Berlin, 25. Juli 2023

Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur

Extrakte aus der EU 07/23

Mit einer knappen Mehrheit hat das EU-Parlament am 12. Juli 2023 seinen Standpunkt zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur angenommen (336 Ja-Stimmen, 300 Gegenstimmen und 13 Enthaltungen). Nach der Annahme des Standpunktes ist das Europäische Parlament nun bereit, Verhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union über die endgültige Form der Rechtsvorschriften aufzunehmen.

Zum Hintergrund der Verordnung: Die Biodiversität in Europa nimmt trotz vielfältiger Bemühungen der Mitgliedstaaten stetig ab und zeigt in weiten Teilen Europas eine zunehmend negative Entwicklung. Über 80 Prozent der geschützten Lebensräume und Arten weisen aufgrund anhaltender Belastungen durch Veränderungen in der Land- und Meeresnutzung, durch Übernutzung und durch nicht nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken einen schlechten oder bedenklichen Zustand auf (vgl. EEA Report No 10/2020). Die Verbesserung des Zustands der Ökosysteme ist unerlässlich, um dem Biodiversitätsverlust Einhalt zu gebieten, um unverzichtbare Ökosystemleistungen zu sichern, die für das Wohlergehen der Menschen notwendig sind, und um den Klimaschutz sowie die Anpassung an den Klimawandel zu fördern.

Wiederherstellungsziele

Der ursprüngliche Verordnungsentwurf der EU-Kommission vom 22. Juni 2022 legt ergänzend zu geltenden Rechtsinstrumenten (u. a. Vogelschutz- und Habitatrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie) verbindliche Wiederherstellungsziele und -verpflichtungen für ein breites Spektrum an Ökosystemen fest. Für Land-, Küsten- und Süßwasserökosysteme und Meeresökosysteme (Artikel 5) sind quantitative und qualitative Wiederherstellungsziele (Artikel 4 und 5) formuliert. In städtischen Ökosystemen wird angestrebt, einen Nettozuwachs an städtischen Grünflächen und Baumüberschirmungen zu erreichen (Artikel 6). Für Flusslebensräume und -ökosysteme ist die Vernetzung von Flüssen und die Wiederherstellung von Überschwemmungsflächen zu fördern (Artikel 7).  Ziel ist es, den Rückgang der Bestäuberpopulation bis 2030 umzukehren und anschließend einen positiven Trend zu erreichen (Artikel 8). In Agrarökosystemen sollen die biologische Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen erhöht und entwässerte Moorflächen wiedervernässt werden. Für Waldökosysteme wird angestrebt, die biologische Vielfalt zu steigern und eine positive Entwicklung des Zustands der Wälder zu erreichen (Artikel 10). Die Regelungen enthalten konkrete Vorgaben, was die Mitgliedstaaten bis zu welchem Zeitpunkt erreichen müssen. Zusammengenommen sollten sich diese Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU und bis 2050 auf alle Ökosysteme erstrecken, bei denen eine Wiederherstellung erforderlich ist.

Der Kommissionsvorschlag wurde vom Europäischen Parlament allerdings deutlich abgeschwächt. Unter anderem verwarf das Parlament in seiner Position den vorgeschlagenen Artikel über die Wiederherstellung landwirtschaftlicher Flächen, der auch die Wiederherstellung von Torfmooren einschließt, wodurch ein wesentlicher Hebel, um dem Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken, entfällt. Das Weiteren wurde ein Änderungsantrag angenommen, der die Umsetzung des Gesetzes verzögern würde, bis eine Bewertung des Gesetzes zur europäischen Ernährungssicherheit durchgeführt wurde.

Dennoch unterstrichen die EU-Abgeordneten mit der Annahme des Standpunktes, dass sie die Wiederherstellung der Ökosysteme als den Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt betrachten (PM EU-Parlament 07/2023). Es wurde zudem betont, dass der Gesetzentwurf weder die Schaffung neuer Schutzgebiete in der EU vorschreibe, noch den Ausbau erneuerbarer Energien behindere, da ein neuer Artikel hinzugefügt worden sei, in dem betont werde, dass solche Anlagen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Nach den Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union wird sich zeigen, was vom ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission letztendlich übrig bleiben wird.

Ab sofort informiert das KNE zu europarechtlichen Regelungen!

Europarechtliche Regelungen werden zunehmend wichtiger – auch  für die naturverträgliche Energiewende in Deutschland. Das KNE beschäftigt sich aufgrund der aktuellen Entwicklungen vertieft mit der Politik der EU-Institutionen. An dieser Stelle werden wir regelmäßig über die für die Akteure des Naturschutzes und der Energiewende relevanten Entscheidungen und Prozesse informieren. Wir starten daher mit der Ausgabe 07/23.

Fachkontakt
Thomas Schoder
Mitarbeiter Politikmonitoring
thomas.schoder@naturschutz-energiewende.de

Illustration: EU-Sterne auf blauem Grund