Berlin, 28. August 2020

Paint it black – Schwarze Rotorblätter können das Kollisionsrisiko für Vögel an Windenergieanlagen senken

Eine aktuelle Studie aus Norwegen zeigt, dass sich die Zahl der Kollisionsopfer an Windenergieanlagen (WEA) um 70 Prozent senken lässt, wenn man eines der Rotorblätter schwarz lackiert. 

Die insgesamt elf Jahre umfassende Studie wurde im Windpark „Smøla“ durch eine Forschergruppe um Dr. Roel May vom namhaften Norwegian Institute for Nature Research (NINA) durchgeführt. In dem Windpark werden seit 2005 insgesamt 68 2,0- bis 2,3-Megawatt-Windenergieanlagen auf einem 18 Quadratkilometer großen Areal betrieben, welches im Westen der gleichnamigen Insel vor der Küste Mittelnorwegens liegt. Seit 2006 werden die Anlagen des Windparks mit der Unterstützung von Suchhunden systematisch nach kollidierten Vögeln abgesucht, um die Auswirkungen der Anlagen auf die örtliche Vogelwelt und Möglichkeiten zur Reduzierung von Beeinträchtigungen zu erforschen. In den Jahren 2006 bis 2016 wurden insgesamt 464 Totfunde verteilt auf 40 Vogelarten registriert, darunter eine hohe zweistellige Zahl an Seeadlern.

Ausgehend von der Annahme, dass Vögel die an den Spitzen mit bis zu rund 250 Stundenkilometern drehenden WEA-Rotoren durch einen Bewegungsschleier-Effekt (sog. „motion smear“) nicht oder nur äußerst schlecht wahrnehmen können, gab es die Überlegung, ob eine Erhöhung der Sichtbarkeit der Rotorblätter durch eine kontrastreiche farbliche Gestaltung das Kollisionsrisiko senken könnte.

Langjährige Untersuchungen bringen erste Ergebnisse

Im Windpark „Smøla“ wurde dies nun in den Jahren 2013 bis 2016 untersucht. Dazu wurde an vier Windenergieanlagen jeweils das äußere Dreiviertel eines Rotorblattes schwarz lackiert. Die benachbarten Kontroll-Anlagen behielten ihre ursprüngliche weiße Farbe. Zusammen mit den Daten aus den mehrjährigen Voruntersuchungen als weiterem Vergleichsmaßstab, konnten die Untersuchungen nach dem methodisch als optimal geltenden BACI-Design (Before-After-Control-Impact) durchgeführt werden.

Im Zuge der Untersuchungen wurde ermittelt, dass die Kollisionsopferzahl für Vögel durch die farbliche Umgestaltung im genannten Zeitraum um über 70 Prozent gesenkt werden konnte – darunter Greifvögel, Seevögel und andere Singvögel – der größte Effekt wurde jedoch beim Seeadler erzielt. So wurde nach der Lackierung an den betreffenden Anlagen kein Seeadler-Schlagopfer mehr registriert – im Zeitraum vor Maßnahmenumsetzung sechs. An den vier Kontrollanlagen wurden allerdings ebenfalls keine toten Seeadler gefunden (im Vorzeitraum ein Individuum).  Daher lässt sich auf Grundlage dieser Zahlen für den Seeadler allein noch keine statistisch gesicherte Aussage zur Minderungswirkung durch die Maßnahme ableiten. Zudem unterschieden sich die jährlichen Gesamt-Kollisionsopferzahlen beträchtlich zwischen den Jahren. Kein Effekt ließ sich dafür finden, dass die Anlagen mit den lackierten Rotorblättern durch Verdrängungseffekte das Kollisionsrisiko für Vögel an den benachbarten weißen Kontrollanlagen erhöhten.

Die Autoren selbst weisen auf die fehlende Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse hin und fordern weitere Studien zur Erhärtung der Wirksamkeit der Maßnahme sowie zur Untersuchung von möglichen Sekundäreffekten wie z. B. der Meidung oder Störung.

Tendenz: Positiv.

Prinzipiell stimmen die Ergebnisse der Studie positiv. Aus der Genehmigungsperspektive stellt sich die Frage, ob die Minderung von Kollisionsrisiken bzw. der Kollisionsopferzahlen um 70 Prozent ausreicht, um ein angenommenes oder nachweislich signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zu senken. Ist die Maßnahme auch für den in Deutschland besonders betroffenen Rotmilan geeignet? Diesbezüglich fehlen bislang verlässliche Vergleichsgrößen, die nur durch mehrjährige Untersuchungen an zahlreichen deutschen Standorten ermittelt werden könnten.

Im Gegensatz zum dünn beziehungsweise gar nicht besiedelten norwegischen Versuchsstandort stehen in Deutschland die meisten Anlagen nicht fernab von Siedlungen. Eine Einfärbung eines einzelnen Rotorblattes an zahlreichen, zumeist asynchron drehenden Anlagen könnte zu neuen Akzeptanzproblemen für die Windenergie vor Ort führen. In dieser Hinsicht wären – auch für eine Erprobung – am ehesten möglichst siedlungsferne Standorte geeignet.

Zur Studie: Paint it black: Efficacy of increased wind turbine rotor blade visibility to reduce avian fatalities

Foto: © Statkraft auf Flickr.