Frage
Wie lassen sich Naturschutzbelange für Photovoltaik-Freiflächenanlagen in städtebaulichen Verträgen festlegen? Gibt es dafür konkrete Beispiele?
Vollständige Antwort
Was sind städtebauliche Verträge und welchem Zweck dienen sie?
Ein Vertrag ist städtebaulich, wenn er sich auf Regelungen oder Maßnahmen zur (baulichen) Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde bezieht.[1] Die gesetzliche Grundlage des städtebaulichen Vertrags findet sich in § 11 Baugesetzbuch (BauGB). Durch diesen Vertragstyp können die Kommunen mit Dritten (zum Beispiel mit Vorhabenträgern, Projektierern und Grundstückseigentümern) verbindliche Regelungen vereinbaren, die über die Möglichkeiten der Bauleitplanung hinausgehen.[2] Dabei behalten die Beteiligten grundsätzlich ihre Vertrags- und Dispositionsfreiheit, ein Vorhabenträger kann somit nicht zum Abschluss eines solchen Vertrags gezwungen werden.[3] Allerdings können die Gemeinde und die Vorhabenträger von solchen Verträgen profitieren: Durch das kooperative Zusammenwirken können die Beteiligten ihre Interessen zielgerichteter und verbindlicher festhalten. Dadurch können umfangreiche Rechtsbehelfsverfahren vermieden und das Planungsverfahren beschleunigt werden.[4] Denn akzeptanzsteigernde, zusätzliche und langfristige Naturschutzmaßnahmen können ebenfalls vereinbart werden. Zudem besteht die Möglichkeit die Kosten für die Planaufstellung besser zu verteilen und so die Verwaltung zu entlasten.[5] Insgesamt erhalten also sowohl die Gemeinde als auch der Projektträger eine erhöhte Planungs- und Kostensicherheit.[6]
Wie können naturschutzrechtliche Belange für Photovoltaik-Freiflächenanlagen festgelegt werden?
§ 11 Abs. 1 BauGB enthält eine beispielhafte Aufzählung an möglichen Vertragsgegenständen, die nicht abschließend ist.[7] Insbesondere die konkrete Grundstücksnutzung und Bezugnahme auf erneuerbare Energien nach § 11 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BauGB stehen hierbei im Fokus dieser Ausarbeitung. Demnach besteht die Möglichkeit, Naturschutzbelange für Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) in städtebaulichen Verträgen zu berücksichtigen.
Somit kann die Durchführung des Ausgleichs von voraussichtlich erheblichen Beeinträchtigungen der Natur im Sinne des § 1a Abs. 3 BauGB bzw. §§ 13 ff. Bundesnaturschutzgesetz Vertragsgegenstand sein. Das heißt, die Regelung über die Durchführung dieses Ausgleichs muss nicht zwingend im Bebauungsplan festgesetzt, sondern kann auch vertraglich vereinbart werden, vgl. § 1a Abs. 3 S. 4 BauGB.[8] Die folgenden Formulierungsbeispiele zeigen überblicksartig und generalisiert, wie ein solcher Vertrag aussehen könnte. Ihre Eignung und konkrete Formulierung richten sich nach dem jeweiligen Projekt und den Vorstellungen der Gemeinde. Zunächst bieten sich folgende einleitende Ausführungen an:
„§ 1 Vertragszweck
(1) Der nachfolgende städtebauliche Vertrag dient der Sicherung und Durchführung von Maßnahmen zur Kompensation von nicht vermeidbaren Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds durch bauliche Vorhaben im Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans … (Anlage …) gemäß § 1 a Abs. 3 BauGB.
(2) Gegenstand des Vertrags sind die Durchführung und Finanzierung der nach Art und Umfang in diesem Vertrag und den diesem anliegenden Unterlagen bestimmten und nach Maßgabe der Abwägung erforderlichen Kompensationsmaßnahmen.
(3) § 2 Abs. 3 BauGB bleibt unberührt. Ein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans kann durch diesen Vertrag nicht begründet werden.“[9]
Die Vorgaben der Eingriffsregelung können festgehalten und die aus den Vorhaben zu erwartenden Beeinträchtigungen des Naturhaushalts konkretisiert werden:
„§ 2 Art und Umfang der Eingriffe
(1) Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die im Geltungsbereich des Bebauungsplans beabsichtigten öffentlichen und privaten Bauvorhaben Eingriffe in Natur und Landschaft darstellen, die eine erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und ggf. des Landschaftsbildes im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG zur Folge haben.
