Frage
Mit welchen Methoden kann die Interaktion von Fledermäusen mit Windenergieanlagen untersucht werden und wie ist der Kenntnisstand zu einer möglichen Anlockwirkung?
Vollständige Antwort
Fledermäuse gehören zu den an Windenergieanlagen (WEA) potenziell kollisionsgefährdeten Tierarten. Insbesondere die im freien Luftraum jagenden und über längere Strecken ziehenden Arten sind betroffen. (Brinkmann et al. 2011, Behr et al. 2015, Vogelschutzwarte Brandenburg online)
Einzelbeobachtungen mittels Thermalkamera deuten darauf hin, dass sich Fledermäuse WEA unter Umständen aktiv annähern. Durch eine solche Anlock- bzw. Attraktionswirkung der WEA könnten erhöhte Kollisionsrisiken entstehen (attraction collision hypothesis) (McAlexander 2013).
Um wirksame Vermeidungsmaßnahmen gegen unerwünschte Attraktion etablieren zu können, ist es wichtig, die Hintergründe für eine mögliche Anlockwirkung von Fledermäusen an WEA zu betrachten (Cryan & Barclay 2009, Guest et al. 2022). Würden relevante Parameter für die Interaktion von Fledermäusen mit WEA bei der Planung und Genehmigung von WEA berücksichtigt, könnten Konflikte zwischen Windenergieproduktion und Fledermausschutz reduziert werden (Leibniz-IZW 2021). In der internationalen Fledermausforschung werden verschiedene mögliche Ursachen diskutiert, warum Fledermäuse durch Windenergieanlagen angelockt werden könnten (siehe separate Teil-Antwort b).
Nachfolgend werden die Methoden vorgestellt, mit denen Interaktionen von Fledermäusen mit WEA erforscht werden können. Anschließend wird ein Überblick über den internationalen Forschungsstand zur Anlockwirkung von Fledermäusen an WEA gegeben.
Mit welchen Methoden können Interaktionen von Fledermäusen mit Windenergieanlagen erforscht werden?
Interaktionen von Fledermäusen mit WEA können durch unterschiedliche Methoden und mit unterschiedlichen technischen Hilfsmitteln untersucht werden, die sich nur bedingt miteinander vergleichen lassen. Methodisch bedingt ergeben sich so unterschiedliche Perspektiven auf eine mögliche Anlockwirkung von WEA auf Fledermäuse.
Interaktion fasst dabei als Überbegriff verschiedene aktive Reaktionen der Fledermäuse auf Windenergieanlagen zusammen und beinhaltet sowohl aktive Annäherungen als auch (kleinräumige) Ausweichbewegungen.
Thermalkameras
Durch Thermalkameras (auch als Wärmebild- oder Infrarotkameras bezeichnet) kann das individuelle Verhalten der nachtaktiven Fledermäuse im Blickfeld der Kamera sichtbar gemacht werden.
Thermalkameras erfassen Temperaturen von Objektoberflächen oder Körpern und können so deren Wärmestrahlung abbilden. Sowohl bei der Datenaufnahme wie auch bei der Datenauswertung ergeben sich technische Herausforderungen, denn Fledermäuse stellen vergleichsweise kleine Wärmepunkte dar, die aufgrund der Höhe der WEA über eine größere Entfernung erfasst werden müssen. Für die Erforschung des Fledermausverhaltens an WEA kommen deshalb hochleistungsfähige Kameras zum Einsatz und es müssen technische Parameter wie Öffnungswinkel, Detektor-Auflösung, Sensor-Leistungsfähigkeit und Objektivgröße optimiert und aufeinander abgestimmt werden. Wind, Regen, Schnee oder Nebel können, insbesondere auf weite Distanz, zu Verzerrungen in den Temperaturinformationen führen.
Die Auswertung der gewonnenen Daten wird durch den Einsatz geeigneter Software unterstützt, deren Anwendungsmöglichkeiten ständig optimiert werden (vgl. AWWI und NREL 2021[1], Goldenberg et al. 2021). So können die ins Bild fliegenden Tiere automatisch identifiziert und bestimmten Gruppen zugeordnet werden (Fledermäuse, Vögel, Insekten). Darüber hinaus ist es möglich, deren Flugbahnen zu verfolgen. Durch die Kombination zweier Thermalkameras können dreidimensionale Informationen gewonnen werden.
