Frage
Drohnen werden zunehmend zur Erfassung und zum Monitoring von Wildtieren eingesetzt. Was ist speziell beim Einsatz von Drohnen bei der Horstsuche und Besatzkontrolle von kollisionsgefährdeten Brutvögeln zu beachten?
Vollständige Antwort
Beim Einsatz von Drohnen sind luftverkehrsrechtliche und naturschutzrechtliche Regeln zu beachten. Fachgerecht eingesetzt, können Drohnen sowohl effizienter als auch störungsärmer als herkömmliche Erfassungsmethoden sein. Vorwiegend bei der gezielten Kontrolle bekannter Brutplätze (Horst- bzw. Besatzkontrollen), bietet der Drohneneinsatz eine arbeits- und zeitsparende sowie meist verträgliche Alternative zu konventionellen Erfassungsmethoden.
1. Kontext
Um die Signifikanz von Tötungsrisiken anhand von gutachterlich erhobenen Daten prüfen zu können bzw. eine Regelvermutung für ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko widerlegen zu können, ist es erforderlich, den Brutplatz der betroffenen kollisionsgefährdeten Brutvogelarten zu ermitteln und deren Besatz zu erfassen. Auch in Fällen, in denen eine Erfassung nicht mehr zwingend erforderlich ist, werden Kartierungen durchgeführt, da sie eine Einschätzung der potenziellen Konfliktlage ermöglichen.
Für die Beurteilung von Konfliktrisiken mit dem besonderen Artenschutz bei der Ausweisung von Windenergiegebieten (WEG) und der Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen kann es darüber hinaus wichtig sein, zu wissen, welche Arten in welcher Dichte in Gebieten des Windenergieausbaus brüten. Da es Fälle gibt, in denen die Umsetzung von Abschaltungen davon abhängig ist, ob ein Horst im fraglichen Jahr besetzt ist, besteht auch ein Bedarf nach Horst- bzw. Besatzkontrollen.
Gängige Erfassungsmethoden (z. B. durch Beobachter im Gelände) sind in der Regel zeitaufwendig. Insofern liegt es nahe, technische Mittel einzusetzen, die den Aufwand verringern. Sofern in einem Teilgebiet ein Horst vermutet wird, kann der Zeit- und Personalaufwand für gezielte Horstsuchen von Großvögeln in Gehölzstrukturen, oder auch am Boden sowie auch Besatzkontrollen teilweise deutlich verringert werden. Einen Ersatz für herkömmliche Revierkartierungen leistet der Drohneneinsatz jedoch nicht (Mitterbacher und Mares in Südbeck et al. (2025), S. 53).
2. Einsatz von Drohnen für die Erfassung
Für die Erfassung werden sogenannte „Kopter“ eingesetzt. Diese tragen optische und/oder akustische Sensoren (Kameras, Mikrofone). Aus der Luft können Gutachterinnen und Gutachter auch schwer einsehbare oder schwer zugängliche Bereiche erschließen. Vögel können so leichter und mit weniger Aufwand als vom Boden aus erfasst werden. Bildmaterial und/oder akustische Aufnahmen können zur Artbestimmung ausgewertet und zu Dokumentationszwecken georeferenziert gespeichert werden. Aufgrund dieser Vorteile habe der Einsatz von Drohnen für das Biodiversitäts-Monitoring und im Artenschutz in den vergangenen Jahren stark zugenommen (Döring und Mitterbacher 2022, S. 3; LAG VSW 2017, S. 1).
2.1 Welche rechtlichen Bestimmungen sind zu beachten?
Für Drohnen ab 250 Gramm Startmasse oder Drohnen mit Kamera besteht eine Registrierungspflicht beim Luftfahrtbundesamt. Sie dürfen nur von Personen mit einem entsprechenden Kompetenznachweis bzw. Führerschein[1] betrieben werden. Drohnenflüge zu Natur- und Artenschutzzwecken finden in der Regel in der Betriebskategorie „offen“ statt, wobei die Flughöhe auf maximal 120 Meter und die Entfernung auf die Sichtweite begrenzt ist (vgl. Mitterbacher und Mares in Südbeck et al. (2025), S. 61 und Deutsche Flugsicherung, online)
In der freien Landschaft ist ein Drohnenbetrieb in bestimmten geografischen Gebieten und entsprechenden Flugverbotszonen eingeschränkt, so zum Beispiel auch in Naturschutzgebieten, Nationalparks sowie Europäischen Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten.[2]
Neben den luftrechtlichen Regelungen müssen auch die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) beachtet werden. Danach dürfen wild lebende Tiere vor allem, während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten nicht erheblich gestört werden. Da Drohnenflüge durch Geräusche und Bewegung eine Störwirkung für sensible Arten entfalten können, weil sie als Feind oder Eindringling erkannt werden und zur Beunruhigung oder Vertreibung führen, ist beim Einsatz von Drohnen Sorgfalt geboten.
