Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Belange bei der Realisierung verfahrensfreier Photovoltaik-Freiflächenanlagen

Frage

Inwiefern werden naturschutzrechtliche Belange bei der Realisierung von verfahrensfreien Photovoltaik-Freiflächenanlagen berücksichtigt?

Vollständige Antwort

In Baden-Württemberg ist die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) seit dem 28. Juni 2025 generell verfahrensfrei gestellt (vgl. § 50 Abs. 1 LBO BW i.V.m. Anhang 1 Nr. 3c). In Bayern gilt die Verfahrensfreistellung bereits seit dem 1. Januar 2025 für Solarparks, die unter den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 8b) BauGB fallen (vgl. Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 a) bb) BayBO) bzw. im Geltungsbereich einer städtebaulichen Satzung oder einer Satzung nach Art. 81 BayBO liegen (vgl. Art. 57 Abs. 2 Nr. 9 BayBO). In Niedersachsen zählen seit dem 1. Juli 2025 zu den nach § 60 Abs. 1 NBauO verfahrensfreien Baumaßnahmen Solaranlagen im Geltungsbereich einer städtebaulichen Satzung, wenn diese Regelungen über die Zulässigkeit, den Standort und die Größe der baulichen Anlagen enthält (vgl. 2.3 a) des Anhangs). Anders als in Baden-Württemberg werden Solarparks in Bayern und Niedersachsen damit nur räumlich begrenzt und unter ganz konkreten Voraussetzungen verfahrensfrei gestellt. In allen Fällen gilt, dass abweichend vom Regelfall (KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende 2024a) für diese Anlagen kein Baugenehmigungsverfahren und jedenfalls in Bayern auch sonst keine Unterrichtung der unteren Bauaufsichtsbehörde vorgesehen ist (von Ammon et al. 2025)[1]. In Baden-Württemberg sind die Gemeinden dazu ermächtigt, die nach § 50 LBO BW verfahrensfreien Vorhaben, etwa zum Schutz von Kultur- und Naturdenkmalen (vgl. § 74 Abs. 1 S. 1 LBO BW), durch örtliche Bauvorschriften dem Erfordernis einer Kenntnisgabe zu unterwerfen (vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO BW)[2].

Mit den Neuregelungen zur Verfahrensfreistellung können naturschutzrechtliche Belange nicht mehr, wie bislang, im baurechtlichen Genehmigungsverfahren geprüft werden. Bislang galt die Verfahrensfreistellung nur für gebäudeabhängige Anlagen bzw. Anlagen bis zu einer bestimmten Größe (9 x 3 Meter)[3]. Durch die Neuregelungen soll nun auch der Ausbau von PV-FFA dadurch beschleunigt werden, dass der behördliche Prüfaufwand reduziert und auf den Vorhabenträger übertragen wird (MLW BW 2025b). Für Bauanträge, die vor Inkrafttreten der Neuregelungen gestellt wurden, gilt die bisherige Rechtslage fort. Allerdings ist eine Rücknahme des Bauantrags vor Erteilung der Baugenehmigung sowohl in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen möglich[4].

Beachtung des öffentlichen (Naturschutz-)Rechts

Auch wenn kein formelles Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist, muss das Vorhaben geltendem Recht entsprechen (vgl. § 50 Abs. 5 S. 1 LBO BW bzw. Art. 55 Abs. 2 BayBO bzw. § 59 Abs. 3 NBauO). Verfahrensfreiheit bedeutet also nicht die Freistellung von naturschutzrechtlichen Vorgaben. Diese, sowie weitere Regelungen des öffentlichen Rechts, einschließlich des Nachbarschaftsrechts, sind weiterhin zu beachten und entsprechende Genehmigungen einzuholen.[5] Konflikte mit dem Naturschutzrecht können etwa dann auftreten, wenn die PV-FFA innerhalb eines Natur- oder Landschaftsschutzgebiets realisiert werden soll (KNE 2022). Abgesehen von Natur- und Landschaftsschutzgebieten sind in den §§ 22 ff. BNatSchG weitere Schutzgebietskategorien benannt, deren Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung, etwa durch die Errichtung eines Solarparks, verboten ist (KNE 2024b, S. 4 ff.). Für Eingriffe außerhalb von Schutzgebieten greifen die Regelungen der §§ 14 bis 17 BNatSchG (Verursacherpflichten bei Eingriffen in Natur und Landschaft). Dabei gilt der allgemeine Grundsatz, dass erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushalts optimalerweise vermieden und ansonsten durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kompensiert werden sollen, vgl. § 13 BNatSchG. Ebenso wie bei privilegierten Vorhaben, ist auch für verfahrensfreie Anlagen eine naturschutzrechtliche Genehmigung bei der unteren Naturschutzbehörde einzuholen (KNE 2024a, S. 14). Die Möglichkeit zur Erteilung von Befreiungen nach § 67 BNatSchG bleibt bestehen.

