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Veröffentlicht
13.07.2023
Schlagworte
  • Abschaltungen
  • Fledermäuse
  • Windenergie

Frage

Welche Rolle spielen die Parameter Niederschlag bzw. Luftfeuchtigkeit bei der Steuerung von Abschaltungen von Windenergieanlagen zum Fledermausschutz? Gibt es wissenschaftliche Grundlagen für die Berücksichtigung dieser Parameter?

 

!Antwort

Der Niederschlag bzw. Regen wurde in den Artenschutzleitfäden mehrerer Länder im Zusammenhang mit Vorgaben zur Abschaltung von Windenergieanlagen (WEA) zum Fledermausschutz als möglicher zusätzlicher Steuerungsparameter aufgenommen (s. KNE 2020). Teilweise finden sich auch konkrete Mengenvorgaben, ab denen WEA trotz erfüllter Temperatur- und Windgeschwindigkeitsbedingungen weiterlaufen dürfen, weil aufgrund des Niederschlags nicht mit Fledermausaktivität zu rechnen ist (s. u.). Konkrete wissenschaftliche Belege bzw. Erläuterungen finden sich diesbezüglich in den Leitfäden nur in einigen Fällen (z. B. Behr und Rudolph 2017, S. 13f.). Mitunter wird im Kontext der Parameterangaben für pauschale Abschaltungen zum Fledermausschutz auch nur allgemein auf das bzw. die RENEBAT-Forschungsvorhaben[1] verwiesen.

Der Parameter Luftfeuchtigkeit bzw. Vorgaben für eine mögliche Berücksichtigung finden sich bislang in keinem der Länderleitfäden (ebd.). Ein jüngeres Stellungnahmepapier aus Rheinland-Pfalz, in dem dieser Parameter adressiert wird, ist jedoch ein Indiz dafür, dass auch dieser Parameter in der Praxis eine gewisse Rolle spielt (s. u.).

In der Praxis wird der Parameter Niederschlag bzw. Regen zumindest bei einem Teil der realisierten Vorhaben berücksichtigt. In einer nicht repräsentativen Betreiberumfrage der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) gaben die antwortenden Betreiber an, in einem guten Drittel der Vorhaben den Niederschlag als Steuerungsparameter anzuwenden. Die Luftfeuchtigkeit wurde für fünf Prozent der Vorhaben als angewendeter Steuerungsparameter angegeben. (FA Wind 2020, S. 16)

Auf Grundlage der Umfrageergebnisse und einer ergänzenden Auswertung jüngerer Vorhabengenehmigungen ermittelte die FA Wind eine zunehmende Berücksichtigung des Parameters Niederschlag zur Steuerung der Abschaltungen. Für die Luftfeuchtigkeit traf dies seinerzeit nicht zu. (ebd., S. 35)

Grundlagen für die Berücksichtigung des Parameters Niederschlag bzw. Regen

Im Forschungsvorhaben RENEBAT I (Brinkmann et al. 2011) wurde die Aktivität von Fledermäusen im Rotorbereich von WEA in Abhängigkeit von der Jahres- und Nachtzeit, meteorologischen Parametern (Windgeschwindigkeit, Temperatur und auch Niederschlag) gemessen. Zusätzlich wurde die Fledermausaktivität am Boden gemessen und mittels Schlagopfersuchen auch die Gefährdung von Fledermäusen ermittelt, mit dem Rotor zu kollidieren und dadurch zu Tode zu kommen.

Die Untersuchungen zeigten, dass die Fledermausaktivität schon bei geringen Niederschlagsmengen deutlich abnimmt. Bereits „die niedrigsten messbaren Niederschlagswerte (Nebel bzw. Wolken mit 0,002 bis 0,004 mm/min) [führten] zu einer starken Abnahme der gemessenen Aktivität“ (ebd., S. 4f. sowie Behr et al. 2011, S. 179).

Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind die Grundlage für die eingangs dargestellte Aufnahme des Parameters Niederschlag in die Länderleitfäden und in Folge für die Einbeziehung des Parameters in der Praxis. Rechnet man die im RENEBAT-Vorhaben angegebenen Niederschlagswerte auf Stundenwerte um, so erhält man Werte von 0,12 bis 0,24 Millimeter pro Stunde.[2]

Der obere Wert spiegelt (abgerundet) den in mehreren Länderleitfäden enthaltenen Schwellenwert von 0,2 Millimeter Niederschlag pro Stunde wider, ab dem WEA-Abschaltungen zum Fledermausschutz nicht erforderlich sind.[3] Darüber hinaus gibt es Länder, in denen abweichende Niederschlagswerte angegeben werden bzw. die hier lediglich die allgemeine Vorgabe „kein Regen“ machen. (vgl. KNE 2020).

