Vogelschutz an Windenergieanlagen: Wie kommen Antikollisionssysteme in die Anwendung?
Das KNE hat im Rahmen einer Abschlusskonferenz mit rund 100 Teilnehmenden in Berlin die Ergebnisse des FuE-Projekts „Antikollisionssysteme in der Praxis“ diskutiert.
Technische Überwachungs- und Abschaltsysteme an Windenergieanlagen, auch Antikollisionssysteme (AKS) genannt, sind eine fachlich geeignete und wirksame Maßnahme, um Vogelkollisionen zu vermeiden. Das KNE verfolgt das Potenzial von Antikollisionssystemen zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie seit 2018. Das jetzt abgeschlossene FuE-Projekt „Antikollisionssysteme in der Praxis“ hatte zum Ziel, die Rahmenbedingungen für den Einsatz von AKS zu klären und so ihre Anwendung in Genehmigungsverfahren auf eine fachwissenschaftlich abgesicherte Grundlage zu stellen. Die damit verbundenen Herausforderungen, aber auch mögliche Lösungsansätze bestimmten die Abschlussveranstaltung des Projekts, zu der rund 100 Teilnehmende und auch mehrere Systemanbieter nach Berlin gekommen waren.
Zum Auftakt erläuterte KNE-Projektleiterin Dr. Elke Bruns einen grundlegenden Paradigmenwechsel für den Einsatz von AKS als Folge der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Vor der Novelle, als es für Windenergieanlagen keine konfliktarmen Standorte mehr gab und pauschale Langfristabschaltungen ihren Betrieb unwirtschaftlich machten, versprachen AKS wegen ihrer bedarfsgerechten Abschaltung zugleich ein hohes Schutzniveau für die Vogelwelt und eine deutliche Senkung der Ertragsverluste. Dieser Vorteil hat an Gewicht verloren. Mit der Novelle wurde eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt, die Ertragsverluste durch Abschaltmaßnahmen auf einem niedrigeren Niveau als zuvor deckelt.
Verfügbarkeit und Anwendung der Systeme
In der Veranstaltung wurde der Stand des Wissens zu zwei Anwendungsvoraussetzungen in der Praxis thematisiert: Die Anerkennung und Verfügbarkeit der Systeme und die Zumutbarkeit von Investitionskosten und Ertragsverlusten sowie die Prognose der tatsächlichen Ertragsverluste bei bedarfsgerechter Abschaltung.
Die Zahl, der in Deutschland marktverfügbaren und erprobten oder in Erprobung befindlichen Systeme ist überschaubar – das KNE hat dazu ein aktuelle Übersicht veröffentlicht. Für einen Teil der Systeme liegen bereits veröffentlichte Erprobungsberichte (auf Basis des KNE-Anforderungsprofils, KNE 2019) vor. Sie attestieren diesen eine zuverlässige Erfassungsrate in einem ausreichenden Abstand zur Windenergieanlage.
Prüfrahmen für Antikollisionssysteme sollte der Erprobung und Validierung weiterer Systeme dienen
Bisher gab es bundesweit noch keine neuen Standards für den Wirksamkeitsnachweis und die damit verbundene Anerkennung von Systemen. Schleswig-Holstein hat als erstes Bundesland einen Prüfrahmen für Antikollisionssysteme erarbeitet. Dieser definiert Mindestanforderungen für die Entwicklung, Validierung und Prüfung der Systeme und wurde als Fachkonventionsvorschlag veröffentlicht. Aus Sicht des KNE stellt der schleswig-holsteinische Prüfrahmen den neuen Stand der Wissenschaft dar und sollte zukünftig der Erprobung und Validierung weiterer Systeme zugrunde gelegt werden. Eine wichtige Regelung darin ist, dass eine unabhängige Prüforganisation in die Prüfung der Wirksamkeit eines Systems einbezogen sein soll. Grundsätzlich standen auch die Teilnehmenden dem Prüfrahmen als möglichem neuen methodischen Standard positiv gegenüber. Er könne – mit Anpassungen – auch auf andere Bundesländer übertragen werden.
Zur Wirtschaftlichkeit von Systemen
Die Maßnahmenauswahl zum Vogelschutz wird maßgeblich durch deren Zumutbarkeit bestimmt. AKS verursachen nicht nur abschaltbedingte Ertragsverluste, sondern auch Investitionen. Diese werden eher getätigt, wenn es gelingt, ein AKS zur Überwachung von mehreren Windenergieanlagen einzusetzen, denn die Kosten werden den Windenergieanlagen anteilig zugerechnet.
Dass es trotzdem Fallkonstellationen für einen zumutbaren AKS-Betrieb gibt, zeigte der Input von KNE-Rechtsreferentin Jenny Lassmann. Diese Sichtweise unterstützte Tim Steinkamp (ARSU GmbH). Mit Hilfe aktueller Daten aus dem Testbetrieb eines Systems konnte er zeigen, dass der erwartbare Ertragsverlust in den betrachteten Fällen deutlich unter dem im BNatSchG festgesetzten Pauschalwert von 3 Prozent lag. Die Befürchtung, die Ertragsverluste könnten regelmäßig höher als der Pauschalwert liegen, ließe sich damit entkräften. Das Gutachten dazu werde in Kürze veröffentlicht.
Intensive Diskussionen zeichneten die Veranstaltung aus
Gelegenheit zur Diskussion gab es nach den einzelnen Themensessions und in der Podiumsrunde. „Auch wenn sich die Rahmenbedingungen nicht günstig entwickelt haben: Fachlich gesehen sind AKS wegen ihrer hohen Vermeidungswirksamkeit eine gute Lösung“, sagte Kathrin Ammermann (Bundesamt für Naturschutz). Es lohne sich, nicht aufzugeben und daran weiterzuarbeiten. Die im BNatSchG festgelegten Schutzmaßnahmen seien wichtig und konstellationsspezifisch zu priorisieren.
Es wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, die Anwendungsvoraussetzungen zu verbessern. Das Plenum gab zu bedenken, dass Standorte, an denen AKS die aus fachlicher Sicht geeignetste Maßnahme darstellen, dies wirtschaftlich nicht immer hergeben. Da der Umfang der möglichen Abschaltmaßnahmen nach § 45b BNatSchG an die Höhe des Ertrags gekoppelt ist, so Dr. Elke Bruns, könnte nur eine Entkoppelung oder eine Anhebung der Zumutbarkeitsgrenze etwas daran ändern. Die Chancen, diese gesetzlichen Regelungen zu ändern oder Sonderregelungen für AKS vorzusehen, seien gering. Bereits die als Denkanstoß gemeinte Überlegung stieß auf Kritik.
In einem Punkt waren sich die Teilnehmenden jedoch einig: Nicht bei allen Projekten werden diese Systeme gebraucht, aber sinnvolle Standorte lassen sich identifizieren.