der Kommunen und sei Ausdruck der ihnen zustehenden kommunalen Planungshoheit.

Forschungsprojekt in Brandenburg zur Erprobung von Antikollisionssystemen

Berlin, 29. Juni 2021

Forschungsprojekt in Brandenburg zur Erprobung von Antikollisionssystemen

Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) erforscht und erprobt in Kooperation mit dem KNE Antikollisionssysteme zur Detektion von windenergiesensiblen Vogelarten. Diese sollen verhindern, dass geschützte Greif- und Großvogelarten durch den Betrieb von Windenergieanlagen verletzt werden. Das Projekt ist jüngst gestartet und läuft bis Ende 2022, Auftraggeber ist das Brandenburger Energieministerium. Ziel ist es, zukünftig Zukunft Antikollisionssysteme in Brandenburg zur Vermeidung von Vogelkollisionen an Windenergieanlagen einsetzen zu können.

„Das KNE verfolgt die rasante Entwicklung unterschiedlicher Antikollisionssysteme seit seiner Gründung vor fünf Jahren. Die Leistungsfähigkeit der Systeme verbessert sich zunehmend, so dass windenergiesensible Vogelarten wie der Rotmilan oder der Seeadler inzwischen mit bis zu 90-prozentiger Sicherheit auf 600 Meter Entfernung erkannt werden können. Mit dem Vorhaben wollen wir den empirischen Wissensstand über die Leistungsfähigkeit der Systeme verbessern und insbesondere die Eignung für die jeweiligen Standortansprüche in Brandenburg untersuchen. Wir sind davon überzeugt, dass die Ergebnisse auch über Brandenburg hinaus Beachtung finden werden. Wir freuen uns daher als Kooperationspartner der HNEE einen wichtigen fachlichen Beitrag zur Konfliktprävention vor Ort leisten zu können“, kommentiert Michael Krieger.

Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Systeme sollen empirisch nachgewiesen und an konkreten und für Brandenburg typischen Standorten erprobt werden. Die Ergebnisse des Projekts von HNEE und KNE sollen als Diskussionsgrundlage für den Dialog mit Entscheidungsträgern des Landes Brandenburg dienen. Die betroffenen Verbände und Ressorts sind über eine Projektarbeitsgruppe als beratendem Gremium in das Projekt eingebunden.

Zur Pressemitteilung des Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie (MWAE): Leistungsfähigkeit von Vogeldetektionssystemen im Test

Windräder vor Himmel

Muss der Artenschutz zurückstecken, um das Klima zu retten?

Berlin, 25. Juni 2021

Muss der Artenschutz zurückstecken, um das Klima zu retten?

KNE-Kongress widmete sich dem Spannungsverhältnis von Klima, Natur und Energie

„Wir brauchen mehr Tempo bei der Energiewende, um unsere Klimaziele zu erreichen und den drohenden Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten. Doch mit der Gleichsetzung ,Klimaschutz ist Naturschutz‘ dürfen wir es uns nicht zu leicht machen. Wir brauchen mehr kreative Konzepte für eine naturverträgliche Energiewende – von Dichtezentren über neue Technologien bis hin zu Artenschutzhilfsprogrammen“, forderte KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke auf dem KNE-Kongress „Klima. Natur. Energie.“ am 24. Juni 2021.

Dr. Gregor Hagedorn, Akademischer Direktor am Naturkundemuseum Berlin und Mitinitiator von Scientists 4 Future, betonte in seiner Keynote: „Als Biologe kann ich sagen: Das drohende Artenschutzsterben tut mir unendlich weh. Das Risiko eines ,Weiter so‘ ist größer als das Risiko des Wandels. Unser Problem sind nicht Klimawandelleugner, sondern Nicht-Wahrhaben-Woller.“

Versachlichung der Debatte notwendig

Die Paneldiskussion griff die Frage auf, wie stark der Klimawandel die biologische Vielfalt bedroht, und wie dem Einhalt geboten werden kann.

