Information

Veröffentlicht
6.11.2023
Schlagworte
  • Abschaltungen
  • Fledermäuse
  • Windenergie

Frage

Inwiefern ist es möglich, bei Abschaltungen von Windenergieanlagen zum Fledermausschutz innerhalb eines Windparks auf durchschnittliche Windgeschwindigkeiten zurückzugreifen, die aus den Einzelwerten der Anlagen im Windpark gebildet werden? Und was ist bei der Einbeziehung weiterer Umweltparameter (Niederschlag, Luftfeuchtigkeit, Helligkeit) bei der Steuerung von Abschaltungen zu berücksichtigen?

!Antwort

1. Nutzung der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit mehrerer Windenergieanlagen eines Windparks als Steuerungsparameter für pauschale Fledermausabschaltungen

Die Windgeschwindigkeit auf Gondelhöhe ist neben der Temperatur und den jeweiligen jahres- und tageszeitlichen Zeiträumen ein zentraler Steuerungsparameter für Abschaltungen von Windenergieanlagen (WEA) zur Reduzierung von Kollisionsrisiken für Fledermäuse. Die Parameter für pauschale Abschaltbedingungen zum Fledermausschutz an Windenergieanlagen wurden im Rahmen der RENEBAT-Forschungsvorhaben (Behr et al. 2011, 2015 sowie 2018) ermittelt bzw. abgeleitet. Seit Abschluss des ersten RENEBAT-Vorhabens wurden sie sukzessive als Vorgaben zur Berücksichtigung des Artenschutzes bzw. Fledermausschutzes bei Windenergievorhaben in den Leitfäden der Länder aufgenommen (vgl. KNE 2023a). Unter den in den RENEBAT-Vorhaben untersuchten WEA befanden sich sowohl Einzelanlagen als auch Windparks mit mehreren Anlagen und somit solche auf randlichen Standorten und Standorten innerhalb von Windparks bzw. entsprechend anderweitiger Anordnung, in der sie je nach (Haupt‑)Windrichtung zumindest zeitweise einer gewissen Windverschattung bzw. Turbulenzen durch andere WEA ausgesetzt waren. Von daher berücksichtigt(e) der RENEBAT-Datensatz bereits die durch den Standort beeinflussten Windgeschwindigkeits-Messungen als Grundlage für die Empfehlung einer pauschalen Anlauf-Windgeschwindigkeit (englisch auch Cut-in-Windgeschwindigkeit), ab denen WEA betrieben werden dürfen und trotzdem ein hinreichendes Schutzniveau für Fledermäuse eingehalten wird.[1]

Wenn sich die Mittelwerte der Windgeschwindigkeiten an den Anlagen eines Windparks unterscheiden, ist gerade diese Information relevant für die Vorhersage der Fledermausaktivität und damit des Schlagrisikos und sollte daher nicht durch eine Mittelung über mehrere Anlagen verloren gehen. Besonders problematisch wäre dies in topografisch heterogenen Parks, zum Beispiel in den Mittelgebirgsregionen.

Die Bildung einer Durchschnittsgeschwindigkeit aus Messwerten von mehreren WEA eines Windparks und deren Zugrundelegung bei der Steuerung der Fledermausabschaltungen an alle WEA des Windparks kann dazu führen, dass an einzelnen WEA des Windparks das vorgegebene Schutzniveau nicht mehr eingehalten wird.

Dies soll die nachfolgende Tabelle mit fiktiven Fallbeispielen verdeutlichen. In allen Beispielen stehen exemplarisch drei WEA von links nach rechts idealisiert in Windrichtung hintereinander. Für die im „Lee“ hinter der WEA 1 stehenden WEA 2 und 3 werden jeweils niedrigere gemessene Windgeschwindigkeiten angenommen. Aus der berechneten Durchschnittswindgeschwindigkeit wird in der letzten Spalte jeweils die Konsequenz für die WEA-Abschaltungen im Windpark bzw. das Schutzniveau für Fledermäuse bei einer pauschalen Anschalt-Windgeschwindigkeit von 6 Meter pro Sekunde angegeben.

Tabelle: Fiktive Fallbeispiele zur Verdeutlichung der Konsequenzen einer Bildung von durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten für die Steuerung von Fledermausabschaltungen in Windparks.

