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Veröffentlicht
15.09.2022
Schlagworte
  • Fledermäuse
  • Kleinwindenergie
  • Kollisionsrisiko

Frage

Wie ist der Kenntnisstand zur Gefährdung von Fledermäusen durch Kleinwindenergieanlagen und wie kann ein effektiver Fledermausschutz an KWEA gewährleistet werden?

!Antwort

Fledermäuse gehören zu den potenziell an Windenergieanlagen kollisionsgefährdeten Arten. Während an Großwindenergieanlagen vor allem die im freien Luftraum jagenden und über längere Strecken ziehenden Arten betroffen sind (Brinkmann et al. 2011, Behr et al. 2015, Vogelschutzwarte Brandenburg online), sind aufgrund der geringeren Höhe von Kleinwindenergieanlagen (KWEA) insbesondere tieffliegende und strukturgebundene Arten potenziell gefährdet (vgl. NLT 2014).

In Deutschland werden üblicherweise Windenergieanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 50 Metern als KWEA bezeichnet, da es sich bis zu dieser Schwelle nicht um genehmigungspflichtige Anlagen nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) handelt.[1] Die Genehmigung von KWEA ist in den einzelnen Landesbauordnungen geregelt. Sehr kleine Anlagen unter 10 Metern Gesamthöhe (auch als Kleinstwindenergieanlagen oder Mikrowindenergieanlagen bezeichnet) sind in den meisten Bundesländern von der Genehmigung befreit.[2] In der Praxis sind die meisten KWEA in Deutschland kleiner als 30 Meter Gesamthöhe. Sie werden überwiegend durch Landwirtschafts- und Industriebetriebe installiert, die den erzeugten Strom direkt im Betrieb verwenden. (vgl. Jüttemann 2020a und 2020b)

Obwohl allein in Deutschland schätzungsweise 15.000 bis 20.000 KWEA in Betrieb sind[3] und im Sinne einer dezentralen Energiewende von einem hohen Ausbaupotenzial ausgegangen wird, existieren bislang nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen auf Fledermäuse (und andere Artengruppen).

In zwei vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) geförderten Forschungsvorhaben wurden nun weitere Grundlagendaten zur Kollisionswahrscheinlichkeit von Fledermäusen an KWEA in Nord- und Süddeutschland erhoben (Hartmann et al. 2021a, Thomson et al. 2020). Darüber hinaus gibt es einige Veröffentlichungen aus Großbritannien, die sich mit den Auswirkungen von KWEA auf Fledermäuse beschäftigen (Moyle 2016, Minderman et al. 2012, 2015 sowie 2017, Tatchley 2015).

Wie ist der Kenntnisstand zur Gefährdung von Fledermäusen durch Kleinwindenergieanlagen?

Unabhängig von der Genehmigungspflicht nach BImSchG (siehe oben) gelten die Anforderungen des besonderen Artenschutzes nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) auch für KWEA.

Von besonderer Relevanz ist das Kollisionsrisiko, da eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für Exemplare der betroffenen Arten das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auslöst (vgl. Lukas 2022). In der Planungs- und Genehmigungspraxis von Windenergieanlagen (WEA) haben sich als Signifikanz-Schwellenwerte ein bis zwei Fledermaus-Schlagopfer pro Anlage und Jahr etabliert, ab deren Überschreitung der Verbotstatbestand der Tötung eintritt (beispielsweise LUBW 2014, ITN 2015).