Karen Wiltshire, Vizedirektorin des Alfred-Wegner-Instituts, schilderte, wie drastisch die Meere schon heute unter dem Klimawandel leiden. Allein in der Nordsee seien die Folgen in den letzten zwanzig Jahren verheerend. Sie forderte mehr Tempo beim Klimaschutz, aber auch einen umfassenden Dialog mit allen Beteiligten und mehr Forschung über die Auswirkungen auf die Natur. Die Lärmbelastung und Eingriffe in Lebensräume durch Offshore-Windparks bedürften weiterer Forschung.

Auch Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie, forderte eine Versachlichung der Debatte auf wissenschaftlicher Basis. Er plädierte für einen deutlich schnelleren Ausbau aller erneuerbarer Energien und für ein gemeinsames Ringen um die besten Lösungen auf Augenhöhe.

Die von der Branche geforderten massiven Ausbauziele würden dem Naturschutz Sorgen bereiten, bekannte die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Prof. Dr. Beate Jessel, im Anschluss. Eine naturverträgliche Energiewende sei möglich. „Dabei gilt es, die Belange des Naturschutzes von Anfang an mitzudenken – bei der Auswahl der Standorte, der Ausführungsplanung vor Ort und auch beim Betriebsablauf. Oberste Prämisse muss jedoch sein, ambitionierte Einspar- und Effizienzziele nicht nur zu setzen, sondern auch zu erreichen!“

Internationales Engagement für eine naturverträgliche Energiewende

Dass ein großer Windpark Lebensräume für Flora und Fauna schaffen kann, zeigte eine Reportage über den schottischen Windpark Whitelee. Hier sei es eindrucksvoll gelungen, den Windenergieausbau so umzusetzen, dass der Naturschutz und die Anliegen der Menschen gleichermaßen berücksichtigt wurden, kommentierte KNE-Direktor Dr. Raynal-Ehrke.

Erfahrungsberichte aus sechs Ländern zeigten zum Abschluss, dass sich Menschen weltweit mit der Frage beschäftigen, wie sich der Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien in Einklang mit Natur und Landschaft gestalten lässt. So unterschiedlich die jeweiligen politischen Rahmenbedingungen, die geografischen Herausforderungen und spezifischen Lösungsansätze auch sind – alle Akteure waren sich darin einig darin, dass mehr Dialog und ein schnelles Handeln nötig sind, um weltweit Naturschutz und Energiewende zusammenzubringen.

Den gesamten Konferenzmitschnitt finden Sie auf der Internetseite zum KNE-Kongress und in unserem YouTube-Kanal.

Gemeinsamer Bericht von Weltbiodiversitätsrat und Weltklimarat

Berlin, 25. Juni 2021

KNE-Lesetipp

Gemeinsamer Bericht von Weltbiodiversitätsrat und Weltklimarat

Titel: IPBES (2021): IPBES-IPCC co-sponsored workshop on biodiversity and climate change – scientific outcome

Der erste gemeinsame Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) und des Weltklimarates (IPCC) verdeutlicht, wie Biodiversitäts- und Klimakrise zusammenhängen und welche Synergien bei den Schutzbestrebungen entstehen. In der aktuellen Klimaschutzdebatte darf der Biodiversitätsschutz nicht vergessen werden. Es gilt, Klima- und Biodiversitätsschutz zusammenzudenken. Hierfür zeigt der Bericht von IPBES und IPCC vielfältige Lösungen auf.

Klimawandel als Treiber des dramatischen Biodiversitätsverlusts

Der Biodiversitätsverlust des vergangenen Jahrhunderts ist zu 34 Prozent auf Änderungen der Nutzungsintensität von Land und Meer zurückzuführen. Weitere 23 Prozent des Biodiversitätsverlusts gehen auf die direkte Nutzung von Arten zurück, jeweils 14 Prozent auf den Klimawandel und die Umweltverschmutzung. Der Einfluss des Klimawandels wird während des 21. Jahrhunderts allerdings voraussichtlich die anderen Verlustursachen überholen. Der klimawandelbedingte Biodiversitätsverlust variiert je nach geographischer Lage und Lebewesen. Wechselwarme marine und Süßwasser-Arten scheinen angesichts der Erwärmung empfindlicher zu sein als terrestrische Arten.