Bei der Erfassung von Fortpflanzungs- und Lebensstätten oder deren Besatz können geeignete Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Störungen beitragen und bei fachgerechter Umsetzung einen überwiegend störungsfreien oder zumindest störungsarmen Verlauf des Drohneneinsatzes gewährleisten. Als geeignete Maßnahmen empfiehlt die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW 2023, S.5) den Einsatz leiser Drohnen. Hochauflösende Kameras mit starkem Zoom ermöglichen Aufnahmen aus größeren Abständen. Hierdurch sowie durch den Verzicht auf vertikale, zielgerichtete, tief anfliegende oder abrupt verlaufende Flugmanöver wird die Beunruhigung reduziert.
2.2 Welche Auswirkungen kann der Drohnenbetrieb haben?
Seit 2015 ist die Anzahl der jährlich veröffentlichten Studien zum Einsatz von Drohnen stark gestiegen (Zink et al. 2023, S. 3) und sie werden in mehreren nationalen Projekten zu Natur- und Artenschutzzwecken eingesetzt (Döring und Mitterbacher 2023, S. 5).
Aktuelle Studien belegen, dass es von der Flugweise sowie der Flughöhe abhängt, ob und in welchem Maße Stressreaktionen auftreten können. Laut LAG VSW (2023) können Drohnen Stressreaktionen des Vogels auslösen, insbesondere durch
- direkten Anflug,
- Anflug in steilem Winkel,
- abrupte, unberechenbare Flugmanöver sowie
- Überflüge mit geringem Abstand
Diese Stressreaktionen können sich in Flucht ausdrücken, aber auch in aggressivem Angriffsverhalten.[3]
Für Greifvögel bestätigen Studien (z. B. Junda et al. 2016, S. 226 sowie Spaulding et al. 2024, S. 541f.), dass bei vorsichtigem Vorgehen in der Regel keine aggressiven Reaktionen auftreten. Nicht-koloniale Bodenbrüter und Einzelbrüter – insbesondere baumbrütende Greifvögel – reagieren mitunter sensibel auf Drohnenflüge, vor allem bei geringen Abständen unterhalb von 50 Metern (Cantu de Leija et al. 2023, S. 94). Bei einem Abstand von ca. 50 Metern zum Brutplatz, sind die Störreaktionen vergleichbar mit natürlichen Auslösern, wie beispielsweise einem Greifvogel-Überflug. Dies konnten Wulf und Pietsch (2021) bei Wiesenbrütern anhand von Herzfrequenzmessungen nachweisen. Eine Überflughöhe von rund 50 Metern ist demnach geeignet, um eine störungsarme und effektive Detektion von Brutplätzen zu gewährleisten (ebd. zitiert in LAG VSW 2023, S. 4). Nach Döring und Mitterbacher (2022, S. 6) wurden bei Greifvögeln in 40 bis 80 Metern Flughöhe die Drohnen im Regelfall ohne erkennbare Reaktion toleriert.
3. Welche Einsatzbereiche sind sinnvoll und verträglich?
Gute Ergebnisse liegen nach LAG VSW (2023, S. 4) für die Erfassung von Bodenbrütern[4], Vogelkolonien[5] sowie die Horstsuche bzw. Horstkontrolle bei Greifvögeln und Weißstorch vor. Nach Untersuchungen von Gallego und Sarasola (2021) und nach Angaben in Südbeck et al. (2025) erweisen sich Drohnen als sichere, schnellere und weniger invasive Alternative zu den herkömmlichen Methoden wie Begehungen und Aufsuchen der Brutplätze (Mitterbacher und Mares in Südbeck et al. 2025, S. 53 sowie Gallego und Sarasola 2021, S. 556). Dies gilt insbesondere, wenn bestimmte fachliche Empfehlungen und störungsökologische Grundregeln eingehalten werden (vgl. Döring und Mitterbacher 2022, 8ff.)
Horstsuche
Für die (erstmalige) Erfassung (Horstsuche) sind Drohnenflüge nur bedingt geeignet. Eine systematische Kartierung von Greifvogelhorsten in bewaldeten Gebieten bei Windenergievorhaben durch den ausschließlichen Einsatz von Drohnen wird daher nicht empfohlen. Beurteilungsbasis sollte die bodengestützte Horstkartierung durch eine Fachkraft bleiben (Mitterbacher und Mares in Südbeck et al. 2025, S. 59). Ohne eine Eingrenzung des Suchbereichs, etwa durch die Beobachtung der Flugaktivität im Gelände, dürfte die Suche wenig effizient sein. Ist hingegen der Suchbereich eingegrenzt, ist der Einsatz vorwiegend dann besonders arbeits- und zeitsparend, wenn der vermutete Standort in schwer zugänglichem Gelände liegt.