Die BfN-Studie an den norddeutschen Standorten ergab insgesamt eine relativ geringe Fledermausaktivität, wobei das durch akustische Daueraufzeichnungen bestimmte Artenspektrum über alle Standorte ähnlich war (Hartmann et al. 2021c, Thomson et al. 2020). Der Großteil der stereo-optisch erfassten Fledermausflugbahnen wurde in 10 bis 20 Metern Distanz zur Gondel aufgenommen, wobei sich die meisten Fledermäuse bodennah bis in Höhen von zehn Metern aufhielten (ebd.). Ein Erkundungsverhalten konnten die Wissenschaftler bei der manuellen Sichtung der Flugbahnen nicht feststellen. Fledermäuse, die sich dem Rotor horizontal bis auf mindestens 10 Metern näherten, passierten die KWEA meist im geradlinigen Flug (ebd.). Nur eine der 499 stereo-optisch erfassten Fledermausflugbahnen bewegte sich durch den Gefahrenbereich des Rotors, wobei die KWEA zu diesem Zeitpunkt außer Betrieb war (ebd.). Kollisionsopfer wurden bei den Schlagopfersuchen nicht entdeckt (ebd.). Aus der geringen Fledermausaktivität und dem an den KWEA beobachteten Fledermausverhalten resultiert für die Forschungsstandorte in Norddeutschland eine insgesamt geringe Kollisionsgefahr. Allerdings waren die in Norddeutschland untersuchten Anlagen alle bereits mehrere Jahre in Betrieb, weshalb eine Gewöhnung bzw. ein deutlich verringertes Erkundungsverhalten anzunehmen war. Dies wurde als eine Ursache für geringere Fledermausaktivität in Anlagennähe und somit auch niedrigen Kollisionsrisiken angenommen und zugleich als Notwendigkeit für weitere Untersuchungen an KWEA gesehen.

Diese wurden schließlich in Süddeutschland durchgeführt. Hier dokumentierte die Forschergruppe eine vergleichsweise hohe Fledermausaktivität im Nahbereich um die eingesetzten mobilen Kleinwindenergieanlagen (Hartmann et al. 2021a und 2021c). Auch Erkundungsverhalten (Richtungsänderungen zur gezielten Annäherung and die Rotoren) beobachteten die Wissenschaftler regelmäßig (ebd.). Am süddeutschen Standort unterschied sich außerdem die Artenzusammensetzung zwischen den Versuchsstandorten deutlich, abhängig davon, für welche Art im näheren Umkreis bedeutende Habitatstrukturen (Quartiere, Flugbahnen) vorhanden waren (ebd.). Unterschiede im Annäherungsverhalten wurden sowohl zwischen den registrierten Artengruppen als auch in Abhängigkeit des Betriebsmodus festgestellt (ebd.). Im Verlaufe des nur knapp 50 Stunden dauernden Experiments kollidierte eine Mückenfledermaus mit der KWEA. Durch die hohe Fledermausaktivität im Nahbereich der Anlagen und das beobachtete Erkundungsverhalten deuten die Ergebnisse insgesamt auf eine potenziell hohe Kollisionsgefahr von Fledermäusen an KWEA hin.

Die Unterschiede zwischen den norddeutschen und den süddeutschen Forschungsstandorten hinsichtlich einer potenziellen Kollisionsgefährdung für Fledermäuse durch KWEA führen die Forscherinnen und Forscher auf verschiedene mögliche Ursachen zurück:

  • Die KWEA in Norddeutschland weisen entsprechend den typischen naturräumlichen Gegebenheiten einen größeren Abstand zur Vegetation auf, wohingegen die KWEA in Süddeutschland explizit in Quartiernähe und an Flugstraßen platziert wurden.
  • Die nächstgelegenen Vegetationsstrukturen waren in Norddeutschland eher niedriger als in Süddeutschland, wodurch die Fledermäuse zu einer bodennäheren Flughöhe im Windschatten veranlasst wurden.
  • Artspezifische Verhaltensweisen können sich auf das Verhalten gegenüber KWEA auswirken. Beispielsweise wurden in Norddeutschland häufig Breitflügelfledermäuse beobachtet, die in niedriger Höhe über Viehweiden flogen und dort vermutlich Dungkäfer jagten.
  • Mögliche Unterschiede im Erkundungsverhalten könnten darin begründet sein, dass die untersuchten KWEA in Norddeutschland bereits mehrere Jahre im Betrieb waren, wohingegen die Anlage in Süddeutschland jeweils für das Experiment aufgestellt wurde und für die Fledermäuse somit ein neues Objekt in ihren Jagd- oder Transfergebieten darstellte. (ebd.)

