Information

Veröffentlicht
25.06.2020
Schlagworte
  • Fledermäuse
  • Vertikalachsige WEA
  • Vögel
  • Windenergie

Frage

Welche Unterschiede bestehen zwischen den sogenannten Windtürmen oder WEA mit vertikaler Rotorachse und heute gängigen großen Windenergieanlagen (WEA) und warum haben sich letztere durchgesetzt? Wie ist der Wissensstand zur Naturverträglichkeit, Vogel- und Fledermausschlag, Schattenwurf, Lärm etc. vertikaler WEA?

!Antwort

1. Entwicklung von Windenergieanlagen und Gründe für die heutige Verbreitung von Horizontalachsern

Heutige große Windenergieanlagen (WEA), die aus einem Turm mit darauf installierter drehbarer Gondel und einem in vertikaler Ebene drehenden, entgegen der Windrichtung ausgerichteten Rotor bestehen, bezeichnet man aufgrund der Lage ihrer Rotor-Drehachse als sogenannte Horizontalachser oder auch Horizontalläufer.

WEA, die über eine vertikale Drehachse verfügen, bei denen drei oder mehr Rotorblätter mehr oder weniger senkrecht und parallel zur Achse angeordnet sind, werden entsprechend als Vertikalachser oder Vertikalläufer bezeichnet. Zu diesen gehören auch die in der Frage angesprochenen „Windtürme“ bzw. die „vertikalen WEA“.

Die Entwicklung von Vertikalachsern wurde anfänglich zeitlich parallel zu der von Horizontalachsern betrieben. Neben den sogenannten Savonius-Rotoren, deren Rotoren sich bauartbedingt maximal so schnell bewegen können, wie die vorherrschende Windgeschwindigkeit – und die dadurch nur sehr niedrige Wirkungsgrade erreichen – wurde insbesondere die von Darrieus entwickelte Form als entwicklungsfähige Konzeption betrachtet (Hau 2003, S. 66).

Insbesondere in den 1980er Jahren wurden diese Vertikalachser eingehend untersucht und von einzelnen Herstellern in verschiedenen Leistungsklassen gebaut. Als vorteilhaft galt deren Unabhängigkeit von der Windrichtung, was eine entsprechende Nachführung des Rotors entbehrlich machte. Zudem wurde durch die bodennahe Installation der wesentlichen elektrischen und mechanischen Komponenten von einem vergleichsweise geringen Wartungsaufwand ausgegangen. Als aufwändig erwies sich die Herstellung der kompliziert geformten Rotorblätter.

Ein wesentlicher Grund dafür, warum sich WEA mit horizontaler Achse gegenüber den Vertikalachsern im Bereich der Großwindanlagen an Land und auf See durchgesetzt haben, liegt in deren höherem Wirkungsgrad begründet und – dadurch mit bedingt – in deren deutlich höherer Wirtschaftlichkeit. Aufgrund der Bauart bewegen sich die einzelnen Rotorblätter von Vertikalachsern die Hälfte der Zeit mehr oder weniger gegen den Wind. Hinzu kommt, dass die Windgeschwindigkeiten in Bodennähe deutlich geringer sind als in den mit den Horizontalachsern erreichbaren Höhen. Hinzu kommt eine unruhige Dynamik der Vertikalachser, eine geringere Schnelllaufzahl sowie die fehlende Möglichkeit durch Verstellen der Rotorblätter (sog. Pitching), um die Drehzahl und somit auch die Leistungsabgabe der WEA zu regeln. (Bruns et al. 2009, S. 36, Bruns et al. 2010)

Im Falle einer notwendigen Abschaltung oder Drosselung, z. B. aus Gründen des Lärmschutzes oder zum Eigenschutz der Anlagen bei Starkwindereignissen, müssen diese Anlagen über eine separate Bremse abgebremst werden.

Aufgrund einer geringeren Empfindlichkeit gegenüber den im Siedlungsbereich häufig turbulenten Windverhältnissen und der vergleichsweise kompakten Bauweise (Jüttemann o. J., online) finden sich heutzutage Vertikalachser vor allem kleinerer Bauart als so genannte Kleinwindenergieanlagen (KWEA) im städtischen Bereich, wo sie zumeist auf Gebäudedächern installiert werden.

Die sogenannten „Windtürme“ sind ein Versuch, das Prinzip der Vertikalachser auf ein höheres, den Horizontalachsern vergleichbares Leistungsniveau zu bringen. Allerdings kam es mit zunehmender Anlagengröße bzw. -höhe verstärkt zu Schwingungen, die sich sowohl negativ auf die Leistung der Anlagen als auch auf deren Lebensdauer auswirkten. Daher waren die Anlagendimensionen bislang nicht beliebig steigerbar.

