Kriterien für eine naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlage

Frage

An welchen Kriterien und Planungshilfen kann ich mich orientieren, wenn ich als Kommune mit einem Projektierer eine naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlage plane?

Vollständige Antwort

Für die Planung einer naturverträglichen Photovoltaik-Freiflächenanlage existieren bereits einige Kriterienkataloge von verschiedenen Akteuren, vor allem aus dem Bereich Naturschutz. Meistens wird zwischen der Standortwahl und der Ausgestaltung unterschieden.

1. Kriterien für eine naturverträgliche Standortwahl von Photovoltaik-Freiflächenanlagen

In vielen Planungshilfen (Badelt et al. 2020; Bund Naturschutz in Bayern e.V. 2009; BUND ST 2014; Demuth et al. 2019; Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag 2020; LfU Bayern 2014; UM BW 2018) wird eine Freihaltung von Nationalparks, Naturschutzgebieten, geschützten Biotopen und Landschaftsbestandteilen, Kernzonen von Biosphärenreservaten, Flächennaturdenkmalen, bedeutenden Gebiete für Zugvögel oder für den Biotopverbund, extensiven Grünländern und Niedermoorstandorten, Gewässern und Wasserschutzgebieten der Zone I, ertragsreichen Standorten sowie Bereichen von großer Bedeutung für die Erholung und den Freiraumverbund empfohlen.

NATURA 2000 Gebiete können laut einiger der genannten Planungshilfen unter Umständen genutzt werden, wenn die Photovoltaik-Freiflächenanlage sich mit dem Schutzzweck vereinbaren lässt. Ebenso können auch Teile einiger, vor allem großflächiger Landschaftsschutzgebiete je nach Aufstellungsweise und Modultyp für die Solarenergie nutzbar sein. In Biosphärenreservaten sind die äußeren Zonen teilweise nutzbar. Auch in Naturparks, regionalen Grünzügen, überschwemmungsgefährdeten Gebieten, Renaturierungsflächen, Wasserschutzgebieten, Vogelschutzgebieten, Räumen mit einem mittel- bis hochwertigem Landschaftsbild, Erholungsgebieten oder landwirtschaftlichen Gebieten ist die Installation einer Photovoltaik-Freiflächenanlage laut Einschätzung einiger Akteure unter Umständen denkbar.

Tendenziell positiv zu beurteilen sind vorbelastete Flächen wie Industriebrachen, alte Militärflächen, Altdeponien, ehemalige Rohstoff-Abbaugebiete, die Umgebung von Verkehrsflächen oder Versorgungsinfrastruktur, intensiv bewirtschaftete oder unwirtschaftliche Ackerflächen, große, vollversiegelte Flächen im Allgemeinen, landschaftsästhetisch vorbelastete Flächen oder Flächen der Zone III von Wasserschutzgebieten.

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Lokal oder regional kann es geboten sein, weitere Flächen freizuhalten, wenn ansonsten andere öffentliche Belange beeinträchtigt werden würden.

2. Kriterien für eine naturverträgliche Ausgestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen

Regelmäßig angesetzte Kriterien für eine naturverträgliche Ausgestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in den oben genannten Planungshilfen sind:

  • Freihaltung besonders wertvoller Bereiche und Erhalt besonders wertvoller Strukturen auf der ausgewählten Fläche.
  • Ermöglichung von Entwicklung der Flora und Fauna durch eine Überstellung von maximal 40 Prozent, eine Bodenversiegelung von höchstens 5 Prozent, einen Mindestabstand von 80 Zentimetern zwischen der Modulunterkante und dem Boden und einen Mindestreihenabstand von 3 Metern.
  • Durchgängigkeit des Geländes für den Biotopverbund sicherstellen (durch einen Mindestabstand von 15 Zentimetern zwischen Zaun und Bodenoberkante, Korridore für Großsäuger, oder eine Eingrünung der Anlage).
  • Anpassung der Modulhöhe und -ausrichtung, Einbindung der Anlage in die Landschaft durch eine sinnvolle Positionierung und Größe sowie eine naturräumlich angepasste Eingrünung zum Schutz des Landschaftsbildes.
  • Anpassung der Bauzeiten an die Phänologie der Flora und Fauna.
  • Minimierung der Bodeneingriffe, beispielsweise durch die Benutzung von Schutzmatten sowie den Verzicht auf die Befestigung der Wege oder das Einbringen von Fremdsubstraten.
  • Entwicklung eines Pflege- und Entwicklungskonzeptes mit einer regionalen Ansaat und Anpflanzung, einer extensiven Bewirtschaftung und einer Förderung der strukturellen Vielfalt.
  • Zur extensiven Bewirtschaftung ist zu prüfen, ob eine Beweidung mit Schafen infrage kommt. Falls nicht, sollte die Flächen maximal zwei Mal im Jahr gemäht werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Samen der Blühpflanzen bereits ausgefallen sind, und dass den Insekten nicht das gesamte Blühangebot auf einmal entzogen wird. Des Weiteren muss das Mahdgut zur Aushagerung der Fläche abtransportiert werden.
  • Umsetzung angepasster Maßnahmen zur Förderung einzelner Tierarten wie das Anbringen von Nisthilfen, das Anlegen von Steinhaufen, Totholzhaufen oder Kleingewässern.

3. Monitoring

Im Gegensatz zur Standortwahl und Ausgestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen liegen zum Monitoring bisher kaum Hinweise von Seiten des Naturschutzes oder der Politik und Verwaltung vor.

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft schlussfolgert in seinen Untersuchungen zur Biodiversität in Solarparks, dass es angemessen wäre, die Monitoringmethoden zu standardisieren und an die Methoden der Bestandserfassung anzupassen, stellt aber keine konkreten Methoden vor (Peschel et al. 2019, S. 48). Das Monitoring sollte sich sowohl auf den Solarpark als auch die Ausgleichsflächen beziehen (ebd.). Ziel ist es, die Entwicklung zumindest mittelfristig zu untersuchen und die Pflegemaßnahmen gegebenenfalls anzupassen (ebd.).

Im Austausch mit Forschungsnehmenden im Bereich der naturverträglichen Solarenergie ergab sich, dass es sinnvoll ist, bestimmte Kriterien für das Monitoring festzulegen, statt alle Arten jedes Jahr auf Individuenebene zu erfassen. Die Kriterien sollten die Umsetzung sowie den Erfolg der Maßnahmen bemessen. Denkbare Kriterien wären beispielsweise der Anteil von Charakterarten, Magerkeitszeigern, Neophyten oder Störanzeigern, aber auch die Ausprägung von Habitatschlüsselfaktoren oder das Vorkommen von Zielbiotopen. Neben den biotischen Faktoren sind aber auch andere Faktoren wie eine Einbindung in die Landschaft oder das Emissionsverhalten in Bezug auf die Anwohnenden und Naherholungssuchenden für ein Monitoring relevant (Herden et al. 2009, S. 146). In der Regel wird von einem Monitoring-Zeitraum von fünf Jahren ausgegangen.

Aus unserer Sicht ist eine umfangreiche Bestandsaufnahme vor dem Projekt die Grundlage für ein gutes Monitoring. Unterschiedlich gehandhabt wird, ob man im Rahmen des Monitorings die Entwicklung im Solarpark untersucht, oder ob man den Stand der Biodiversität im Solarpark mit dem in der Umgebung vergleicht.

Ein Monitoring ist bisher freiwillig, weswegen die Planungsträger eine vertragliche Vereinbarung (zum Beispiel im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages) mit den Projektierern treffen müssten, wenn sie ein Monitoring ebenfalls für sinnvoll erachten.

