Frage
Was sind die Unterschiede zwischen Umweltprüfung (UP) in der Bauleitplanung und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei der Zulassung von Windenergievorhaben? Kann eine UP in Einzelfällen eine UVP ersetzen?
Vollständige Antwort
Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung
Mit der Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) im Jahr 2004 durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) wurde die europäische Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UP- oder auch SUP-Richtlinie) in das deutsche Bau-Recht umgesetzt.
Damit wurde eine Umweltprüfung, als unselbständiger Teil des Bauleitplanverfahrens für die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen obligatorisch (vgl. § 2 Abs. 4 BauGB). Damit sind auch vorhabenbezogene Bebauungspläne eingeschlossen, die zur Realisierung von Windenergievorhaben häufig Anwendung finden. Ausgenommen von der Prüfpflicht sind lediglich Bauleitpläne, die im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB bzw. im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB (Innenentwicklung) aufgestellt werden, allerdings auch nur dann, wenn durch diese wiederum keine Vorhaben vorbereitet oder begründet werden, die einer Projekt-UVP-Pflicht unterliegen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB). Dabei genügt es schon, wenn die Vorhaben UVP-vorprüfungspflichtig sind (vgl. Schiller in Bracher et al. 2014, Rn. 940, 960).
Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung dient seit 2004 zudem als Trägerverfahren für weitere umweltbezogene Prüfverfahren, wie die Eingriffsregelung, die FFH-Verträglichkeitsprüfung und [in bestimmten Fällen auch] die Projekt-UVP, wodurch Doppelprüfungen vermieden werden sollen (Hentschel 2010, S. 292).
Die Umweltprüfung im Bauleitplanverfahren
Die Umweltprüfung dient der Ermittlung und Bewertung der umwelterheblichen Belange im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung. Verfahrensmäßig wird dazu bei Vorliegen entsprechender Planentwürfe von der Gemeinde im sogenannten „Scoping“ der Untersuchungsrahmen und die Untersuchungstiefe, bezogen auf die verschiedenen Schutzgüter (Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Klima, Luft, biologische Vielfalt, Landschaft, Mensch, Kultur- und Sachgüter) und mögliche Wechselwirkungen festgelegt. Dabei erfolgt auch die Einbeziehung von Fachbehörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange im Rahmen einer „frühzeitigen Behördenbeteiligung“ nach § 4 Absatz 1 BauGB. Im Anschluss erfolgt im sogenannten Umweltbericht die Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen. Der Umweltbericht stellt einen gesonderten Teil der Begründung des Bauleitplanes dar und muss dementsprechend im Rahmen der nachfolgenden Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung mit ausgelegt werden (§ 3 Abs. 2 BauGB). Erfolgen im Nachgang der Beteiligung Änderungen oder Ergänzungen des Umweltberichtes, ist dieser gegebenenfalls erneut mit dem Planentwurf auszulegen und einer erneuten Beteiligung zu unterziehen. Nach Abschluss der Beteiligung sind die Inhalte des Umweltberichtes, d. h. das Ergebnis der Umweltprüfung bei der Abwägungsentscheidung über den Plan zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB). Des Weiteren schreibt das BauGB vor, dass dem Plan eine zusammenfassende Erklärung beigefügt wird, wie die Umweltbelange, die Ergebnisse der Beteiligung sowie alternative Planungsmöglichkeiten berücksichtigt wurden. Die Erklärung ist der Bekanntmachung des Planes beizufügen. § 4c BauGB enthält zudem abschließend die Vorgabe, dass die Gemeinden die erheblichen Umweltauswirkungen, die auf Grund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten, überwachen (sog. Monitoring), um gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen einleiten zu können. (vgl. Hentschel 2010, S. 294 f.)
