Frage
Warum erfolgt bei Windenergieanlagen im Offenland in der Regel keine Begrünung des direkten Anlagenumfeldes? Gibt es dafür fachliche Gründe oder gar gesetzliche Hürden? Wäre eine Begrünung nicht auch eine Alternative zur optisch unschönen Schotterung der Flächen?
Vollständige Antwort
Dass unter Windenergieanlagen (WEA) im Offenland bzw. auf Agrarflächen in der Regel keine Begrünung des direkten Anlagenumfeldes erfolgt und auch die Zuwegung im näheren Anlagenumfeld nicht mit Hecken und Gehölzen bepflanzt wird, hat einen naturschutzfachlichen Hintergrund, der sich 2022 auch rechtlich im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) niedergeschlagen hat. Denn mit der möglichst unattraktiven Gestaltung der Flächen sollen zusätzliche Kollisionsrisiken für bestimmte Vogel- und Fledermausarten vermieden werden.
Warum findet keine Begrünung des WEA-nahen Umfeldes statt?
Saumstrukturen, wie wegebegleitende Hecken, Baumpflanzungen oder kurzrasige Grünstreifen stellen attraktive Lebensräume für verschiedene Tiergruppen dar. Einige Fledermausarten nutzen sie beispielsweise als Leitstrukturen für Transferflüge zu Jagdhabitaten oder durch entsprechende Insektenvorkommen für die Jagd selbst. Vögel können dort Nistplätze finden und auch Kleinsäuger und Reptilien können sich in solchen Strukturen ansiedeln. Dies kann wiederum dazu führen, dass jagende Greifvögel angelockt werden.
Da einige Greifvogelarten (und zudem einige Fledermausarten) als an Windenergieanlagen kollisionsgefährdet gelten, will man eine Anlockwirkung durch die Schaffung der für diese Arten attraktiven Strukturen in der Nähe von WEA vermeiden. Daher werden der Mastfuß seine nähere Umgebung und auch anlagennahe Abschnitte der Zuwegung in der Regel bewusst unattraktiv und strukturarm gestaltet.
Die unattraktive Gestaltung WEA-naher Flächen zur Kollisionsrisikominderung ist durch langjährige Praxis bereits etabliert. Hinweise dazu sind in zahlreichen Artenschutzleitfäden der Länder zu finden. Zum Beispiel sollen keine Strukturen angelegt werden, die insbesondere Greifvögel und Fledermäuse bzw. deren Beutetiere anziehen könnten. Neben Kurzrasenvegetation, sind demzufolge keine Baumreihen und Hecken, aber auch Zäune, die als mögliche Ansitzwarten dienen könnten, anzulegen (TU Berlin et al. 2015, S. 51). Aus denselben Gründen sollen auch keine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Kompensation von Eingriffen innerhalb von Windparks durchgeführt werden; meist ist ein Abstand von mindestens 500 Metern einzuhalten (ebd.).
Im Zuge der rechtlichen Standardisierung der Signifikanzprüfung für Brutvögel durch die Novellierung des BNatSchG 2022 wurde in Anlage 1 Abschnitt 2 zu § 45b Absatz 1 bis 5 BNatSchG die „Senkung der Attraktivität von Habitaten im Mastfußbereich“ als Schutzmaßnahme für kollisionsgefährdete Brutvögel aufgenommen. Sie ist sogar „regelmäßig durchzuführen“. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit der unattraktiven Gestaltung des Mastfußbereiches, der als die vom Rotor überstrichene Fläche zuzüglich eines Puffers von 50 Metern definiert wird, sowie der Kranstellfläche die Anlockwirkung verringert werden kann. Wie auch in einigen Länderleitfäden formuliert, soll bei der unattraktiven Gestaltung dieser WEA-nahen Flächen auf die Anlage von Kurzrasenvegetation verzichtet werden. Auch auf Brachen sowie auf zu mähendes Grünland sei „in jedem Fall zu verzichten“. Allerdings legt das Gesetz fest, dass diese Maßnahme allein nicht ausreicht, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle zu senken. Hierzu muss sie mit weiteren Maßnahmen kombiniert werden. Unter dieser Voraussetzung wird die Wirksamkeit der Maßnahme insbesondere für Rotmilan, Schwarzmilan, Schreiadler, Weißstorch und Wespenbussard angenommen.
Wie ist der Kenntnisstand zur Wirksamkeit der Maßnahme und wie sollte sie ausgestaltet sein?
Nach Blew et al. (2018, S. 32) scheint die Hypothese, dass eine für bestimmte Arten bzw. deren Beutetiere unattraktive Gestaltung des WEA-nahen Umfelds das Kollisionsrisiko reduziert, plausibel und stützt sich auf verschiedene Meinungen von Expertinnen und Experten. Die Vermeidungswirksamkeit von unattraktiv gestalteten Flächen sei allerdings – analog zur Anziehungswirkung von attraktiven Strukturen zum Zwecke der Ablenkung – bisher nicht ausreichend durch entsprechende wissenschaftliche Studien belegt worden (ebd.).