Durch den Einsatz von Thermalkameras können mittels Analyse der Flugbahnen individuelle Verhaltensmuster von Fledermäusen im Nahbereich der WEA detailliert beobachtet werden. Zudem kann auch eine größere Anzahl von Tieren gleichzeitig erfasst und somit Rückschlüsse über die tatsächliche Anzahl der anwesenden Fledermäuse im Erfassungsfeld bzw. -raum der Kamera(s) gezogen werden. Auch Interaktionen der Fledermäuse untereinander, beispielsweise Schwarmverhalten, können erfasst werden. Eine Arterkennung ist auf Grundlage der Thermalkamerabilder technisch aber (noch) nicht möglich. Methodisch bedingt lassen sich somit keine artspezifischen Erkenntnisse aus den Beobachtungen ableiten. In einigen Studien werden die Thermalkameraaufnahmen daher durch akustische Erfassungen ergänzt (beispielsweise Adomeit et al. 2011, Cryan et al. 2014, Gorresen et al. 2017, Hochradel et al. 2015). Aber auch in Kombination mit akustischen Erfassungen war es bislang nicht möglich, artspezifische Erkenntnisse zur Anlockwirkung von Fledermäusen an WEA abzuleiten.
GPS-Telemetrie
Durch Telemetriestudien können die Flugbewegungen besenderter Fledermäuse über weite Strecken und somit in größeren Erfassungsräumen nachvollzogen werden.
Dafür werden Fledermäuse mit einem miniaturisierten GPS[2] Logger oder GPS Tracker ausgestattet, die in möglichst kurzen Zeitabständen ihre Standortkoordinaten über das GPS-Signal empfangen. GPS Logger speichern die Standortdaten auf einer SD[3]-Karte und können nach Rückgewinnung des Senders mithilfe einer geeigneten Software ausgewertet werden. GPS Tracker (auch als GPS Sender bezeichnet) übertragen die Standortkoordinaten über eine eingebaute SIM-Karte direkt an einen externen Server, wodurch die Flugrouten in Echtzeit verfolgt werden können.
Da bei der Besenderung von Fledermäusen auf ein angemessenes Gewichts- und Größenverhältnis der GPS-Einheit geachtet werden muss (vgl. Aldridge und Brigham 1988, Casper 2009, Leibniz-IZW 2021), ist die Technik für kleine Fledermausarten allerdings nur beschränkt einsetzbar. Die GPS-Einheiten werden in der Regel mit einem medizinischen Hautkleber am Rückenfell der Fledermäuse befestigt und lösen sich nach wenigen Tagen ab.
Zur Erforschung der Interaktion von Fledermäusen mit WEA können die gespeicherten Flugpfade analysiert und mit den Standortdaten der WEA sowie weiterer relevanter Umgebungsparameter abgeglichen werden. Durch Telemetrie lassen sich so großräumig Erkenntnisse gewinnen. Moderne Analysemethoden erlauben zudem Rückschlüsse über Details wie Flughöhe oder Fluggeschwindigkeit der besenderten Fledermäuse (vgl. Roeleke et al. 2016). Für die Auswertung können sowohl die Flugpfade einzelner Individuen betrachtet als auch die Daten aller besenderten Tiere in ihrer Gesamtheit statistisch ausgewertet werden. Durch statistische Auswertungen sind – je nach Aussagekraft der Ergebnisse – auch Rückschlüsse auf populationsspezifische bzw. artspezifische Verhaltensweisen möglich.
In Einzelfällen werden GPS Logger mit integriertem Ultraschallmikrofon verwendet (beispielsweise Leibniz-IZW 2021), wodurch über verhaltensspezifische Rufe der Tiere zusätzliche Informationen über das Verhalten, wie Suchflüge, Jagdflüge oder Interaktionen mit Artgenossen, gewonnen werden können.
(Vergleichende) akustische Erfassungen
Akustische Fledermausdetektoren können die Ultraschalllaute der Fledermäuse erfassen und in einen für Menschen hörbaren Frequenzbereich umwandeln. In der Forschung und Umweltplanung werden sie standardmäßig eingesetzt, um Erkenntnisse über das in einem Gebiet vorhandene Artenspektrum und die Fledermausaktivität zu gewinnen. Dazu werden bodennah sogenannte Dauererfassungsgeräte eingesetzt, die die aufgenommenen Rufe abspeichern. Dauererfassungsgeräte in Gondelhöhe werden eingesetzt, um die Fledermausaktivität im Rotorbereich von WEA zu ermitteln und darauf basiert Abschaltzeiten zum Schutz vor Kollisionen berechnen zu können. Dafür werden die Geräte in der Gondel angebracht (sog. Gondelmonitoring) (vgl. Behr et al. 2015, Runkel und Gerding 2016). Das Mikrofon wird dabei üblicherweise in die Gondelhülle nach unten ausgerichtet eingesetzt (ebd., KNE 2019).
