Information

Veröffentlicht
30.11.2018
Schlagworte
  • Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG
  • FCS-Maßnahmen
  • Windenergie

Frage

Ist es möglich, für erforderliche FCS-Maßnahmen im Rahmen von Windenergievorhaben in Baden-Württemberg auf Maßnahmen aus dem Ökokonto zurückzugreifen? Konkret geht es um Altholzinseln im Wald, die zunächst als Ökokonto-Maßnahmen in das landesweite Ökokonto eingebucht werden sollen.

!Antwort

Die Nutzung von Maßnahmen des naturschutzrechtlichen Ökokontos als FCS-Maßnahmen dürfte nach unserer Einschätzung möglich sein, auch wenn das Ökokonto in erster Linie zum Zwecke der Flexibilisierung beim Umgang mit Kompensationspflichten der Eingriffsregelung eingeführt wurde.

Die naturschutzrechtliche Möglichkeit, ohne konkreten Bezug zu einem Eingriff in Natur und Landschaft zeitlich vorgezogen durchgeführte naturschutzfachliche Aufwertungsmaßnahmen in einem sogenannten Ökokonto „einzubuchen“ und bis zu einer Zuordnung zu einem erfolgten Eingriff („Abbuchung“) zu „verzinsen“ wurde auch in Baden-Württemberg genutzt. Die dort am 1. April 2011 in Kraft getretene Ökokonto-Verordnung (ÖKVO) enthält Regelungen für:

  • das Verfahren der Anerkennung von Aufwertungsmaßnahmen,
  • das Führen eines landesweiten Ökokonto-Verzeichnisses und
  • die Bewertung der Maßnahmen.

Die Verwaltung und Kontrolle der Maßnahmen des naturschutzrechtlichen Ökokontos obliegt den jeweiligen unteren Naturschutzbehörden (UNB). Diese sind – wie die Genehmigungsbehörden für Windenergievorhaben – in den Landratsämtern und den kreisfreien Städten angesiedelt.[1]

Eignung von Altholzinseln als Ökokonto-Maßnahme

Laut Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 ÖKVO sind im Wald solche Biotopmaßnahmen ökokontofähig, welche

  • eine Aufwertung, Neuanlage oder Entwicklung eines geschützten Waldbiotops [...] oder
  • die Schaffung höherwertiger Biotoptypen in Waldschutzgebieten[2] oder Waldrefugien

Die Altholzinseln zählen zu den Waldrefugien und sind dann „ökokontofähig“, wenn sie den weiteren Anforderungen des „Alt- und Totholzkonzepts“ (Landesbetrieb ForstBW 2017) entsprechen. Zu den Anforderungen zählen unter anderem bestimmte Mindestflächengrößen (siehe hierzu Tschöpe et al. 2014). Bevor eine Einbuchung in das Ökokonto erfolgen kann, wird zu prüfen sein, ob die o.a. Anforderungen erfüllt sind.

Nutzung des Ökokontos für FCS-Maßnahmen

Laut Auskunft der LUBW (Fachstelle Ökokonto) ist derzeit kein Fall bekannt, bei denen Ökokonto-Maßnahmen als FCS-Maßnahmen Anwendung fanden. Jedoch ist es aus rechtlicher und fachlicher Sicht möglich, Maßnahmen aus dem Ökokonto Baden-Württemberg für artenschutzrechtlich notwendige FCS-Maßnahmen im Wald zu nutzen.

Zur Begründung:

Zwar werden FCS-Maßnahmen weder in der oben genannten Ökokonto-Verordnung, noch in der Verordnung zum Kompensationsverzeichnis (KompVzVO) explizit erwähnt. Allerdings die Möglichkeit, dass Ökokonto-Maßnahmen auch als so genannte „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ (CEF-Maßnahmen; vgl. § 44 Abs. 5 BNatSchG) dienen können (vgl. Begründung zur ÖKVO).

CEF-Maßnahmen müssen im Vergleich zu FCS-Maßnahmen höhere fachliche Anforderungen (enger zeitlicher sowie räumlicher Bezug) erfüllen als FCS-Maßnahmen. Wenn CEF-Maßnahmen als Ökokonto-Maßnahmen in Frage kommen, liegt es nahe, dass dies auch für FCS-Maßnahmen zutrifft, sofern die jeweiligen fachlichen Anforderungen an die Maßnahmen erfüllt sind. Dies ist auch die Auffassung des baden-württembergischen Umweltministeriums (MUNV BW 2018, per E-Mail).

Auch könne laut MUNV BW (ebd.) die Regelung in § 15 Abs. 2 S. 4 BNatSchG, wonach CEF-Maßnahmen nach § 44 Abs. 5 S. 3 im Sinne einer Multifunktionalität zugleich Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sein könnten, analog auch auf FCS-Maßnahmen angewendet werden. Das spreche  – im Umkehrschluss – dafür, dass eine Ökokonto-Maßnahme im Rahmen des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG zur Erhaltung einer Population eingesetzt bzw. in Anrechnung gebracht werden kann. Es sei darauf zu achten, dass die Maßnahme nicht bereits für die Kompensation eines anderen Eingriffs „verbraucht“ wurde. Auch müsse nach Anwendung der FCS-Maßnahme eine Ausbuchung aus dem Ökokonto erfolgen.

Wir empfehlen in jedem Fall, Kontakt mit der zuständigen UNB aufzunehmen und mit dieser die geplante Vorgehensweise abzustimmen. Wenn die geplanten bzw. geschaffenen Altholzinseln aus fachlicher Sicht sowohl den Anforderungen an die artspezifischen FCS-Maßnahmen im konkreten Vorhabenfall sowie denen des Ökokontos genügen, sollte einer Anrechenbarkeit als Ökokonto-Maßnahme bzw. einer Abbuchung als FCS-Maßnahme nichts entgegenstehen.

[1] Darüber hinaus kann es bauplanungsrechtliche Ökokonten geben, die von den Städten und Gemeinden geführt werden. In ihnen können vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen für künftige Eingriffe durch die Bauleitplanung bevorratet werden.

[2] Die Neuanlage bzw. die Erweiterung von Waldschutzgebieten ist nur im Rahmen des entsprechenden Programms der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg ökokontofähig.

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Literaturverzeichnis

KompVzVO – Kompensationsverzeichnis-Verordnung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr über die Führung von Kompensationsverzeichnissen vom 17.02.2011. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.11.2018).

Landesbetrieb ForstBW (2017): Alt- und Totholzkonzept Baden-Württemberg. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.11.2018).

MUKE BW – Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Email vom 27.11.2018.

MUNV BW – Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr (2010): Auszüge aus der Begründung zur ÖKVO. Fassung vom 19.12.2010. 19 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.11.2018).

MUNV BW – Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr (2011): Umsetzungsrelevante Auszüge aus der Begründung zur KompVzVO (Kompensationsverzeichnis-Verordnung). Stand: 14.02.2011. 7 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.11.2018).

ÖKVO – Ökokonto-Verordnung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr über die Anerkennung und Anrechnung vorzeitig durchgeführter Maßnahmen zur Kompensation von Eingriffsfolgen vom 19.12.2010. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.11.2018).

Tschöpe, V., Schaber-Schoor, G., Schabel, A. (2014): AuT-Praxishilfe. FVA − Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (Hrsg.). 9 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.11.2018).