Berlin, 21. Mai 2021

Neuigkeiten aus der Forschung zum Fledermausschutz bei Windenergievorhaben

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – das neue Tool ProBat Inspector

Seit einigen Jahren werden auf der Grundlage akustischer Erfassungen der Fledermausaktivität an Gondeln von Windenergieanlagen standortspezifische Abschaltalgorithmen zum Fledermausschutz festgelegt. Gutachterinnen und Gutachter können diese zum Beispiel mit dem Tool ProBat vornehmen. Das Tool wurde erst kürzlich im Rahmen eines laufenden BfN-Vorhabens auf eine rein onlinebasierte Version (ProBat 7) umgestellt, welche deutlich anwendungsfreundlicher sein soll als die früheren Microsoft Access-Versionen (siehe Aktuelle Meldung vom 21.12.2020).

Kürzlich wurde nun ergänzend ein weiteres separates Tool online gestellt, mit dem insbesondere Behörden, aber auch Projektierer oder beauftragte Gutachter kontrollieren können, ob die in der Genehmigung festgelegten Abschaltzeiten der Windenergieanlagen zum Fledermausschutz auch tatsächlich eingehalten wurden. Die App nennt sich "ProBat Inspector". Die Projektverwaltung und Dateneingaben sind ähnlich wie bei ProBat gestaltet. Als Ergebnis erhält man eine grafische Darstellung aller relevanter Nachtzehntel des betreffenden Jahres und hat zudem die Möglichkeit, einen Ergebnisbericht zu erzeugen, der alle zur Prüfung der Abschaltzeiten relevanten Informationen enthält.

ProBat auf der Tagung „Evidenzbasierter Fledermausschutz bei Windkraftvorhaben“

Das Tool ProBat war auch Thema gleich mehrerer Beiträge auf der Tagung „Evidenzbasierter Fledermausschutz bei Windkraftvorhaben“ des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung am 15. April 2021.

Prof. Dr. Veith stellte eine Masterarbeit vor, in der unter anderem der Einfluss des Eingabeparameters „Windgeschwindigkeit“ auf die berechneten Abschaltalgorithmen bei den ProBat-Versionen 5.4 und 6.2 miteinander verglichen wurden. Ergebnis einer händischen Erhöhung der Windgeschwindigkeiten war, dass ProBat 5.4 bei der Berechnung von Abschaltzeiten kaum sensibel auf stärkere Windgeschwindigkeiten reagierte, obwohl man doch hier mit höheren „Cut in-Windgeschwindigkeiten“ rechnen müsste.

Dieser Kritik begegnete Dr. Oliver Behr vom ProBat-Entwicklungsteam, in dem er erläuterte, dass ProBat in der 5.4er-Version bekanntermaßen und bewusst mit einem Standarddatensatz aus den RENEBAT-Forschungsvorhaben im Hintergrund gearbeitet hätte. Unter anderem gemessene Windeingangsdaten seien seinerzeit oft fehlerbehaftet gewesen. Erst in der 6.2er-Version hätten diese daher einen gewissen Einfluss zugesprochen bekommen. Für den Zusammenhang zwischen Windgeschwindigkeit und Fledermausaktivität werden jedoch auch in den jüngeren ProBat-Versionen die im RENEBAT-Vorhaben ermittelten Verteilungen verwendet.

In seinem anschließenden Vortrag zu Neuerungen in ProBat 7 relativierte Dr. Behr auch nochmals ausführlich die wiederkehrende Kritik an ProBat im Zusammenhang mit den bestehenden Grenzen der akustischen Fledermauserfassung. ProBat sei im Zuge der RENEBAT-Vorhaben und darüber hinaus mehrfach weiterentwickelt worden und dabei sowohl auf unterschiedliche Erfassungsgeräte und Empfindlichkeiten als auch auf größere Rotoren angepasst worden. Die Aufzeichnung der akustischen Aktivität im Rotorbereich der WEA stelle, wie bei biologischen Erfassungen üblich, nur eine Erfassung einer Stichprobe dar. In den RENEBAT-Vorhaben wäre durch Schlagopfernachsuchen der Zusammenhang zwischen stichprobenhaft gemessener akustischer Aktivität und Schlagrisiko der WEA ermittelt worden. Dementsprechend sei es nicht notwendig, sämtliche Fledermausaktivität im Rotorbereich zu erfassen. Die Wirksamkeit der in ProBat berechneten Betriebsalgorithmen sei im Forschungsvorhaben RENEBAT II überprüft worden.