Sind für verfahrensfreie PV-FFA im Außenbereich künftig weiterhin
Bauleitplanverfahren erforderlich?

Da der Solarpark geltendem Recht entsprechen muss, ist auch das Bauplanungsrecht zu beachten. Für Anlagen, die in Baden-Württemberg errichtet werden sollen, wird daher die Aufstellung eines Bebauungsplans (B-Plan) erforderlich sein, sofern das Vorhaben im Außenbereich unzulässig ist (MLW BW 2025a, S. 18). Der vorhabenbezogene B-Plan stellt aktuell das Standardverfahren dar. Er kann auf Antrag des Vorhabenträgers nach § 12 Abs. 1 BauGB durch die jeweilige Standortgemeinde erlassen werden. In Bayern dagegen besteht das Erfordernis zur Bauleitplanung jedenfalls insoweit nicht, als sich die Verfahrensfreistellung auf nach § 35 Abs. 1 Nr. 8b) BauGB privilegierte Vorhaben bezieht, da für diese keine Planungspflicht besteht. Für verfahrensfreie PV-FFA im Geltungsbereich einer städtebaulichen Satzung, wie in Bayern und Niedersachsen, werden bauplanungsrechtliche Belange bereits im Rahmen des Aufstellungsverfahrens berücksichtigt[6].

Konsequenzen bei Verstoß gegen geltendes Recht

Steht der Solarpark im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, kann gegen ihn bauaufsichtsrechtlich vorgegangen werden. Für Baden-Württemberg regelt etwa § 64 LBO BW die Möglichkeit zur Anordnung einer Baueinstellungs- bzw. Stilllegungsverfügung gegen materiell-rechtswidrige Vorhaben. Dies gilt auch für Verstöße gegen das Naturschutz- oder sonstige Fachrecht, sofern diese schon während der Errichtung festgestellt werden[7]. Ausreichend ist dabei, dass objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass ein mit der Rechtsordnung unvereinbarer Zustand geschaffen wird[8]. Auch Abbruchsanordnung oder Nutzungsuntersagung sind möglich, vgl. § 65 LBO BW. In Bayern besteht die Möglichkeit einer Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 BayBO bzw. Beseitigungsanordnung nach Art. 76 BayBO. In Niedersachsen regelt § 79 NBauO Möglichkeiten zum Einschreiten gegen rechtswidrige Baumaßnahmen. Die Prüfung derartiger bauaufsichtsrechtlicher Maßnahmen erfolgt eigenständig, also ohne vorherige Antragstellung, durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde (Voßkuhle 2025, S. 319). Handelt es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Naturschutzrecht, können darüber hinaus Sanktionen verhängt werden, die von Bußgeldern bis hin zu Freiheitsstrafen reichen (vgl. §§ 69 ff. BNatSchG).