Lösungsansätze für den Kampf gegen den Klimawandel

Weltbiodiversitätsrat und des Weltklimarat setzen auf naturbasierte Lösungen wie die Renaturierung von Ökosystemen. Naturbasierte Lösungen bergen ein großes Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel. Ziel dieser Lösungen sollte jedoch nicht allein die rasche Kohlenstoffbindung sein. Der Schutz der Biodiversität sowie die Folgen für die lokale Bevölkerung sollten stets berücksichtigt werden.

Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz ergeben sich, wenn die Degradierung kohlenstoffreicher Ökosysteme wie Wälder, Feuchtgebiete und Moore aufgehalten oder ihre Wiederherstellung vorangetrieben wird. Dasselbe gilt für aquatische Ökosysteme wie Mangroven, Tangwälder, Salz-und Seegraswiesen.  Da es vor allem die genannten terrestrischen Ökosysteme auch in Deutschland gibt, besteht hier Handlungsbedarf. Auch eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, in der die Pflanzenvielfalt gefördert wird und Düngemittel nur reduziert eingesetzt werden, kann Treibhausgase reduzieren und die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu speichern, steigern.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen sich Biodiversitäts- und Klimaschutz nicht vereinbaren lassen. Viehweiden in Europa können zahlreiche Offenlandarten beherbergen. Die Methanemissionen durch die Wiederkäuer sind jedoch klimaschädlich. Südafrikanische Offenlandökosysteme werden durch kontrollierte Feuer vor Verbuschung und Verwaldung geschützt. Die hohe Albedo der unbewaldeten Landoberfläche sorgt einerseits für lokale Kühlungseffekte, andererseits bleibt das CO2-Senkenpotenzial der bekämpften Wälder ungenutzt.

Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen, welche soziale Folgen und den Schutz der Biodiversität unberücksichtigt lassen, sind wenig zukunftsträchtig. Dazu gehören der großflächige Anbau von Energiepflanzen in Monokulturen sowie die zunehmend intensive Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen. Letztere kann Wasserkonflikte hervorrufen und zu einer Versalzung des Bodens führen. Auch der Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie Wasserkraft kann Arten und Ökosysteme beinträchtigen. Außerdem stellt die Aufforstung in Monokulturen – insbesondere in Gebieten, die vorher nicht von Wald bedeckt waren – einen Verlust für die Biodiversität dar.

Biodiversitäts- und Klimaschutz müssen zusammengedacht werden. Dafür muss verstärkt auf multifunktionale Maßnahmen gesetzt werden, denn nur durch einen ganzheitlichen und integrierten Ansatz können die global gesteckten Ziele erreicht werden. Der Bericht zeigt hier dringenden Handlungsbedarf auf.

Das KNE unterstützt Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen, die zugleich Synergien mit dem Schutz und der Entwicklung der Biodiversität schaffen.

Quelle: IPBES (Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) und IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) (2021): IPBES-IPCC co-sponsored workshop on biodiversity and climate change – scientific outcome. 234 S. Link zum Dokument.

Schmetterling und Pflanze mit Erde auf einer Hand
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KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“ tauscht sich zu Agri-PV und angrenzenden Fragen aus

Berlin, 11. Juni 2021

KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“ tauscht sich zu Agri-PV und angrenzenden Fragen aus

Agri-Photovoltaik (PV) verringert die Flächeninanspruchnahme durch Landwirtschaft und erneuerbare Energien und dient damit indirekt dem Naturschutz. Aber kann Agri-PV auch einen aktiven Beitrag zum Naturschutz leisten? Welche Anforderungen ließen sich an Agri-PV-Anlagen stellen, damit Standortwahl und Ausgestaltung möglichst naturverträglich sind?  Über diese und weitere Fragen tauschten sich am 10. Juni im KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“ bundesweit interessierte Vertreterinnen und Vertreter aus den Ministerien, der Solarbranche, den Naturschutzverbänden, den Energieagenturen und der Wissenschaft aus. Zu Gast waren zudem Vertreter und Vertreterinnen der Landwirtschaft.

