25.02.2021

Paint it black? Norwegische Studie zur Reduktion von Kollisionsrisiken an Windenergieanlagen nicht auf Deutschland übertragbar

Workshop empfiehlt weitere Forschung zu Wirksamkeit und Umsetzung auf deutschen Standorten

Im vergangenen Juli erhielt eine Studie des namhaften Norwegian Institute for Nature Research (NINA) viel Aufmerksamkeit: In einem großen norwegischen Windpark mit einer sehr hohen Brutdichte von Seeadlern hatte sich gezeigt, dass die schwarze Lackierung eines Rotorblattes (im Vergleich zu rein weißen Rotorblättern) zu einer deutlichen Reduzierung der Kollisionsraten führte. Über alle Vogelarten hinweg konnte die durchschnittliche jährliche Kollisionsrate um 72 Prozent reduziert werden.

In einem gemeinsamen Workshop des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende und des Bundesamtes für Naturschutz mit fast 30 Expertinnen und Experten und einer Diskussionsveranstaltung mit über 130 Teilnehmenden wurden diese Ergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Im Ergebnis lässt sich festhalten: Der norwegische Ansatz ist nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar.

„Die Anlagendimensionen, das Artenspektrum und auch die Brutsituation weichen in Norwegen deutlich von den Rahmenbedingungen in Deutschland ab“, betonte KNE-Expertin Dr. Elke Bruns. „Gleichwohl klingt die Maßnahme vielversprechend. Ob sich Vögel bei der Annäherung auf eine Windenergieanlage mit einem schwarzen Rotorblatt signifikant anders verhalten als bei den für Deutschland typischen rot-weißen Blattspitzen, sollte daher erforscht werden. Man könnte dadurch wertvolle Erkenntnisse über das Ausweichverhalten kollisionsempfindlicher Arten gewinnen, die auch für die Beurteilung der Kollisionswahrscheinlichkeit von Bedeutung sind“, so Bruns.

Allerdings meinte Kathrin Ammermann (Bundesamt für Naturschutz): „Ein zeitnaher Nachweis einer Wirksamkeit der Maßnahme ‚schwarzes Rotorblatt‘ in Deutschland ist angesichts zahlreicher offener Fragen zum Beispiel zum Artenspektrum, zu möglichen Untersuchungsmethoden, zur Anzahl an Standorten usw. nicht zu erwarten. Denkbar wäre die Konkretisierung möglicher Untersuchungen über eine Machbarkeitsstudie.“

Boris Stemmer (Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe) ging auf die visuellen Auswirkungen schwarzer Rotorblätter ein: „Jedwede Maßnahme zum besseren Vogelschutz ist grundsätzlich zu begrüßen. In diesem Fall ist jedoch zu befürchten, dass der bessere Schutz der Avifauna mit erheblichen negativen Wirkungen auf das Wahrnehmen und Erleben von Natur und Landschaft erkauft wird. Zur tatsächlichen Abschätzung visueller Wirkungen wäre eine empirisch-sozialwissenschaftliche Studie durchzuführen. Wenn mit dem schwarzen Anstrich mit Windenergieanlagen zwar in Bereiche vorgedrungen werden kann, die bisher aus Artenschutzgründen nicht nutzbar waren, sollte andererseits nicht erwartet werden, dass dadurch die Akzeptanz der Energiewende maßgeblich verbessert wird. Denn die naturschutzfachlich wertvollen Bereiche sind häufig auch für das Landschaftserleben besonders wichtig.“

Bernhard Stoevesandt (Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme) wies auf technische Fragen hin: „Rotorblätter sind strukturell hochbelastete Bauteile. Schwarze Rotorblätter sind eine bisher ungeklärte technische Herausforderung, da die Erhitzung durch Sonnenstrahlung sich signifikant auf die Struktur auswirken könnte. Wenn das Konzept angewendet werden soll, ist auf jeden Fall noch viel zu klären.“

Im Hinblick auf die Konformität mit den Vorgaben der Flugsicherung berichtete Herr Berger von der in Niedersachsen zuständigen Luftfahrtbehörde, dass Ausnahmen von der bestehenden rot-weißen Kennzeichnungspflicht in Einzelfällen denkbar seien – zumindest in Niedersachen. Für andere Länder könne er nicht sprechen. Wolle man eine Schwarzfärbung bei allen zukünftig zu genehmigenden Windenergieanlagen einsetzen, sei es notwendig, zuvor die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen zu ändern. Hierfür sei das Bundesverkehrsministerium zuständig.

Die Expertinnen und Expertinnen waren sich einig: Es ist unwahrscheinlich, dass sich in Deutschland in naher Zukunft schwarze Rotorblätter drehen werden. Der Ansatz sei es aber allemal wert, weiter erforscht zu werden. Zu der Frage, ob eine schwarze Einfärbung eines einzelnen Rotorblattes zu Akzeptanzproblemen für die Windenergie vor Ort führen könne, führte Jan Hildebrandt vom Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme aus, dass Akzeptanz in der Bevölkerung nicht allein von der Landschaftsbildveränderung abhänge. Dieser Aspekt könne von anderen Akzeptanzfaktoren überlagert werden. Insofern bestünde nicht zwingend ein direkter Zusammenhang.

Hintergrund

Die insgesamt einen Zeitraum von elf Jahren umfassende Untersuchung wurde im Windpark „Smøla“ durch eine Forschergruppe um Dr. Roel May vom Norwegian Institute for Nature Research (NINA) durchgeführt. Im Gegensatz zum dünn beziehungsweise gar nicht besiedelten norwegischen Versuchsstandort stehen in Deutschland die meisten Anlagen nicht fernab von Siedlungen.

Video: Simulation von Windenergieanlagen mit einem schwarzen Rotorblatt

Die im Auftrag des KNE vom Büro Lenné3D erarbeitete Animation simuliert vergleichend Wind-energieanlagen mit der heute in Deutschland üblichen Flugsicherheitskennzeichnung und solche mit einem schwarzen Rotorblatt. Die dargestellten Anlagen entsprechen am Markt erhältlichen Modellen eines deutschen Anlagenherstellers. Sie haben eine Gesamthöhe von 230 Metern, eine Gondelhöhe von 160 Metern und 70 Meter lange Rotorblätter. Auch die Anordnung der Anlagen entspricht einem realistischem Windpark-Design mit einem hier 5-fachen seitlichen Rotor-Abstand. Die Entfernungen der Anlagen vom Betrachter bzw. von der Kamera betragen jeweils 1.000, 2.000 und 3.000 Meter. Im Video drehen sich die Rotoren mit 10 Umdrehungen pro Minute, was einem Betrieb bei mittlerer Windgeschwindigkeit entspricht. © Copyright Lenné3D GmbH.