Die Forschenden des RENEBAT-III-Projektes weisen in Bezug auf die in den RENEBAT-Vorhaben gewonnenen Erkenntnisse darauf hin, dass eine geringere gemessene Fledermausaktivität bei Niederschlägen [oder hoher Luftfeuchtigkeit] sowohl auf eine real verminderte Aktivität der Tiere als auch auf die Erfassungstechnik zurückzuführen sein kann. Ultraschallwellen werden mit zunehmender Luftfeuchtigkeit stärker gedämpft, wodurch die Reichweite der eingesetzten Mikrofone im Vergleich zu trockener Witterung herabgesetzt ist. (Behr et al. 2018, S. 40ff.). Dennoch ist die ergänzende Einbeziehung des Parameters Niederschlag bei Fledermausabschaltungen möglich (Naturstiftung David 2023, online).

Eine Schwierigkeit ist im Zusammenhang mit den für die Messungen des Niederschlags an den WEA eingesetzten Sensoren bekannt geworden. Standardsensoren arbeiteten oft unzuverlässig und lieferten fehlerhafte Werte (FA Wind 2019, S. 16). Teilweise gab es sogar Unterschiede bei den Messwerten zwischen zwei Sensoren des gleichen Typs an derselben WEA (Naturstiftung David 2023, online).[4] Vor diesem Hintergrund empfehlen die Entwickler des Tools ProBat, welches im Kontext der RENEBAT-Forschungsvorhaben entwickelt wurde, bis zum Nachweis der Zuverlässigkeit der verwendeten Sensortypen, den deutlich konservativeren Grenzwert von 5 Millimeter pro Stunde anzulegen.[5] (ebd.)

Bei fehlerhaften Messwerten besteht die Gefahr, dass das eigentlich mit den pauschalen bzw. berechneten Abschaltzeiten zu erzielende Schutzniveau für Fledermäuse nicht erreicht wird.

Grundlagen für die Berücksichtigung des Parameters Luftfeuchtigkeit

In Verbindung mit Niederschlägen steigt naturgemäß auch die relative Luftfeuchtigkeit, was nahelegt, diesen Parameter alternativ zu gemessenen Niederschlagswerten zur Steuerung von Abschaltungen mit heranziehen zu können. Andererseits steigt mit sinkenden Temperaturen stets auch die relative Luftfeuchtigkeit. Daher werden nachts häufig steigende und insgesamt häufiger hohe Luftfeuchtigkeitswerte erreicht, ohne dass dies notwendigerweise durch Niederschläge verursacht ist.

Auf Grundlage von Luftfeuchtigkeits-Messwerten kann daher aus unserer Sicht also nicht auf Niederschlagsereignisse und keinesfalls auf Niederschlagsmengen pro Zeit geschlossen werden.

Allerdings könnte es prinzipiell möglich sein, auf Gondelhöhe ermittelte Luftfeuchtigkeitsdaten mit gleichzeitig erhobenen Daten der Fledermausaktivität in Beziehung zu setzen. Sind ab einer bestimmten relativen Luftfeuchtigkeit verlässlich keine Fledermäuse mehr aktiv, könnte dieser Luftfeuchtigkeitswert als Grenzwertparameter bei der Steuerung von Abschaltungen herangezogen werden.

In den RENEBAT-Forschungsvorhaben wurde der Parameter Luftfeuchtigkeit nicht mit untersucht, weshalb sich hieraus keine Erkenntnisse ableiten lassen. Auch darüber hinaus sind keine publizierten wissenschaftlichen Studien bekannt, die den Einfluss bzw. den Zusammenhang der Luftfeuchtigkeit mit der Fledermausaktivität im Rotorbereich von Windenergieanlagen untersucht haben.[6] Daher gibt es derzeit auch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass sich Luftfeuchtigkeits-Messwerte als Steuerungsparameter für Abschaltungen eignen.

Der Berücksichtigung des Parameters Luftfeuchtigkeit in der Praxis (siehe Umfrageergebnisse oben) liegen somit bislang lediglich Erfahrungswerte bzw. Messdaten zu Grunde, die aus der Anwendung entsprechender Sensoren in der Praxis stammen.[7] Eine Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt aus Rheinland-Pfalz benennt die Messung der Luftfeuchtigkeit dennoch bereits als „etablierten“ Witterungsparameter zur Steuerung von Abschaltungen, der abweichend von den Erkenntnissen aus RENEBAT III genutzt werden könne und „die Messung des Niederschlags ersetzen“ könne. In der Praxis seien „bei einer Luftfeuchtigkeit von 84 bis 89 Prozent noch Fledermäuse nachgewiesen“ worden. (LUA RP 2023, S. 1f.)

Einordnung des KNE

Die Größe des Datensatzes, aus der die Wertspanne für die Fledermausaktivität ermittelt wurde, ist nicht bekannt. Zudem ist streng genommen eine Messwertspanne als Grenzwertparameter zur Anlagensteuerung nicht geeignet. Hier müsste ein konkreter Grenzwert definiert werden. Weiterhin ist nicht bekannt, ob es sich bei den zugrundeliegenden Daten um solche handelt, die auf Höhe der Gondel ermittelt wurden. Dies wäre eine Grundvoraussetzung für eine Berücksichtigung bei der Anlagensteuerung.

