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Veröffentlicht
20.02.2024
Schlagworte
  • Klimaschutz
  • Wald
  • Windenergie

Frage

Wie groß ist die Klimaschutzfunktion des Waldes und in welchem Umfang wird der Wald durch die Windenergie in Anspruch genommen? Ist die Kohlenstoffbindungskapazität des Waldes nicht viel höher als die durch den Betrieb von Windenergieanlagen vermiedene CO2-Menge?

!Antwort

1. Die Klimaschutzfunktion des Waldes

Durch das Baumwachstum wird der Atmosphäre CO2 entzogen und der darin enthaltene Kohlenstoff in der Biomasse, dem Boden und der Streu gebunden. Dadurch ist der Wald eine Kohlenstoffsenke und hat damit eine bedeutsame Klimaschutzfunktion (BMEL 2021, S. 9). Die Gesamtfläche von insgesamt 11,4 Millionen Hektar Wald - etwa ein Drittel der Fläche Deutschlands – speichert in der oberirdischen Biomasse rund 1.230 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Im Totholz und der Humusschicht sind weitere 34 Millionen Tonnen gespeichert. Mine-ralböden und unterirdische Biomasse speichern zusätzliche 1.335 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Insgesamt ergibt dies eine Menge von rund 2,6 Milliarden Tonnen (ebd., S. 13).

Durch Biomassezuwachs werden pro Jahr weitere 57 Millionen Tonnen CO2 gebunden. Durch die Nutzung von Holz für langlebige Produkte, wie zum Beispiel Baustoffe oder Möbel, werden weitere 4,2 Millionen Tonnen CO2 jährlich gespeichert (ebd. S. 12). Berücksichtigt man die jährlichen Kohlenstoff-Bindungsraten für die lebende Biomasse, die Streu und den Boden sowie die Speicherung durch Holzprodukte, kompensieren die deutschen Wälder bis zu 14 Prozent der jährlichen nationalen Treibhausgasemissionen (ebd., S. 12 ).[1]

2. Umfang der Waldinanspruchnahme durch die Windenergie

Die Gesamtwaldfläche Deutschlands ist zwischen 2008 und 2022 nahezu konstant geblieben und liegt etwa bei 30 Prozent der Bundesfläche (Statista 2024, online) – trotz der Realisierung einer Vielzahl von Windenergieanlagen (WEA) im Wald.

Nach Angaben der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind 2023, S. 15) muss für eine Windenergieanlage im Wald durchschnittlich eine Fläche von 0,46 Hektar Wald für das Fun-dament, Kranstellfläche und Zuwegung dauerhaft umgewandelt werden und somit dauerhaft „baumfrei“ bleiben. Je nach Standort, Anlagentyp, Alter und Größe der Anlagen schwankt diese Fläche zwischen 0,04 ha und 1,34 ha[2]. Durchschnittlich werden weitere 0,44 Hektar Waldfläche nur temporär als Lager- und Bauflächen benötigt. Zusammengenommen beträgt die durchschnittlich zu rodende Fläche pro WEA mit 0,9 Hektar also etwas unter einem Hektar (ebd., S.15).

Für die Ende 2022 bundesweit 2.373 auf Waldstandorten betriebenen Windenergieanlagen wurden somit rund 2.136 Hektar Wald in Anspruch genommen, davon 1.092 Hektar dauerhaft (ebd., S. 16). Die dauerhafte Inanspruchnahme von Waldflächen durch WEA entspricht einem Anteil an der Gesamtwaldfläche Deutschlands von lediglich 0,009 Prozent.

Durch die Ausweisung von weiteren Waldflächen als Windenergiegebiete, insbesondere auch in den waldreichen, südlichen Bundesländern und der Realisierung von Vorhaben mit wach-senden Anlagendimensionen, dürfte die Waldinanspruchnahme zwar in den kommenden Jahren noch zunehmen. Bislang ist die Windenergie im Wald allerdings kein Treiber für den Verlust an Waldflächen.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass WEA zumindest teilweise auf ohnehin nicht bestockten Waldflächen bzw. auf Kalamitätsflächen realisiert werden, die bereits gerodet wurden bzw. aufgrund des Schädlingsbefalls zu roden sind (FA Wind 2023, S. 12). Temporär beanspruchte Waldflächen müssen nach Abschluss der Errichtungsarbeiten wieder aufgeforstet bzw. der Sukzession überlassen werden (ebd., S. 14). Dauerhaft beanspruchte Waldumwandlungsflächen sind in Form von Erstaufforstungen in der Regel 1 zu 1 zu kompensieren. In waldreichen Bundesländern kann die dauerhafte Waldinanspruchnahme zum Teil auch durch ökologische Waldumbaumaßnahmen oder Waldrandgestaltungen ausgeglichen werden (ebd., S. 13).[3]