4. Weiterführende Informationen zum naturschutzfachlichen Konzept

Zur weiterführenden Lektüre empfehlen wir den Praxisleitfaden des Landesamtes für Umwelt Bayern sowie den des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Zudem sollten auch lokale oder regionale Naturschutzverbänden in die konkrete Umsetzung der Maßnahmen eingebunden werden. Diese kennen die örtlichen Gegebenheiten meist am besten und können sowohl die Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen als auch das Pflege- und Entwicklungskonzept und das Monitoring am besten auf die lokal vorkommenden Arten und die Landschaft abstimmen.

5. Weiterführende Informationen zu Festlegungsmöglichkeiten

Umso früher die Gemeinde bei der Planung der Anlage aktiv wird, desto mehr Möglichkeiten hat sie, die Naturverträglichkeit der Anlage sicherzustellen. Es wird im Allgemeinen empfohlen, dass die Kommune proaktiv ein Standortkonzept für potenzielle Photovoltaik-Freiflächen erarbeitet und die geeigneten Flächen im Flächennutzungsplan darstellt. Bei der Standortwahl sollte sie neben den naturschutzfachlichen Aspekten natürlich auch Kriterien wie den Netzanschluss oder dezentrale Abnahmemöglichkeiten sowie die Interessen der Anwohnenden berücksichtigen. Ebenso sind die Vorgaben der Raumordnung zu beachten.

Die Errichtung von Solarparks bedarf in der Regel der Aufstellung eines Bebauungsplanes. Im Bebauungsplan können die Aufstellungs- und Bauweise der Module, die freizuhaltenden Flächen, die Naturschutz- und Pflegemaßnahmen, die Umzäunung, der Rückbau und vieles weiteres von der Gemeinde festgesetzt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, besondere Anforderungen etwa in Bezug auf die landschaftliche Einbindung und Gestaltung oder besondere Aufwertungsziele und Maßnahmen im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu vereinbaren. Die spätere Baugenehmigung wird nur erteilt, wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplanes entspricht.

Quellen

Badelt, O., Niepelt, R., Wiehe, J., Matthies, S., Gewohn, T., Stratmann, M., Brendel, R., Haaren, C. Von (2020): Integration von Solarenergie in die niedersächsische Energielandschaft ( INSIDE ). Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, Hannover. 129 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 22.01.2021).

Bund Naturschutz in Bayern e.V. (2009): Weiterentwicklung der BN-Positionen zu Erneuerbaren Energien in den Bereichen Photovoltaik-Freiland-Anlagen und Windkraftwerken. Beschluss des BN-Landesbeirates 28. November 2009. 5 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 03.06.2020).

BUND ST − Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Sachsen-Anhalt (2014): Position des Landesverbandes Sachsen-Anhalt e. V. zu Photovoltaik und Naturschutz. Positionspapier. 14 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 03.06.2020).

Demuth, B., Maack, A., Schumacher, J. (2019): Klima- und Naturschutz: Hand in Hand. Ein Handbuch für Kommunen, Regionen, Klimaschutzbeauftragte, Energie-, Stadt- und Landschaftsplanungsbüros. Heft 6. Heiland, S. (Hrsg.). BfN – Bundesamt für Naturschutz, Bonn. 28 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 03.06.2020).

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag (2020): Positionspapier zur Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. 10 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 08.12.2020).

Herden, C., Rassmus, J., Gharadjedaghi, B. (2009): Naturschutzfachliche Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen. Bonn – Bad Godesberg. 195 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 18.06.2020).

LfU Bayern − Bayerisches Landesamt für Umwelt (2014): Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. München. 67 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 03.06.2020).

Peschel, R., Peschel, T., Marchand, M., Hauke, J. (2019): Solarparks – Gewinne für die Biodiversität. Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) e.V. (Hrsg.), Berlin. 68 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 03.06.2020).

UM BW − Ministerium für Umwelt Klima und Energiewirtschaft (2018): Hinweise zum Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Rundschreiben an die kommunalen Planungsträger. Stuttgart. 18 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 25.05.2020).