Möglichkeiten rechtlicher Absicherung

Als Absicherung gegen unbeabsichtigte Verstöße und damit verbundene Rechtsunsicherheiten können Projektierer in Baden-Württemberg und Niedersachsen einen Bauvorbescheid bei der unteren Baurechtsbehörde beantragen (vgl. § 50 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 LBO BW bzw. § 73 Abs. 1 NBauO). Er bietet dem Projektierer die Möglichkeit, einzelne Fragen, die ansonsten in der Baugenehmigung zu entscheiden sind, verbindlich und abschließend klären zu lassen.[9] Der Bauvorbescheid gilt drei Jahre (vgl. § 57 Abs. 1 S. 2 LBO BW bzw. § 73 Abs. 2 S. 1 NBauO) und bietet damit langfristige Rechtssicherheit für einzelne Zulässigkeitsfragen. Seine Beantragung erfolgt elektronisch in Textform nach § 126b BGB (vgl. § 50 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 LBO BW bzw. § 73 Abs. 1 S. 3 NBauO).

In Bayern besteht eine entsprechende Regelung für verfahrensfreie Vorhaben nicht. Hier ist die Beantragung eines Bauvorbescheids nach Art. 71 BayBO nur für genehmigungspflichtige Vorhaben möglich. Eine Übersicht über die für das Vorhaben unter Umständen zu berücksichtigende Aspekte aus den besonders relevanten, aber nicht abschließenden Bereichen Natur- und Denkmalschutz sowie Straßenrecht enthält der Energieatlas Bayern, ein Internet-Portal der Bayerischen Staatsregierung, das kostenlose Informationen, Planungsinstrumente und Entscheidungshilfen für Privatpersonen, Kommunen, Unternehmen, Planer und Behörden bereitstellt (StMWi BY – Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft Landesentwicklung und Energie 2025). Ferner wäre noch an das Einholen externer Fach- und Rechtsgutachten zwecks eigenständiger Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens zu denken. Die rechtliche Absicherung gegen unbeabsichtigte Rechtsverstöße dürfte ferner auch für Banken oder Investoren eine Voraussetzung dafür sein, Geld in ein Projekt zu investieren (Himmelsbach 2025).

Umfang der Verfahrensfreistellung

In Baden-Württemberg gilt: Während die PV-FFA verfahrensfrei ist, trifft dies nicht zugleich auf Nebenanlagen zu: Trafos und Batteriespeicher (KNE 2025, S. 8)[10] sind als gesonderte bauliche Anlagen zu genehmigen und unterliegen wie auch die Einzäunung des Solarparks nicht der Freistellung (MLW BW 2025a, S. 18). Derartige Nebenanlagen können jedoch nach Maßgabe des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO BW verfahrensfrei sein (insb. nach Nr. 1 Buchstabe a und j sowie Nr. 4 Buchstabe d). Auch in Bayern unterliegt lediglich die PV-FFA der Verfahrensfreistellung; Batteriespeicher und Trafostationen sind gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 4c nur dann verfahrensfrei, wenn sie als Teil von Anlagen der öffentlichen Versorgung mit Wärme oder Elektrizität dienen und gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zulässig sind. In Niedersachsen sind Einfriedungen, wenn sie der Nutzung der Solaranlage dienen, bis zu einer Höhe von zwei Metern verfahrensfrei (vgl. 6.6.1 der Anlage zu § 60 Abs. 1 NBauO).

Fazit

Mit der Verfahrensfreistellung soll der behördliche Prüfaufwand reduziert und dadurch der Ausbau von PV-FFA beschleunigt werden. Dieses Ziel wird nur bedingt erreicht, denn zum einen werden nicht alle baulichen Bestandteile eines Solarparks von der Freistellung erfasst – dies kann zu Verzögerungen führen. Zum anderen gehen mit den Neuregelungen Unsicherheiten für den Projektierer einher; er muss dafür sorgen, dass die Anlage den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht und entsprechende Genehmigungen dafür einholen. Tut er dies nicht oder in unzureichendem Maße, drohen die Baueinstellung bzw. Bußgelder oder Freiheitsstrafen bei schwerwiegenden Verstößen. Da das Vorhaben öffentlichem Recht entsprechen muss, sind naturschutzrechtlichen Belange auch bei Verfahrensfreistellung zu prüfen und Vermeidung- und Ausgleichspflichten zu erfüllen. Insoweit ein B-Plan aufgestellt werden muss, werden naturschutzrechtliche Belange bereits in diesem Rahmen mitgeprüft. Die Verfahrensfreistellung bedeutet damit keine Absenkung der naturschutzfachlichen Standards. Inwiefern diese allerdings rechtzeitig in die Planung einbezogen werden, bleibt abzuwarten.


