Gelsdorf - Landkreis Ahrweiler , 14. Juli 2022

Das KNE auf Tour: Agri-PV in Rheinland-Pfalz

Sonne und Äpfel ernten - Besuch des Forschungsprojektes  »APV-Obstbau«

Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen für die Landwirtschaft neue Strategien entwickelt werden. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsverteilung und immer häufiger eintretende extreme Wetterereignisse wie Hagel oder Starkregen belasten schon heute den Obstanbau und ziehen negative Auswirkungen auf die Ernten nach sich. Der kommerzielle Obstanbau setzt daher zunehmend Hagelschutznetze und Folien ein, um Qualitäts- und Ertragseinbußen zu verhindern. Das ist teuer und aufwändig. Da bietet es sich an, über andere Lösungen nachzudenken, wie etwa eine Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen mittels Überbauung durch Photovoltaikanlagen.

Um uns einen Eindruck über diesen Ansatz zu verschaffen, haben wir, eine Delegation des KNE, ein Forschungsprojekt in Gelsdorf, im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, des Fraunhofer ISE besucht. Ziel des Projektes APV-Obstbau« ist eine gesteigerte Resilienz im Obstbau sowie die doppelte und ressourceneffiziente Nutzung von Land. Dazu wird untersucht, inwiefern Agri-PV-Anlagen die Plantagen, hier Apfelanbau, vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen und Hagelschutznetze überflüssig machen könnten. Dabei werden sowohl verschiedene Anlagendesigns als auch unterschiedliche Apfelsorten eingesetzt und getestet.

Drängendstes Problem im Freilandanbau: Der Kulturschutz

Wir treffen uns mit dem Leiter des Bio Obsthofes und Vertreterinnen und Vertretern vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, vom NABU-Landesverband Rheinland-Pfalz sowie von der NABU-Kreisgruppe Ahrweiler und machen uns auf zur nahegelegenen Anlage des Forschungsprojektes. Dabei passieren wir verschiedene Plantagenflächen, zum Beispiel für Johannisbeeren und Süßkirschen. Beim Anblick der Süßkirschen wird deutlich: Drängendstes Problem ist der Kulturschutz. Der Anbau von Süßkirschen sei im Freiland praktisch nicht mehr möglich, wird uns erklärt. Die Plantagenflächen werden vollständig von Schutzfolien und -netzen umspannt, um den Befall mit der Kirsch-Essig-Fliege zu verhindern (auch im Apfelanbau treten immer wieder neue Schädlinge auf – z. B. die marmorierte Baumwanze). Die Folien müssten sehr aufwendig auf- und abgebaut werden und führten zu einem abgeriegelten Produktionsraum ohne Austausch mit der umgebenden Landschaft. Im „Zelt“ sei wenig Biodiversität und eine hohe Anfälligkeit der Bäume zu beobachten, da auch die Nützlinge ausgesperrt seien.

Als wir die Agri-PV-Anlage mit Apfelanbau erreichen, bietet sich ein gänzlich anderes Bild.

Die Agri-PV-Anlage – Konstruktion und Effekte

Die Metallkonstruktion der in rund fünf Metern Höhe aufgeständerten Solarmodule ist relativ massiv umgesetzt, aktuelle Anlagen werden mit „schlankerem“ Gestänge gebaut. Es wurden zwei Modultypen verbaut: Ein sogenanntes Zebradesign und ein Blockdesign, das über drei von acht Apfelreihen variabel verstellbar ist, um den Sonnenstand optimal zu nutzen und den besten Kulturschutz zu erreichen. Beim Bau der Anlage haben alle Gewerke an einem Strang gezogen und auch unerwartete Hürden gut gemeistert. So hatte zum Beispiel niemand damit gerechnet, dass das schwere Gerät den Boden während der Bauphase derartig verdichten würde und dieser wieder maschinell gelockert werden müsste.

Der Hagelschutz sei leider nicht vollständig, da die Module kleiner als ursprünglich geplant ausgefallen seien. Er lag bei einem Hagelereignis in jüngster Vergangenheit bei rund 60 Prozent, mit anderen Modulen könne zukünftig sicherlich ein besserer Schutz erreicht werden. Eine Wasserrückführung finde nicht statt, der Niederschlag läuft von den Modulen in die Fahrrinne zwischen den Baumreihen ab und versickert dort. Die Verschattung durch die Module helfe zusätzlich, dass mehr Niederschlag auf der Fläche verbleibt. Über den realen Stromertrag ließe sich leider noch nichts sagen, da die Anlage noch nicht an das Stromnetz angeschlossen werden konnte. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten stehen derzeit keine Wechselrichter zur Verfügung.

