Blend- und Reflektionswirkung von Solarparks auf fliegende Vögel

Frage

Inwieweit können Solarparks überfliegende Vögel blenden oder ablenken? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um dies zu reduzieren?

Vollständige Antwort

1.  Inwieweit können Solarparks überfliegende Vögel blenden oder ablenken?

PV-Module absorbieren das Sonnenlicht nicht vollständig, daher kann es je nach Sonnenstand, der Modultechnik oder dem Aufstellwinkel zu einer Reflexion von Licht und einer Blendwirkung auf Personen kommen (Fuhrmann o. J., S. 469; NLT 2022, S. 8). Es wird vermutet, dass überfliegende Vögel durch Lichtreflexionen geblendet werden und deshalb die Solarparkflächen meiden. Im folgenden Abschnitt werden die in der Literatur beschriebenen Auswirkungen von Lichtreflexionen auf die Avifauna dargestellt. Daraus wird abgeleitet, inwieweit dieser Effekt im Rahmen der Planungs- und Genehmigungsverfahren relevant ist.

Im April 2023 veröffentlichte BirdLife Österreich eine Studie mit einer umfassenden Literaturauswertung zu den potenziellen Auswirkungen von Solarparks auf die Vogelwelt, insbesondere auf Brutvogelarten des Offenlandes sowie Nahrungsgäste. (Strohmaier und Kuhn 2023)

Strohmaier und Kuhn (2023, S. 24) stellten fest, dass optische Störreize „bisher wenig untersucht“ sind. In den gesichteten international publizierten Studien und Gutachten (vgl. Literaturliste in Strohmaier und Kuhn 2023, S. 64 ff.) konnte keine Quelle identifiziert werden, die optische Störreize mit einem wissenschaftlichen Untersuchungsdesign nachgewiesen hätte. Die Autorenschaft verweist auf die bereits ältere Publikation von Herden et al. (2009), in der für einen stationären Beobachter (z. B. einen brütenden Vogel) aufgrund der Sonnenbewegung nur sehr kurzzeitige „Blendsituationen“ angenommen werden (Strohmaier und Kuhn 2023, S. 24). Es wird zwar einerseits vermutet, dass reflektierendes Licht theoretisch Auswirkungen auf das Orientierungsverhalten der Vögel haben könnte, andererseits hätten die Vögel aber ein gutes Sehvermögen und würden beim Anflug die einzelnen Module und Modulreihen wahrnehmen (Herden et al. 2009, S. 126 f.).

In einer weiteren Studie von Scheller et al. (2020) wurden mögliche Beeinträchtigungen von Schreiadlerlebensräumen durch benachbarte PV-FFA untersucht. Konkret wurden die Auswirkungen von vier geplanten, fest aufgeständerten Anlagen im Raum Marlow (Mecklenburg-Vorpommern) auf Schreiadler mit Hilfe von Daten zu deren Vorkommen theoretisch abgeleitet. Für die Anlagen war ein Modul-Reihenabstand von zirka 5,3 Metern, ein Abstand von 0,8 Metern zwischen Modulunterkante und Boden sowie ein Aufstellwinkel der Tische zwischen 15 und 25 Grad vorgesehen. Die Module sollten mit einer Antireflexionsbeschichtung ausgestattet werden. Die Autoren hielten fest, dass Solarparks ab einer Entfernung von zirka 1,5 Kilometern Entfernung vom Schreiadlerschutzareal[1] von den Schreiadlern toleriert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das bisherige Habitatbild im Umfeld des Brutplatzes nicht grundlegend ändern darf, da Schreiadler industriell geprägte Landschaftsräume meiden. Meideverhalten gegenüber einem Solarpark ist eventuell direkt nach der Errichtung der Anlage denkbar. Nach einer Gewöhnungsphase ist Meideverhalten nur noch bei Anwesenheit von Menschen (z. B. bei Wartungsarbeiten) zu erwarten (Scheller et al. 2020, S. 6 f.), nicht aufgrund von Lichtreflexionen oder sonstigen Wirkungen der Anlage selbst Es wird darauf hingewiesen, dass eine extensiv genutzte Grünlandfläche im Vergleich zu einer intensiv bewirtschafteten Ackerfläche schätzungsweise die fünffache Menge an Beutetieren aufweist. Die Erhaltung bzw. Neuschaffung von Grünland ist für den Schreiadler und andere Kleinsäuger jagende Greifvögel daher von großer Bedeutung (Scheller et al. 2020, S. 10).

