Frage
Welche Behörde kontrolliert die Abschaltauflagen, wenn Genehmigungen zum Betrieb von Windenergieanlagen erteilt und genutzt werden? Besteht eine Kontrollpflicht seitens der Behörde? Gibt es hierzu bestimmte Vorgaben bzw. Toleranzschwellen bei Abweichungen von den Auflagen? Welche Behörde wird tĂ€tig, wenn gegen Auflagen verstoĂen wird, und wie ist ein solcher VerstoĂ rechtlich zu bewerten?
VollstÀndige Antwort
Kontrolle der Abschaltauflagen
Die Naturschutzbehörden sind verpflichtet, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Auflagen zu ĂŒberwachen.  (vgl. Brinktrine in: Giesberts/Reinhardt (Hrsg.) 2019, § 3 Rn. 19)  Diese Pflicht grĂŒndet sich auf § 3 Abs. 2, 1. Halbsatz Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Hiernach ĂŒberwachen die fĂŒr Naturschutz und Landschaftspflege zustĂ€ndigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften des BNatSchG.
Hierzu zĂ€hlt auch die Umsetzung von Auflagen, die im Rahmen der Genehmigung einer Windenergieanlage erlassen wurden. (Krohn in: Schlacke (Hrsg.) 2017, § 3 Rn. 7, 9) In der Ăberwachung wird ĂŒberprĂŒft, ob sich die genehmigten Nutzungen im zulĂ€ssigen Rahmen halten. (Hendrischke in: Frenz und MĂŒggenborg (Hrsg.) 2016, § 3 Rn. 26) Die Abschaltzeiten dienen dem Schutz der besonders geschĂŒtzten Arten, weil sie den Eintritt der VerbotstatbestĂ€nde des § 44 Abs. 1 BNatSchG verhindern. Werden die Abschaltzeiten nicht eingehalten, wĂ€re dies eine unzulĂ€ssige Nutzung.
ZustÀndigkeit bei Nichteinhaltung von Abschaltauflagen
FĂŒr die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Betrieb einer Windenergieanlage ist die Immissionsschutzbehörde zustĂ€ndig. Sie bĂŒndelt die Entscheidungen der beteiligten Behörden gem. § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) (sog. Konzentrationswirkung). In dieser Genehmigung sind die Entscheidungen der beteiligten Fachbehörden eingeschlossen.
Nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens endet die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG. Das bedeutet, die Kompetenz liegt dann nicht mehr gebĂŒndelt bei der Immissionsschutzbehörde, sondern fĂ€llt zurĂŒck an die jeweiligen Fachbehörden. (Agatz 2018, S. 234) Daher erfolgt die Ăberwachung der artenschutzrechtlichen Belange im genehmigten Betrieb auch stets durch die zustĂ€ndigen Naturschutzbehörden (siehe unter Frage 1). (vgl. Wasielewski in: FĂŒhr (2016), § 13 Rn. 65)
FĂŒr die Vollstreckung von Auflagen, die Teil der Genehmigung sind, ist indes die Immissionsschutzbehörde zustĂ€ndig. Wird ihm Rahmen der Ăberwachung festgestellt, dass die in der Genehmigung festgesetzten artenschutzrechtlichen MaĂnahmen â zum Beispiel Abschaltzeiten â nicht
oder nicht richtig umgesetzt werden, kann die Naturschutzbehörde die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde um die Vollstreckung der betroffenen Nebenbestimmungen bitten. Gem. § 7 Abs. 1 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) des Bundes ist nĂ€mlich diejenige Behörde fĂŒr die Vollstreckung zustĂ€ndig, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Den Verwaltungsakt, also die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, hat die Immissionsschutzbehörde erlassen. Daher liegt bei ihr auch die Kompetenz zur Vollstreckung der Genehmigung. (hierzu, Agatz 2018, S. 234)
Dokumentation der vorgenommenen Abschaltungen
Die Abschaltzeiten werden in der Genehmigung meist als Auflage verankert. Vorliegend wird dieser Fall behandelt. Zugleich wird regelmĂ€Ăig festgelegt, dass die festgeschriebenen Abschaltungen zu dokumentieren und als Bericht bereitzuhalten sind. Diese Dokumentations- und Berichtspflichten ergehen ebenfalls als Auflage. Dieses Vorgehen sieht beispielsweise der Leitfaden von Schleswig-Holstein ausdrĂŒcklich vor. (LLUR â Landesamt fĂŒr Landwirtschaft Umwelt und lĂ€ndliche RĂ€ume Schleswig-Holstein 2017, S. 27) Die Kontrollen der Berichte können turnusmĂ€Ăig, anlassbezogen oder unregelmĂ€Ăig erfolgen. (Siehe hierzu auch: Landtag des Saarlandes, Drucksache 15/2122 (15/2101), S. 4; zur VerknĂŒpfung von Abschaltauflage und Berichtspflicht siehe beispielsweise: VG Koblenz, Urteil vom 7. September 2016 â 4 K 963/15.KO und Hessischer Landtag vom 15. Juni 2018 Drucksache 19/6365 S. 2.)
