Frage
Welche fachlichen Anforderungen sind an die Gestaltung von Ablenkflächen für den Mäusebussard als Verminderungsmaßnahme im Rahmen eines Windenergie-Vorhabens zu stellen?
Vollständige Antwort
Die Wirksamkeit von Ablenkflächen zur Verminderung des Kollisionsrisikos an Windenergieanlagen ist bisher unzureichend wissenschaftlich untersucht und belegt. Es ist davon auszugehen, dass die Wirksamkeit stark von den Gegebenheiten vor Ort (u. a. Nahrungsangebot, Verteilung und Entfernung der Nahrungshabitate) abhängt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Individuen aus umliegenden Gebieten durch die neuangelegte Ablenkfläche angelockt werden, weshalb sich für diese die Kollisionsgefahr möglicherweise noch erhöhen kann (vgl. Bulling et al. 2015).
Ablenkflächen sind nur dann für die planungsrelevanten Individuen attraktiv, wenn ein Mangel an geeigneten, nahegelegenen Flächen besteht. Da der Mäusebussard wenig spezifische Ansprüche an sein Jagdhabitat aufweist, ist davon auszugehen, dass deshalb ein Mangel, und somit die Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit der Ablenkung, in eher selten Fällen vorliegt. Somit muss über die Eignung und die Ausgestaltung der Ablenkflächen im Einzelfall entschieden werden. Wenn beispielsweise anzunehmen ist, dass weniger das Nahrungsvorkommen als vielmehr andere Bestandteile des Brutreviers (bspw. Topographie) das Raumnutzungsverhalten bestimmen, ist die Anlage von Ablenkflächen wenig sinnvoll.
Für den Mäusebussard lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur, soweit bekannt, keine fundierten Hinweise zur Gestaltung von Ablenkflächen finden. In naturschutzfachlichen Empfehlungen u. a. der Länder lässt sich ebenfalls der Hinweis finden, dass die Erkenntnislage für diese Art zu dieser Fragestellung gering ist. Teilweise wird auf Empfehlungen für andere Vogelarten verwiesen: Aschwanden et al. 2005: Turmfalke, Waldohreule; Garratt et al. 2011: Turmfalke; Biver und Conzemius 2010: Rotmilan. Sie gehen von einer hohen Habitateignung von kurzrasigen Flächen, die an Krautsäume oder Altgrasbestände angrenzen, aus.
Mäusebussarde erbeuten neben jungen Hasen, jungen Kaninchen, Maulwürfen und Vögeln, insbesondere Feldmäuse (vgl. Hohmann 1995). Somit könnten Erkenntnisse über die erforderliche Qualität und fachliche Anforderungen an Ablenkflächen von anderen Arten übertragen werden, die ebenfalls zu den Mäuse-jagenden Greifvögeln gehören. Die Lenkungswirkung kann erhöht werden, wenn das Nahrungsangebot, die Einsehbarkeit und auch die Zugänglichkeit auf der Fläche verbessert wird.
Die fachlichen Empfehlungen der Länder (insb. Nordrhein-Westfalen und Thüringen) für den Mäusebussard ergeben ein einheitliches Bild. Als Maßnahme zur Verminderung negativer Auswirkungen auf den Mäusebussard, wird hier der Schutz und die Schaffung von extensiv genutztem Grünland, Brachen, Säumen, Hecken und Feldrainen genannt. Dadurch werden Kleinsäugerbestände gefördert und dem Mäusebussard bessere und ausreichende Nahrungsflächen geboten. Für den Mäusebussard ist die Ansitz- und Bodenjagd in extensivierten Äckern bzw. Brachen im Regelfall schwieriger als in gemähtem Grünland. Daher sollte die Entwicklung und Pflege von Extensivgrünland gegenüber Ackermaßnahmen (Entwicklung von Extensivacker und Brachen) bevorzugt werden (LANUV[1]).