Hartmann et al. (2021c) schlussfolgern aus den vorliegenden Forschungsergebnissen, dass die in der Genehmigungspraxis angewendeten Schwellenwerte zur Beurteilung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos teilweise auch durch KWEA überschritten werden könnten – insbesondere, wenn die Anlagen an Orten mit hoher Fledermausaktivität platziert werden. Besonders kritisch seien Standorte in Quartiernähe oder im Bereich von Flugstraßen. (ebd.)

Moyle (2016) ermittelte auf Grundlage von systematischen Schlagopfersuchen und schriftlichen Befragungen an kleinen bis mittelgroßen WEA[4] eine durchschnittliche Fledermaus-Schlagopferrate von 0,81 pro Anlage und Jahr. Aufgrund von Unsicherheiten könnte diese unter worst-case-Annahmen jedoch auch deutlich höher sein (bis zu 15). (ebd., S. 190). Dass diese Schätzung im Extremfall plausibel sein kann, zeigen Ergebnisse einer Einzelfallstudie aus der Schweiz. Alder (2017) ermittelte hier mittels Wärmebildkamera an einer aus drei Rotoren bestehenden 25 Meter hohen KWEA mit jeweils 13,5 Metern Rotordurchmesser am Rande eines Industriegebietes insgesamt acht Fledermaus-Kollisionen und vier Abstürze innerhalb von knapp drei Monaten. Allerdings wurden auch über 200 Ausweichmanöver erfasst – alles bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 2,5 Meter pro Sekunde.

Neben dem Kollisionsrisiko sind auch indirekte negative Auswirkungen auf Fledermäuse denkbar, wie der Verlust von Habitaten und Jagdrevieren durch ein Meideverhalten an KWEA. Artenschutzrechtlich relevant ist diesbezüglich insbesondere das populationsbezogene Störungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Die wenigen existierenden Studien kommen zu differenzierten und teils heterogenen Ergebnissen. Minderman et al. (2012) identifizierten ein Meideverhalten von Fledermäusen im Abstand von bis zu 25 Metern zu in Betrieb befindlichen KWEA. Dieses wurde für hohe Windgeschwindigkeiten auch von Moyle (2016) bestätigt. Tatchley (2015) und Minderman et al. (2017) identifizierten für einzelne Fledermausarten Meideeffekte von bis zu 60 bzw. 100 Metern. Der Effekt war jedoch auch bei diesen Untersuchungen im 25-Meter-Abstand am größten. Bei niedrigen Windgeschwindigkeiten ermittelte Moyle (2016) hingegen höhere Fledermausaktivitäten in Anlagennähe als an Referenz-Standorten ohne WEA, was wiederum ein Indiz für eine mögliche Kollisionsgefährdung sein könnte.

Hartmann et al. (2021a und 2021c) konnten in dem süddeutschen Forschungsprojekt kein Meideverhalten nachweisen. Vielmehr registrierte die Forschergruppe ein erhöhtes Erkundungsverhalten, wenn die Rotoren sich langsam drehten. So flogen die Fledermäuse im Durchschnitt 0,4 Meter näher an die Anlage, wenn sich diese im Stillstand befand und 0,3 Meter näher bei langsamer Rotorgeschwindigkeit im Vergleich zu der als Referenz verwendeten Teleskopstange. Bei höheren Rotorgeschwindigkeiten war der mittlere Minimalabstand ähnlich zu dem durchschnittlichen Minimalabstand an der Teleskopstange. (ebd.) An den norddeutschen Standorten stellten die Forscherinnen und Forscher keinen Unterschied zwischen KWEA mit drehenden und stillstehenden Rotoren fest (Hartmann et al. 2021c, Hochradel et al. 2021, Thomsen et al. 2020).[5]

Mit welchen Maßnahmen kann ein effektiver Fledermausschutz an KWEA gewährleistet werden?

Um das Eintreten der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG zu vermeiden, werden in der Literatur verschiedene Maßnahmen zum Fledermausschutz an KWEA diskutiert, die sich jedoch hinsichtlich ihrer Vermeidungswirksamkeit und ihrer Umsetzbarkeit in der Praxis unterscheiden.