[1] Weinmann in: Spannowsky/Manssen, BayBO, 33. Auflage 2025, Art. 57, Rn. 8, 9.

[2] Seith/Heinemann in: Spannowsky/Uechtritz, BWLBO, 32. Auflage 2024, § 50 Rn. 1-3.

[3] Siehe etwa die Aufzählungen in § 61 MBO, Art. 57 BayBO, § 50 LBO BW, § 60 BauO LSA.

[4] Gaßner/Reuber in: Busse/Kraus, BayBO, 2025, Art. 64 Rn. 55-60; Gassner in: Spannowsky/Uechtritz, BWLBO, 32. Auflage 2025, § 53 Rn. 19-23; Fricke in: Spannowsky/Otto, NBauO, 34. Auflage 2025, § 67 Rn. 1-6.

[5] Weinmann, in: Spannowsky/Manssen, BayBO, 33. Auflage 2025, Art. 57 Rn. 22-24; Seith/Heinemann in: Spannowsky/Uechtritz, BWLBO, 32. Auflage 2024, § 50 Rn. 26, 27; von Waldthausen in: Spannowsky/Otto, 34. Auflage 2025, § 60, Rn. 1-36.

[6] Beckmann in: Stüer/Beckmann, BauR-HdB, 6. Auflage 2025, Rn. 3464-3468.

[7] Krämer in: Spannowsky/Uechtritz, BWLBO, 32. Auflage 2025, § 64 Rn. 6-19.

[8] VG Stuttgart, Beschl. v. 28.07.2021 – 11 K 2322/21, Rn. 30 bei BeckRS.

[9] Weiblen in: Spannowsky/Uechtritz, BWLBO, 32. Auflage 2025, § 57, Rn. 1,2; Pautsch in: Spannowsky/Otto, NBauO, 34. Auflage 2024, § 73, Rn. 1-4.1.

[10] U.a. zur Frage, wann ein Batteriespeicher als Nebenanlage i.S.v. § 14 BauNVO zu qualifizieren ist.

Quellen

von Ammon, S., Wegner, N., Ritter, D., Dünzen, K. (2025): Photovoltaik- Freiflächenanlagen: Rechtsfragen zu Rückbauverpflichtungen und Repowering. Kurzbericht. Climate Change 43/2025. UBA – Umweltbundesamt (Hrsg.). 25 S. 20 Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

Himmelsbach, M. (2025): LBO-Reform Ba-Wü: Verfahrensfreiheit kommt, Abstimmungsbedarf bleibt. Solarserver. Gastbeitrag vom 08.04.2025. 3 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2025): Rechtliche Rahmenbedingungen für Batteriespeicher im Außenbereich. Analyse mit Blick auf Batteriespeicher und Solarenergie. 13 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2024a): Bauplanungsrechtliche Teilprivilegierung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Berlin. 16 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2024b): Schutzgebiete des Naturschutzrechts und erneuerbare Energien. Stand: 12. Dezember 2024. 13 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2022): Anfrage Nr. 327b zu PV-FFA in Landschaftsschutzgebieten. Antwort vom 19.05.2022. 7 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

MLW BW – Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg (2025a): FAQ zur LBO-Reform 2025. Stand 13. August 2025. 20 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

MLW BW – Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg (2025b): LBO-Reform „Schnelleres Bauen“. Homepage. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.10.2025).

StMWi BY – Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft Landesentwicklung und Energie (2025): Energie-Atlas Bayern. Internetseite. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 28.10.2025).

Voßkuhle, A., Heitzer, S. (2025): Grundwissen – Öffentliches Recht: Bauaufsichtliche Eingriffsbefugnisse. JuS – Juristische Schulung 65 (4). S. 319–323.