Neben eigenen Untersuchungen haben auch Scheller et al. eine Literaturauswertung durchgeführt (vgl. Scheller et al. 2020, Anhang). Diese Auswertung zeigt, dass bislang nur in den USA und in Südafrika Kollisionen mit PV-Anlagen in Veröffentlichungen aufgezeigt wurden. Ob dies mit der Blendwirkung zusammenhängt, ist unklar. Zielgerichtete Untersuchungen in Großbritannien und Deutschland ergaben jedoch keine Totfunde. Außerdem konnten bei Greifvögeln nahezu ausnahmslos keine Verhaltensänderungen beim Überflug dokumentiert werden. Lediglich eine Beobachtung für Fischadler und Rohrweihe liege vor, die durch eine PV-Anlage vermutlich irritiert wurden und ihre Flugbahn dadurch veränderten (Scheller et al. 2020, S. 9 im Anhang). Ob die Irritation blendungsbedingt war, ist nicht bekannt. Aus der Literatur geht hervor, dass in der Regel kein Meideverhalten beim An- oder Überflug der Anlagen auftritt. In Deutschland und Großbritannien wurden Greifvogelarten (Habicht, Sperber, Rotmilan, Schwarzmilan, Mäusebussard, Wespenbussard, Turmfalke und Baumfalke) jagend in Solarparks beobachtet (Scheller et al. 2020, S. 10 im Anhang). Meidung könnte eine Folge von Blendung sein, dies wurde jedoch nicht nachgewiesen.

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) hat eine Liste mit 99 Gutachten und wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den Auswirkungen von Solarparks auf die Vogelwelt zusammengestellt (LAG VSW 2023). In der Literaturübersicht ist Lammerant et al. (2020) als eine Quelle aufgeführt, die sich mit den Auswirkungen von Lichtreflektionen beschäftigt. Danach gibt es im Allgemeinen keine wissenschaftlichen Belege für eine signifikante Blendwirkung von Solarparks auf Vögel (ebd., S. 14). Trautner et al. (2022, S. 30) resümieren ebenfalls in einer fachgutachterlichen Ausarbeitung mit einem hinweisenden und empfehlenden Charakter, dass nach derzeitigem Kenntnisstand entsprechende Konflikte (Kollision, Blendung) als gering einzustufen sind.

2.  Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um die Lichtreflexion zu verringern?

Um Reflexionen zu reduzieren, wird auf die Oberfläche der Solarzelle eine Antireflexbeschichtung aufgebracht, die aus einer dünnen Schicht eines Materials mit niedrigem Brechungsindex besteht (Strohmaier und Kuhn 2023, S. 23). Ein Hersteller von Antireflexbeschichtungen gibt eine Ertragssteigerung von zwei bis vier Prozent an, da das PV-Modul mehr Strahlung aufnehmen kann (greentech 2022). Eine weitere Möglichkeit die Rückstrahlung zu reduzieren, ist die Verwendung strukturierter Oberflächen. Diese Oberflächen sind in der Regel rau und uneben, wodurch das Sonnenlicht mehrfach gebrochen und gestreut wird, bevor es von der Solarzelle reflektiert wird (Stippe 2024).

Strohmaier und Kuhn (2023, S. 23) stellten durch eigene Beobachtungen fest, dass sich bei Modulen mit Antireflexbeschichtung gegenüberliegende Habitatstrukturen nicht spiegeln und eine Reflexion als Ursache für Vogelkollisionen an Modulen nahezu ausgeschlossen werden kann.