Abstände von fledermausrelevanten Strukturen

Wenn der Fledermausschutz bei der Standortwahl berücksichtigt wird, kann das Kollisionsrisiko für Fledermäuse gesenkt werden (Hartmann et al. 2021a, 2021b und 2021c). Zugleich würden damit mögliche Störungseffekte verringert.

Minderman et al. (2012) und Moyle (2016) schlagen auf Grundlage von akustischen Erfassungen der Fledermausaktivität einen Mindestabstand von 20 Metern zwischen KWEA und den nächstgelegenen Strukturen vor. Dieser Abstand findet sich auch in einem KWEA-Leitfaden aus Rheinland-Pfalz (LUWG 2015). Der Niedersächsische Landkreistag empfiehlt auf Grundlage von Experteneinschätzungen in seiner Arbeitshilfe einen Mindestabstand von 75 Metern zu Gebäuden, Gehölzen und Gewässern (NLT 2014), ebenso wie das Fledermaus-Zentrum Bad Segeberg (Gloza-Rausch 2012).

Auch Hartmann et al. (2021c) empfehlen, dass KWEA abseits von für Fledermäuse relevanten Strukturen (Wälder, Waldränder, Feldgehölze, Streuobst, Einzelbäume, Gewässer, Gebäude und Straßenlaternen) errichtet werden sollten. Konkrete Abstandsempfehlungen konnten die Forscherinnen und Forscher aus den BfN-Projekten jedoch nicht ableiten, da der Forschungsansatz nicht darauf ausgerichtet war. Solche müssten sich laut Hartmann et al. (2021c) an dem vor Ort vorkommenden Artenspektrum orientieren, da Fledermausarten bei der Jagd unterschiedlich eng an die Vegetation gebunden sind. Durch eine gutachterliche Einschätzung auf Grundlage einer Begehung vor Ort könnten einzelfallspezifische Empfehlungen zur Platzierung der KWEA gegeben werden (ebd.).

In der Praxis ist zu beachten, dass die Anlagenbetreiber KWEA in aller Regel auf besitzeigenen Grundstücken in räumlicher Nähe zu den mit Strom zu versorgenden Betriebsgebäuden errichten (Jüttemann 2020b), was die Standortwahl mitunter einschränkt. Aufgrund des höheren Windpotenzials konzentriert sich die Windenergienutzung durch KWEA auf die windreichen Standorte in Norddeutschland (Thomsen et al. 2020). In den eher offenen Landschaften dürfte gleichzeitig das artenschutzrechtliche Konfliktpotenzial geringer sein als in strukturreicheren Landschaften (Hartmann et al. 2021c, Hochradel et al. 2021 und Thomsen et al. 2020). Die Kosten für eine fachgutachterliche Einschätzung zum Artenschutz müssten in die Wirtschaftlichkeitsberechnung der KWEA mit einbezogen werden (vgl. Gloza-Rausch 2012, Jüttemann 2020b).

Gewöhnungseffekte berücksichtigen

Hartmann et al. (2021c) vermuten, dass das Kollisionsrisiko kurz nach Inbetriebnahme der KWEA aufgrund des Erkundungsverhaltens der im Umfeld der Anlagen lebenden Fledermäuse am höchsten ist. Eine mögliche Vermeidungsmaßnahme könnte es deshalb sein, die KWEA nach der Installation zunächst nachts nicht in Betrieb zu nehmen. Wie lange dieser Gewöhnungszeitraum sein müsste, ist aus dem Experiment nicht abzuleiten. (Hartmann et al. 2021c) Außerdem zeigten Fledermäuse ein erhöhtes Erkundungsverhalten, wenn die Rotoren sich langsam drehten, weshalb durch die Maßnahme voraussichtlich kein umfassender Fledermausschutz gewährleistet werden kann (Hartmann et al. 2021a).

Abschaltungen

Abschaltungen der KWEA zu Zeiten mit hoher Fledermausaktivität könnte die Kollisionsgefahr für Fledermäuse wirksam reduzieren (Hartmann et al. 2021c). Bei Großwindanlagen gilt die Anwendung zeitweiser Abschaltungen als wirksamste Maßnahme, um die Kollisionsgefahr zu minimieren (vgl. Reinhard und Brinkmann 2018).