Zwischen den Apfelreihen erfolgt eine produktionsintegrierte Kompensation des Eingriffs durch die Einsaat von Blühstreifen in der Fahrgasse sowie die Anbringung von Nisthilfen für Insekten und Vögel. Lediglich die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wurde durch Ersatzzahlungen ausgeglichen.

Es wächst, blüht und brummt

Vor gut einem Jahr wurde der Grundstein für die Forschungsanlage gelegt, es wurden in elf Reihen insgesamt acht Apfelsorten angepflanzt. Die Untersuchungen, welche Sorte sich wie verhält und bei nahezu halbierter Sonneneinstrahlung möglicherweise am besten gedeiht, sind noch in vollem Gange. Bis 2025 erfolgen unter anderem Chlorophyllmessungen, Analysen der integrierten Wettermessungen, Analysen des Wachstumsverhaltens und Lagerversuche mit den Äpfeln.

Unter den in rund fünf Metern Höhe aufgeständerten Solarmodulen wachsen die Äpfel, zwischen ihnen, in einem bunten und vielfältigen Blühstreifen schwirren und brummen die unterschiedlichsten Insekten. Zur Förderung der Biodiversität wurde für die Blühstreifen RegioSaatgut[1] verwendet, das über die ganze Saison ein Nahrungsangebot liefert.

Einen Blühstreifen anzulegen und zu pflegen, klingt zunächst nicht so kompliziert, es bedeutet aber mehr, als ein paar Samen auszusähen und dann zur Mahd mit der Sense oder dem Rasenmäher durch die Reihen zu gehen. Um den Anforderungen und der Struktur der Pflanzen und des Untergrundes gerecht zu werden, werden zur Pflege Spezialmaschinen eingesetzt. Unter den Baumreihen wird Aufwuchs entfernt, in der Mitte der Fahrgasse bleibt der Blühstreifen stehen. An den beiden Enden der Baumreihen sind Ankerpflanzen gesetzt. Diese Sträucher liefern ein zusätzliches Blütenangebot und Früchte als Nahrung für Vögel. Insgesamt wird die Anlage gut angenommen: Das Gestänge wird von Vögeln für den Nestbau genutzt, es wurde auch schon ein jagender Bussard unter den Modulen beobachtet.

Wir bedanken uns bei den Akteuren für diesen interessanten Einblick in das Forschungsprojekt und die Gastfreundschaft und sind gespannt, ob die Agri-PV halten kann, was sie verspricht. Der Forschungsbericht mit vielen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Hinweisen zur Umsetzung wird hoffentlich auch in anderen Anbauregionen Projekte dieser Art befördern.

[1] Regiosaatgut ist Saatgut von gebietseigenen Wildpflanzen für die Erhaltung der natürlichen und regional typischen Diversität, das innerhalb eines Ursprungsgebietes (Herkunftsregion) gewonnen, in einem dem Ursprungsgebiet zugeordneten Produktionsraum vermehrt und innerhalb des Ursprungsgebietes wieder ausgebracht wird, ohne züchterisch verändert worden zu sein.

Fotos: Anke Ortmann, Michael Krieger (KNE gGmbH)

Das KNE auf Tour - vor Ort im Gespräch

Wir reisen vor Ort zu innovativen Erneuerbare-Energie-Projekten in die verschiedensten Regionen Deutschlands, um uns mit den Akteuren der naturverträglichen Energiewende über die konkreten Herausforderungen zu informieren und auszutauschen. Dabei sprechen wir mit Vertreterinnen und Vertretern von Naturschutzorganisationen und Energiebranche, von Kommunen und Behörden, der Regionalplanung, Gutachterinnen und Gutachter sowie und Bürgervertreterinnen und -vertretern. Wir hören den Menschen zu und wollen wissen: Was treibt sie um? Was heißt naturverträgliche Energiewende in der Praxis? Welche Probleme gibt es vor Ort? Was klappt gut? Wie sind die jeweiligen konkreten Positionen? Wie läuft die Zusammenarbeit?

  • Im Oktober 2021 besuchten wir die Paderborner Hochfläche, einen Hotspot der Windenergie, und nach Nordfriesland zum Bürgerwindpark Ellhöft. » mehr
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KNE-Tour: Impressionen vom Besuch des Forschungsprojektes »APV-Obstbau« des Fraunhofer ISE: Agri-Photovoltaik und ökologischer Obstanbau, Fotos: © Anke Ortmann, KNE gGmbH