(2) Art und Umfang der auf Grund der Eingriffe zu erwartenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds sind in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur Bebauungsplanung und/oder dem ergänzenden Eingriffsgutachten nach dem Erkenntnisstand vom … und/oder sonstigen schriftlichen Feststellungen (Anlage …) im Einzelnen beschrieben.“[10]
Daran anknüpfend können Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Maßgeblich ist, dass die Maßnahmen dem geforderten Ausführungsstandard entsprechen, weshalb die Leistungspflichten hinreichend konkretisiert werden müssen.[11] Diese Konkretisierung kann zum einen durch die Bezugnahme auf einen Grünordnungs- bzw. Ausgleichsplan erfolgen – sofern ein solcher besteht.[12] Zum anderen kann die Gemeinde selbst eine detaillierte Aufstellung der Leistungspflichten im Vertrag vornehmen:[13]
„§ 3 Durchführungsverpflichtung
(1) Der Vorhabenträger verpflichtet sich, spätestens ein Jahr nach Fertigstellung seines Vorhabens folgende dem Ausgleich und Ersatz dienende Maßnahmen auf seine Kosten durchzuführen:
auf seinem Baugrundstück,
- Gehölzpflanzungen mit einer Größe von … qm,
- Anlage einer Wiesenfläche mit einer Größe von … qm,
- Anlage von Feuchtbereichen mit einer Größe von … qm,
- … ,
auf den in der im Lageplan (Anlage …) farbig angelegten Fläche, Flurstücke … ,
Flur … , der Gemarkung …,
- eine öffentliche Parkanlage, Grünverbindung etc. nach Maßgabe des als Anlage … beigefügten Entwurfs anzulegen.
(2) Der Vorhabenträger verpflichtet sich zudem auf die Dauer von drei Jahren, alle für das Anwachsen erforderlichen Maßnahmen einschließlich Ersatzpflanzungen im Falle von Abgängen auf seine Kosten durchzuführen. Dabei unterwirft sich der Vorhabenträger den fachlichen Anforderungen der … .
(3) Zum Zwecke der Durchführung der Maßnahmen gestattet die Gemeinde dem Vorhabenträger die Benutzung der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke.“[14]
Zudem besteht die Möglichkeit zur Sicherung von Pflegemaßnahmen ein Nutzungsrecht oder eine Reallast an dem Grundstück der PV-FFA festzulegen:
„§ … Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Nutzungsrecht)
Die Stadt/Gemeinde … ist berechtigt, die Flurstücke … entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes … herzurichten, zu unterhalten und zu diesem Zweck die Flurstücke zu betreten und zu befahren. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann Dritten überlassen werden.“
„§ … Reallast
Der jeweilige Miteigentümer der Flurstücke … ist gegenüber der Stadt/Gemeinde seinem Miteigentumsanteil entsprechend zum Ersatz der zur Unterhaltung der nach dem Bebauungsplan … vom … festgesetzten Pflanzungen und Anlagen notwendigen Kosten verpflichtet. Die Unterhaltung umfasst die zur Erhaltung der Funktion der Anlage notwendigen Pflegearbeiten inklusive eventuell erforderlichen Ersatzpflanzungen.“[15]
Ferner können dem Vorhabenträger beispielsweise bestimmte Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung von Beeinträchtigungen von Natura 2000-Gebieten oder zur Abwendung von Verstößen gegen artenschutzrechtliche Verbote auferlegt werden.[16]
Darüber hinaus können dauerhaft wirkende Erhaltungsmaßnahmen des Ausgleichs („Folgelasten“) auf den Vorhabenträger übertragen werden, welche über den Zeitraum der Anwuchs- und Entwicklungspflege hinausgehen.[17]
Welche rechtlichen Grenzen gibt es für solche Festlegungen?
