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Veröffentlicht
21.04.2022
Schlagworte
  • Agri-Photovoltaik
  • Photovoltaik

Frage

Was ist Agri-Photovoltaik, unter welchen Voraussetzungen ist sie förderfähig, und wie ist ihre Naturverträglichkeit einzuschätzen?

!Antwort

Im Eckpunktepapier vom 10. Februar 2022 von Bundeswirtschaftsministerium, Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium wurden Maßnahmen vorgeschlagen, wie der Ausbau von Photovoltaik im Einklang mit landwirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz vorangebracht werden kann. (BMWK, BMUV, BMEL 2022) Als Ansatzpunkt für eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wird unter anderem der Ausbau der sogenannten Agri-Photovoltaikanlagen (Agri-PV) genannt.

Kennzeichnend für die Agri-PV ist die sogenannte Doppelnutzung: Die verwendeten Flächen werden landwirtschaftlich und zugleich für die Solarstromgewinnung genutzt. (DIN SPEC 91434) Dies ist der wesentliche Unterschied zu herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen, die zwar auch auf landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden, eine Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung ist durch die niedrigen Module in der Regel aber ausgeschlossen. Allenfalls ist noch eine Pflegenutzung möglich.

Deutschlandweit wurden bisher nur wenige Agri-PV-Anlagen außerhalb von Forschungsprojekten errichtet, so dass sich für die Praxis viele Fragen zu den technischen Besonderheiten, zur Förderfähigkeit dieser Landnutzung und zu ihrer Naturverträglichkeit ergeben.

Was kennzeichnet Agri-PV?

Wesentliche Merkmale der Agri-PV sind in einer Vornorm, der DIN SPEC 91434 („Agri-Photovoltaik-Anlagen – Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung“) benannt. Eine DIN SPEC ist als Vorläufer einer regulären Norm zu verstehen, die von Interessenvertretungen einer Branche formuliert wird. Eine DIN SPEC kann die Basis für eine spätere DIN-Norm sein. Im vorliegenden Fall waren 15 Wissenschafts- und Praxispartner überwiegend aus dem PV-Sektor sowie das Deutsche Institut für Normung am Prozess beteiligt. Die in der Norm beschriebenen Qualitätskriterien für den Bau und den Betrieb von Agri-PV-Anlagen sollen die Grundlage zur Prüfung im Rahmen der Genehmigungsverfahren bilden.

Bei Agri-PV steht die landwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund, die Energieerzeugung ist dieser nachgeordnet. (ebd.) Als landwirtschaftliche Tätigkeit gilt die Produktion oder der Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse bzw. die Erhaltung von Flächen in einem guten landwirtschaftlichen (und ökologischen) Zustand, entsprechend den Cross-Compliance-Vorschriften der Europäischen Union und den jeweiligen Regelungen der Länder. (ebd.) In der Vornorm wird vorgeschlagen, die landwirtschaftliche Nutzung im Einzelfall in einem landwirtschaftlichen Nutzungskonzept genau zu beschreiben. (Fraunhofer ISE 2022)

Für die Kombination mit der Solarenergieerzeugung kommen in Abhängigkeit von den standörtlichen Einstrahlungs- und Klimaverhältnissen Dauerkulturen und mehrjährige Kulturen sowie einjährige und überjährige Kulturen in Frage. (Fraunhofer ISE 2022) Zu beachten ist dabei, dass PV-Anlagen generell für eine Nutzungsdauer von mindestens 20 Jahren ausgelegt sind. Durch den erforderlichen Fruchtwechsel in der landwirtschaftlichen Produktion muss unter einer Agri-PV-Anlage der Anbau verschiedener Kulturpflanzen möglich sein und damit verbunden auch der Einsatz von sehr unterschiedlichen landwirtschaftlichen Geräten. (Hübner & Hardeweg 2020)

Der Ertrag der Kulturen unter den Modulen soll laut DIN SPEC mindestens 66 Prozent eines festgelegten Referenzertrages erreichen. Als Referenzertrag werden hier ein dreijähriger Durchschnittswert derselben landwirtschaftlichen Fläche oder vergleichbare Daten aus Veröffentlichungen vorgeschlagen. (Fraunhofer ISE 2022)

Welche Anlagen- und Nutzungskategorien gibt es?