Fallbeispiel Windgeschwindigkeiten [m/Sek] (fiktiv),

Windrichtung ⇒ ⇒ ⇒ ⇒

Durchschnitts-

Windgeschwindigkeit [m/s]

Konsequenzen für die WEA-Abschaltung in Bezug auf das vorgegebene Schutzniveau bei 6 m/s
WEA 1 WEA 2 WEA 3
1 6,6 6,1 5,6 6,1 Alle Anlagen dürfen laufen, obwohl an WEA 3 das Schutzniveau nicht erreicht wird.
2 7,0 5,8 5,8 6,2 Alle Anlagen dürfen laufen, obwohl an WEA 2 und 3 das Schutzniveau nicht erreicht wird.
3 6,2 5,5 5,3 5,7 Alle WEA werden abgeschaltet, obwohl nur die Abschaltung von WEA 2 und 3 erforderlich wäre.

 

Die Fallbeispiele 1 und 2 zeigen, dass es bei der Zugrundelegung einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit einerseits dazu kommen kann, dass WEA 3 bzw. WEA 2 und 3 nicht abgeschaltet werden, obwohl an dieser/n WEA die Anschalt-Windgeschwindigkeit nicht erreicht wird und somit mit einer gegenüber WEA 1 bzw. WEA 1 und 2 erhöhten Fledermausaktivität und entsprechend höheren Kollisionsrisiken gerechnet werden muss. Fallbeispiel 3 zeigt, dass es umgekehrt dazu kommen kann, dass der gesamte Windpark abgeschaltet wird, obwohl nur an zwei WEA die Anschalt-Windgeschwindigkeit unterschritten wird. Ob Situationen, wie in den Fallbeispielen 1 und 2 und solche wie in Fallbeispiel 3 gleichermaßen häufig auftreten und sich womöglich ausgleichen, ist nicht bekannt.

Denkbar ist, dass an „im Lee“ stehenden WEA durch geringere Windgeschwindigkeiten eine höhere Fledermausaktivität vorherrscht, weil sich hier möglicherweise mehr Insekten aufhalten. Umgekehrt wäre aber auch denkbar, dass Fledermäuse (bzw. Insekten) turbulente Windverhältnisse eher meiden und es damit womöglich weniger Fledermausaktivität an im Lee stehenden WEA gibt. Zu beiden Hypothesen finden sich allerdings bislang keine Daten bzw. wissenschaftlich nachvollziehbaren Erkenntnisse.

Aus diesen Gründen würden wir derzeit empfehlen, keine durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten mehrerer WEA zur Steuerung von Fledermausabschaltungen an allen WEA eines Windparks zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn die Anlagen auf Standorten mit ähnlicher Vegetations- und Nutzungsstruktur sowie gleicher topografischer bzw. landschaftsmorphologischer Lage stehen. Vielmehr ist darauf zu achten, dass die bei den RENEBAT-Vorhaben angewandte Methodik eingehalten wird. Dazu gehört, dass die Abschaltung (weiterhin) anhand der anlagenspezifisch gemessenen Windgeschwindigkeit gesteuert wird, auch wenn das dazu führen kann, dass einzelne Anlagen im Park abgeschaltet werden müssen, während andere weiterlaufen dürfen.

2. Ergänzende Berücksichtigung weiterer Umweltparameter

Niederschlag und Luftfeuchtigkeit als zusätzliche Abschaltparameter

Der Niederschlag findet sich mittlerweile als zusätzlicher Abschaltparameter in den meisten Länderleitfäden mit Abschaltvorgaben zum Fledermausschutz (siehe KNE 2023a und b), die Luftfeuchtigkeit bisher in keinem der Leitfäden (KNE 2023b).

Bezüglich der Parameter „Niederschlag“ und „Luftfeuchtigkeit“ verweisen wir auf eine separate Antwort in unserem Fragen-und-Antworten-Bereich (KNE 2023b). Aus der Antwort geht hervor, dass die Berücksichtigung des Parameters „Niederschlag“ möglich ist. Aufgrund von festgestellten Messungenauigkeiten bei den Sensoren sollte jedoch ein deutlich konservativerer Grenzwert von 5 Millimeter pro Stunde angelegt werden, bis die Zuverlässigkeit der verwendeten Sensortypen auf Gondelhöhe nachgewiesen ist (ebd., S. 2). Zudem sollte der korrekte Anschluss der Sensoren an das SCADA-System der WEA geprüft werden, da es sonst dazu kommen kann, dass aufgrund vermeintlichen Dauerregens während des gesamten Jahres der Fledermausschutz gänzlich außer Kraft gesetzt wird (Naturstiftung David 2023).

In Bezug auf die Luftfeuchtigkeit als weiteren Abschaltparameter geht aus der Antwort hervor, dass unbekannt ist, welchen Einfluss die verminderte Reichweite der Mikrofontechnik bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit hat und wie verlässlich die Messdaten bzw. die verwendeten Sensoren sind (ebd., S. 4). Prinzipiell ist es darüber hinaus denkbar, dass bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit das Ultraschall-Mikrofon beschlägt und dies dann ursächlich dafür ist, dass keine Fledermausrufe, das heißt keine Aktivität mehr erfasst werden.