Die Reichweite der Fledermausrufe ist art- und verhaltensspezifisch. Außerdem begrenzen physikalische Einflüsse die Erfassungsreichweite der Detektoren (vgl. Runkel 2020). Sowohl die verwendete Hardware als auch die Auswertung der gewonnenen akustischen Daten haben einen Einfluss auf die Ergebnisse. Bei der Hardware hat die Gerätewahl einen starken Einfluss. Die Geräte weisen Unterschiede bei der Mikrofonempfindlichkeit, Mikrofonausrichtung und Aufnahmesteuerung auf. (vgl. Runkel & Gerding 2016) Insbesondere bei der Dauererfassung entstehen große Datenmengen, für deren Analyse sich zunehmend automatisierte Auswertungsverfahren etabliert haben (Runkel 2020).
Eine Unterscheidung der Arten oder zumindest Artgruppen ist über akustische Erfassungen in der Regel möglich, jedoch erschweren zwischen- und innerartliche Variabilität die Differenzierung (ebd.). Eine Analyse der Fledermausrufe erlaubt zwar Rückschlüsse über bestimmte Verhaltensweisen, beispielsweise Jagdverhalten oder Interaktion mit Artgenossen. Jedoch können weder die genaue Anzahl der Individuen noch deren exakte Position im Raum oder deren individuelle Flugbewegungen nachvollzogen werden.
Um Rückschlüsse auf die Reaktion von Fledermäusen auf Windenergieanlagen zu ziehen, sind deshalb vergleichende Untersuchungen notwendig. In einzelnen Studien wird die Fledermausaktivität im Bereich der WEA mit einem Referenzstandort im Umfeld ohne WEA verglichen. Andere Studien vergleichen die Ergebnisse akustischer Erfassungen vor und nach dem Bau der WEA.
Obwohl im Rahmen der Planung und Genehmigung von WEA regelmäßig akustische Erfassungen durchgeführt werden, existieren bislang wenige vergleichende Untersuchungen, die sich mit der Interaktion von Fledermäusen und WEA befassen.
Werden Fledermäuse durch WEA angelockt?
Beobachtungen mit Thermalkameras zeigten verschiedene Interaktionen von Fledermäusen mit WEA, die von den Forscherinnen und Forschern als aktive Annäherungen interpretiert wurden. Nach Horn et al. (2008) und Cryan et al. (2014) können sich die Anflüge auf verschiedene Bestandteile der WEA beziehen (Turm, Gondel, Rotorblätter).
Fledermäuse nähern sich, bevor sie in ihre Quartiere einfliegen, oft wiederholt den Quartiereingängen an. Ein solches Inspektionsverhalten von Fledermäusen wurde mittels Thermalkamera auch an WEA beobachtet (Adomeit et al. 2011, Cryan et al. 2014, Hochradel et al. 2015, Horn et al. 2008, Richardson et al. 2021).
Cryan et al. (2014) registrierten (wiederholte) Annäherungen einzelner Individuen, die Schleifen-, Tauch- und Schwebflüge sowie Jagdverhalten zeigten. Gut ein Viertel der Fledermäuse, die sich auf die WEA zubewegten, näherten sich mehrfach den WEA an, oft bis auf wenige Meter Distanz. Die übrigen Tiere zeigten ein einmaliges Annäherungsverhalten und entfernten sich dann. Auch Fledermäuse, die durch Rotorturbulenzen verwirbelt werden, nähern sich anschließend häufig wieder an die WEA an (Cryan et al. 2014, Goldenberg et al. 2021, Horn et al. 2008).
Ein schwarmähnliches Verhalten von Fledermäusen, bei dem sich mehrere Fledermäuse wiederholt den gleichen Strukturen annäherten, wurde an meteorologischen Messtürmen beobachtet und von den Forscherinnen und Forschern auch an WEA vermutet (Weaver und Morton 2021). Hierfür gibt es bislang jedoch keine eindeutigen Nachweise. So registrierten Cryan et al. (2014) vorwiegend einzelne Fledermäuse im Aufnahmebereich. Ein kleiner Anteil der Aufnahmen (drei Prozent) zeigte jeweils zwei Individuen, die sich teilweise folgten oder jagten.