Agri-PV – Nische oder Zukunftsmodell für eine naturverträgliche Energiewende?

Wie Agri-PV ganz praktisch aussieht oder aussehen kann, zeigten bildreiche Praxisimpulse zu Beginn des Forums. Ob als Dach von Sonderkulturen, als senkrecht aufgestellte bifaziale Module zwischen denen landwirtschaftliche Maschinen fahren können, ob hoch aufgeständert oder nachlaufend, ökologisch oder konventionell bewirtschaftet. Vieles würde in Sachen Agri-PV schon ausprobiert, berichteten Stephan Schindele von BayWa re., Heiko Hildebrand von Next2Sun und Tobias Keinath vom Frauenhofer ISE in der Veranstaltung. Im großen Stil kommt Agri-PV in Deutschland derzeit aber noch nicht zum Einsatz, dafür fehlten die geeigneten Rahmenbedingungen.

Agri-PV ist nicht nur von Seiten der Solarbranche, sondern auch aus Sicht der Landwirtinnen und Landwirte interessant, wie ein Beitrag von Helmut Wahl von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und die anschließende Diskussion im Forum zeigten. Viele von ihnen hätten ein Interesse neue Ertragsmöglichkeiten zu erschließen und einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, würden sich aber fragen: Harmonieren Solarmodule und die alltägliche Bewirtschaftung? Wie entwickeln sich die Erträge und welche Kulturen eignen sich am besten? Lohnt sich der Anbau unter den Modulen, wenn dafür EU-Subventionen wegfallen? Kann ich sicher sein, dass meine Flächen den Status als landwirtschaftliche Flächen behalten?

Am Ende der Diskussion stand für die Mehrheit der Teilnehmenden fest: Agri-PV hat nur eine Chance, wenn sich die Rahmendbedingungen dafür änderten. Es sollte von Seiten der Politik stärkere Anreize für die Doppelnutzung der Flächen geben, Agri-PV müsse noch stärker beforscht und geeignete Genehmigungskonzepte müssten entwickelt werden.

Landwirtschaft, Energieerzeugung und Naturschutz verbinden?

Deutlich wurde bei dem Austausch auch, dass Agri-PV über die Reduzierung von Flächenkonkurrenzen hinaus noch nicht automatisch einen aktiven Beitrag zur naturverträglichen Energiewende leistet. Dafür wäre es wichtig, von einer Zweifach- zu einer Dreifachnutzung zu kommen und auch bei Agri-PV Naturschutzaspekte mitzudenken. Sandra Dullau von der Hochschule Anhalt stellte im zweiten Teil des Forums dar, welche Fragen sich mit Blick auf die Naturverträglichkeit von Agri-PV-Anlagen stellten und welche Chancen es für die Biodiversität gebe. Welche bereits erprobten Biodiversitätsmaßnahmen lassen sich an die verschiedenen Agri-PV-Anlagedesigns koppeln? Welche Synergien entstehen durch die Dreifachnutzung? Lässt sich die Akzeptanz der PV auf landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Maßnahmen für die Biodiversität steigern? Wie lassen sich Agri-PV-Anlagen in diversifizierte Landnutzungssysteme integrieren? Welcher sozioökonomische Benefit lässt sich generieren? Zu diesen Fragen sei noch viel Forschung nötig, die in den nächsten Jahren angegangen werden müsse.

Dass Agri-PV auch in Biosphärenreservaten denkbar sei, zeigte ein Projektvorhaben im Saarland, das Hans-Henning Krämer von der Biosphäre Bliesgau vorstellte. Hier soll eine extensive Mähwiese mit PV-Modulen bestückt werden.

