Auswirkung von Kleinwindenergieanlagen auf Vögel und Fledermäuse

Frage

Wie ist der Kenntnisstand zu Auswirkungen von Kleinwindenergieanlagen in Bezug auf Vögel und Fledermäuse? Welche rechtlichen und fachlichen Vorgaben gibt es diesbezüglich und welche faunistischen Untersuchungen können vor diesem Hintergrund von Seiten der Behörden gefordert werden?

Vollständige Antwort

Kenntnisse zu Auswirkungen von Kleinwindenergieanlagen auf Vögel und Fledermäuse (Stand: August 2018)

Die Auswirkungen von Kleinwindenergieanlagen (KWEA) auf Vögel und Fledermäuse sind nur ansatzweise bekannt. In kleineren Studien wurden einzelne Kollisionsopfer gefunden, auch Zufallsfunde sind bekannt. Unter anderem aus diesen Gründen ist nach Einschätzung von Experten eine Gefährdung von Fledermäusen und Vögeln an KWEA nicht auszuschließen.

Aufgrund der geringeren Anlagengröße kann zudem ein anderes Artenspektrum als bei großen WEA betroffen sein. Mehrere Fledermausarten fliegen zum Beispiel regelmäßig in Höhen, die im Rotorbereich von KWEA liegen.

Die wenigen bislang bekannten Untersuchungen stammen überwiegend aus Großbritannien. Für Vögel ermittelten Minderman et al. (2015, S. 467) vergleichsweise niedrige Kollisionsraten von kleiner 0,1 bis knapp unter 0,3 Schlagopfer pro Anlage und Jahr an. Ein Meideeffekt durch Vögel wurde im von den Autoren untersuchten Nahbereich von 20 Metern um die Anlagen nicht festgestellt (Minderman et al. 2012 und 2017).

Für Fledermäuse ermittelte Moyle (2016) auf Grundlage von systematischen Schlagopfersuchen und schriftlichen Befragungen an kleinen bis mittelgroßen Windenergieanlagen[1] (WEA) eine durchschnittliche Fledermaus-Schlagopferrate von 0,81 pro Anlage und Jahr. Aufgrund von Unsicherheiten könnte diese jedoch auch deutlich höher sein (bis zu 15). Der Autor rät daher zu weiteren Untersuchungen (ebd., S. 190). Alder (2017) ermittelte im Rahmen einer visuellen Dauererfassung an einer Einzelanlage in der Schweiz insgesamt acht Fledermaus-Kollisionen und vier Abstürze[2], allerdings auch immerhin über 200 Ausweichmanöver (alles bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 2,5 Meter pro Sekunde). Auch berichtet der Autor über eine intensive Jagdaktivität um die untersuchte Anlage und vermutet eine möglicherweise durch Insekten bedingte Anziehung der jagenden Fledermäuse.

Minderman et al. (2012) identifizierten hingegen ein Meideverhalten von Fledermäusen im Abstand von bis zu 25 Metern zu in Betrieb befindlichen KWEA. Dieses wurde für hohe Windgeschwindigkeiten auch von Moyle (2016) bestätigt. Tatchley (2015, S. iii) und Minderman et al. (2017) identifizierten für einzelne Fledermausarten Meideeffekte von bis zu 60 bzw. 100 Metern. Der Effekt war jedoch auch bei diesen Untersuchungen im 25-Meter-Abstand am größten.

Bei niedrigen Windgeschwindigkeiten ermittelte Moyle (2016, S. 193) hingegen höhere Fledermausaktivitäten in Anlagennähe als an Referenz-Standorten ohne WEA, was wiederum ein Indiz für eine mögliche Kollisionsgefährdung sein könnte.

Um die bestehenden Wissenslücken zu schließen, sollten im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) im Rahmen eines dreijährigen Forschungsvorhabens die Auswirkungen von KWEA auf Fledermäuse und Vögel näher untersucht werden. Mit einer Veröffentlichung der Vorhabenergebnisse, aus denen auch Empfehlungen zum Umgang mit artenschutzrechtlichen Fragen bei KWEA-Vorhaben abgeleitet werden sollen, wird in Kürze gerechnet. Bis dato sind KWEA-Vorhaben fachlich nur vor dem Hintergrund des derzeitigen, geringen Wissensstandes zu bewerten.