Die DIN SPEC unterscheidet zwei Kategorien von Anlagentypen: die hochaufgeständerte und die bodennahe Agri-PV.

Bei einer hohen Aufständerung findet die landwirtschaftliche Hauptnutzung unter den Modulen statt. Die Aufständerung hat eine lichte Höhe von mindestens 2,10 Metern über dem Boden. Die Ausrichtung der Module, ihre Platzierung und der Überstellungsgrad der Fläche sind jedoch variabel. Mit Ausnahme der Ständerfläche kann die gesamte Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Der Verlust an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche durch die baulichen Anlagen darf höchstens zehn Prozent der Gesamtprojektfläche betragen.

Bei bodennahen Anlagen erfolgt die landwirtschaftliche Hauptnutzung zwischen den Modulen. Die Module können entweder schräg oder vertikal ausgerichtet oder auch verstellbar sein. Der Verlust an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche durch die baulichen Anlagen darf hier mit höchstens 15 Prozent der Gesamtprojektfläche etwas höher sein.

Auf welchen Flächen soll Agri-PV förderfähig werden?

Laut Eckpunktepapier (BMWK, BMUV, BMEL 2022) sollen Agri-PV-Anlagen zukünftig auf allen landwirtschaftlichen Flächen grundsätzlich zulässig sein. Schutzgebiete, Grünland oder naturschutzrelevante Ackerflächen bleiben dabei aus Natur- und Klimaschutzgründen allerdings ausgeschlossen. Eine Förderung von Agri-PV auf Moorböden ist zumindest derzeit nicht erlaubt. Hierfür spricht, dass die landwirtschaftliche Nutzung die für den Moorschutz notwendige Wiedervernässung der Fläche (mit für die CO2-Bindung benötigten hohen Grundwasserständen) verhindern könnte.

Zu möglichen Auswirkungen von großflächigen Überstellungen in der freien Landschaft auf Böden, Flora und Fauna besteht noch großer Forschungsbedarf. Nach Auffassung des KNE sollten Agri-PV-Anlagen daher vorerst auf solche Flächen gelenkt werden, auf denen keine zusätzlichen Konflikte mit dem Biodiversitätsschutz entstehen. Hierfür müsste allerdings noch konkretisiert werden, welche Schutzgebiets-, welche Grünland- und welche Ackertypen konkret ausgenommen sein sollten.

Was sollte beim Ausbau der Agri-PV aus Naturschutzsicht berücksichtigt werden?

Der Vorteil der Agri-PV besteht darin, die Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Solarstromerzeugung zu verringern. Mehr Landwirtinnen und Landwirte könnten bei entsprechender Förderung ihre Flächen auch für die Solarstromproduktion zu Verfügung stellen.

Hochaufgeständerte Anlagen bieten vor allem für Sonderkulturen Vorteile. Im Obst- und Weinbau können die Module vor Regen, Hagel oder auch Frost schützen. Sie ersetzen dann andere Schutzsysteme wie Folien oder Netze – vorausgesetzt, sie stehen dicht genug. (Wydra 2021, Schindele 2021)

Bodennahe vertikale Anlagen haben den Vorteil, dass sie – mit den geringsten Überstellungsanteilen – insgesamt nur wenig Fläche verbrauchen. Sowohl hochaufgeständerte als auch vertikale Anlagen können Windschutz bieten und der Austrocknung der Böden entgegenwirken. (Scharf et al. 2021)

Während Agri-PV Synergien zwischen Solarstromerzeugung und bestimmten Formen der Nutzpflanzenproduktion schafft, ist dieser positive Zusammenhang für den Naturschutz nicht automatisch gegeben. Der Nutzen für den Naturschutz wird sich erst einstellen, wenn Agri-PV regelmäßig mit einer Umstellung auf eine extensivere oder ökologische Landwirtschaft verbunden wird. Schädliche Stoffeinträge in den Boden und in den Wasserhaushalt würden dadurch minimiert und mehr Lebensraum für die stark bedrohten Arten der Agrarlandschaft geschaffen. Bleibt die landwirtschaftliche Nutzung aufgrund der festgelegten und zwingend zu erreichenden Ertragsschwellenwerte oder Referenzerträge so intensiv wie zuvor, würde sich die Nutzung pro Flächeneinheit durch die Überlagerung eher verdichten, der Naturhaushalt würde – auch bilanziell – nicht entlastet.