In Brandenburg wurde zur effektiveren Kontrolle von Fledermaus-Abschaltzeiten ein elektronisches Tool (jBat) entwickelt. Der rechnergestĂŒtzte PrĂŒfalgorithmus (LfU 2018) soll der Behörde die Kontrolle erleichtern und effektiver machen. Das Landesamt fĂŒr Umwelt Brandenburg (LfU) hat den Projektierern und Betreibern die fĂŒr die Anwendung des Tools einzuhaltenden Regeln (auch nachtrĂ€glich) ĂŒbermittelt und um Einhaltung gebeten. Die Abschaltprotokolle werden nunmehr in einem einheitlichen Format erstellt, so dass die KompatibilitĂ€t mit dem Tool gesichert ist.
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Umgang mit Abweichungen von Abschaltauflagen
Zum auflagenwidrigen Umgang mit Abschaltauflagen liegen dem KNE keine Informationen aus den LĂ€ndern vor.
Als Grenze fĂŒr das Einschreiten hat die zustĂ€ndige Fachbehörde in Brandenburg festgelegt, dass eine Fehlerquote von bis zu fĂŒnf Prozent nicht erfolgten Abschaltungen toleriert wird, bevor sie von einem VerstoĂ ausgeht und diesen ahndet. Hierbei handelt es sich um eine behördeninterne Festlegung, die den Anlagenbetreibern â verbunden mit der Aufforderung, ihre Kontrolldaten in einem bestimmten Format vorzulegen â mitgeteilt wurde.
Der Behörde steht im Rahmen der Ăberwachung ein gewisser Ermessensspielraum zu. Allerdings muss die Behörde hier pflichtgemÀà abwĂ€gen. Ein Anspruch auf Einschreiten oder gar ein Anspruch auf Erlass bestimmter naturschutzrechtlicher MaĂnahmen besteht nicht, da die Norm keine subjektiven Rechte vermittelt. (Ebenda, Rn. 30)
VerstoĂ gegen Abschaltauflagen
Die Abschaltauflagen in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zielen darauf ab, die artenschutzrechtlichen Verbote gemÀà § 44 Abs. 1 BNatSchG zu vermeiden. Werden die Abschaltauflagen nicht eingehalten, liegt automatisch ein Verstoà gegen die VerbotstatbestÀnde vor.
Auf einen solchen VerstoĂ kann rechtlich unterschiedlich reagiert werden. ZunĂ€chst kommen MaĂnahmen der Verwaltungsvollstreckung in Betracht. Die Behörde kann zur Durchsetzung der Auflage beispielsweis nach schriftlicher Androhung und Festsetzung ein Zwangsgeld verhĂ€ngen (vgl. §§ 9 ff. VwVG)[1].
Nach § 20 Abs. 1 BImSchG kann die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde den Betrieb der Anlage zeitweise ganz oder zum Teil untersagen, solange eine Nebenbestimmung nicht erfĂŒllt ist. Ein Widerruf der Genehmigung nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG kommt ebenfalls in Betracht, wenn mit der Genehmigung eine Auflage verbunden ist und der BegĂŒnstigte diese nicht oder nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erfĂŒllt hat. In Bezug auf artenschutzrechtliche MaĂnahmen ist eine Untersagung oder ein Widerruf aber nur möglich, wenn diese MaĂnahmen Teil der Beschaffenheit oder des Betriebs der Anlage sind. Darunter kann beispielsweise die fehlende AusrĂŒstung der WEA mit einer Fledermausabschaltung fallen. (Vgl. hierzu Agatz, (2018) S. 256 f.)