Eine flächendeckende Neuanlage oder Optimierung von Nahrungshabitaten ist laut LANUV nicht sinnvoll. Die Lebensraumqualität kann jedoch durch mehrere punktuell verteilte Flächen erhöht werden. Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass Ablenkflächen als Maßnahme zur Verminderung negativer Auswirkungen auf den Mäusebussard in der Regel nur in Kombination mit anderen Maßnahmen als wirksam erachtet werden. So ist insbesondere die Kombination mit einer unattraktiven Gestaltung im direkten Umfeld der Windenergieanlagen entscheidend: „Denkbar wäre, dass das Umackern von Brachflächen am Mastfuß bzw. ein Umpflanzen der WEA mit kleinwüchsigen Gehölzen die Anzahl der Kleinsäuger verringert bzw. diese für Beutegreifer schwieriger zu erreichen sind. Dies könnte für ‚reine‘ Mäusejäger, wie beispielsweise den Mäusebussard, relevant sein.“ (Avifaunistischer Fachbeitrag aus Thüringen).
Aus einer Untersuchung zur Raumnutzung und zur Brutbiologie des Mäusebussards im Westen Schleswig-Holsteins (Hohmann 1995) lassen sich zudem Empfehlungen für die Lage der Ablenkflächen bzw. der Entfernung zum Brutplatz ableiten. Im Rahmen der Studie wurden 42 Bussarde mit Sichtmarken oder Radiosendern markiert und teilweise über zehn Monate beobachtet. Ergebnis der Studie war es, dass verpaarte territoriale Tiere waldnahe Flächen von über 100 Hektar Größe nutzten. Diese sollten zentral im Aktionsraum des Mäusebussards liegen, jedoch in ausreichender Entfernung zum Vorhabenstandort. Der naturschutzfachliche Leitfaden aus Thüringen gibt hier die generelle Empfehlung im Regelfall eine Entfernung von 1.000 Metern bis 2.000 Metern zum Brutplatz beziehungsweise 3.000 Meter vom Vorhabenstandort vorzusehen (TLUG 2017, S. 45).
Quellen
[1] NRW gibt an dieser Stelle recht konkrete und detaillierte Empfehlungen zur Ausgestaltung und Pflege der Ablenkflächen (Internetseite des LANUV, Maßnahme 2).
Aschwanden, J., Birrer, S., Jenni, L. (2005): Are ecological compensation areas attractive hunting sites for common kestrels (Falco tinnunculus) and long-eared owls (Asio otus)? Journal für Ornithologie 146 (3): 279-286. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 02.10.2019).
Biver, G., Conzemius, T. (2010): Die „territoriale Saison-Population“ des Rotmilans Milvus milvus in Luxemburg. Erfassung von 2009 und Vergleiche zu 1997 und 2003 – Identifizierung der wichtigsten Verbreitungsgebiete. Regulus Wissenschaftliche Berichte Nr. 25: 13-27.
Bulling, L., Sudhaus, D., Schnittker, D., Schuster, E., Biehl, J., Tucci, F. (2015): Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen – Bundesweiter Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG. S. 120. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 02.10.2019).
Garratt, C. M., Hughes, M., Eagle, G., Fowler, T., Grice, P. V., Whittingham, M. J. (2011): Foraging habitat selection by breeding Common Kestrels (Falco tinnunculus) on lowland farmland in England. Bird Study 58 (1): 90-98. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 02.10.2019)
Hohmann, U. (1995): Untersuchungen zur Raumnutzung und zur Brutbiologie des Mäusebussards (Buteo buteo) im Westen Schleswig-Holsteins. Corax 16: 94-104. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 02.10.2019).
LANUV – Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (2016): Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen. Planungsrelevante Arten. Mäusebussard (Buteo buteo (Linnaeus, 1758)). Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 02.10.2019).
TLUG – Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (2017): Avifaunistischer Fachbeitrag zur Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) in Thüringen. S. 61. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 02.10.2019).