Horstkontrolle
Soll eine Horstkontrolle zur Überprüfung des Besatzes durchgeführt werden, kann der bekannte Brutplatz gezielt angeflogen werden. Voraussetzung ist ein freies Flugfeld für die Drohne, sodass die Kamera eine gute Sicht hat und sich die Drohne nicht im Geäst verfängt. Im dichten Baumbestand sind die Flugbedingungen nicht immer gegeben. Zudem lässt sich hier auch ein hinreichender Schutzabstand zur Vermeidung von Störungen einhalten. Ein Mindestabstand von 100 Metern zum Nest gilt in der Regel als vollständig störungsfrei (Spaulding et al. 2024, S. 542), wobei ein Abstand von 50 Metern möglichst nicht unterschritten werden sollte. Der Drohneneinsatz ist bei geeigneten Voraussetzungen dem Erklettern der Bäume oder dem Einsatz eines Steigers vorzuziehen.
4. Fazit
Fachgerecht eingesetzt können Drohnen eine effizientere und auch störungsärmere Erfassung von Kolonien oder störungsempfindlichen Einzelbrütern in schwer zugänglichen Bereichen als herkömmliche Erfassungsmethoden gewährleisten, insbesondere wenn der Suchbereich bereits eingegrenzt ist. Bisherige Erfahrungen aus deutschen und internationalen Forschungsprojekten belegen, dass die Störwirkung durch störungsarme Flugprofile auf ein Minimum reduziert werden kann. Im Kontext von Windenergieprojekten kann der Einsatz eine sinnvolle Ergänzung darstellen, etwa wenn es um Brutplatzerfassungen oder eine verträgliche Alternative für die Besatzkontrolle von Horsten geht.
[1] Abhängig vom Drohnengewicht, der CE-Klasse sowie der geltenden Mindestabstände wird ein „EU-Kompetenznachweis“ (A1/A3) oder „EU-Fernpilotenzeugnis“ (A2) benötigt.
[2] Für weitere Informationen und auch etwaige Ausnahmen, siehe § 21h Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) sowie die Informationen zum Thema Drohnen auf der entsprechenden Internetseite des Luftfahrt-Bundesamtes und zu den geografischen Gebieten die Digitale Plattform Unbemannte Luftfahrt.
[3] Derartige Reaktionen werden vorwiegend durch Hobby-Piloten ausgelöst (LAG VSW 2023, S. 4).
[4] Mit Hilfe von Wärmebildkameras, können die Bodenbrüter (z. B. Wiesenweihe) auch in hohen Vegetationsbeständen aufgespürt werden. Hinweise zur störungsarmen Erfassung, vgl. LAG VSW (2023, S. 2f.).
[5] Zur störungsarmen Erfassung von Kolonien vgl. LAG VSW (2023, S. 3.).
Quellen
Cantu de Leija, A., Mirzadi, R., Randall, J., Portmann, M., Mueller, E., Gawlik, D. (2023): A meta-analysis of disturbance caused by drones on nesting birds. Journal of Field Ornithology 94 (2). Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Döring, S.; Mitterbacher, M. (2022): Einsatz von Drohnen im Artenschutz, der Wildtierrettung und im Biodiversitäts-Monitoring. Herausgeber Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR), Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU). Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Gallego, D., Sarasola, J.H. (2021): Using drones to reduce human disturbance while monitoring breeding status of an endangered raptor. Remote Sensing in Ecology and Conservation 7 (3). S. 550–561. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Junda, J.H., Greene, E., Zazelenchuk, D., Bird, D.M. (2016): Nest defense behaviour of four raptor species to a novel aerial instruder – a small rotary-winged drone. Journal of Unmanned Vehicle Systems 4 (May). S. 217–227. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
LAG VSW – Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten in Deutschland (2023): Position der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) zu Drohnen und Naturschutz. Garmisch-Partenkirchen. 8 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Mitterbacher, M., Maares, R. (2025): Einsatz technischer Hilfsmittel – Drohnen und Befliegungen. In: Südbeck, P., Andretzke, H., et al. (Hrsg.): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. DDA – Dachverband Deutscher Avifaunisten; BfN – Bundesamt für Naturschutz; LAG VSW – Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, Münster. S. 53–61.
Mulero-Pázmány, M., Jenni-Eiermann, S., Strebel, N., Sattler, T., Negro, J.J., Tablado, Z. (2017): Unmanned aircraft systems as a new source of disturbance for wildlife: A systematic review. PLoS ONE 12 (6). S. 1–14. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Spaulding, A., David, M., Spaulding, R., Gallego-garcía, D., Bird, D.M. (2024): Conservation Letter: The Use of Drones in Raptor. The Journal of Raptor Research 58 (4). S. 535–546. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Wulf, T., Pietsch, M. (2021): Störungsanalyse von UAVs bei der Detektion von Nistplätzen des Großen Brachvogels (Numenius arquata) – Methode und erste Ergebnisse Disturbance Analysis of UAVs During the Detection of Method and First Results. AGIT ‒ Journal für Angewandte Geoinformatik (7). S. 180–189. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).
Zink, R., Kmetova-Biro, E., Agnezy, S., Klisurov, I., Margalida, A. (2023): Assessing the potential disturbance effects on the use of Unmanned Aircraft Systems (UASs) for European vultures research: a review and conservation recommendations. Bird Conservation International 33. S. 12. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 29.04.2025).