Abschichtungsmöglichkeiten im Rahmen der Umweltprüfung
Von Relevanz für die eingangs bereits angesprochene Vermeidung von Doppelprüfungen ist die im BauGB vorgesehene Möglichkeit der Abschichtung (§ 2 Abs. 4 Satz 5 BauGB). Demnach soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder parallel durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Wenn also auf der höheren Planungsebene, beispielsweise im Rahmen der Umweltprüfung einer raumordnerischen Konzentrationszonenplanung für die Windenergienutzung bereits Umweltauswirkungen ermittelt wurden, so können die Ergebnisse in der kommunalen Flächennutzungsplanung übernommen werden und müssen nicht erneut ermittelt werden. Gleiches gilt im Verhältnis zwischen Flächennutzungsplanung und Bebauungsplanung. Allerdings dürfen die Prüfergebnisse nicht durch den Zeitablauf zwischen den Aufstellungsverfahren oder aufgrund von Veränderungen im Planungsumfeld veraltet sein. (Hentschel 2010, S. 297)
Die Umweltverträglichkeitsprüfung
Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in Teil 2 geregelt und setzt auf der konkreten Projektebene an. Zudem ist die UVP bzw. das UVPG eng mit dem Zulassungsverfahren von Windenergieanlagen (WEA) verknüpft (siehe unten). WEA-Vorhaben finden sich in der Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben (Anlage 1 zum UVPG) unter der Nummer 1.6. Danach unterliegen WEA-Vorhaben erst dann überhaupt einer Prüfpflicht nach UVPG, wenn die Anlagen eine Höhe von mehr als 50 Metern aufweisen und es sich um eine „Windfarm“ mit mindestens drei Anlagen handelt. Eine Windfarm im Sinne des Gesetzes liegt dann vor, wenn die Anlagen einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren (Hentschel 2010, S. 371). Genauer müssen entsprechende Vorhaben mit 20 oder mehr WEA generell einer UVP unterzogen werden. Dahingegen sind Vorhaben mit sechs bis 19 WEA zunächst einer allgemeinen Vorprüfung sowie Vorhaben mit drei bis fünf Anlagen einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls zu unterziehen. In diesen Vorprüfungen wird ermittelt, ob eine UVP-Pflicht besteht. (Agatz 2015, S. 19)
Die UVP-Pflichtigkeit von WEA-Vorhaben kann wiederum Auswirkungen auf die Art des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens von WEA haben, welches jedes WEA-Vorhaben in jedem Fall durchlaufen muss. Hier gibt das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) das sogenannte förmliche Genehmigungsverfahren (nach § 10 BImSchG) und das vereinfachte Genehmigungsverfahren (nach § 19 BImSchG) vor. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass das vereinfachte Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung abläuft, das heißt, es erfolgt keine Bekanntmachung und Auslegung der Vorhabenunterlagen, es können keine Einwendungen von jedermann erhoben werden und es erfolgt demnach auch keine Erörterung der Einwendungen. Ist jedoch ein WEA-Vorhaben aufgrund der Anlagenhöhe und Anlagenzahl UVP-pflichtig oder wird im Rahmen der Vorprüfung eine UVP-Pflicht festgestellt, so ist zwangsläufig das förmliche Genehmigungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen. Ferner kann der Vorhabenträger freiwillig die Durchführung des förmlichen Genehmigungsverfahrens beantragen. (Hentschel 2010, S. 370)
Ist eine UVP durchzuführen, ist diese als unselbständiger Teil in das Genehmigungsverfahren nach BImSchG in Verbindung mit der 9. BImSchV zu integrieren, wobei es für die Art der Durchführung der UVP nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV keines Rückgriffs auf die Regelungen des UVPG bedarf (ebd., S. 373).
Die UVP im BImSchG-Genehmigungsverfahren
Üblicherweise ist der formellen Antragstellung des WEA-Vorhabenträgers auf Genehmigung eine Vorberatung vorgeschaltet, in der unter anderem die erforderlichen Antragsunterlagen, eventuell erforderliche Gutachten sowie der Rahmen der erforderlichen UVP abgestimmt werden (sog. Scoping). Nach § 4e der 9. BImSchV hat der Antragsteller eine Beschreibung der Umwelt und ihrer Bestandteile sowie der erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter (Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kultur- und sonstige Sachgüter) einschließlich ihrer Wechselwirkungen untereinander beizubringen. Im Anschluss an die formale Antragstellung erfolgt die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens anhand der drei Verfahrenselemente Öffentlichkeitsbeteiligung, Behördenbeteiligung (jeweils ggf. grenzüberschreitend) sowie der durchzuführenden UVP. (Hentschel 2010, S. 373)
Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. § 10 Abs. 3 i.V.m. §§ 8 ff. der 9. BImschV) ist das Vorhaben zunächst bekannt zu machen und die Antragsunterlagen sind öffentlich auszulegen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann dann von jedermann schriftlich Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben werden. Diese sind wiederum mit dem Antragsteller und den Einwendern in einem Erörterungstermin zu behandeln. Unterschiede zum Bauleitplanverfahren bestehen also in einer etwas längeren Einwendungsfrist und in dem im Bauleitplanverfahren nicht vorgesehenen Erörterungstermin. Mit der Bekanntmachung des Vorhabens ist auch die Behördenbeteiligung durchzuführen. Dabei sind alle Behörden, deren Aufgabenbereiche berührt werden, gleichzeitig und mit einmonatiger Frist zur Stellungnahme zum Vorhaben aufzufordern (§ 10 Abs. 5 BImSchG, § 11 der 9. BImschV und § 7 UVPG).