Dennoch wird auch heute die Entwicklung von großen Vertikalachsen-Windturbinen vorangetrieben, zum Beispiel durch die Agile Wind Power AG, die vertikale Anlagen mit verstellbaren Rotorblättern entwickelt haben, was sich positiv auf deren Effizienz auswirkt. Auf dem Wind-Testgelände in Grevenbroich (NRW) startete Ende März 2019 der Bau einer Demonstrationsanlage des Typs Vertical Sky® A32-750/105. Seit November 2019 gibt es einen Produktionsstandort nahe Bremen. Andere Unternehmen haben auch Pläne für Offshore-WEA, von denen bis jetzt aber nur die schwedische Firma SeaTwirl Prototypen realisieren konnte (Hautmann 2019, online).

2. Kenntnisstand zur Umwelt- und Naturverträglichkeit von vertikalachsigen WEA

Vögel und Fledermäuse

Über die Auswirkungen von Vertikalachsern auf Vögel und Fledermäuse ist bislang wenig bekannt. Unseres Wissens nach wurden Aspekte wie Kollisionsgefährdung oder Störwirkungen gegenüber Vögeln und Fledermäusen bislang nicht näher wissenschaftlich untersucht.

Bei Vögeln besteht die Vermutung, dass insbesondere die kompakte Bauweise und die vertikale Anordnung der Rotorblätter zu einer besseren Wahrnehmbarkeit führen und diese Anlagentypen damit hinsichtlich des Kollisionsrisikos weniger problematisch sein könnten.

Gleiches gilt für Fledermäuse, von denen angenommen wird, dass deren Echoortung Rotorblätter nur auf sehr kurze Distanzen (zirka 0,5 Meter) wahrnehmen können. Die kompakte Bauweise und eine sich durch die Drehbewegung bildende zylinderförmige Silhouette von vertikalachsigen WEA könnte ebenfalls zu einer geringeren Gefährdung führen. (Long et al. 2009)

Dies dürfte allerdings insbesondere auf die schon erwähnten vertikalachsigen KWEA zutreffen. Wenn derartige Anlagen jedoch in der Nähe oder auf Gebäuden und in Siedlungen und damit in unmittelbarer Nähe zu Fledermaus-Quartieren installiert werden, könnten damit aber auch erhöhte Kollisionsrisiken für Fledermäuse verbunden sein (LUWG 2015).

Bei aktuell in Entwicklung befindlicher Vertikalachsern mit größeren Anlagendimensionen geht man von einer im Vergleich zu Horizontalachsern geringeren Drehgeschwindigkeit der Rotoren und der dadurch besseren Wahrnehmbarkeit von einem geringeren Kollisionsrisiko für Vögel und Fledermäuse aus (Windkraft-Journal 2019, online). Nach Angaben des Herstellers Agile Wind Power AG liegt das Risiko für Vögel und Fledermäuse 90 Prozent unter dem herkömmlicher WEA (o. J., online). Quellen zu entsprechenden Untersuchungen werden jedoch nicht angeführt.

Die Schweizer Vogelwarte Sempach begrüßt die Entwicklung der vertikalen WEA und beschreibt sie in Hinblick auf Vögel als konfliktärmer (Vogelwarte Sempach o. J., online), wobei allerdings keine Angaben zu Größendimensionen gemacht werden.

Kern et al. (2019, S. 293) verweisen auf drei Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften, die ein geringeres Risiko für Vögel beschreiben. Allerdings beziehen sich die Beiträge – wie die Veröffentlichung von Kern et al. (2019) selbst – wiederum auf sehr kleine Anlagen mit zirka zehn Meter Gesamthöhe, die aus diesem Grunde natürlich in Bezug auf die momentan besonders betroffenen Greifvögel vergleichsweise unproblematisch sein dürften. Für eine verlässliche artenschutzfachliche Einschätzung von Anlagen unterschiedlichen Typs und Größe wäre es notwendig, weitere unabhängige wissenschaftliche Studien zur Naturverträglichkeit der vertikalen WEA durchzuführen.

Flächenbedarf und Flächeneffizienz

Der Flächenbedarf von Vertikalachsern ist gegenüber horizontalachsiger WEA pro Anlage als geringer einzuschätzen, da bauartbedingt aufgrund geringerer Verwirbelungen und Windschatteneffekte hinter den Anlagen deutlich geringere Abstände mehrerer Anlagen zueinander einzuhalten sind.

Kern et al. (2019, S. 300) ermittelten bei den von ihnen betrachteten zylinderförmigen kleinen Vertikalachsern (s. oben) in einer speziell ausgerichteten, engen Anordnung eine insgesamt höhere Energiedichte und somit einen geringeren Flächenverbrauch gegenüber Horizontalachsern.

Ein wesentlicher Unterschied besteht aus unserer Sicht allerdings darin, dass mit einer Vielzahl kleiner vertikaler WEA überbauten Flächen nicht gleichermaßen weiter landwirtschaftlich genutzt werden können, wie dies bei Flächen mit einzelnen großen Horizontalachsern der Fall ist. Auch hier wäre wissenschaftlich zu untersuchen, wie sich das Verhältnis bei größeren Vertikalachsern darstellt.

