Berlin, 24. Mai 2022

Extrakte aus Politik und Gesellschaft 05/22

Aktuelles von der Bundesregierung, aus den Ländern und aus der Wissenschaft

In „Extrakte“ veröffentlicht das KNE Fragmente aus parlamentarischen und ministeriellen Veröffentlichungen sowie aus publizierten Beiträgen von Akteuren der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen interessante Fakten, politische Positionen und Strategien sowie wissenschaftliche Informationen zur naturverträglichen Energiewende in Deutschland. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um – Schlaglichter aus Politik und Gesellschaft.

Bundesregierung

Auf Bundestags-Drucksache 20/1463 äußert sich die Bundesregierung im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage ausführlich zum Ausbau der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) in Deutschland. Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung unter Agri-PV sei für Anlagen unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtende Voraussetzung, wobei die landwirtschaftlich nutzbare Fläche durch die installierte Anlage höchstens um 15 Prozent verringert werden dürfe. Für 85 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche könne dann ab 2023 eine Direktzahlung gemäß (GAP-) Direktzahlungen-Verordnung gewährt werden. Ein spezieller „Technologie-Bonus“ für horizontal aufgestellte APV solle die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konventionellen PV-Freiflächenanlagen sicherstellen. Es gebe noch Forschungsbedarf, da noch keine aussagekräftigen Bewertungen zur Entwicklung der Biodiversität bei Agri-PV vorlägen. Offen sei etwa, welche Auswirkungen hoch aufgeständerte Agri-PV auf die Nutzung der Flächen als Brut- und Nahrungsrevier für Vögel haben. Die naturschutzfachlichen Anforderungen an Agri-PV-Freiflächenanlagen könnten die Gemeinden festlegen. Die Bundesregierung fördere weitere wissenschaftliche Studien zu technischen Fragen und zu geeigneten Kulturen.

Baden-Württemberg

Einen interessanten Überblick über den Stand der Nutzung, die Potenziale, die Maßnahmen zur Unterstützung des Ausbaus sowie über Genehmigungshürden und Ausschlussgründen schwimmender Photovoltaikanlagen (Floating-PV) gibt das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft auf Landtags-Drucksache 17/2361. Schwimmende Anlagen und ihr Betrieb bedürften einer wasserrechtlichen Zulassung. Aufgrund der zu erwartenden wasserwirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen, die noch weitgehend ungeklärt seien, eigneten sich in erster Linie stehende künstliche Gewässer, insbesondere in Auskiesung befindliche Baggerseen. Die Nutzung sollte auch zur Zweckbestimmung des künstlichen Gewässers passen, was zum Beispiel bei Hochwasserrückhalteräumen nicht der Fall wäre. Zudem könnten aus Naturschutzsicht artenschutzrechtliche Belange und Konflikte mit Schutzgebietszielen (z. B. Natura 2000) einer Errichtung entgegenstehen. Sollten Nutzungskonflikte bestehen, zum Beispiel mit Badeaktivitäten oder der Fischerei, wäre im Zulassungsverfahren zu prüfen, ob und ggf. wie ein angemessener Ausgleich gefunden werden kann. Bei den in Auskiesung befindlichen Baggerseen seien diese Konflikte von vornherein als relativ gering einzuschätzen.

Mecklenburg-Vorpommern

Einen kleinen Einblick in die Datenlage zu den personellen Kapazitäten der Genehmigungsbehörden sowie in die Meinungsbildung der Landesregierung zu einer Standardisierung artenschutzfachlicher Konfliktbewältigung gewährt die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage (Landtags-Drucksache 8/445). Zu den Stellenmehrbedarfen der Landkreise und kreisfreien Städte infolge des Ausbaus der Windenergie (Genehmigungen) liegen keine Erkenntnisse vor. Es gebe aber im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt (einschließlich seiner nachgeordneten Behörden) 21 Stellen aus dem gebührenfinanzierten Projekt „Energiewende“. Die Entwicklung technischer Antikollisionssysteme werde grundsätzlich begrüßt, eine tatsächliche Praxisreife sei jedoch eine notwenige Voraussetzung für eine regelmäßige verlässliche Anwendung. Im Artenschutz verfolge man einen multifunktionalen Ansatz, der durch verschiedene Fördermöglichkeiten für speziell ausgerichtete Projekte ergänzt werde. Exemplarisch wird dabei auf das Naturschutzgroßprojekt „Nordvorpommersche Waldlandschaft“ verwiesen, welches vorrangig auf die Lebensraumansprüche der Schreiadler ausgerichtet sei.

Fraunhofer IEE

Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik hat seine Studie zur Ermittlung der Flächenpotenziale für die Windenergienutzung an Land aus dem Jahre 2011 aktualisiert. Gemeinsam mit dem Umweltplanungsbüro bosch & partner und dem Bundesverband WindEnergie BWE e. V. wird in der Studie anhand einer bundesweiten Raumbewertung aufgezeigt, dass in allen 16 Bundesländern bei konsequenter Ausweisung ausreichend Flächen verfügbar seien, um das Mindestziel von zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie zu erreichen. Unter Berücksichtigung öffentlich zugänglicher Daten hat die Neuauflage der Studie auf Basis einer bundesweiten Raumbewertung zunächst alle kategorischen Ausschlussflächen ermittelt. Die danach verbliebenen Flächen wurden in sechs verschiedene Konfliktrisikoklassen von Klasse 1 (kein Konfliktrisiko) bis Klasse 6 (faktisch nicht nutzbar) eingeteilt. Gemäß dieser Analyse seien 26,1 Prozent der Bundesfläche (93.268 km2) keine Ausschlussflächen. Interessant: Auch in den Stadtstaaten sollen noch Potenziale vorhanden sein. Zusätzliche Optionen ließen sich etwa durch die Nutzung der Windenergie in Industriegebieten heben. Das zeigten beispielsweise die 14 Windenergieanlagen im Hamburger Hafen.

Greifswald Moor Centrum

Das Greifswald Moor Centrum hat ein Informationspapier zu Photovoltaik-Anlagen auf Moorböden veröffentlicht. Moorböden seien vor allem in der norddeutschen Tiefebene und im Alpenvorland verbreitet und werden überwiegend (rund 70 %) landwirtschaftlich genutzt. Moorböden nähmen in Mecklenburg-Vorpommern 12 Prozent und in Niedersachsen 14 Prozent der Landesfläche ein. Während bereits erste Anlagen auf (entwässerten) Moorböden errichtet (und so unter Umständen die hohen bodenbürtigen Treibhausgas-Emissionen langfristig festgeschrieben) würden, gebe es noch keine ökologisch-rechtlichen Leitplanken bzw. „guten fachlichen Standard“ für Photovoltaik auf Moorböden. In den meisten Bundesländern fehlten bisher auch Vorgaben für die Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen auf Moorböden. Die Suche nach für PV-Anlagen-geeignete Flächen sollte sich auf degradierte, landwirtschaftlich genutzte Moorböden ohne naturschutzrechtlich einschränkende Schutzauflagen konzentrieren. Über die ökonomischen Rahmenbedingungen sowie die Auswirkung von Photovoltaik-Anlagen auf den Naturhaushalt von Moorböden gebe es noch keine evidenzbasierten Erfahrungen. Sobald diese Erfahrungen vorlägen und ausgewertet seien, sollten die vorläufigen Flächenkulissen überprüft und ggf. angepasst werden.