21.09.2021

Zukunftsweisende Naturschutzverständnisse – ein Debattenbeitrag aus dem Bundesamt für Naturschutz

KNE-Lesetipp

Dr. Uta Eser wirft in ihrem Artikel die Frage auf, wie angesichts der globalen anthropogenen Dynamik ein neues Naturschutzverständnis beschaffen sein könnte. Der Artikel ist ein aufschlussreicher Debattenbeitrag über die einem ständigen Wandel unterworfenen Beziehungen zwischen Mensch und Natur.

Die Autorin skizziert die Kontroversen um Naturverständnisse der letzten Jahrzehnte. So wurde zum Beispiel darüber gestritten, ob große, zusammenhänge Schutzgebiete oder viele kleine besser sind, um möglichst viele Arten zu erhalten. Eine weitere Kontroverse betraf das räumliche Verhältnis von Nutzung und Schutz. Nach segregativen Naturschutzmodellen soll sich die Landschaft in intensiv genutzte Räume und Vorranggebiete für den Naturschutz gliedern. Gemäß dem integrativen Modell soll durch extensive Nutzung ein flächenhafter Naturschutz ermöglicht werden. Weiterhin stehen sich dynamische und statische Schutzkonzepte gegenüber. Biotope können beispielsweise konserviert oder durch Wiederansiedlungen verändert werden. Die passende Schutzstrategie muss im Einzelfall bestimmt werden.

Die Autorin plädiert dafür, die dargestellten Strategien nicht als gegensätzlich, sondern als komplementär zu verstehen. Nur ein plurales Verständnis von Natur könne den vielfältigen Praxisformen und Wertvorstellungen gerecht werden. Dazu gehört auch ein relationaler Naturbegriff: Der Fokus des Naturschutzes läge nicht ausschließlich auf dem Menschen oder auf der Natur. Vielmehr gehe es um die Qualität der Beziehungen zwischen Mensch und Natur. Zugleich stehe der Naturschutz in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen umfassen den Biodiversitätsschutz unter Wasser und an Land. Doch auch die anderen Ziele könnten nicht losgelöst davon erreicht werden.

Zwölf Thesen eines zukunftsweisenden Natur(schutz)verständnisses

Die Autorin stellt zwölf Thesen eines zukunftsweisenden Natur(schutz)verständnisses vor, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Naturschutz und weitere Naturschutzexperten und -expertinnen in einem zweijährigen Prozess erarbeitet haben. Sie betreffen die Bedeutung von Naturschutz, Naturschutzkommunikation, Naturschutzkonflikte und ausgewählte Politikfelder. Zielkonflikte zwischen Natur- und Umweltschutz – etwa zwischen Klimaschutz und Artenschutz – sollten möglichst auf übergeordneter Ebene gelöst werden, so eine der Thesen. Parallel zur Umstellung auf erneuerbare Energien sollten stets auch Energieeinsparpotenziale berücksichtigt werden, um die Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu reduzieren. Außerdem sollte auf Synergien wie den Erhalt und die Renaturierung kohlenstoffreicher Ökosysteme gesetzt werden.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Form von Windenergie- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen kann Arten und Habitate beeinträchtigen. Definitiv verändern derartige Anlagen bereits jetzt und auch in Zukunft zunehmend das Landschaftsbild unserer Natur- und Kulturlandschaft. Angesichts der dramatischen Folgen des Klimawandels müssen wir uns auch in Deutschland fragen, welche Naturschutzstrategien wir zukünftig verfolgen sollten. Der Aufruf zu einer aktiven Beteiligung an der andauernden Debatte kommt daher zu einem passenden Zeitpunkt.

Quelle: Eser, U. (2021): Natur(schutz) im Wandel. Ein Werkstattbericht aus dem Bundesamt für Naturschutz. Natur und Landschaft 96 (5). S. 261–268.

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