Die Energiewende ist erklärtes Ziel der Bundesregierung. Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie ist beschlossene Sache. Die dadurch erforderliche Umstellung der Energieerzeugung vor allem auch auf dezentrale Energieformen, die in erster Linie auf regenerative Energieträger zurückgreifen, stellt eine wichtige und herausfordernde Aufgabe dar, der sich die Gesellschaft stellen muss. Erneuerbare Energien sind weitestgehend klimaneutral. Deshalb dient ihre Nutzung auch der Erfüllung der von Deutschland international eingegangenen Klimaschutzziele. Zudem wird durch den Rückgriff auf heimische Energieformen die Abhängigkeit von Rohstoffimporten zur Energieerzeugung gemindert. Dem Beitrag zum Klimaschutz stehen jedoch je nach regenerativem Energieträger unterschiedliche Umweltauswirkungen gegenüber. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist also nicht per se umweltverträglich. Vielmehr tritt sie auf regionaler und lokaler Ebene häufig in Konflikt mit dort vorhandenen Interessen des Umwelt- und Naturschutzes. Diese Konfliktlage kann zwar zum Teil durch planerische und genehmigungsrechtliche Entscheidungen gemindert oder beseitigt werden, grundsätzlich Auseinandersetzungen in Bezug auf die Nutzung eines bestimmten Energieträgers vermag Planung und Zulassung jedoch nicht auszuschließen. Insofern sind auch die erneuerbaren Energieträger Gegenstand von gerichtlichen Verfahren. Je weiter der Ausbau voranschreitet, desto mehr wird die Gesellschaft in der Umwelt mit diesen Energieformen konfrontiert und desto mehr finden sich gerichtliche Auseinandersetzungen unterschiedlichster Art. Auch Belange des Naturschutzes können der Nutzung regenerativer Energieträger entgegenstehen und Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sein.
Aufgabe des wissenschaftlichen Gutachtens ist es, gerichtliche Auseinandersetzungen im Konfliktfeld Naturschutz und Energiewende zu untersuchen. Dabei soll ein akteursbezogener Blick eingenommen und eine Analyse im Hinblick auf eine zukünftige Verminderung oder Vermeidung gerichtlicher Konfliktlösungen vorgenommen werden. Konkret soll sich das Gutachten vor allem auf folgende Fragen beziehen:
Wer sind die typischen Kontrahenten gerichtlicher Auseinandersetzungen um Naturschutzbelange in der Energiewende?
Als typische Kontrahenten gerichtlicher Auseinandersetzungen konnten für alle vier untersuchten erneuerbaren Energieträger natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts sowie Personengesellschaften und Genehmigungsbehörden identifiziert werden. Dabei sind die zu betrachtenden Konstellationen jedoch unterschiedliche. Natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts sowie Personengesellschaften können als Befürworter (dann in der Rolle eines potenziellen Anlagenbetreibers) oder als Gegner eines Vorhabens (dann in der Rolle eines ggf. in seinen Rechten beeinträchtigten Dritten) auftreten. In Bezug auf Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft und Windenergie können die Seite des Gegners der Anlage auch Vereinigungen und Verbände einnehmen. Bei Biomasse- und Windenergieanlagen stehen sich auf der Planungsebene häufig natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts sowie Personengesellschaften auf der einen Seite und Gemeinden oder sonstige Planungsträger (in Bezug auf die Regionalplanung) auf der anderen Seite gegenüber. Für die regionalplanerische Steuerung von Windenergieanlagen lassen sich auch gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Gemeinden und Plangeber identifizieren.
Wie wurden Informationen mitgeteilt? Wie wurden sie jeweils verarbeitet und welche Schlüsse wurden gezogen?
Informationen werden auf der Planungsebene vor allem über die Beteiligungsmöglichkeiten bei der Planerstellung weitergegeben. Hier kann es zu einem mehrmaligen Austausch kommen, wenn die Planung ggf. mehrfach geändert wird. Schließlich sind die der Planung zugrunde gelegten Informationen im Plan selbst, als auch im dazu verfassten Umweltbericht sowie der jeweiligen Begründung zu entnehmen. Wird ein Normenkontrollverfahren eingeleitet, werden von den jeweiligen Parteien Schriftsätze ausgetauscht, die die jeweiligen Positionen und Einwendungen darstellen und auf die der Gegenpartei reagieren. Auf der Genehmigungsebene stellt der Vorhabenträger der Genehmigungsbehörde die Informationen zu seinem Vorhaben mittels Antragsunterlagen zur Verfügung. In einem förmlichen Verfahren werde diese auch der Öffentlichkeit – mit Ausnahme der Geschäftsund Betriebsgeheimnisse – zugänglich gemacht. In einem nicht förmlichen Verfahren erfahren nur unmittelbare Nachbarn von dem Vorhaben. Soll gegen die Genehmigung vorgegangen werden, werden zunächst im Widerspruchsverfahren und sodann im Klageverfahren Schriftsätze ausgetauscht, die den Standpunkt der jeweiligen Seite darstellen und auf die Einwendungen und das Vorbringen der Gegenseite reagieren.