Rechtliche Grundlagen und Vorgaben im Zusammenhang mit faunistischen Erfassungen und deren Anwendung durch Behörden

Die seit 2007 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) implementierten Regelungen zum besonderen Artenschutz, mit denen ein deutlich strengeres Rechtsregime verbunden ist, sowie die sich in Folge ergebende Rechtsprechung führten insgesamt zu umfangreicheren Prüfpflichten und Anforderungen bei der Erfassung europäisch geschützter Arten bei Windenergievorhaben, – je nach Landesbauordnung – auch bei KWEA unter 50 Metern Gesamthöhe.

Umsetzung und Ausgestaltung der bundesrechtlichen Vorgaben des Natur- und Artenschutzes liegen in der Zuständigkeit der einzelnen Länder. Diese machen von ihrem Ausgestaltungsrecht in unterschiedlicher Weise Gebrauch. Zum Teil erlassen die Landesoberbehörden untergesetzliche interne Verwaltungsvorschriften, zum Beispiel in Form behördenverbindlicher Leitfäden, zum Teil geben sie aber auch nicht per se verbindliche Arbeitshilfen heraus. Liegt, wie oben dargelegt, kein gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisstand vor und gibt es keine oder lediglich unverbindliche Arbeitshilfen und Empfehlungen, können die Genehmigungsbehörden im Rahmen der Ausübung ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative selbst Vorgaben zu Tiefe, Umfang und Methoden der Erfassung machen bzw. von nicht verbindlichen Empfehlungen abweichen. Selbst von behördenverbindlichen Vorgaben kann in Einzelfällen und mit fachlich substanzieller Begründung abgewichen werden (VGH München, Urteil vom 18.06.2014 – 22 B 13.1358; Lau in Frenz/Müggenborg (2016), BNatSchG Kommentar, § 44 Rn. 7 a. E.).[3]

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) setzt die Prüfung der Artenschutzbelange eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme voraus. Auch wenn kein lückenloses Arteninventar erstellt werden muss, soll doch die Behörde in die Lage versetzt werden, die etwaige Erfüllung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände überprüfen zu können. Dafür sind Daten erforderlich, aus denen sich die Häufigkeit und Verteilung der geschützten Arten sowie deren Lebensstätten entnehmen lassen (BVerwG v. 09.07.2008 – 9 A 14.07, Rn. 54). Methodik und Untersuchungstiefe hängen zudem maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab (ebd. Rn. 59). Dieses zentrale Urteil wird in mehreren Artenschutz-Leitfäden der Länder angeführt. Einzelne Leitfäden – so auch der behördenverbindliche niedersächsische Leitfaden – ergänzen dies durch den Zusatz, dass Methodik und Untersuchungstiefe dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen und diese überdies „von den zu erwartenden Beeinträchtigungen“ abhängen würden (NMUEK 2016, S. 220).

Dies und insbesondere die oben beschriebenen fehlenden wissenschaftlichen Kenntnisse und fachlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen von KWEA auf Vögel und Fledermäuse kann die Behörde argumentativ heranziehen, um auch bei KWEA im Einzelfall entsprechend umfangreiche faunistische Untersuchungen zu fordern.

Fachliche Vorgaben zu Kleinwindenergieanlagen in den Ländern

Eine nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Internet-Recherche von KWEA-spezifischen fachlichen Handreichungen bzw. Vorgaben der Länder ergab Folgendes:

In Rheinland-Pfalz existiert eine behördliche Handreichung zum artenschutzfachlichen Umgang bei KWEA (LUWG 2015). Diese legt den Fokus allerdings sehr auf mögliche Vermeidungsmaßnahmen. In dem Fall, dass die in der Handreichung aufgeführten Vermeidungsmaßnahmen (u. a. pauschale Abschaltungen) nicht zur Anwendung kommen, sind laut der Broschüre Bestandsaufnahmen erforderlich, deren Art und Umfang im Einzelfall festzulegen sind, wobei methodische „Standardverfahren“ zur Anwendung kämen. Für Fledermäuse seien dies Quartiersuchen in der Wochenstubenzeit sowie Daueraufzeichnungen von April bis September, aus denen dann ggf. erforderliche Abschaltzeiten abzuleiten sind (ebd., S. 9). Für Vögel lägen in der Regel keine Beeinträchtigungen bzw. erhöhte Risiken vor (ebd., S. 5).

