Waldinanspruchnahme durch Windenergieanlagen sowie Beitrag der Windenergie zu klimaresilienten Wäldern

Frage

Gibt es Zahlen zum Umfang der in Deutschland für Windenergieanlagen im Wald gerodeten Flächen und ist bekannt, welchen Beitrag die Windenergie an Land zum Waldumbau im Sinne eines an den Klimawandel angepassten Waldes leistet?

Vollständige Antwort

Umfang der Waldinanspruchnahme durch die Windenergie

Zum Gesamtumfang bislang gerodeter Flächen für Windenergieanlagen (WEA) in Deutschland gibt es keine exakten Zahlen, da diese Zahlen nicht systematisch länderübergreifend dokumentiert und ausgewertet werden. Nach Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land[1] wurden Ende 2023 bundesweit 2.450 WEA auf Waldstandorten betrieben (FA Wind 2024a, S. 16). Auf Grundlage von Durchschnittswerten für die dauerhafte und die temporäre Waldinanspruchnahme durch WEA von 0,95 Hektar lässt sich ein Gesamtwert der in Anspruch genommenen Waldfläche von rund 2.325 Hektar hochrechnen, davon durch eine dauerhafte Waldumwandlung 1.176 Hektar. Dies entspricht bei 11,5 Millionen Hektar Gesamtwaldfläche Deutschlands nach dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL 2024) einem Anteil von lediglich 0,01 Prozent.

Die Fachagentur Windenergie an Land ermittelte, dass während der Bauphase einer WEA durchschnittlich 0,47 Hektar für Transport-, Arbeits- und Montagetätigkeiten temporär in Anspruch genommen werden. Diese Flächen können nach der Errichtung wieder aufgeforstet werden. Durchschnittlich 0,48 Hektar Waldfläche werden pro Anlage zusätzlich dauerhaft in Anspruch genommen (FA Wind 2024a, S. 15). Diese Flächen umfassen das Fundament, die Kranstellfläche sowie die Neuanlage oder ggf. Verbreiterung bestehender Zuwegungen inklusive Überschwenkbereiche in Kurven und ggf. zu schaffende Böschungen und Bankette. Diese Flächen müssen dauerhaft, während der gesamten Betriebszeit baumfrei bleiben, weshalb für diese Flächen in der Regel eine forstrechtliche Waldumwandlung erforderlich ist (vgl. ebd., S. 13).

Je nach Standort, Anlagentyp, Alter und Größe der Anlagen schwankt die dauerhaft benötigte Fläche zwischen 0,04 und 1,38 Hektar, die zusätzlich bauzeitliche Fläche zwischen 0 und 1,95 Hektar pro Anlage (ebd., S. 15).

Zu etwas geringeren Zahlen, aber ähnlich großen Schwankungen kamen bereits Reichenbach et al. (2015), die Landschaftspflegerische Begleitpläne zu WEA-Vorhaben im Wald auswerteten. Die Analyse ergab, dass sich die in Anspruch genommene Fläche pro Anlage erhöht, wenn Lagerflächen sowie standortbedingt lange Zuwegungen innerhalb von Waldflächen liegen oder nur in begrenztem Umfang bereits vorhandene Wege genutzt werden können. Umgekehrt verhält sich dies, wenn vorhandene Wege genutzt werden können bzw. Lagerflächen und Zuwegung in Offenlandflächen liegen und nur der Anlagenstandort selbst im Wald (z. B. bei Standorten am Waldrand). Mit dem Trend hin zu größeren Anlagendimensionen (Turmhöhe, Rotorblattlänge und Leistung) stellten die Autorinnen und Autoren auch ein Trend zu steigenden Rodungsflächen fest. Bezogen auf die Leistung der WEA (Rodungsfläche pro Megawatt Nennleistung) war dieser Effekt jedoch moderat (ebd., S. 199 f.)

Der Trend zu wachsenden Anlagengrößen setzt sich aktuell weiter fort (vgl. FA Wind 2024b, S. 6), was auch zu einer weiterhin leicht steigenden Flächeninanspruchnahme pro WEA führt (vgl. FA Wind und Solar 2024, S. 15). Dabei wächst die Flächeninanspruchnahme jedoch nicht proportional zur Anlagengröße (und damit insbesondere nicht zum Stromertrag). Bei den aktuell größten Anlagen mit einem Rotordurchmesser von über 170 Metern ist die dauerhafte Flächeninanspruchnahme sogar geringer als bei vielen kleineren Anlagentypen. Allerdings ist dafür die temporäre Flächeninanspruchnahme höher, was insgesamt doch zu einer geringfügigen Steigerung der durchschnittlich in Anspruch genommenen Waldfläche führt (vgl. ebd., S. 14).