3. Vergleich der CO2-Speicherleistung des Waldes mit der CO2-Vermeidungsleistung der Windenergie

Um die Menge des gebundenen Kohlenstoffs, die jährliche Bindungskapazität des Waldes und damit die CO2-Speicherleistung des Waldes mit dem CO2-Vermeidungspotenzial der Wind-energie vergleichen zu können, bietet sich eine hektarbezogene Betrachtung von CO2-Äquivalenten an.[4]

Nach den unter Punkt 1 genannten Zahlen sind pro Hektar Wald umgerechnet durchschnitt-lich 110,9 Tonnen Kohlenstoff oberirdisch (in Biomasse, Humusschicht und Totholz) sowie weitere 117 Tonnen Kohlenstoff unterirdisch (in Mineralboden und unterirdischer Biomasse) gespeichert. Dies entspricht einer oberirdischen Speichermenge von 407 Tonnen CO2 und einer unterirdischen Speichermenge von 429,4 Tonnen CO2.[5] Die jährliche Kohlenstoffspeicherleistung pro Hektar, inklusive der stofflich genutzten Holzprodukte beläuft sich auf durch-schnittlich 5,4 Tonnen CO2 (ebd., S. 12).

Beim Bau einer WEA bleibt der unterirdische Kohlenstoffspeicher größtenteils bestehen, da die Fundamentfläche nur einen kleinen Teil der dauerhaften Flächeninanspruchnahme ausmacht und der Aushub nach Bodenhorizonten getrennt gelagert und in der Regel ortsnah wieder „verbaut“ wird. Damit entfällt – vereinfacht – nur der oberirdische Kohlenstoffspeicher in Form der oberirdischen Biomasse sowie deren jährliche Kohlenstoffspeicherleistung. Diese hat eine Gesamtspeicherleistung von 412,4 Tonnen CO2 pro Hektar.

Diesem Wert kann die CO2-Vermeidungsleistung der Windenergie gegenübergestellt werden, wie nachfolgend berechnet:

Nach der „Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger“ des Umweltbundesamtes für 2022 führten die 28.443 deutschlandweit betriebenen WEA an Land (Lauf et al. 2023, S. 56) zu einer Vermeidung von rund 75,6 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten (ebd., S. 59).[6] Die Zahl wurde auf Grundlage der insgesamt von den WEA erzeugten und vermarkteten Strommenge berechnet, die entsprechend die gleiche Strommenge aus konventionellen Energieträgern (Kohle und Gas) „verdrängt“. Die Differenz aus der Erzeugung der jeweils emittierten CO2-Äquivalente ergibt die CO2-Vermeidungsleistung. Dabei werden jeweils auch die Emissionen auf der Herstellungsseite der Anlagen (inkl. der Vorketten) sowie aus der für die Errichtung benötigten fremdbezogenen Hilfsenergie berücksichtigt. Pro WEA ergibt sich eine Menge an vermiedenen CO2-Äquivalenten von durchschnittlich 2.658 Tonnen.

Ausgehend davon, dass für eine WEA auf einem Waldstandort zunächst knapp ein Hektar Wald in Anspruch genommen wird (s. unter 2.), übertraf die CO2-Vermeidungsleistung einer WEA im Jahr 2022 die gesamte CO2-Speicherleistung des in Anspruch genommenen Waldes (412,4 Tonnen) bereits um mehr als das Sechsfache. In jedem Folgejahr nach der Errichtung der WEA standen bzw. steht die CO2-Vermeidung der WEA dann lediglich noch der jährlichen CO2-Bindungsleistung des Waldes und des theoretisch entnehmbaren Nutzholzes von 5,4 Tonnen gegenüber – ein Verhältnis von 492:1.

Mit weiter zunehmender Anlagenleistung und höheren erzeugten Strommengen dürfte dieses Verhältnis vermutlich zunächst noch größer werden. Während der obigen Berechnung Durchschnittszahlen zu Grunde liegen, ging das Umweltbundesamt gemäß eines Correctiv-Faktenchecks zum gleichen Thema bei neueren WEA (auf einem unterdurchschnittlichen Standort) bereits von 3.600 Tonnen jährlich vermiedener CO2-Emissionen aus (Correctiv 2019, Aussage am Ende des Faktenchecks).

4. Fazit und Einordnung

Die Windenergie ist nach den Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) und des Bundesverbandes Windenergie (BWE) kein Treiber für einen Verlust an Waldflächen in Deutschland. Die Anlagen werden zumindest teilweise auf ohnehin nicht bestockten Flächen ohne Baumbewuchs bzw. auf zu rodenden Kalamitätsflächen errichtet. Temporär in Anspruch genommene Flächen müssen zeitnah wieder aufgeforstet werden, dauerhafte Waldverluste werden und sollten aus Sicht des KNEs auch zukünftig vorzugsweise durch Erstaufforstungen kompensiert werden, damit die bestockte Waldfläche bilanziell stabil bleibt. Hierbei bietet sich die Chance, dürreresiliente und naturschutzfachlich wertvolle(re) Laubmischwaldflächen zu schaffen, und auch die Pachteinnahmen für die genutzten Waldflächen sollten für einen klimagerechten Waldumbau genutzt werden (vgl. BWE 2021, S. 21 und 25).

