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Veröffentlicht
12.08.2021
Schlagworte
  • Fauna
  • Mäusebussard
  • Photovoltaik
  • Rotmilan
  • Vögel

Frage

Wie ist der Wissenstand zu den Auswirkungen von Solarparken auf die bisherige Funktion des Standortes als Nahrungshabitat für Greifvögel, und wie lassen sich etwaige Funktionsverluste vermindern oder gegebenenfalls kompensieren?

!Antwort

Zu den Auswirkungen von Solarparken im Hinblick auf deren Funktion als Nahrungshabitat für Greifvögel ist bisher wenig bekannt. Wissenschaftliche Studien, die dies systematisch und artspezifisch untersucht hätten, liegen uns nicht vor.

Ergebnisse von Herden et al. (2009, S. 59 ff.) aus drei Solarparken in Bayern belegen, dass Greifvögel Solarparke nicht prinzipiell meiden. Es wurden sowohl Jagdflüge (z. B. Mäusebussard und Turmfalke) zwischen und zum Teil unter Modulreihen, als auch (z. T. kreisende) Überflüge (Mäusebussard, Turmfalke, Sperber und Habicht) beobachtet. Die Ansitzjäger-Arten (z. B. Mäusebussard) nutzten sowohl die Zäune als auch die Photovoltaik-Module als Ansitzwarten.

In weiteren Studien (Neuling 2009; Tröltzsch und Neuling 2013; Raab 2015) sowie in vorhabenbezogenen Gutachten (z. B. Scheller, Mika und Köpke 2020, Teil B[1]) wurde Jagdverhalten von Greifvögeln in und über Solarpark-Flächen für die Arten Habicht, Sperber, Rotmilan, Schwarzmilan, Mäusebussard, Wespenbussard, Turm-, Wander- und Baumfalke beobachtet.

Ergänzend hat das KNE vier Greifvogel-Experten befragt, die sich professionell mit der Greifvogelerfassung bzw. dem Greifvogelschutz befassen. Auch sie bestätigten, in Solarparken in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hessen verschiedene Greifvogelarten beobachtet zu haben, und dabei keine prinzipielle Meidung der Solarparkflächen festgestellt zu haben. Sie beobachteten sowohl Überflüge als auch Jagdverhalten. Einer der Experten beobachtete auch in Solarparken jagende Rohr- und Wiesenweihen, was die Liste der oben genannten Arten erweitert. Ein anderer Experte berichtete davon, dass von ihm in Solarparken beobachtete Turmfalken und Mäusebussarde zwar die Umzäunung als Ansitz nutzten, dann allerdings von dort aus eher in den außerhalb des Solarparks gelegenen Flächen jagten.

Über die Eignung von Solarparken als Nahrungshabitat zeichneten die Experten ein artspezifisch differenziertes Bild. Einerseits verbessere sich das Nahrungsangebot in der Regel, da Solarparke prinzipiell gute Lebensräume für Kleinsäuger, kleinere Vögel, Insekten und andere Beutetiere von Greifvögeln bieten könnten. Insbesondere, wenn die Fläche strukturreich gestaltet und extensiv bewirtschaftet, Hecken gepflanzt und ein Blühangebot geschaffen würde, könnten sich viele Beutetierarten ansiedeln (vgl. auch Herden et al. 2009, Raab 2015). Andererseits werden durch die baulichen Anlagen die Einsehbarkeit und Zugänglichkeit vermindert, was sich nachteilig auswirke, insbesondere für die Greifvogelarten, die bevorzugt aus dem Sturzflug aus größeren Höhen jagen (z. B. Milane).

Alle Experten wünschten sich zur Vertiefung des Wissensstandes entsprechende Studien – optimalerweise Vorher-Nachher-Vergleiche.

Artspezifische Betrachtung

Nachfolgend soll exemplarisch auf die Arten Mäusebussard, Turmfalke, Rohr- und Wiesenweihe, Rotmilan, Habicht und Sperber eingegangen werden, weil diese in Deutschland mit am häufigsten vorkommen (Gerlach et al. 2019, S. 28 ff.) und auch von den Experten in Solarparken beobachtet wurden.

Mäusebussarde jagen vor allem im Offenland im Bereich von Wiesen, Weiden und Feldern, wobei ihre Hauptnahrung aus Kleinsäugern besteht (Mebs und Schmidt 2014, S. 361). Sie betreiben vornehmlich die Ansitzjagd, seltener jagen sie auch im niedrigen Suchflug, gelegentlich auch auf der Stelle stehend aus dem Rüttelflug (ebd. S. 362 f.). Turmfalken bevorzugen zum Nahrungserwerb offene Flächen mit niedriger Vegetation und jagen während der Brutzeit gleichermaßen im Rüttelflug und vom Ansitz aus (ebd., S. 456 und 458). Sie wurden von den befragten Experten im Solarpark und sogar unter den Modulen jagend beobachtet. Mäusebussarde und Turmfalken würden zudem die Module und Zäune gern als Ansitzwarten nutzen. Diese baulichen Elemente können somit die Nutzbarkeit von Solarparken – zum Teil aber auch der sie umgebenen Fläche – als Nahrungshabitat für diese Arten verbessern.