Dr. Volker Runkel appellierte in einem Impuls daran, die im Rahmen von Gondelmonitorings an Tausenden WEA erfassten akustischen Monitoring-Daten zusammen auszuwerten und dabei auch Möglichkeiten des maschinellen Lernens zu nutzen. Dafür müssten die bei der Erfassungsmethoden bestehenden Standards um solche zur Datenauswertung erweitert werden.

Bedarfsgerechte Abschaltungen bei Fledermäusen keine Option

Ein weiterer Impulsvortrag auf der Tagung wurde verdeutlichte, dass die bedarfsgerechte, spontane Abschaltung von WEA zum Fledermausschutz – anders als bei kollisionsempfindlichen Vogelarten – bei Fledermäusen keine Option ist. Alle derzeit verfügbaren Erfassungstechniken dürften hinsichtlich der erforderlichen Erfassungsreichweiten und einer nächtlichen Erfassung nicht hinreichend geeignet sein. Zudem würde es aufgrund der im Vergleich zu Vögeln deutlich höheren Aktivität von Fledermäusen in WEA-Nähe zu einer sehr hohen Zahl von Abschaltvorgängen kommen.

Schwierigkeiten bei der Populationsabgrenzung führen zu Einschränkungen für eine Ausnahmeerteilung vom Tötungsverbot bei Fledermäusen

Eine Vorstellung verschiedener Ansätze zur Abgrenzung von Fledermaus-Populationen durch Cosima Lindemann von der Universität Trier verdeutlichte, dass in der Eingriffsplanung von WEA nur kleinskalige, durch ökologische Parameter funktional abgegrenzte Populationen anhand der Wochenstuben für das Störungsverbot sowie Minimierungs- und Ausgleichsmaßnahmen operabel sind. Beim Tötungsverbot ist der Populationsansatz aufgrund nicht schließbarer bestehender Wissenslücken bei der Abgrenzung von „Wandernden Population“ nicht anwendbar. Trotz bzw. aufgrund bekannter Kollisionen ziehender Fledermäuse an WEA seien Ausnahmeerteilungen vom individuenbezogenen Tötungsverbot nach § 45 BNatSchG daher in der Regel nicht umsetzbar.

Mopsfledermaus unter bestimmten Voraussetzungen mit Windenergievorhaben vereinbar

Aktuelle Forschungsergebnisse des Gutachterbüros FrInaT zur waldbewohnenden Mopsfledermaus ergaben, dass vorhandene Quartiere im Umfeld von Windenergieanlagen (WEA) kein Ausschlusskriterium für den Bau eines Windparks sind, wenn sie außerhalb der jeweiligen Kernhabitate der Art und mit einem passenden Maßnahmenkonzept geplant werden.

Neue Erkenntnisse zum Abendsegler – dem häufigsten Fledermaus-Kollisionsopfer an Windenergieanlagen

Telemetrie-Untersuchungen des IZW an Großen Abendseglern ergaben, dass bei der Raumnutzung bzw. Interaktion mit WEA keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bestünden, wie dies frühere Untersuchungen bislang vermuten ließen. Eine pauschale Anlockwirkung durch WEA konnte nicht bestätigt werden, über alle untersuchten Individuen hinweg wurde in einem Gebiet sogar eher eine Meidung festgestellt. Bei der Betrachtung einzelner untersuchter Individuen, wurde jedoch eine sehr unterschiedliche Raumnutzung und damit auch potenziell das Kollisionsrisiko erhöhende WEA-nahe Raumnutzungen deutlich. Die Quartiernähe zu WEA scheint zudem ein entscheidender Faktor für das Auftreten des Großen Abendseglers an WEA zu sein. Bei größeren Windparks traten Individuen deutlich verstärkt an den randlichen WEA auf, was de facto Auswirkungen auf die Kollisionsrisiken der Anlagen innerhalb der betreffenden Parks haben dürfte. Die Forschungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Das KNE behält das Thema Windenergie und Fledermäuse weiterhin im Blick und informiert Sie auch weiterhin gerne über Neuigkeiten!

Ihr Ansprechpartner im KNE
Holger Ohlenburg
Referent Naturverträgliche Windenergie
holger.ohlenburg@naturschutz-energiewende.de
030-7673738-22

Weiterführende Informationen

Großer Abendsegler eine Baumfledermaus im Wald
Großer Abendsegler, ©Bernd Wolter - stock.adobe.com