Nach einer intensiven Diskussion über die Auswirkungen auf die Avifauna, die Sinnhaftigkeit von Blühstreifen in der konventionellen Landwirtschaft beziehungsweise im Schatten der Module sowie die Mindestbreite von Blühstreifen, hielt es nur rund ein Drittel der Forums-Teilnehmenden  für möglich, dass sich Landwirtschaft, Energieerzeugung und Naturschutz verbinden lassen. Fast die Hälfte glaubte hingegen, dass einer der drei Punkte immer „hinten runterfallen“ wird. Das zeigte sich auch in der Diskussion darüber, ob man Agri-PV nicht mit dem Anspruch auf Naturverträglichkeit überfrachte. Kritisch wurde auch die im Vergleich zu konventionellen PV-Anlagen häufig größere Flächeninanspruchnahme und daher potenziell stärkere Beeinträchtigung des Landschaftsbildes diskutiert.

Gleichzeitig zeigen ein Teil bislang schon laufender oder erprobter Projekte, die im Forum vorgestellt wurden, dass sich Agri-PV mit ökologischem Landbau oder aber auch als Kombination von Photovoltaik, Blühstreifen und landwirtschaftlichen Flächenanteilen durchaus umsetzen lässt.

Mehr Akzeptanz durch Naturschutz?

Schließlich spielte die Frage der Akzeptanz von Freiflächenanlagen im Allgemeinen und Agri-PV-Anlagen im Besonderen noch eine zentrale Rolle. Für die Potenziale, die Solarparks für die Biodiversität und den Naturschutz bieten, sei insgesamt noch viel Werbung nötig. Wenn Kommunen vor Ort gut eingebunden seien und Fragen nach dem Landschaftsbild, dem Naturschutz und möglicher Mehrfachnutzung der Flächen mitgedacht würden, steige erfahrungsgemäß die Akzeptanz, erklärten mehrere Teilnehmende. So ließen sich die Widerstände, mit denen der Ausbau der Windenergie zu kämpfen hat und die auch schon einige der Teilnehmenden in Bezug auf Solarparks erfahren haben hoffentlich noch abwenden.

Ausblick

Das KNE wird den Austausch zur naturverträglichen Gestaltung von Solarparks im Rahmen des Forums weiter fördern und ermöglichen, dass sich bundesweit die beteiligten Akteure zu Themen austauschen, die ihnen selbst am Herzen liegen. Übergeordnete Fragestellungen sind dabei: Welche erfolgreichen Praxisbeispiele gibt es bereits? Welche Ideen, Bedenken und Fragen bestehen von verschiedenen Seiten und wie können Solarparks und Naturschutz besser zusammengebracht werden? Das Forum findet zweimal im Jahr statt. Das vertiefende Thema des nächsten Forums steht noch nicht fest.

Weiterführende Informationen

Ihre Ansprechpartnerinnen im KNE
Natalie Arnold
Referentin naturverträgliche Solarenergie
natalie.arnold@naturschutz-energiewende.de
030-7673738-26

Tina Bär
Dialoggestalterin
tina.baer@naturschutz-energiewende.de
030-7673738-41

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Bild: Lukas auf Pexels.

Neue Veröffentlichung des KNE: Checkliste für Antikollisionssysteme

Berlin, 10. Juni 2021

Neue Veröffentlichung des KNE: Checkliste für Antikollisionssysteme

Technische Überwachungs- und Abschaltsysteme an Windenergieanlagen (Antikollisionssysteme) besitzen das Potenzial, Vogelkollisionen wirkungsvoll zu vermeiden. Durch den Einsatz dieser Systeme sollen signifikant erhöhte Tötungsrisiken von windenergiesensiblen Vogelarten gesenkt und das Eintreten des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes verhindert werden.