Weihen haben in der Regel einen sehr niedrigen Suchflug und sind wendig (ebd., S. 275, Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie E.V. Rheinland-Pfalz 2007, S. 7). Dadurch sollten sie in Solarparken gut jagen können, auch wenn sie normalerweise im offenen Gelände (Grünland, Brachen, Äcker) jagen (ebd.). In Brandenburg seien Rohr- und Wiesenweihen zwischen den Modulreihen fliegend beobachtet worden.

Habichte und Sperber haben laut den befragten Experten ebenfalls eine hohe Manövrierfähigkeit und könnten deswegen auch unter den Modulen durchfliegen und gut in Solarparken jagen. Beide Arten jagen bevorzugt in deckungsreichem Gelände, sowohl im niedrigen Suchflug als auch vom Ansitz aus. Als Nahrung bevorzugen beide Singvögel, wobei der Habicht mittelgroße Arten (z. B. Tauben, Eichelhäher, Drosseln und Stare) und der Sperber kleinere Arten (z. B. Sperlinge, Meisen, Finken) jagt (Mebs und Schmidt 2014, S. 296 f. und 309 f.) Als Nahrungshabitate dürften sich daher Solarparkflächen insbesondere dann eignen, wenn sich Hecken- und Saumstrukturen als Habitate für diese Beutetiere auf bzw. am Rande der Vorhabenfläche befänden.

Für den Rotmilan gestaltet sich die Situation laut den befragten Experten etwas schwieriger, weil er für die Jagd gut einsehbare und zugängliche Flächen brauche, da er die Jagdgebiete in großer Höhe überfliege, sich dann mit gespreizten Flügeln hinabstürze und ohne zu landen mit der Beute wieder aufsteige. Dafür werde Platz benötigt. Solarparke müssten daher Freiflächen am Rand oder in der Mitte aufweisen oder breite Reihenabstände haben. Bei Reihenabständen von fünf bis sechs Metern dürfte ausreichend Platz vorhanden sein. Zudem müsse die Vegetation kurzgehalten werden, damit die Beute sichtbar sei. Dies sollte in der Regel kein Problem sein, da in Solarparken meist zwei Mal im Jahr gemäht wird. Entsprechend gestaltete und gepflegte Solarparke würden dann für Rotmilane attraktivere Nahrungshabitate darstellen als intensiv genutzte Acker- oder Grünlandflächen.

Bei der Bewertung der Auswirkungen von Solarparken auf Rotmilane komme es laut den Expertenbefragungen darauf an, welche Bedeutung die Fläche vorher für die Nahrungssuche hatte und inwieweit die Nahrungssuche durch die Solarmodule eingeschränkt ist. Wenn der Fläche eine hohe Bedeutung zukam und in der näheren Umgebung das Nahrungsangebot sehr schlecht ist, sei der Habitatverlust für den Rotmilan mitunter gravierend und müsse ausgeglichen werden. Wenn in der Umgebung jedoch ausreichend Nahrungshabitate zur Verfügung stünden, bedrohe die Verschlechterung einer Teilfläche die Population wahrscheinlich nicht, solange im Umfeld strukturreiche Nahrungsflächen erhalten blieben.

Die Größe und Lage der Solarparke seien demnach mitunter an die Bedürfnisse der Rotmilane anzupassen. Eine Untersagung des Vorhabens aufgrund des Rotmilans sei aber in der Regel nicht gerechtfertigt, da auf den ersten Blick keiner der Verbotstatbestände nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz durch Solarparke erfüllt werde. Bei einer deutlichen Verschlechterung des Nahrungsangebotes könne diese durch die Schaffung bzw. Optimierung von Offenlandbiotopen kompensiert werden. Entsprechende Maßnahmenvorschläge finden sind zum Beispiel im Artenhilfsprogramm Rotmilan des Landes Sachsen-Anhalt (Mammen et al. 2014).