Angesichts des Biodiversitätsrückgangs in der Agrarlandschaft empfiehlt das KNE , Agri-PV generell mit Extensivierungs- bzw. Agrarumweltmaßnahmen zu verknüpfen. Dann müssten die Referenzerträge auf diesen Flächen allerdings – im Interesse des Naturschutzes – gesenkt werden. Die bisher vorgesehenen Regelungen zur Höhe oder zum Anteil des landwirtschaftlichen Ertrags reizen jedenfalls eine intensive landwirtschaftliche Nutzung an.

Fazit

Die politischen Erwartungen an den Ausbau von Agri-PV sind hoch. Die tatsächlichen Ausbauperspektiven für Agri-PV können derzeit aber noch nicht abschließend eingeschätzt werden.

Es gibt einerseits Bedenken, dass die Agri-PV zu teuer ist und sich „nicht rechne“, so dass sie eher eine Nische bleibt. Andererseits äußern sowohl Naturschutz als auch Landwirtschaft Befürchtungen, dass die EEG-Förderung und die Bevorzugung der Agri-PV einen Boom erzeugen könnten, der bei mangelnder Steuerung zu Wildwuchs und zu unerwünschten Intensivierungseffekten, und damit weniger Naturschutz in der Landwirtschaft führt.

Das KNE empfiehlt, im EEG eine möglichst konkrete Festlegung zu treffen, welche Flächenkulisse für Agri-PV vorrangig genutzt werden sollte. Mit der Lenkung auf bereits intensiv genutzte Standorte, insbesondere auf solche mit Sonderkulturen, könnte unerwünschten Effekten gut vorgebeugt werden.

Konventionelle PV-Freiflächenanlagen, bei denen die bisherige intensive Bewirtschaftung durch eine Pflegenutzung oder durch Pflegemaßnahmen (Mahd) ersetzt wird, bieten nach Auffassung des KNE vorerst bessere Voraussetzungen für einen naturverträglichen und biodiversitätsfördernden Ausbau der Freiflächen-PV. Diesem Nutzungstyp sollte daher – aus Naturschutzsicht – im Vergleich zur Agri-PV der Vorzug gegeben werden.

 

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Literaturverzeichnis

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, BMUV – Bundesministerium für Umwelt Naturschutz nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Ausbau der Photovoltaik auf Freiflächen im Einklang mit landwirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz. Die Bundesregierung, Berlin. 2 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.04.2022).


DIN SPEC (2021): Agri-Photovoltaik-Anlagen - Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung (DIN SPEC 91434:2021-05). 26 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.04.2022).


Fraunhofer-ISE – Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (2022): Agri-Photovoltaik: Chance Für Landwirtschaft Und Energiewende – Ein Leitfaden für Deutschland. 2. Auflage. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg. 70 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.04.2022)


Hübner, S., Hardeweg, B. (2020): Gutachten im Auftrag des ISFH und des Instituts für Umweltplanung, Leibniz Universität Hannover. Hannover. In: Badelt, O., Niepelt, R., Wiehe, J., Matthies, S., Gewohn, T., Stratmann, M., Brendel, R. & Haaren, C. v. (2020): Integration von Solarenergie in die niedersächsische Energielandschaft (INSIDE). Institut für Solarenergieforschung GmbH Hameln/Emmerthal, Institut für Umweltplanung und Institut für Festkörperphysik der Leibniz Universität. Hannover. 128 S., Anhang. Link zum Dokument (Letzter Zugriff: 21.04.2022).


Schindele, S. (2021): Feldfrüchte und Strom von Agrarflächen: Was ist Agri-Photovoltaik und was kann sie leisten?. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society 30/2 (2021) S. 87-95. Oekom-Verlag. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.04.2022).


Scharf J., Grieb M., Fritz M. (2021): Agri-Photovoltaik - Stand und offene Fragen. Technologie und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe. Berichte aus dem TFZ 73. Straubing. 88 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.04.2022).


Wydra, K. (2021): Agrar-Photovoltaik: Landwirtschaft schützen – PV-Ausbauziele erreichen. Pflanzenproduktion im Klimawandel. Vortrag im Rahmen der Thüringer Erneuerbare Energien Konferenz. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.04.2022).