Freiflächenanlagen als Vermeidungsmaßnahme bei Windenergievorhaben

Frage

Sind solare Freiflächenanlagen dazu geeignet, um die Mastfußflächen von Windenergieanlagen für Greifvögel unattraktiv zu gestalten und so das Kollisionsrisiko zu senken?

Vollständige Antwort

Die Kombination von solaren Freiflächenanlagen (FFA) und Windenergieanlagen (WEA) wurde bereits vor dem Hintergrund der „energetischen Mehrfachnutzung“ von Flächen auf Regionalplanungsebene diskutiert (ARGE Monitoring PV-Anlagen 2007; Bosch & Partner et al. 2009). Seinerzeit ging es darum, herauszustellen, dass die Installation von Photovoltaikanlagen in regionalplanerisch ausgewiesenen Windenergie-Vorranggebieten nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein soll.

Einzuhaltende Mindestabstände

Allerdings gelten für WEA und solare FFA als bauliche Anlagen bauordnungsrechtliche Abstandsbestimmungen.

Nach § 5 Abs. 5 Nr. 3 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) müssen WEA aus sicherheitstechnischen Gründen (u. a. Eiswurf) einen Mindestabstand von einer Rotorblattlänge (vgl. auch Windenergieerlass Baden-Württemberg 2012, S. 32) zu anderen baulichen Anlagen einhalten. Die Abstandsfläche beginnt an der unteren Kante des Mastfußes und bildet einen Kreis um die Anlage. Der einzuhaltende Schutzabstand schließt die Überstellung der Fläche mit Solarmodulen im unmittelbaren Mastfußbereich (bei großen Anlagen 70 bis 100 Meter) also aus. Auf diesen Flächen müssten also weiterhin andere geeignete Maßnahmen durchgeführt werden, die diese als Nahrungshabitate unattraktiv machen (z. B. Bepflanzung mit niedrigwachsenden, dichtschließenden Sträuchern usw.; siehe. z. B. LUBW 2015, S. 71f.).

PV-Anlagen generieren nach § 6 Absatz1 Satz 1 Nr. 3 LBO BW 2010 eigene Abstandsflächen, wenn sie höher als 2,5 Meter sind und ihre Wand- bzw. Paneelfläche mehr als 25 m2 beträgt. Anlagen, die diese Grenzwerte einhalten, sind in den Abstandsflächen anderer Anlagen zulässig. Überschreiten sie diese, kommen die Abstände zu den bauordnungsrechtlichen Abständen (hier: für WEA) hinzu.

Zielkonflikt naturschutzfachliche Aufwertung solarer FFA

Die naturschutzfachlichen Empfehlungen für eine naturverträgliche Gestaltung von solaren Freiflächenanlagen (vgl. u. a. Naturschutzverbände BW 2017; LfU Bayern 2014; AEE 2010; Herden et al. 2009) sind vielmehr darauf gerichtet, die Freiflächen aufzuwerten und möglichst attraktiv zu gestalten. Ziel ist es, zur Vermeidung weitergehender Flächenansprüche die zur Kompensation benötigten Flächen möglichst gering zu halten und eine möglichst hohe Aufwertung auf der Anlagenfläche selbst zu erreichen.

So sollen die verbleibenden Abstandsflächen zwischen den Modulreihen durch Einsaat mit Gräsern und Wildblumen, verbunden mit einer extensiven Pflege (Mahd, Schafbeweidung) aufgewertet werden (Naturschutzverbände BW 2017).

Die Höhe der Modultische soll entsprechend naturschutzfachlicher Empfehlungen mit zirka 0,80-Metern so gewählt werden, dass eine ausreichende Belichtung und Befeuchtung – und damit ein Bewuchs – der überstellten Fläche möglich ist. Außerdem werden Hinweise gegeben, wie die Flächen durch Sonderstrukturen (Säume, Kleingewässer, Lesesteinhaufen, offene Sandflächen) aufgewertet werden können. Nicht zuletzt sind vielfach Strauchpflanzungen um die Anlage zur Minderung der Sichtbarkeit im Gelände vorgesehen. Alle diese Maßnahmen würden das Vorkommen von Kleinsäugern ermöglichen und somit ggf. nicht in ausreichendem Maße zur Attraktivitätsminderung als Nahrungshabitat für Greifvögel führen.

Im Falle einer beabsichtigten Attraktivitätsminderung durch solare FFA bestünde also ein grundlegender Konflikt zwischen a) den Zielen bzw. Verpflichtungen zur Aufwertung der FFA-Fläche (Ausgleich; Akzeptanzsteigerung) und b) der Notwendigkeit der wirkungsvollen Vermeidung von Kollisionsrisiken im Gefahrenbereich der WEA.

Zu bedenken ist ferner, dass auch ohne aktive Aufwertungsmaßnahmen nicht auszuschließen ist, dass die sich begrünenden Flächen unter und zwischen den Modultischen weiterhin eine gewisse Attraktionswirkung auf Beutetiere von Rotmilanen und anderen Greifvögeln ausüben.

Eignung und Wirksamkeit von Maßnahmen zur Attraktivitätsminderung im Mastfußbereich

Die Überstellung mit solaren FFA im Mastfußbereich erscheint uns aus den vorgenannten Gründen daher wenig geeignet, die notwendige Ablenkungswirksamkeit im Mastfußbereich zu erreichen. Zwar liegen derzeit ohnehin keine hinreichenden empirischen Belege für die Wirksamkeit von so genannten Lenkungsmaßnahmen vor. Dennoch sollten vorzugsweise die vom LUBW (2017, S. 71) genannten Maßnahmen zur Gestaltung der Bodennutzung zur Attraktivitätsminderung – verbunden mit der Entwicklung attraktiver „Ausweichhabitate“ außerhalb der empfohlenen Abstandsradien – zur Anwendung kommen.

Quellen

AEE (2010): Solarparks – Chancen für die Biodiversität. Renews-Spezial Ausgabe 45/2010.

ARGE Bayerischer Solar-Initiativen (2010): Leitfaden zur Zulassung von Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen (2003, 2010). Anregungen für Gemeinden.

ARGE Monitoring PV-Anlagen (2007): Leitfaden zur Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Planung von PV-Freiflächenanlagen. BMUB – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Hannover. 126 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 10.09.2016).

Bosch & Partner, Gotze RAe & Solar Engineering Decker & Mack (2009): Erarbeitung von Grundlagen zur regionalplanerischen Steuerung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen am Beispiel der Region Lausitz-Spreewald.

Herden, C., Gharadjedaghi, B., Rassmus, J. (2009): Naturschutzfachliche Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen. Endbericht. BfN-Skripten 247. Bonn. 195 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 06.08.2018).

LBO BW – Landesbauordnung Baden-Württemberg vom 5. März 2010 (GBl. Nr. 7, S. 358).

LfU – Bayerisches Landesamt für Umwelt (2014): Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. München. 67 S..

LUBW – Landesanstalt für Umwelt Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (2015): Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen. Karlsruhe. 96 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 25.06.2018).

Naturschutzverbände Baden-Württemberg (2017): Vorschläge für Planungshinweise zur guten fachlichen Praxis beim Bau von Solarfreiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten. Positionspapier von Bodensee-Stiftung, BUND, LNV und NABU BW.

Windenergieerlass Baden-Württemberg (2012): Windenergieerlass Baden-Württemberg. Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Vom 09. Mai 2012 – Az.: 64-4583/404.