Zusammenfassung

Die bisherigen Untersuchungen deuten darauf hin, dass Solarparke prinzipiell als Nahrungsflächen für Greifvögel (weiterhin) infrage kommen, ihre Eignung aber von der Greifvogelart sowie der Ausgestaltung der Fläche abhängt. Je geringer die Flughöhe und je besser die Manövrierfähigkeit der Greifvogelarten, desto eher können die Arten auch in Solarparken jagen. Für Ansitzjäger kann sich die Nutzbarkeit der Flächen im Solarpark sowie der angrenzenden Flächen außerhalb als Nahrungshabitate durch die Vielzahl künstlicher Ansitzwarten erhöhen. Eine negative Betroffenheit könnte durch die verringerte Einsehbarkeit der Flächen für Rotmilane bestehen.

Der Erhalt der Funktion als Nahrungsfläche für Greifvögel dürfte von der Größe des Solarparks und der konkreten Gestaltung und Pflege der Vorhabenfläche einerseits sowie andererseits der Flächennutzung im weiteren Umfeld abhängen. Je höher die Bedeutung der Solarparkfläche als Nahrungshabitat und je größer die Vorhabenfläche, desto eher sind entsprechende Vermeidungsmaßnahmen auf der Vorhabenfläche notwendig, zum Beispiel:

  • Erhalt zusammenhängender, nicht überstellter Freiflächen am Rand oder im Zentrum und/oder
  • Einhalten größerer Abstände zwischen den Modulen bzw. Modulreihen.

Unterstützend können die Flächen im Solarpark so gestaltet und gepflegt werden, dass sich die Beutetiere (Kleinsäuger, kleinere Vögel und Insekten) ansiedeln und gut sichtbar sind. Hierfür bietet sich beispielsweise an, Hecken anzulegen und dadurch Strukturreichtum und Bruthabitate zu fördern. Der Bewuchs auf der Fläche sollte hingegen eher kurzgehalten werden. Werden diese (Vermeidungs-) Maßnahmen umgesetzt, kann die Notwendigkeit, externe Kompensationsflächen bereitzustellen, gesenkt bzw. auf solche Fälle reduziert werden, in denen großflächig essenzielle Nahrungsflächen verloren gehen.

Zur empirischen Untersetzung des bisherigen Wissensstandes und Klärung der Auswirkungen auf Greifvögel – einzelne Brutpaare und Populationen (Stichwort kumulative bzw. summarische Effekte) – wäre es erforderlich, entsprechende Forschungsvorhaben durchzuführen.

[1] Die Bearbeiter werteten insgesamt 27 nationale und internationale Quellen zu Greifvögeln und Solarparken aus, darunter auch zahlreiche (allerdings unveröffentlichte) Monitoring-Studien von Betreibern.

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Literaturverzeichnis

Gerlach, B., Dröschmeister, R., Langgemach, T., Borkenhagen, K., Busch, M., Hauswirth, M., Heinicke, T., Kamp, J., Karthäuser, J., König, C., Markones, N., Prior, N., Trautmann, S., Wahl, J., Sudfeldt, C. (2019): Vögel in Deutschland - Übersichten zur Bestandssituation. DDA - Dachverband Deutscher Avifaunisten e. V., Felsberg. 63 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Gesellschaft für Naturschutzund Ornithologie E.V. Rheinland-Pfalz (2007): Weihen-Kartierung für Wiesen-, Korn- und Rohrweihe in artrelevanten Gebieten im südlichen Rheinland-Pfalz. 45 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Herden, C., Gharadjedaghi, B., Rassmus, J. (2009): Naturschutzfachliche Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen. Endbericht. BfN-Skripten 247. Bonn. 195 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Mammen, U., Nicolai, B., Böhner, J., Mammen, K., Wehrmann, J., Fischer, S., Dornbusch, G. (2014): Artenhilfsprogramm Rotmilan des Landes Sachsen-Anhalt. Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 5. Halle. 163 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Mebs, T., Schmidt, D. (2014): Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Biologie, Kennzeichen, Bestände. Kosmos-Naturführer 2. 2. Auflage. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart. 496 S.

Neuling, E. (2009): Auswirkungen des Solarparks „Turnow-Preilack“ auf die Avizönose des Planungsraums im SPA „Spreewald und Lieberoser Endmoräne“. Bachelorarbeit. Fachhochschule Eberswalde. Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz. 135 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Raab, B. (2015): Erneuerbare Energien und Naturschutz – Solarparks können einen Beitrag zur Stabilisierung der biologischen Vielfalt leisten. ANLiegen Natur 37 (1). S. 67-76. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Scheller, W., Mika, F., Köpke, G. (2020): Studie zu Auswirkungen von Photovoltaik-Anlagen auf Schreiadlerlebensräume. Im Auftrag der BAUKONZEPT Neubrandenburg GmbH. Erstellt durch SALIX - Büro für Umwelt- und Landschftsplangung. 35 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).

Tröltzsch, P., Neuling, E. (2013): Die Brutvögel großflächiger Photovoltaikanlagen in Brandenburg. Vogelwelt 134 (3). S. 155-179. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.08.2021).