Auch (wahrscheinliche) Kollisionen wurden mittels Thermalkameras registriert (Adomeit et al. 2011, Cryan et al. 2014, Goldenberg 2021, Hochradel et al. 2015, Horn et al. 2008).
Hochradel et al. (2015) kommen in der Gesamtschau ihrer Beobachtungen zu dem Schluss, dass die Aktivität von Fledermäusen mit zunehmender Annäherung an die WEA ansteigt. Dabei nahm die Anzahl registrierter Positionen mit zunehmendem Abstand zur Gondel zunächst zu und dann wieder ab.
Bei den Beobachtungen mittels Thermalkamera handelt es sich bislang um Einzelbeobachtungen, die sich größtenteils auf das Verhalten einzelner Individuen beziehen. Rückschlüsse über mögliche artspezifische Besonderheiten lassen sich zum aktuellen Stand der Forschung nicht aus den Beobachtungen ableiten (s. o.). Thermalkamera-Beobachtungen aus den USA beziehen sich zudem auf Fledermausarten, die in Deutschland und Mitteleuropa nicht vorkommen. Dennoch können Erkenntnisse aus internationalen Studien auch für Deutschland wichtige Ansatzpunkte für die Forschung liefern.
Untersuchungen zur Interaktion von Fledermäusen mit WEA, die auf GPS-Datenauswertungen oder akustischen Erfassungen basieren, liefern heterogene und teils widersprüchliche Ergebnisse.
Auf eine Anlockwirkung von WEA auf Fledermäuse könnte hindeuten, dass Ergebnisse akustischer Fledermausuntersuchungen in der Planungsphase häufig nicht mit den Ergebnissen akustischer Erfassungen oder Totfundsuchen nach Errichtung der Windenergieanlage übereinstimmen (Bach et al. 2020, Lintott et al. 2016, Solick et al. 2020, Voigt et al. 2020).
Für eine Anlockwirkung sprächen auch die Erkenntnisse von Richardson et al. (2021): danach war die akustische Aktivität von Zwergfledermäusen (Pipistrellus pipistrellus) in Turbinennähe im Vergleich zu einem Referenzstandort um 37 Prozent erhöht.
Andere Einzelstudien oder Teilergebnisse aus akustischen Untersuchungen weisen jedoch auf eine möglicherweise vergrämende Wirkung von WEA auf Fledermäuse hin (Barré et al. 2018, Ellerbrok et al. 2022).[4]
Ein Forschungsprojekt, in dem die Raumnutzung des Großen Abendseglers mittels GPS Logger-Auswertungen auf zwei deutschen Standorten (Küsten- und Binnenstandort) untersuchte wurde, kommt zu differenzierten Ergebnissen (Leibniz-IZW 2021 und Reusch et al. 2022). Im individuellen Antwortverhalten der Tiere auf WEA registrierte die Forschergruppe eine große Variabilität, wobei einige Individuen WEA mieden und andere angelockt wurden (ebd.). Bei regionaler Betrachtung der Daten schienen die Fledermäuse von WEA angelockt zu werden. Dies dürfte allerdings auf die Lage der Quartierwälder in unmittelbarer Nähe eines Windparks zurückzuführen sein. Die statistischen Auswertungen auf lokaler Ebene, die methodisch bedingt unempfindlicher gegenüber der Quartiernähe sind, ergaben hingegen am Küstenstandort ein Meideverhalten des Großen Abendseglers gegenüber WEA. Am Binnenstandort mieden männliche Fledermäuse im Spätsommer 2019 WEA, im Frühsommer 2019 und 2020 zeigten sie auf Populationsebene wiederum ein eher indifferentes Verhalten. (Leibniz-IZW 2021)
WEA am Rande eines Windparks wurden häufiger von Großen Abendseglern angeflogen als WEA im Zentrum. Sowohl am Küsten- als auch am Binnenstandort hielten sich Große Abendsegler vermehrt an WEA auf, wenn diese nahe an Wegen, Gewässern, Feuchtgebieten oder Wäldern standen. (ebd). Die Größe der WEA scheint hinsichtlich der Anlockwirkung ebenfalls eine Rolle zu spielen: Sowohl am Küstenstandort wie auch am Binnenstandort registrierten die Forscherinnen und Forscher mehr Individuen im Nahbereich von WEA mit großen Rotordurchmessern – insbesondere, wenn sich diese in der Nähe von Quartieren befanden (ebd.). Reusch et al. (2022) erwarten dadurch ein erhöhtes Konfliktpotenzial, da die Tendenz beim Ausbau der Windenergie zu größeren Rotordurchmessern geht.