Da Kurzrasenvegetation für Greifvögel eine gute Einsehbarkeit bietet, sind sie als Jagdhabitate prinzipiell attraktiv, umso mehr, wenn zusätzlich angrenzende Agrarflächen in Phasen hoher Flugaktivität zur Brutzeit vergleichsweise dichte und hochgewachsene Kulturen aufweisen. Eine Mahdaktivität auf kurzrasigen Flächen verstärkt kurzfristig die Attraktion einiger kollisionsgefährdeter Vogelarten (vgl. Mammen et al. 2023, S. 179 für den Rot- und Schwarzmilan). Auch auf Brachflächen stellen sich in der Regel Vegetationsgesellschaften ein, die zum Beispiel für Kleinsäuger und Insekten attraktiver sein können als angrenzende intensiv bewirtschaftete Agrarflächen. Dadurch können sie sich als potenzielle Nahrungsflächen für Greifvögel bzw. Fledermäuse eignen.
Da also weder Kurzrasenvegetation noch Brachen oder Grünlandflächen aus fachlicher Sicht zur Gestaltung des WEA-nahen Umfelds in Frage kommen, werden die betroffenen Flächen, von denen ein Großteil ohnehin für die Errichtung und zu Revisionszwecken stark verdichteten Flächen (z. B. Zuwegung und Kranstellfläche) vorzuhalten sind, häufig geschottert. Die Schotterung dürfte in den meisten Fällen die geforderten unattraktiven Bedingungen schaffen. Konkrete wissenschaftliche Untersuchungen zu alternativen Gestaltungs- oder Bepflanzungsoptionen liegen derzeit nicht vor.
Zwar gibt es Hinweise zur erfolgreichen unattraktiven Gestaltung des Mastfußbereichs speziell für den Schutz von Rotmilanen mittels Heckenpflanzungen, doch konkurrieren diese mit dem Schutz anderer Arten wie insektivoren Fledermäusen und können somit keine Anwendung als allgemeingültige Alternative finden (TU Berlin et al. 2015, S. 46).
Dies verdeutlicht die hohe Relevanz der Einzelfallprüfung. Schutzmaßnahmen sind sowohl auf die ökologischen Ansprüche der jeweiligen betroffenen Tierart(en) als auch auf den räumlichen Kontext anzupassen.
Zusammenfassung und Einordnung
Die Vermeidung von Begrünungsmaßnahmen im direkten Umfeld von WEA gilt gesetzlich als eine Maßnahme, die ergänzend zu anderen Schutzmaßnahmen zur Senkung von Kollisionsrisiken regelmäßig eingesetzt werden soll. Den gesetzlichen Rahmen stellt Anlage 1 Abschnitt 2 zu § 45b Absatz 1 bis 5 BNatSchG dar.
Die Maßnahme beruht auf dem naturschutzfachlichen Bestreben, eine Attraktionswirkung auf kollisionsgefährdete Arten zu verhindern. Dieses Vorgehen stützt sich im Wesentlichen auf eine langjährige Länderpraxis sowie fachlich weitestgehend auf die Einschätzung von Fachexpertinnen und ‑experten bzw. Analogieschlüsse aus Studien zur Anziehungswirkung von Ablenkmaßnahmen.
Die Zuwegung und weitere anlagennahen Flächen sind für die Errichtung und zur Revision während der Bau- und Betriebszeit in der Regel stark verdichtet und geschottert auszuführen. Insofern ist die kleinräumige Schotterung von Mastfußumfeld, Kranstellflächen und Zuwegung Teil der Schutzmaßnahme zur Senkung der Attraktivität von Habitaten im Mastfußbereich und in dieser Funktion für den Artenschutz gerechtfertigt. Eine Schotterung der gesamten vom Gesetzgeber geforderten Fläche von Rotorradius plus 50-Meter-Puffer um die Anlage – also mitunter in einem Umkreis von bis zu fast 150 Metern vom Mastfußmittelpunkt – dürfte hingegen wenig zielführend und in der Praxis kaum realisierbar sein. Auch wenn dies nicht eindeutig aus dem gesetzlichen Beschreibungstext hervorgeht, erscheint es praktikabler, angrenzend an die notwendigerweise geschotterten Flächen lediglich auf die zusätzliche Schaffung bzw. Einbringung von attraktivitätssteigernden (Vegetations-)Strukturen für die betroffenen Arten zu verzichten. Hierbei sollten die Spezifika im Einzelfall geprüft und die Maßnahme gegebenenfalls auf bestimmte Zielarten und den räumlichen Kontext angepasst werden.
Quellen
Blew, J., Albrecht, K., Reichenbach, M., Bußler, S., Grünkorn, T. (2018): Wirksamkeit von Maßnahmen gegen Vogelkollisionen an Windenergieanlagen. BfN-Skripten 518. BfN – Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.). Bonn – Bad Godesberg. 128 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.04.2025).
Mammen, U., Böhm, N., Mammen, K., Uhl, R., Arbeiter, S., Nagl, D., Resetaritz, A., Lüttmann, J. (2023): BfN-Schrift „Prüfung der Wirksamkeit von Vermeidungsmaßnahmen zur Reduzierung des Tötungsrisikos von Milanen bei Windkraftanlagen“. BfN-Schriften 669. BfN – Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Bonn. 241 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.04.2025).
TU Berlin − Technische Universität Berlin, FA Wind − Fachagentur Windenergie an Land, WWU Münster (2015): Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen. Bundesweiter Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG. Berlin. 124 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.04.2025).