Analog zu den bestehenden Einschränkungen bei der Messung von Niederschlagswerten ist auch bei der Luftfeuchtigkeit unbekannt, welchen Einfluss die verminderte Reichweite der Mikrofontechnik bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit hat und wie verlässlich die Messdaten bzw. die verwendeten Sensoren sind (Vgl. analog Fußnote 4).

Aus Sicht des KNE sollten zunächst weitere Studien durchgeführt werden, bevor Luftfeuchtigkeits-Messwerte als Steuerungsparameter beauflagt werden. Anderenfalls könnten – analog zu Niederschlags-Messwerten – Abschaltungen von Windenergieanlagen zum Fledermausschutz nicht hinreichend wirksam sein bzw. das mit den Abschaltungen beabsichtigte Schutzniveau womöglich nicht erreicht werden.


[1] RENEBAT I (Brinkmann et al. 2011), RENEBAT II (Behr et al. 2015) und RENEBAT III (Behr et al. 2018).

[2] Zur Orientierung: Der Deutsche Wetterdienst definiert mäßigen Sprühregen mit ≥ 0,1 mm/h bis < 0,5 mm/h, leichten Regen mit (um circa den Faktor 10 höheren) < 2,5 mm/h bzw. < 0,5 mm/10 Minuten.

[3] Das heißt, die Anlagen dürfen weiterlaufen, auch wenn die Abschaltbedingungen für Temperatur und Windgeschwindigkeit auf Gondelhöhe erfüllt sind.

[4] In manchen Leitfäden findet sich daher folgerichtig die ergänzende Vorgabe, dass eine verlässliche Messung sowie – darüber hinaus – eine Berücksichtigung bei der Anlagensteuerung möglich sein müssen.

[5] Dies bedeutet, dass es „in einem 10-Minuten-Zeitintervall, mit der Intensität 5mm/h regnet, was gleichbedeutend mit einem Wert von 0,083 mm/min ist“.

[6] Eine amerikanische Studie von Squires et al. (2021, S. 3) geht auf der Grundlage älterer amerikanischer Studien sogar davon aus, dass die Fledermausaktivität und -mortalität der dort vorkommenden Arten an Windenergieanlagen positiv mit der Luftfeuchtigkeit (und der Temperatur) zusammenhingen.

[7] Es gibt Hersteller von Systemen zur Steuerung von Windenergieanlagen und artenschutzbezogenen Abschaltungen, die entsprechende Sensoren optional anbieten (z. B. Fleximaus).

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Literaturverzeichnis

Behr, O., Brinkmann, R., Niermann, I., Korner-Nievergelt, F. (2011). Akustische Erfassung der Fledermausaktivität an Windenergieanlagen.– In: Brinkmann, R., Behr, O., Niermann, I. Reich, M. (Hrsg.): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Umwelt und Raum 4, Cuvillier Verlag, Göttingen, S. 177-286.


Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (2015): Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II). Schriftenreihe Institut für Umweltplanung 7. Leibniz Universität, Hannover. 368 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).


Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (2018): Bestimmung des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen in der Planungspraxis (RENEBAT III) - Endbericht des Forschungsvorhabens gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Förderkennzeichen 0327638E). Erlangen, Freiburg, Ettiswil. 415 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).


Behr, O., Rudolph, B.-U. (2017): Arbeitshilfe Fledermausschutz und Windkraft Teil 1: Fragen und Antworten – Fachfragen des bayerischen Windenergie-Erlasses. LfU − Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.). Augsburg. 28 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).


Brinkmann, R., Behr, O., Niermann, I. Reich, M. (Hrsg.) (2011). Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Umwelt und Raum 4, Cuvillier Verlag, Göttingen. 457 S.


FA Wind − Fachagentur Windenergie an Land e.V. (2020): Windenergie und Fledermausschutz. Diskussionsveranstaltung zu aktuellen Erkenntnissen aus Forschung und Praxis. Dokumentation. Berlin. 30 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).


FA Wind − Fachagentur Windenergie an Land e.V. (2020): Fledermausschutz an Windenergieanlagen. Ergebnisse einer Betreiberumfrage zum Gondelmonitoring. Berlin. 46 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).


KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2023): Anfrage Nr. 140 Parameter für Fledermaus-Abschaltungen in den Ländern. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 31.10.2023).


LfU RP – Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz (2023): Anforderungen an die Messung der Witterungsparameter zur standortspezifischen und parametergestützten Abschaltung von Windenergieanlagen. Mainz. 2 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).


Naturstiftung David (2023): Häufig gestellte Fragen aus dem Umfeld der Windenergiebranche zur ProBat Anwendung – Frage: Fließen Niederschlagswerte in die Berechnungen mit ProBat ein? Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 13.07.2023).


Squires, K.A., Thurber, B.G., Zimmerling, J.R., Francis, C.M. (2021): Timing and weather offer alternative mitigation strategies for lowering bat mortality at wind energy facilities in Ontario. Animals 11 (12). S. 1–12. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.07.2023).