Eine entsprechende Präsentation der Energieagentur NRW (2015) geht ebenfalls nur auf Fledermäuse ein und empfiehlt mit Begründung des nicht gesicherten Erkenntnisstandes sowie der hohen Kosten für qualifizierte Gutachten ausschließlich vorsorgliche Abstände sowie Abschaltungen. In Niedersachsen enthält eine unverbindliche Arbeitshilfe des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) aus dem Jahre 2014 Empfehlungen zu KWEA-Vorhaben. Dort heißt es im Zusammenhang mit faunistischen Erfassungen:

„Sofern artenschutzrechtlich relevante Kollisionsverluste nicht von vornherein ausgeschlossen werden können [durch Einhausung der Rotoren oder pauschale Abschaltzeiten], sind Art und Umfang von Bestandsaufnahmen der Vögel und Fledermäuse im Einzelfall festzulegen. Bei siedlungs- bzw. gebäudenahen Standorten sind insbesondere gebäudebewohnende Vogel- und Fledermausarten zu erfassen. Bei Fledermäusen sollten die Untersuchungen eine Quartiersuche in der Wochenstubenzeit sowie eine Daueraufzeichnung von Juni bis Mitte September, bei Vögeln eine Brutvogelbestandsaufnahme umfassen. Aus den Ergebnissen sind die erforderlichen Abschaltzeiten abzuleiten.“ (NLT 2014, S. 36)

Der offizielle, behördenverbindliche Leitfaden des Niedersächsischen Umweltministeriums zur Planung und Genehmigung von WEA (NMUEK 2016) hat indes keine KWEA-spezifischen Inhalte, sondern beinhaltet nur Vorgaben für Standarduntersuchungen, von denen in begründeten Fällen in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde abgewichen werden kann (ebd., S. 220, bzw. S. 223).

Abgesehen von Informationen aus Einzelfällen, hat das KNE keinen detaillierten Überblick, welche Anforderungen an faunistische Erfassungen bei KWEA in der Praxis seitens der Genehmigungsbehörden gestellt werden. Es gibt allerdings Anhaltspunkte dafür, dass hier zwischen einzelnen Bundesländern, zum Teil jedoch auch innerhalb einzelner Länder deutliche Unterschiede bestehen.

Fazit und Ausblick

Die Auswirkungen von KWEA auf Vögel und Fledermäuse sind bislang weitestgehend unbekannt. Eine Gefährdung ist nicht auszuschließen, allerdings können hierzu keine quantitativen Angaben gemacht werden.

Nur aus einzelnen Bundesländern sind KWEA-spezifische Handreichungen bekannt. Diese sind jedoch überwiegend unverbindlich und in Bezug auf faunistische Erfassungen eher unkonkret. Vögel werden weitestgehend oder gänzlich außer Acht gelassen.

Insbesondere vor dem Hintergrund des ungesicherten Wissensstandes sind Genehmigungsbehörden zudem berechtigt, einzelfallspezifisch selbst Vorgaben zu faunistischen Erhebungen zu formulieren bzw. von „Standard-Erfassungen“ in Leitfäden abzuweichen. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass recht umfangreiche Erfassungen gefordert werden, was von der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gedeckt sein dürfte. Das KNE hat jedoch keinen umfassenden Überblick über die tatsächliche bundesweite diesbezügliche Praxis. Die unterschiedlichen Vorgaben der dargestellten Handreichungen sowie einzelne Berichte von Vorhabenträgern und vereinzelte Veröffentlichungen (z. B. Reinhard und Günther 2013, S. 57) lassen jedoch auf große Unterschiede schließen.

Sowohl diesbezüglich als auch insgesamt ist zu hoffen, dass das kürzlich abgeschlossene Forschungsvorhaben zu vertieften Erkenntnissen führt und daraus Empfehlungen für praktikable und zugleich dem Artenschutz gerecht werdende Erfassungen abgeleitet werden können. Ob und in welchem Umfang und Zeitraum die Ergebnisse und Empfehlungen in der Praxis tatsächlich zu veränderten Untersuchungsanforderungen führen werden, ist für uns allerdings nicht absehbar.