In diesem Zusammenhang ist allerdings weiterhin zu berücksichtigen, dass WEA zumindest teilweise auf ohnehin nicht bestockten Waldflächen bzw. auf Kalamitätsflächen realisiert werden, die bereits gerodet wurden bzw. aufgrund des Schädlingsbefalls zu roden sind. Temporär beanspruchte Waldflächen werden nach Abschluss der Errichtungsarbeiten gemäß den Vorgaben der Landeswaldgesetze wieder aufgeforstet. Dauerhaft beanspruchte Waldumwandlungsflächen sind in Form von Erstaufforstungen wertgleich zu kompensieren (FA Wind 2024a, S. 14). In waldreichen Bundesländern kann die dauerhafte Waldinanspruchnahme zum Teil auch durch ökologische Waldumbaumaßnahmen oder Waldrandgestaltungen ausgeglichen werden (ebd., S. 14).[2]

Zu großen Teilen handelt es sich bei der Waldinanspruchnahme durch die Windenergie weder um einen formalen noch einen realen Nettoverlust an Waldfläche. Es ist vielmehr ein temporärer, je nach betroffenem Waldbiotoptyp und Baumalter mitunter durch die Entwicklungszeit der Ersatzpflanzungen oder der Naturverjüngung allerdings auch langjähriger Funktionsverlust.

Beitrag der Windenergie zur Schaffung klimaresilienter Wälder

Zum Beitrag der Windenergie an Land zum Waldumbau im Sinne eines klimaresilienten – also an den Klimawandel angepassten – Waldes sind dem KNE keine Studien bekannt. Aus der Auswertung der Landschaftspflegerischen Begleitpläne durch Reichenbach et al. (2015) ist aber bekannt, dass bei der Aufforstung temporär in Anspruch genommener Waldflächen und bei der Schaffung und Weiterentwicklung von Wald- und Waldrandflächen im Zuge der waldrechtlichen und der naturschutzrechtlichen Eingriffskompensation in den meisten Fällen Gehölze der Laub- und Laubmischwälder sowie der Waldsäume verwendet werden (Reichenbach et al. 2015, S. 179 ff.). Diese dürften in vielen Fällen klimaresilienter sein als die in Anspruch genommenen Waldflächen, insbesondere, wenn sie (Nadelbaum-)Monokulturen ersetzen.

Pachteinnahmen für die genutzten Waldflächen können von den Waldeigentümerinnen und -eigentümern zusätzlich für den klimawandelgerechten Waldumbau genutzt werden (vgl. BWE 2021, S. 21 und 25).

Der Waldumbau hin zu klimaresilienten Wäldern ist eine sehr große wald- und forstwirtschaftliche Gesamtaufgabe. Windenergievorhaben können in manchen Fällen lokal einen klimawandelgerechten Waldumbau unterstützen. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten sehr begrenzten Flächenumfänge für Wiederaufforstungen und die waldrechtliche Kompensation sowie der sehr geringen Flächenanteile insgesamt, dürfte der Beitrag der Windenergie hierzu insgesamt eher gering sein.

Zudem ist nicht zu vernachlässigen, dass je nach standörtlicher Konstellation, durch Schaffung oder Vergrößerung baumfreier Flächen oder Schneisen im Wald, von Windenergievorhaben auch negative kleinklimatische Auswirkungen auf das lokale Waldinnenklima ausgehen können, was betroffene Waldflächen wiederum vulnerabler gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels machen kann.


[1] Seit 07.05.2024 heißt die „Fachagentur Windenergie an Land“ nun offiziell „Fachagentur Wind und Solar“.

[2] In einigen Bundesländern ist auch ein finanzieller Ausgleich durch Zahlung einer zweckgebundenen Wald­erhaltungsabgabe möglich, wenn zum Beispiel Ersatzaufforstungen mangels geeigneter Flächen nicht möglich sind.

Quellen

BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2024): Der Wald in Deutschland – Bundeswaldinventur 2024. Bonn. 60 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 10.12.2024).

BWE − Bundesverband WindEnergie (2021): Windenergie im Forst. Wie Windenergie einen Beitrag zum Waldschutz leistet. Berlin. 25 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 10.12.2024).

FA Wind – Fachagentur Windenergie an Land (2024a): Entwicklung der Windenergie im Wald – 9. Auflage. Berlin. 52 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 10.12.2024).

FA Wind − Fachagentur Windenergie an Land (2024b): Ausbausituation der Windenergie an Land im Jahr 2023. Berlin. 48 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 10.12.2024).

FA Wind und Solar – Fachagentur Wind und Solar (2024b): Windenergienutzung auf Forstflächen – Grundlagen, Status quo und Rahmenbedingungen in den Ländern. Vortragsfolien von Jürgen Quentin auf den 32. Windenergietagen in Linstow v. 07.11.2024 Berlin. 25 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 10.12.2024).

Reichenbach, M., Brinkmann, R., Kohnen, A., Köppel, J., Menke, K., Ohlenburg, H., Reers, H., Steinborn, H., Warnke, M. (2015): Bau- und Betriebsmonitoring von Windenergieanlagen im Wald. Abschlussbericht vom 30.11.2015. Oldenburg. 351 S. Link zum Dokument  (letzter Zugriff: 10.12.2024).