Für die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags und der einzelnen Bestimmungen müssen rechtliche Grenzen beachtet werden. Aufgrund des hohen Detailgrades[18] der einzelnen Anforderungen wird darauf lediglich überblicksartig eingegangen. § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB gibt zunächst vor, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Das bedeutet unter anderem, dass die übernommenen Leistungspflichten und Kosten keine unzumutbaren Belastungen herbeiführen dürfen.[19]
Zudem sind Vereinbarungen über die Erbringung einer Leistung nach § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB unzulässig, wenn der Vertragspartner bereits ohne diese Vereinbarung einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte (sog. Kopplungsverbot).[20] Darüber hinaus müssen die Leistungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Bebauungsplan bzw. dem geplanten Vorhaben stehen, die vertraglichen Vereinbarungen müssen also den mit städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken entsprechen.[21]
Städtebaulicher Vertrag, eine einfache und dauerhafte Lösung?
Allerdings hat auch der städtebauliche Vertrag seine Schwächen. Zum einen stellt sich die Frage nach der Durchsetzbarkeit der vereinbarten Verpflichtungen. Hierfür können gezielt Festlegungen wie zum Beispiel Vertragsstrafen[22], Rücktrittsrechte oder Eintragungen im Grundbuch vereinbart werden. Zum anderen werden PV-FFA häufig verkauf, dann stellt sich die Frage des Übergangs der rechtlichen Verpflichtungen. Wegen der zivilrechtlichen Prägung des städtebaulichen Vertrags (s. o.) gehen die Vertragspflichten nicht automatisch auf den Käufer einer PV-FFA über. Auch hierfür lassen sich gewisse Vereinbarungen treffen. Hierzu zählen beispielsweise Verpflichtung zum Übertrag bzw. Übernahme der vertraglichen Verpflichtungen oder Eintragungen im Grundbuch. Zu betonen bleibt bei all diesen Möglichkeiten jedoch, dass es sich um konsensfähige Inhalte handeln muss. Es bietet sich daher an, einen für alle Beteiligten tragbaren Mittelweg zu finden.
[1] Battis/Krautzberger/Löhr: Baugesetzbuch, 15. A. 2022, § 11 Rn. 1.
[2] Vgl. Schwemer, A. (2022): Die Absicherung gemeindlicher Interessen in städtebaulichen Verträgen. NVwZ – Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 41(16), S. 1166 (1168).
[3] Battis/Krautzberger/Löhr, ebd., § 11 Rn. 2; der Sonderfall eines zwingenden städtebaulichen Vertrags für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan ist in § 12 Abs. 1 BauGB geregelt.
[4] Schwemer, ebd., S. 1171.
[5] Schwab, Städtebauliche Verträge, 2. A. 2023, Rn. 12.
[6] Schwab, ebd., Rn. 17.
[7] Battis/Krautzberger/Löhr, ebd., § 11 Rn. 12.
[8] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche Verträge – Ein Handbuch, 2013, S. 126.
[9] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 132.
[10] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 132.
[11] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 131.
[12] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 131.
[13] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 131.
[14] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 132.
[15] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 133 ff.
[16] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 129.
[17] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 130.
[18] Ausführlich dazu BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, 65. Ed. Februar 2025, BauGB § 11, Rn. 34-54.
[19] Bunzel/Schmidt-Eichstaedt, ebd., S. 46.
[20] Dazu ausführlich Battis/Krautzberger/Löhr, ebd., § 11 Rn. 73 f.
[21] Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 2024 156. EL, § 11 Rn. 165.
[22] Vgl. §§ 339 ff. Bürgerliches Gesetzbuch.
Quellen
Battis, U./Krautzberger, M./Löhr, R. (2022): Baugesetzbuch, 15. Auflage, München.
Bunzel, A., Coulmas, D., Schmidt–Eichstaedt, G. (2013): Städtebauliche Verträge – ein Handbuch. 4. aktualisierte Auflage. Difu –Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin. 466 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.04.2025).
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (2024): Baugesetzbuch, 156. EL, München.
Schwab, K. (2023): Städtebauliche Verträge, 2. Auflage, München.
Schwemer, A. (2022): Die Absicherung gemeindlicher Interessen in städtebaulichen Verträgen. NVwZ – Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 41(16). S. 1166–1171.
Spannowsky, W./Uechtritz, M. (2025): Beck-Onlinekommentar BauGB, 65. Edition, München.