Keinesfalls darf von einer Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent automatisch auf ein Niederschlagsereignis rückgeschlossen werden. Eine Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent wird im Jahresverlauf deutlich häufiger erreicht als nur während Zeiten mit Niederschlägen. Auch sinkende Temperaturen bei bereits relativ hoher Luftfeuchtigkeit können zu einer 100-prozentigen Luftfeuchtigkeit führen.

Aus Sicht des KNE sollten zunächst weitere Studien durchgeführt werden, bzw. entsprechende Daten zur Korrelation der Fledermausaktivität mit der Luftfeuchtigkeit publiziert werden, bevor entsprechende Messwerte als Steuerungsparameter beauflagt werden. Anderenfalls könnten – analog zu Niederschlags-Messwerten – Abschaltungen von Windenergieanlagen zum Fledermausschutz nicht hinreichend wirksam sein bzw. das mit den Abschaltungen beabsichtigte Schutzniveau womöglich nicht erreicht werden. (ebd., S. 4)

Helligkeit als Steuerungsparameter von Abschaltungen

Zur Helligkeit als zusätzlichen Parameter für die Steuerung von Fledermausabschaltungen sind uns keine Informationen bekannt. Unseres Wissens gibt es bislang keine publizierten Belege, dass die nächtliche Helligkeit mit der Fledermausaktivität plausibel korreliert und auf dieser Grundlage pauschale (oder durch ein Gondelmonitoring ermittelte anlagenspezifische) Abschaltzeiten zum Fledermausschutz modifiziert werden können.

3. Erfassungsbedingungen der Parameter

Es sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, wie es auch in den RENEBAT-Vorhaben erfolgt ist, die Erfassung der Parameter Windgeschwindigkeit, Temperatur und ggf. Niederschläge zur Steuerung von Fledermausabschaltzeiten auf Gondelhöhe und mit den Sensoren zu erfassen sind, die auch später für die Anlagensteuerung verwendet werden. Der Hinweis, dass methodisch entsprechend der RENEBAT-Vorhaben vorzugehen ist, finden sich zum Teil bereits seit Einführung der auf diesen Vorhaben basierenden Abschaltvorgaben in den Länderleitfäden. Eine Erfassung in Bodennähe ist dementsprechend methodisch nicht hinreichend und kann zu Messfehlern führen (z. B. tiefere Temperaturen am Boden als an der Gondel in der Nacht). Zudem müssen die Parameter an jeder Windenergieanlage separat erfolgen (vgl. diesbezüglich auch LfU RP (2023)).


[1] Entsprechendes gilt auch für die standortspezifische Berechnung von Abschaltalgorithmen mit dem Tool „ProBat“ für standortspezifische Abschaltalgorithmen anhand von Fledermaus-Gondel­moni­torings, welches im Zuge der RENEBAT-Vorhaben entwickelt wurde.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Literaturverzeichnis

Behr, O., Brinkmann, R., Niermann, I., Korner-Nievergelt, F. (2011). Akustische Erfassung der Fledermausaktivität an Windenergieanlagen.– In: Brinkmann, R., Behr, O., Niermann, I. Reich, M. (Hrsg.): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Umwelt und Raum 4, Cuvillier Verlag, Göttingen, S. 177-286.


Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (2015): Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II). Schriftenreihe Institut für Umweltplanung 7. Leibniz Universität, Hannover. 368 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 06.11.2023).


Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (2018): Bestimmung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen in der Planungspraxis (RENEBAT III) - Endbericht des Forschungsvorhabens gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Förderkennzeichen 0327638E). Erlangen, Freiburg, Ettiswil. 415 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 06.11.2023).


KNE (2023a): Anfrage Nr. 140 Vorgaben zu Parametern für pauschale Abschaltungen zum Fledermausschutz in den Ländern. Aktualisierte Antwort vom 15. September 2023. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 06.11.2023)


KNE (2023b): Anfrage Nr. 146 zur Berücksichtigung des Niederschlags bzw. der Luftfeuchtigkeit bei Abschaltungen von Windenergieanlagen zum Fledermausschutz. Aktualisierte Antwort vom 13. Juli 2023. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 06.11.2023).


LfU RP – Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz (2023): Anforderungen an die Messung der Witterungsparameter zur standortspezifischen und parametergestützten Abschaltung von Windenergieanlagen. Mainz. 2 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 06.11.2023).


Naturstiftung David (2023): Häufig gestellte Fragen aus dem Umfeld der Windenergiebranche zur ProBat Anwendung – Frage: Fließen Niederschlagswerte in die Berechnungen mit ProBat ein? Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 06.11.2023).