Akustische Emissionen

Die Agile Wind Power AG konstatiert, dass die Vertikalachser mit deutlich geringerer Lautstärke arbeiteten und sich im Vergleich zu herkömmlichen WEA daher in geringeren Abständen zu Siedlungen oder in der Nähe von Industrieparks errichten ließen (Agile Wind Power AG o. J., online). Hinweise auf wissenschaftliche Quellen finden sich diesbezüglich nicht.

Kern et al. (2019, S. 301) ermittelten in Schallemissionsprognosen vergleichsweise geringere Lärmemissionen bei Vertikalachsern. Auch hier ist dabei zu berücksichtigen, dass nur Einzelanlagen und sehr kleine Anlagen (s. oben) modelliert wurden. Eine Übertragbarkeit auf große Vertikalachs-WEA oder die Emissionen einer Vielzahl nebeneinander angeordneter kleinerer Anlagen ist nicht möglich.

Sichtbarkeit

Nicht zuletzt führt die Agile Wind Power AG als Vorteil ihrer vertikalen WEA an, dass sie durch die Gitterkonstruktion auf größere Entfernung weniger sichtbar seien und das Landschaftsbild daher weniger stark beeinträchtigten (Agile Wind Power AG o. J., online). Dies ist sicherlich auch auf die geringere Höhe zurückzuführen und sollte umfassend analysiert werden.

Schattenwurf

Der Schattenwurf von Vertikalachsern dürfte im Vergleich zu horizontalachsigen WEA mit ausladenden Rotoren und langen Rotorblättern geringer sein. Zudem weisen in heutigen Vertikalachser nicht die gleichen Anlagenhöhen, wie die sind allerdings für die gleiche Nennleistung und die gleiche produzierte Strommenge mehrere Vertikalachser im Vergleich zu einer horizontalachsigen Anlage erforderlich, was dies auch in diesem Punkt relativiert.

Fazit

Insgesamt besteht noch ein großer Forschungsbedarf bezüglich der natur- und umweltbezogenen Auswirkungen von vertikalen WEA. In den derzeitigen Demonstrationsversuchen in Deutschland und international werden nach unserer Kenntnis die Auswirkungen der Anlagen auf die Vogel- und Fledermausfauna (z.B. Kollisionen bzw. Kollisionsrisiken) nicht näher untersucht. Auch in den derzeit laufenden und geplanten F+E Projekten des Bundesamtes für Naturschutz wird das Kollisionsrisiko an vertikalen WEA bisher nicht untersucht. Dem Bundesamt für Naturschutz sind auch keine anderen Studien zu der Thematik bekannt. Offenbar besteht hier eine Forschungslücke, die perspektivisch durch eine ökologische Begleitforschung geschlossen werden sollte.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Literaturverzeichnis

Agile Wind Power AG (o. J.): Vorteile – Einfach leise. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 19.06.2020).

Bruns, E., Köppel, J., Ohlhorst, D., Schön, S. (2009): Die Innovationsbiographie der Windenergie. Absichten und Wirkungen von Steuerungs­impulsen. LIT Verlag, Hamburg. ISBN 978-3825816254.

Bruns, E., Ohlhorst, D., Wenzel, B., Köppel, J. (2010): Erneuerbare Energien in Deutschland – Eine Biographie des Innovationsgeschehens. Endbericht zum Forschungs­vorhaben „Innovationsbiographie der erneuerbaren Energien“ des Bundes­umwelt­ministeriums. Universitätsverlag TU Berlin. 507 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.12.2018).

Hautmann, D. (2019): Windräder, die sich um die Längsachse drehen: Vertikales Gewerbe. In: EnergieWinde – Reportagen und Hintergründe aus der Welt der grünen Energie. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 17.06.2020).

Jüttemann, P. (o. J.): Vertikale Windkraftanlagen im Vergleich mit horizontalen Anlagen. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 19.06.2020).

Kern, L., Seebaß, V., Schlüter, J. (2019): Das Potenzial von vertikalen Windenergieanlagen im Kontext wachsender Flächennutzungskonflikte und Akzeptanzprobleme der Windenergie. In: Zeitschrift für Energiewende 43: S. 289-302. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 19.06.2020).

Long, C. V., Flint, J. A., Lepper, P. A., Dible, S. A. (2009): Wind Turbines and Bat Mortality: Interactions of Bat Echolocation Pulses with moving Turbine Rotor Blades. – Proceedings of the Institute of Acoustics 30 (1): 185–192. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.12.2018).

LUWG RP – Landesamt für Umwelt Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (2015): Hinweise zur artenschutzfachlichen Beurteilung von Kleinwindenergieanlagen (KWEA). Mainz. 12 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.12.2018).

Vogelwarte Sempach (o. J.): Windenergienutzung und Vogelschutz. Link zum Dokument. (letzter Zugriff: 22.06.2020).

Windkraft-Journal (2019): Welt-Neuheit – Vertikale Windkraftanlage 1 MW, Husum Wind 2019. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 19.06.2020).