Wie ist deren Prozessstärke einzuschätzen?
Eine pauschale Aussage hierzu lässt sich nicht treffen. Entscheidend ist die jeweilige Sachkonstellation. Auch ist zwischen den Energieträgern zu unterscheiden.
Gab es ein unterschiedliches Verständnis gesetzlicher und untergesetzlicher Regelungen oder gab es durchaus ein gemeinsames Verständnis (Verstehen als Voraussetzung gelingender Kommunikation)?
Hierzu kann keine allgemeine Aussage getroffen werden. In Bezug auf die Nutzung der Wasserkraft lag der Konflikt bei den Entscheidungen zum Restwasserabfluss trotz Vorliegens von Leitfäden zwischen Behörde und Anlagenbetreiber zum Teil in einem unterschiedlichen Verständnis von deren Anwendung. Auch in Bezug auf die Nutzung der Windenergie konnte ein unterschiedliches Verständnis bei der Bemessung der Ausgleichszahlungen von Landschaftsbildbeeinträchtigungen und bei der Anwendung artenschutzrechtlicher Leitfäden (Helgoland-Papier) als Konfliktgegenstand identifiziert werden. In Bezug auf die Biomassenutzung entzünden sich Streitigkeiten zum Teil an den Anforderungen für die Privilegierung dieser Anlagen im Außenbereich. Schließlich kommt es bei der Anwendung von Ausnahmeregelungen oder Befreiungsmöglichkeiten zu Streitigkeiten in Bezug auf das Ergebnis. In Bezug auf die planerische Steuerung von Windenergieanlagen war festzustellen, dass die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes von den Plangebern unterschiedlich angewandt wurden. Und auch die Zuordnung der Kriterien zu „harten“ und „weichen“ Tabuzonen ist auf Grund unterschiedlicher Einordnungen durch die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe konfliktbehaftet.
Gibt es typische Gewinner gerichtlicher Auseinandersetzungen?
Ein typischer „Gewinner“ oder „Verlierer“ konnte für die vier untersuchten erneuerbaren Energieträger nicht identifiziert werden. Dafür sind die jeweiligen Konflikte auch zu speziell und zum Teil einzigartig. Weder „gewinnt“ immer die Behörde oder der Umweltverband noch „verliert“ stets der Gegner einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien oder umgekehrt. Allenfalls für bestimmte Fallkonstellationen lassen sich Aussagen treffen. So wurden im hier untersuchten Umfang Verfahren, die eine Anlagenerrichtung oder eine Anlagenänderung ohne Genehmigung (Solaranlage, Wasserkraftanlage) zum Gegenstand hatten, immer zugunsten der Behörde entschieden. Auch scheinen potenzielle Windkraftanlagenbetreiber häufig mit ihren Normenkontrollanträgen gegen Konzentrationszonenplanungen durchzudringen, was jedoch vor allem daran liegt, dass die jeweiligen Planungsträger Fehler in der Planungsaufstellung begehen, die zum Teil einfach zu rügen sind.
Welche Konfliktinhalte wurden im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung von den Akteuren kommuniziert, sofern aus den Urteilen erkennbar?
Vielfach lassen sich die im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung geäußerten Konfliktinhalte der Tatbestandsschilderung in der Entscheidung entnehmen. Dies gilt sowohl für erstinstanzliche als auch für obergerichtliche Entscheidungen. Eine pauschalisierte Aussage auf alle Energieträger bezogen kann hier nicht getroffen werden.
Woran scheiterte eine Regelung ggf. trotz eines gemeinsamen Verständnisses? Waren Versäumnisse nur noch mit größerem zeitlichen und finanziellen Aufwand zu beheben (z. B. nachträgliche FFH-Verträglichkeitsprüfung) oder bestand eine Alternative gar nur noch im Abbruch des Vorhabens?
Hierzu lassen sich keine Aussagen treffen.
An wem und woran scheiterte eine gütliche Lösung des Konflikts?
Grund für das Scheitern einer gütlichen Lösung waren grundsätzlich unterschiedliche Interessenlagen, die durch die Planungsverfahren und Genehmigungsverfahren nicht gelöst werden konnten.