Das KNE hat an anderer Stelle zusammengestellt, was allgemein für eine naturverträgliche Planung und Errichtung von Windenergieanlagen im Wald beachtet werden muss (KNE 2021) und welche wissenschaftlichen Studien und Veröffentlichungen uns bekannt sind (KNE 2024).

Der Vergleich der durchschnittlichen CO2-Vermeidungsleistung einer WEA mit dem entsprechenden Kohlenstoffbindungsvermögen eines Hektars Waldfläche, die durch diese in Anspruch genommen wird, zeigt, dass erstere bereits im ersten Betriebsjahr mehrfach und in den folgenden Betriebsjahren um ein Vielfaches höher ist. Die Klimaschutzfunktion des Waldes ist daher kein hinreichendes Argument, um Windenergie auf Waldflächen generell auszuschließen.

Gleichwohl bleibt zu bedenken, dass der Wald auch ein bedeutsamer Lebensraum ist und Regulations- (z. B. als Speicher und Filter) sowie Erholungs- und Schutzfunktionen übernimmt. Je nach Waldtyp, Arten- und Altersstruktur der Bestockung sind diese Funktionen stärker oder schwächer ausgeprägt. Dies ist bei der Planung, Realisierung und dem Betrieb von WEA ebenfalls zu berücksichtigen. Wälder mit besonderer Ausprägung einer oder mehrerer dieser Funktionen können als Schutzgebiete (z. B. NSG, Bann-, Schutz- oder Erholungswald usw.) ausgewiesen bzw. planerisch im Zuge von Flächenausweisungen von der Windenergienutzung ausgenommen werden.


[1] Die Kohlenstoffbindungsleistung dürfte in den kommenden Jahren sukzessive abnehmen, da große Anteile des deutschen Waldes in den Nachkriegsjahren aufgeforstet wurden und diese Wälder aufgrund ihres Alters mittlerweile abnehmende Holzzuwachs- und damit auch Kohlenstoffbindungsraten aufweisen (BMEL 2021, S. 20).

[2] Der BWE (2019, S. 5) gab auf Basis seinerzeit aktueller Vorhaben 0,7 bis 0,9 Hektar dauerhaft und weitere 0,2 bis 0,5 Hektar temporär benötigter Fläche an.

[3] In einigen Bundesländern ist auch ein finanzieller Ausgleich durch Zahlung einer zweckgebundenen Wald­erhaltungsabgabe möglich, wenn zum Beispiel Ersatzaufforstungen mangels geeigneter Flächen nicht möglich sind.

[4] Der BWE (2021, S. 10 f.) nimmt ebenfalls eine Bilanzierung vor, allerdings anhand von Gesamtspeicher- bzw. -einsparmengen an CO2 im Jahr 2020. Die Zahlen sind aufgrund anderer Zeitbezüge und anderer zugrunde liegender Quellen nicht mit den nachfolgenden Zahlen vergleichbar.

[5] Ein Kilogramm Kohlenstoff entspricht aufgrund der molaren Massenverhältnisse 3,67 Kilogramm Kohlendioxid.

[6] Hierbei wurden auch die vermiedenen CO2-Äquivalente für CH4, SO2 und N2O mit einbezogen.

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Literaturverzeichnis

BMEL − Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2021): Waldstrategie 2050 - Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderung und Chancen für Mensch, Natur und Klima. Bonn. 56 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


BWE − Bundesverband WindEnergie (2021): Windenergie im Forst. Wie Windenergie einen Beitrag zum Waldschutz leistet. Berlin. 25 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


BWE − Bundesverband WindEnergie (2019): Windenergie in Nutzwäldern. Informationspapier. Stand März 2019. Berlin. 8 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


Correctiv (2019): Faktencheck: Nein, der abgeholzte Wald für eine Windkraftanlage nimmt nicht mehr CO2 auf, als die Anlage vermeiden kann. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 20.02.2024).

FA Wind – Fachagentur Windenergie an Land (2023): Entwicklung der Windenergie im Wald. Ausbau, planerische Vorgaben und Empfehlungen für Windenergiestandorte auf Waldflächen in den Bundesländern. Stand: 03.08.2023. 8. Auflage. 50 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


Lauf, T., Memmler, M., Schneider, S. (2023): Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger. Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2022. Climate Change 49/2023. UBA – Umweltbundesamt (Hrsg.). 168 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2024): KNE-Auswahlbibliografie Windenergienutzung auf Waldstandorten. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2021): Anfrage Nr. 278 zu Studien für eine naturverträgliche Windenergienutzung auf Waldstandorten (online). Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.02.2024).


Statista (2024): Anteil der Waldfläche in Deutschland in den Jahren von 2008 bis 2022. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 20.02.2024).