18.02.2022

Gefährdung junger Rauhautfledermäuse an Windenergieanlagen

KNE-Lesetipp

Kruszynski, C., Bailey, L. D., Bach, L., Bach, P., Fritze, M., Lindecke, O., Teige, T., Voigt, C. C. (2021): High vulnerability of juvenile Nathusius’ pipistrelle bats (Pipistrellus nathusii) at wind turbines.

Aufgrund neuer Forschungserkenntnisse zur Mortalität von Rauhautfledermäusen an Windenergieanlagen empfehlen Forscherinnen und Forscher unter anderem, saisonale witterungs- und aktivitätsabhängige Abschaltzeiten zum Fledermausschutz anzuwenden – und das möglichst europaweit.

Die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) gilt aufgrund ihres Flugverhaltens im freien Luftraum und aufgrund ihres Zugverhaltens über sehr lange Distanzen als Art mit einem erhöhten Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen (WEA). Sowohl in Deutschland als auch europaweit liegt sie auf Platz zwei der am häufigsten unter WEA gefundenen und in der Kollisionsopferdatenbank des LfU Brandenburg registrierten Fledermausarten.

Kerninhalte der Studie

Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchten Daten von etwa 650 Rauhautfledermäusen aus der Küstenregion Nordwestdeutschlands und Ostdeutschlands während der sommerlichen Wanderungszeit. Darunter waren 524 Individuen aus lokalen Beständen, die in Netzen gefangen oder in Fledermauskästen erfasst wurden, und 119 Kollisionsopfer, die aus Funden zurückliegender Jahre stammten und die tiefgefroren beim LfU Brandenburg bzw. bei der Universität Halle-Wittenberg lagerten. Bei allen Tieren wertete das Forschungsteam Daten zu deren Geschlecht, Alter und geografischer Herkunft über die Analyse von Wasserstoffisotopen in Fellproben aus. Dadurch konnten entsprechende Kollisionswahrscheinlichkeiten an Windenergieanlagen ermittelt werden.

Erkenntnisse

Es zeigte sich, dass die lokale beziehungsweise baltisch-russische Herkunft der Tiere keinen Einfluss auf die Kollisionswahrscheinlichkeit hatte. In Gebieten mit niedriger Dichte an WEA – in Wäldern und mit Gewässern – wurden jedoch mehr junge Rauhautfledermäuse als Kollisionsopfer gefunden, als aufgrund ihrer Häufigkeit in den lokalen Beständen zu erwarten gewesen wären. Wälder sind für die Rauhautfledermaus zentrale Gebiete für Paarung und Wochenstuben, Gewässer und Wälder sind wichtige Jagdhabitate.

In Gebieten mit hoher Windenergieanlagen-Dichte, zum Beispiel in Küstenregionen, entsprach das Verhältnis an Kollisionsopfern sowohl alters- als auch geschlechtsbezogen dem relativen Vorkommen in der lokalen Lebendpopulation. Aufgrund des höheren Anteils an weiblichen Tieren darin waren mehr Kollisionsopfer weiblichen Geschlechts.

Die Forscherinnen und Forscher befürchten insbesondere, dass die überproportionale Häufigkeit junger Rauhautfledermäuse als Kollisionsopfer die natürliche Alterspyramide verändern und sich damit langfristig negativ auf die Populationsentwicklung auswirken könnte. Zudem könne es zu einem verminderten Anpassungsvermögen der Art an die Auswirkungen des Klimawandels kommen. Auch der höhere Anteil an getöteten Weibchen könne möglicherweise populationsrelevante Auswirkungen haben. Vorsorglich empfehlen die Forscherinnen und Forscher, für die Art besonders wertvolle Waldgebiete mit großen Wasserflächen von Windenergievorhaben freizuhalten sowie saisonale Abschaltzeiten in den Nachtstunden bei für Fledermäuse günstiger Witterung.

Einordnung

Entsprechende anlagen- und standortspezifische Abschaltalgorithmen zum Fledermausschutz werden bei aktuellen Windenergievorhaben in Deutschland mittlerweile weitestgehend standardmäßig angewendet. Eine von den Forschenden in einer Pressemitteilung empfohlenen Anwendung derartiger Schutzmaßnahmen auch in anderen Ländern Europas, in denen eine Energiewende mittels Windenergie vorangetrieben wird, erscheint aus Sicht des KNE sinnvoll. Laut den Entwicklern der – im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte des Bundesamtes für Naturschutz entwickelten – Software ProBat ist eine Anwendung der Software auch in anderen Ländern Mitteleuropas möglich (vgl. FAQs zu Probat). Bereits seit Version 6 ist die Software in der Lage, die Rauhautfledermaus differenziert zu berücksichtigen. Auch die Freihaltung von Waldflächen mit besonders altem Baumbestand ist ein Beitrag zu einer naturverträglichen Windenergienutzung (vgl. KNE 2021).

Die Lektüre des englischsprachigen Artikels ermöglicht einen vertieften Einblick in die herangezogenen Daten, die angewendeten Methoden und die daraus gezogenen Erkenntnisse.

Quelle: Kruszynski, C., Bailey, L. D., Bach, L., Bach, P., Fritze, M., Lindecke, O., Teige, T., Voigt, C. C. (2021): High vulnerability of juvenile Nathusius’ pipistrelle bats (Pipistrellus nathusii) at wind turbines. DOI: 10.1002/eap.2513. Ecological Applications. 35 S.