Da aus GrĂŒnden der VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit stets die Wahl eines milderen Mittels geprĂŒft werden muss, d. h. ob das Schutzziel nicht auch mit einer Auflagenvollstreckung, einer nachtrĂ€glichen Anordnung oder einer zeitweisen Betriebsuntersagung erfĂŒllt werden kann, werden die Voraussetzungen fĂŒr einen Widerruf der Genehmigung nur in sehr seltenen FĂ€llen vorliegen. Ein Widerruf der Genehmigung kann gemÀà § 21 Abs. 4 BImSchG EntschĂ€digungsansprĂŒche auslösen. (Agatz 2018, S. 235)
Werden die festgelegten Abschaltzeiten schuldhaft nicht eingehalten verstöĂt dies gegen die VerbotstatbestĂ€nde des § 44 Abs. 1 BNatSchG und stellt eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 BImSchG und § 69 Abs. 2 Nr. 1 b) BNatSchG dar. Nach den BuĂgeldvorschriften des § 69 Abs. 7 BNatSchG kann die Nichteinhaltung mit einer GeldbuĂe geahndet werden kann. Bei vorsĂ€tzlicher Handlung kann zusĂ€tzlich ein Straftatbestand (Vergehen) nach den §§ 71, 71a BNatSchG vorliegen.
EffektivitÀt der Kontrolle
Nach ĂŒberschlĂ€giger Recherche haben die LĂ€nder in ihren LeitfĂ€den keine Regelungen fĂŒr die Behörden formuliert, wie eine Kontrolle von Auflagen zur Vermeidung von VerbotstatbestĂ€nden zu erfolgen hat. NĂ€here Festlegungen können aber in der Genehmigung getroffen werden. Dass nicht immer sichergestellt sei, dass Auflagen auch ĂŒberwacht werden, um fĂŒr ihre Einhaltung zu sorgen, mache diese Regeln weder nichtig noch obsolet. (VG Ansbach, Urteil vom 28. April 2015 â AN 11 K 14.01907)
In der Praxis wird es von der Personalausstattung der Behörden abhĂ€ngen, ob sie die Einhaltung von Auflagen wirkungsvoll kontrollieren und ggf. auch Sanktionen ergreifen, wenn gegen Auflagen verstoĂen wird (vgl. bezĂŒglich durchgefĂŒhrter Sanktionen: Hessischer Landtag vom 15. Juni 2018 Drucksache 19/6365 S. 2, 3). DarĂŒber hinaus steht es jedem frei, der Behörde etwaige VerstöĂe zu melden.
Quellen
[1] Die Vollstreckung erfolgt regelmĂ€Ăig nach den Vollstreckungsgesetzen der LĂ€nder.
Agatz, M. (2018): Windenergie-Handbuch. 15. Ausgabe. 15. Gelsenkirchen. 404 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 25.11.2019).
Frenz, W., MĂŒggenborg, H.-J. (2016): BNatSchG – Bundesnaturschutzgesetz. Erich Schmidt Verlag, Berlin. 1392 S.
FĂŒhr, M. (2016): GK-BImSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz. Carl Heymanns Verlag. Köln 1848 S.
Giesberts, L., Reinhardt, M. (Hrsg.) (2019): BeckOK Umweltrecht, 52. Edition, Stand: 01.10.201. Verlag C.H. Beck MĂŒnchen.
Hessischer Landtag (2018): 15. Juni 2018, Drucksache 19/ 6365.
Landmann, R. von, Rohmer, G. (2016): UmweltR â Umweltrecht. Loseblatt-Kommentar in vier BĂ€nden. 79. ErgĂ€nzungslieferung, Stand: Februar 2016. C. H. Beck-Verlag, MĂŒnchen.
Landtag des Saarlandes (2017): 20. MĂ€rz 2017, Drucksache 15/2122.
Landesamt fĂŒr Umwelt (LfU) (2018): Auswertung von Fledermaus Abschaltprotokollen im Landesamt fĂŒr Umwelt Brandenburg, 27. Windenergietage in Linstow 06. – 08. November 2018. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 25.11.2019)
LLUR â Landesamt fĂŒr Landwirtschaft Umwelt und lĂ€ndliche RĂ€ume Schleswig-Holstein (2017): Integration artenschutzrechtlicher Vorgaben in Windkraftgenehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) Integration artenschutzrechtlicher Vorgaben in Wind- kraftgenehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Kiel. 29 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 18.11.20198).
Schlacke, S., (Hrsg.) (2017): GK-BNatSchG – Gemeinschaftskommentar zum Bundesnaturschutzgesetz. 2. Auflage. Carl Heymanns Verlag, Köln. 1109 S.
1. Gerichtliche Entscheidungen
VG Ansbach, Urteil vom 28. April 2015 â AN 11 K 14.01907.
VG Koblenz, Urteil vom 7. September 2016 â 4 K 963/15.KO.
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