Die eigentliche UVP erfolgt einerseits durch eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens auf Grundlage der oben genannten Unterlagen und unter Einbeziehung der behördlichen Stellungnahmen, der Einwendungen Dritter sowie eigener Ermittlungen sowie Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (§ 20 Abs. 1a der 9. BImSchV). Andererseits hat eine Bewertung dieser Auswirkungen auf die ebenfalls oben genannten Schutzgüter zu erfolgen. Diese Bewertung ist wiederum bei der Genehmigungsentscheidung zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 1b der 9. BImSchV). Sind nach Ansicht der Genehmigungsbehörde die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, erteilt sie die Genehmigung, gegebenenfalls verknüpft mit Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG (Hentschel 2010, S. 374).
Mögliche Entlastung durch vorgelagerte Umweltprüfungen
Ist dem BImSchG-Genehmigungsverfahren bereits die Aufstellung eines Bauleitplanes mit begleitender Umweltprüfung vorausgegangen, so soll gemäß § 17 Abs. 3 UVPG die UVP im Genehmigungsverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden. Dabei geht es wie im Verhältnis Bauleitplanung zu Regionalplanung bzw. FNP zu B-Plan (vgl. Kapitel oben) um eine Abschichtung der Umweltprüfungen, um Mehrfachprüfungen sowie Wertungswidersprüche zu vermeiden (Hentschel 2010, S. 374). Allerdings ist dies – analog zur Abschichtungsmöglichkeit nach BauGB – nur möglich, wenn das Prüfergebnis nicht durch eine Veränderung der für die Umweltprüfung maßgeblichen Verhältnisse (z. B. veraltete Daten) überholt ist (ebd.).
Da die Gemeinde bei der bauleitplanerischen Umweltprüfung auf die städtebaulich bedeutsamen, also standörtlichen Umweltauswirkungen beschränkt ist, kann sich die Genehmigungsbehörde auf die Prüfung der betriebsbezogenen Umweltverträglichkeit konzentrieren (vgl. Wagner und Paßlick in Hoppe und Beckmann 2012, § 17 UVP, Rn. 189).
Rahmenbedingungen für den Verzicht auf eine UVP im Genehmigungsverfahren
Wie eingangs bereits angedeutet, werden Bebauungspläne für Sondernutzungsgebiete für die Windenergie meist als vorhabenbezogene Bebauungspläne aufgestellt. Daher sind der Prüfungsgegenstand des Plans und des BImSchG-Verfahrens in den meisten dieser Fälle vollständig identisch. Der WEA-Vorhabenträger verfolgt daher meist das Genehmigungsverfahren parallel zum B-Plan-Aufstellungsverfahren und setzt für beide Verfahren dieselben Unterlagen und Gutachten ein (Agatz 2015, S. 31). Nur in diesen Fällen, in denen bereits im Bebauungsplan-Verfahren alle Umweltauswirkungen erfasst sind und somit eine Deckungsgleichheit der Prüfinhalte besteht, kann die Genehmigungsbehörde nach § 3a UVPG feststellen, dass keine (weitere) Verpflichtung zur Durchführung einer UVP im Genehmigungsverfahren besteht (Wagner und Paßlick in Hoppe und Beckmann 2012, § 17 UVP, Rn. 190). Entsprechend urteilte auch das OVG Lüneburg (Beschluss vom 25. Februar 2014).
In den Fällen, in denen WEA im bauleitplanerischen Außenbereich realisiert werden sollen, sprich: kein (vorhabenbezogener) Bebauungsplan vorliegt, ist es zwar ebenfalls möglich, dass bereits auf höherer Planungsebene (FNP bzw. Raumordnungsplanung) eine Umweltprüfung stattgefunden hat. Diese dürfte jedoch regelmäßig keinen hinreichenden Prüfumfang aufweisen, um auf eine UVP im WEA-Genehmigungsverfahren verzichten zu können.
Quellen
Agatz, M. (2015): Windenergie-Handbuch. 12. Auflage. Gelsenkirchen. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 07.12.2016).
Bracher, C., O. Reidt, G. Schiller (2014): Bauplanungsrecht. 8. Auflage. Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln. 996 S.
Hentschel, A. (2010): Umweltschutz bei Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen. Forum Energierecht Bd. 16. Nomos Verlag, Baden-Baden. 656 S.
Hoppe, W., M. Beckmann (Hrsg.) (2012): Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Kommentar. 4. Auflage. Carl Heymanns Verlag, Köln. 1010 S.
Rechtsprechung
OVG Lüneburg (2014): Beschluss vom 25. Februar 2014 mit Aussagen zum Verzicht auf eine UVP im Genehmigungsverfahren aufgrund einer hinreichenden Prüfung in einer vorgelagerten Umweltprüfung, AZ 12 LA 97/13. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 25. November 2016).