Quellen

[1] Als mittelgroße WEA wurden von Moyle Anlagen mit einer Gesamthöhe von 30 bis 55 Metern angesprochen. In Deutschland zählen Anlagen bis zu einer Höhe von unter 50 Metern zu den KWEA.

[2]D. h. von oben durch das Aufnahmebild fallende Fledermäuse. Die Kameras deckten montagebedingt nicht den gesamten Rotorbereich ab.

[3] Siehe hierzu auch die Antwort des KNE zum Thema „Bindung der Genehmigungsbehörden in der Ausübung ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative an Vorgaben länderspezifischer Leitfäden und Erlasse“ (KNE 2018).

Alder, H. (2017): Langzeit-Monitoring an einer Kleinwindanlage mittels Wärmebild-Kameras und Chancen für die Risiko-Einschätzung. Abstract. Nationale Tagung Fledermausschutz und Fledermausforschung 2017 am 02.12.2017 in Bern. S. 10. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 13.09.-2018).

Energieagentur NRW (2015): Artenschutzrechtliche Beurteilung von Kleinwindenergieanlagen (KWEA). Präsentation. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.09.2018).

Frenz, W., Müggenborg , H.-J. (2016): BNatSchG. Bundesnaturschutzgesetz. Kommentar. 2. Auflage. Erich Schmidt Verlag. Berlin. 1392 S.

KNE (2018): Antwort des KNE zum Thema „Bindung der Genehmigungsbehörden in der Ausübung ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative an Vorgaben länderspezifischer Leitfäden und Erlasse“ Link zum Dokument.

LUWG, Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (Hrsg.; 2015): Leitfaden Hinweise zur artenschutzfachlichen Beurteilung von Klein-windenergieanlagen (KWEA). 12 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.09.2018).

MKULNV – Ministerium für Klimaschutz Umwelt Landwirtschaft Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2017): Leitfaden Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in Nordrhein-Westfalen. Bestandserfassung und Monitoring. Düsseldorf. 244 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 18.06.2018).

Minderman, J., Fuentes-Montemayor, E., Pearce-Higgins, J.W., Pendlebury, C.J., Park, K.J. (2015): Estimates and correlates of bird and bat mortality at small wind turbine sites. Biodiversity and Conservation 24 (3). S. 467–482. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 30.08.2018).

Minderman, J., Gillis, M.H., Daly, H.F., Park, K.J. (2017): Landscape-scale effects of single- and multiple small wind turbines on bat activity. Animal Conservation 20 (5). S. 455–462. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 30.08.2018).

Minderman, J., Pendlebury, C.J., Pearce-Higgins, J.W., Park, K.J. (2012): Experimental evidence for the effect of small wind turbine proximity and operation on bird and bat activity. PLoS ONE 7 (7). S. 7. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.06.2018).

Moyle, A.I. (2016): The Impacts of Small and Medium Wind Turbines on Bats. Dissertation. University of Exeter. 341 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 31.08.2018).

NLT – Niedersächsischer Landkreistag (2014): Naturschutz und Windenergie. Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei Standortplanung und Zulassung von Windenergieanlagen. Hannover. 37 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 31.08.2018).

NMUEK – Niedersächsisches Ministerium für Umwelt Energie und Klimaschutz (2016): Leitfaden Umsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Niedersachsen. Anlage 1 zum Windenergieerlass. Hannover. 15 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 03.07.2018).

Reinhard, H., Günther, A. (2013): Kleinwindenergieanlagen und Fledermäuse. Gefahrenabschätzung und artenschutzrechtliche Aspekte. Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (2). S. 053–059). Link zum Dokument (letzter Zugriff: 05.09.2018).

Tatchley, C. (2015): Wildlife impacts of and public attitudes towards small wind turbines. Dissertation. University of Stirling 133 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 31.08.2018).

 

Gerichtliche Entscheidungen

BVerwG, Urteil v. 09.07.2008 – 9 A 14.07.

VGH München, Urteil v. 18.06.2014 – 22 B 13.1358.