Auch für KWEA existieren Abschaltvorrichtungen zum Fledermausschutz.[6] Die Steuerung erfolgt über einfache Abschalt-Algorithmen, bei denen mindestens die Jahres- und Tageszeit berücksichtigt werden, optional kombiniert mit Sensordaten zu Temperatur, Windgeschwindigkeit und teilweise Niederschlag. Durch die Speicherung von digitalen Betriebsprotokollen ist prinzipiell auch eine behördliche Kontrolle möglich.

Da bei KWEA der Schutz von in Bodennähe (unter 30 m Höhe) fliegender bzw. im Siedlungsgebiet lebender Fledermausarten im Fokus steht, und diese auch im Frühjahr und Spätherbst aktiv sind, ergeben sich im Vergleich zu Großwindanlagen verlängerte Standard-Schutzzeiten (vgl. LUWG RP 2015). Ein uneingeschränkter Betrieb wird in den Wintermonaten von Mitte November bis Mitte März empfohlen, wobei sich die einzelnen Quellen geringfügig voneinander unterscheiden (Gloza-Rausch 2012[7], LUWG RP 2015, NLT 2014). Im übrigen Zeitraum soll ein eingeschränkter Betrieb erfolgen, wobei die Anlage entweder pauschal nachts (von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang) abgeschaltet wird oder nachts eine spezifizierte Abschaltung auf Grundlage weiterer meteorologischer Parameter erfolgt. Nach LUWG RP (2015) und NLT (2014) ist dann lediglich ein Betrieb der KWEA bei Windgeschwindigkeiten über 7,5 Metern pro Sekunde und Temperaturen bis 10 Grad Celsius möglich. Gloza-Rausch (2012) empfiehlt, dass KWEA ab Windgeschwindigkeiten größer 5,5 Metern pro Sekunde oder Temperaturen unter 7 Grad Celsius oder bei Niederschlag laufen dürfen.

Bei der Anlagenplanung sollte der durch die Abschaltungen verminderte Stromertrag sowie die Kosten für die Abschaltautomatiken ebenfalls in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einfließen. Obwohl zum Fledermausschutz an KWEA in den Sommermonaten zeitlich umfangreiche Betriebseinschränkungen empfohlen werden, ist ein uneingeschränkter Betrieb zu den Hauptertragszeiten der Anlagen möglich (vgl. Jüttemann 2020a und 2020b). Nach Herstellerangaben beträgt der Minderertrag durch Abschaltzeiten maximal 5 Prozent.[8]

Die Ermittlung eines differenzierteren Abschaltalgorithmus auf Grundlage eines zweijährigen Gondelmonitorings nach Inbetriebnahme der Anlage (vgl. Brinkmann et al. 2011, Behr et al. 2018), das an großen WEA dazu entwickelt wurde, um längere Laufzeiten und somit Mehrerträge bei gleichem Fledermausschutz zu ermöglichen, erscheint für KWEA aufgrund der unterschiedlichen Anlagendimensionen nicht ohne weiteres übertragbar und aufgrund der damit verbundenen Kosten gegenüber den pauschalen Abschaltungen auch wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Obwohl bislang keine wissenschaftlichen Studien zur Anwendung von Abschaltzeiten an KWEA vorliegen, ist davon auszugehen, dass diese grundsätzlich auch an kleinen Anlagen wirksam sind. Abschaltungen sollten vor allem dann in Erwägung gezogen werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass durch den gewählten Standort auch tieffliegende und strukturgebundene Arten im Gefahrenbereich auftreten. Bei einer vorsorgeorientierten Umsetzung pauschaler Abschaltzeiten, die die Hauptaktivitätszeiten des gesamten potenziell auftretenden Artenspektrums abdecken, dürfte ein umfangreicher Fledermausschutz im Anlagenbetrieb gewährleistet werden, ohne dass gutachterliche Einschätzungen erforderlich wären.