Eine hohe Wirksamkeit der Systeme ist jedoch nur bei ausreichender Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit wahrscheinlich. Das KNE hat Wirksamkeitsanforderungen an Antikollisionssysteme formuliert und diese in eine Arbeitshilfe beziehungsweise Checkliste übersetzt. Die Publikation „Anforderungen an Antikollisionssysteme zum Schutz von Vögeln an Windenergieanlagen – Checkliste für eine qualifizierte Entscheidung über die Anwendbarkeit“ soll Behörden dabei unterstützen, zu beurteilen, ob ein Antikollisionssystem zur Senkung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos an einem bestimmten Standort als fachlich geeignete Maßnahme in Frage kommt.

In der Checkliste werden die entscheidungsrelevanten Parameter abgefragt. Dazu gehören das Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen, die technische Leistungsfähigkeit der Detektion, die sich aus Erfassungsreichweite, Erfassungsrate und der fakultativen Erkennungsrate zusammensetzt, sowie die rechtzeitige Reaktion. Darüber hinaus spielt es eine zentrale Rolle, ob eine ausreichende räumliche Abdeckung am Standort erreicht werden kann. Mithilfe der Antwortvorgaben kann herausgearbeitet werden, inwieweit die Anforderungen erfüllt werden. Die Anwendung der Checkliste ermöglicht eine erste Einschätzung, ob der Einsatz eines Antikollisionssystem am fraglichen Standort erfolgversprechend sein kann.

Die Checkliste ist ein Ergebnis, das im Rahmen des vom BfN geförderten FuE-Vorhabens „Anforderungen an technische Überwachungs- und Abschaltsysteme an Windenergieanlagen“ erarbeitet wurde. Der Abschlussbericht dieses Vorhabens wird zeitnah veröffentlicht.

Veranstaltungshinweis

Weiterführende Hinweise

Kontakt:
Dr. Elke Bruns
Leiterin Fachinformation
elke.bruns@naturschutz-energiewende.de

KNE-Podcast: Wie geplante Windenergieanlagen realitätsgetreu visualisieren?

Berlin, 7. Juni 2020

KNE-Podcast: Wie geplante Windenergieanlagen realitätsgetreu visualisieren?

Bei der Planung von Windenergieanlagen spielen optische Auswirkungen eine zentrale Rolle. Sachgerechte Visualisierungen sind wichtig, um mögliche Beeinträchtigungen von Anwohnenden, der Landschaft oder von Denkmälern möglichst objektiv einzuschätzen. Worauf es dabei ankommt erklärt Dr. Mathis Danelzik im Gespräch mit Dr. Torsten Raynal-Ehrke und Michael Krieger.

Die Fachagentur Windenergie an Land, die Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern und das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende haben einen praxisorientierten Leitfaden erarbeitet, um eine verlässlichere Handhabung und Prüfung von 2-D-Visualisierungen von Windenergieanlagen zu ermöglichen.

Der Leitfaden „Gute fachliche Praxis für die Visualisierung von Windenergieanlagen“ beschreibt Anforderungen an eine fotobasierte 2-D-Visualisierung hinsichtlich Methodik und Darstellung sowie spezielle Erfordernisse je nach Fachbereich und Aufgabenstellung. Zusätzlich enthält er hilfreiche und praxisorientierte Informationen hinsichtlich Auswahl, Festlegung, Anfertigung und Darstellung von Betrachtungspunkten.

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Der KNE-Podcast

Dialoge – Debatten – Denkanstöße: Der KNE-Podcast beschäftigt sich alle zwei Wochen mit aktuellen Fragen rund um die naturverträgliche Energiewende. Wie können Vogelkollisionen an Windenergieanlagen vermieden werden, wie lassen sich Konflikte beim Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort klären, und was alles muss berücksichtigt werden, damit eine Erneuerbaren-Anlage genehmigt werden kann? Diesen und vielen weiteren Fragen gehen die Moderatoren Dr. Torsten Raynal-Ehrke; Direktor des KNE, und Geschäftsführer Michael Krieger mit ihren Gästen nach.

Fragen oder Anregungen gern an podcast@naturschutz-energiewende.de.

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