3.  Fazit

Zusammenfassend zeigen aktuelle Studien keine negativen Auswirkungen reflektierender Solarmodule auf überfliegende Vögel. Greifvögel zeigten beim Überflug von Solarparks kein Meideverhalten. Kollisionen mit PV-Modulen sind durch Untersuchungen in Deutschland bisher nicht belegt. Vielmehr integrieren Greifvögel Solarparks in ihr Jagdhabitat, wenn die Anlagen entsprechende Freiflächen, weite Reihenabstände sowie genügend Nahrung bieten. Für eine mögliche Wirkung auf Rast- und Gastvögel, wie z. B. Gänse und Limikolen, konnten keine Studien gefunden werden.

Aus den veröffentlichten Studien ging nicht immer hervor, ob die Module der Beispielanlagen mit einer Antireflexbeschichtung überzogen oder mit rauen Oberflächen zur Minderung der Blendwirkung ausgestattet waren oder nicht. Untersuchungen, die einen Vergleich von beschichteten und unbeschichteten Solarmodulen hinsichtlich der Blendwirkung auf Vögel ermöglichen, liegen bisher nicht vor.

Folglich ist nach derzeitigem Kenntnisstand eine Beschichtung zum Schutz der Avifauna nicht erforderlich. Die Blendwirkung auf Vögel müsste im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht vertieft untersucht werden. Eine Antireflexbeschichtung wird weniger wegen der Effekte auf die Fauna empfohlen, sondern um die Blendwirkung für Anwohnende und Erholungssuchende zu reduzieren. Eine Umsetzung sollte je nach Standort und Einbindung des Solarparks in die umgebende Landschaft geprüft werden.

Mit der Beschichtung ist darüber hinaus eine verbesserte Lichtabsorption verbunden. Dadurch kann der Ertrag gesteigert werden.

Quellen

[1] Ein Schreiadlerschutzareal ist ein bestimmtes Gebiet im Brutwald eines Schreiadlerpaares. Es umfasst die langjährig genutzten Horststandorte eines Paares und die umliegenden Pufferzonen (durchschnittliche Flächengröße zirka 40 Hektar). (LUNG MV 2014, S. 1)


Fuhrmann, J.: Simulation der Blendwirkung durch Photovoltaikanlagen auf Gebäuden in Berlin Einleitung Simulationsmodell. 1. Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, Berlin. 9 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

greentech (2022): Kooperation von Covestro und greentech für bis zu 4 % mehr Ertrag. pv-magazine, Berlin. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 23.07.2024).

Herden, C., Gharadjedaghi, B., Rassmus, J. (2009): Naturschutzfachliche Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen. Endbericht. BfN-Skripten 247. BfN – Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.). Bonn. 195 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

LAG VSW – Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (2023): Publikationen zur Freiflächenphotovoltaik. Gießen. 8 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

Lammerant, L., Laureysens, I., Driesen, K. (2020): Potential impacts of solar, geothermal and ocean energy on habitats and species protected under the birds and habitats directives. European Commission, Brüssel. 49 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

LUNG MV − Landesamt für Umwelt Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (2014): Geodaten Schreiadler Waldschutzareale 2014 Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin. 2 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

NLT− Niedersächsischer Landkreistag, Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund (2022): Planung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Niedersachsen Hinweise und Empfehlungen aus der Perspektive der Raumordnung. 41 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

Scheller, W., Mika, F., Köpke, G. (2020): Studie zu Auswirkungen von Photovoltaik-Anlagen auf Schreiadlerlebensräume. Teil 1. Stand: 15.05.2020. 35 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

Strohmaier, B., Kuhn, C. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Vogelschutz in Österreich – Konflikt oder Synergie? – April 2023 Version 2.0. BirdLife Österreich, Wien. 66 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).

Trautner, J., Attinger, A., Dörfel, T. (2022): Umgang mit Naturschutzkonflikten bei Freiflächensolaranlagen in der Regionalplanung – Orientierungshilfe zum Arten- und Biotopschutz für die Region Bodensee-Oberschwaben. Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung GmbH, Filderstadt. 56 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 23.07.2024).