Einhausung (Schutzgitter)

Der rheinland-pfälzische Leitfaden zur artenschutzfachlichen Beurteilung von KWEA (LUWG RP 2015) führt als Schutzmaßnahme die Einhausung der Rotoren mit einem Schutzgitter auf, das Fledermäuse (und Vögel) aus dem Gefahrenbereich fernhält. In der Praxis erscheint eine Umsetzung unpraktikabel. Bautechnisch ist eine derartige Schutzbox höchstens bei kleinen Dachanlagen denkbar, wobei die Montage auf Dächern an den wenigsten Standorten empfohlen werden kann (Jüttemann 2020b). Zudem verstärkt eine Einhausung die negativen Auswirkungen der KWEA auf das Landschaftsbild (vgl. LUWG RP 2015).

Fazit

Durch die geringe Höhe der KWEA sind vor allem tieffliegende und strukturgebundene Fledermausarten kollisionsgefährdet. Eindeutige Antworten, wie hoch das Gefährdungspotenzial für Fledermäuse an KWEA ist, lassen sich aus den existierenden Forschungsergebnissen nicht ableiten. Die Ergebnisse aus den ausgewerteten Studien deuten jedoch darauf hin, dass die in der Genehmigungspraxis angewendeten Schwellenwerte zur Beurteilung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos auch durch KWEA überschritten werden können – insbesondere, wenn die Anlagen an Standorten mit hoher Fledermausaktivität platziert werden. Wollte man die Kollisionsgefährdung von Fledermäusen an KWEA weiter quantifizieren, wären weitere wissenschaftliche Studien notwendig. Aus den Forschungsergebnissen ergeben sich jedoch Ansatzpunkte, welche Faktoren zu erhöhten Kollisionsrisiken führen können, und durch welche Maßnahme sich die Risiken minimieren lassen.

Wo möglich sollte der Fledermausschutz bei der Standortwahl berücksichtigt werden und KWEA abseits von für Fledermäuse relevanten Strukturen errichtet werden. Einheitliche Abstandsempfehlungen haben sich jedoch noch nicht herausgebildet. Gegebenenfalls kann bei der Platzierung eine fachgutachterliche Einschätzung hilfreich sein. Aufgrund des höheren Windpotenzials werden KWEA bevorzugt in windoffenen Landschaften errichtet. Allerdings dürften die bekannten Abstandsempfehlungen in der Praxis nicht immer umsetzbar sein. Die wirksamste Maßnahme zur Verringerung von Kollisionsrisiken an WEA sind Abschaltungen zu den Hauptaktivitätszeiten der Fledermäuse. Sind die KWEA technisch für eine solche Abschaltung vorbereitet und werden Schutzzeiten bzw. Parameter festgesetzt, die das gesamte potenziell betroffene Artenspektrum berücksichtigen, können Abschaltungen von KWEA auch ohne aufwändige gutachterliche Erfassungen einen umfangreichen Fledermausschutz im Anlagenbetrieb gewährleisten.

[1] Eine einheitliche Definition von Kleinwindenergieanlagen (KWEA) existiert nicht.

[2] Einen Überblick über die länderspezifischen Regelungen zur Genehmigung von KWEA findet sich auf der Homepage klein-windkraftanlagen.com, letzter Zugriff 12.09.2022.

[3] Erst seit 2014 werden installierte KWEA in Deutschland im Anlagenregister für Erneuerbare Energien statistisch erfasst (https://www.klein-windkraftanlagen.com/basisinfo/#tab-con-2, letzter Zugriff 12.09.2022).

[4] Moyle fasst unter mittelgroße WEA Anlagen mit einer Gesamthöhe von 30 bis 55 Metern.

[5] Sowohl für das süddeutsche als auch das norddeutsche Forschungsprojekt ist anzumerken, dass die Fledermausaktivität nur im Nahbereich der Anlagen erfasst wurde und nicht mit Referenzstandorten im weiteren Umfeld ohne KWEA verglichen wurde.

[6] Beispiel: Braun Windturbinen, Fledermaus-Schutzsteuerung (letzter Zugriff: 12.09.2022).

[7] Die Empfehlung beschränkt sich auf KWEA in Norddeutschland mit einer max. Nabenhöhe von 30m.

[8] Braun Windturbinen, Fledermaus-Schutzsteuerung (letzter Zugriff: 12.09.2022).

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Literaturverzeichnis

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