Eine stärkere Interaktion mit Artgenossen oder eine vermehrte Insektenjagd an Windenergieanlagen konnte die Forschergruppe nicht nachweisen (Leibniz-IZW 2021). Geschlechtsspezifische Unterschiede, wie aufgrund vermehrter Jagdflüge von Weibchen in der Nähe von WEA in einer Pilotstudie durch Roeleke et al. (2016) vermutet, konnten in dem Forschungsprojekt nicht bestätigt werden (Leibniz-IZW 2021, Reusch et al. 2022).
Reusch et al. (2022) spekulieren, dass die individuelle Attraktions- oder Vergrämungswirkung mit der geographischen Herkunft der Individuen zusammenhängen könnte. Ganzjährig anwesende Abendsegler erkunden WEA möglicherweise nicht als potenzielle Quartiere, da sie natürliche Quartiere in der Umgebung kennen. Hingegen könnten migrierende Artgenossen auf der Suche nach Tagesquartieren WEA in unbekannten Gebieten verstärkt erkunden (ebd.).
Das Forscherteam schlussfolgerte, dass „der Aufstellungsort und die Größe der WEA bzw. die Lage der WEA in Relation zu anderen eines Windparks von entscheidender Bedeutung für die Interaktion von Großen Abendseglern mit WEA“ seien (Leibniz-IZW 2021, S. 23).
Fazit
Zur Erfassung von Interaktionen von Fledermäusen mit Windenergieanlagen gibt es mehrere Methoden. Die Klärung der Frage nach einer Anlockwirkung gestaltet sich dennoch schwierig. Bislang ergibt sich diesbezüglich ein heterogenes Bild.
Mittels Thermalkameras wurden individuelle Verhaltensmuster registriert, die Interaktionen von Fledermäusen mit Windenergieanlagen zeigen. Es herrscht jedoch noch weitgehend Unklarheit darüber, ob dies artspezifische Verhaltensweisen sein könnten, und inwiefern diese Beobachtungen verallgemeinert werden können. Populationsbezogene Untersuchungen zur Interaktion von Fledermäusen mit WEA, die auf GPS-Datenauswertungen oder akustischen Erfassungen basieren, liefern heterogene und teils widersprüchliche Ergebnisse.
In der Gesamtschau deuten die Forschungsergebnisse auf komplexe Interaktionen von Fledermäusen mit Windenergieanlagen hin. Dabei könnten sowohl artspezifische Unterschiede oder sogar Unterschiede aufgrund der geographischen Herkunft der Individuen oder sonstiger (Umgebungs‑)Faktoren eine Rolle spielen. Auch eine vergrämende Wirkung von WEA bzw. ein Meideverhalten von Fledermäusen kann offenbar in bestimmten Kontexten nicht ausgeschlossen werden.
Um die Verhaltensweisen von Fledermäusen im räumlichen Kontext von Windenergieanlagen und auch artspezifische Anlockwirkungen klären zu können, bedürfte es einer weiteren Erforschung. Die Aufklärung von Ursachen und Gefährdungspotenzial des Anlockeffekts würde insbesondere dann sinnvoll sein, wenn sich daraus konkrete und verallgemeinerbare Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen ableiten ließen, zumal ja bereits aktivitätsabhängige Abschaltalgorithmen als wirksame Maßnahmen zum Fledermausschutz an Windenergieanlagen existieren und regelmäßig eingesetzt werden. Zudem müsste darauf geachtet werden, wie sich Erkenntnisse über art- und einzelfallspezifisches individuelles Verhalten im artenschutzrechtlichen Regelwerk verankern ließen.
Quellen
[1] Webinar-Aufzeichnung „Bat Behavior and Interactions with Wind Turbines“ (englischsprachig).
[2] GPS steht für Global Positioning System, zu Deutsch Globales Positionsbestimmungssystem.
[3] SD steht für Secure Digital Memory Card, zu Deutsch Sichere digitale Speicherkarte.
[4] Diese Studien fokussieren anstelle von Kollisionsrisiken eher einen möglichen Lebensraumverlust – Ellerbrok et al. (2022) zum Beispiel für insbesondere im geschlossenen Wald jagende Arten.
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