Frage
Können (Hochspannungs-)Freileitungen und Windenergieanlagen Auswirkungen auf das lokale Wetter- und Niederschlagsgeschehen haben, so zum Beispiel als Wetterscheide fungieren? Welche Erkenntnisse gibt es zu den klimatischen Auswirkungen von Windenergieanlagen bzw. Windparks?
Vollständige Antwort
Auswirkungen von Hochspannungsfreileitungen auf das lokale Wetter
Es gibt nach unserem Kenntnisstand keine wissenschaftlich erwiesenen Effekte auf das lokale, regionale oder großräumige Niederschlags- bzw. Wettergeschehen durch Hochspannungsfreileitungen. Die Wärmeabstrahlung der Leiterseile und auch die von den Leitungen ausgehenden elektromagnetischen Felder haben keine derartige Kraft und Reichweite, dass sie eine Auswirkung auf Regenwolken entfalten könnten.
Zwar können niedrig liegende Stratus-Wolken, aus denen leichte Niederschläge in Form von Nebel, Sprühregen oder Schneegriesel fallen können, auch bis zum Erdboden reichen. Abgesehen von Standorten in Höhenlagen der Mittelgebirge oder des alpinen Bereichs liegen aber auch diese Wolken häufig bereits in einer Höhe von 1.000 Metern über der Bodenoberfläche und damit auch in sehr großem Abstand zu den Freileitungen. Dichte und dunkle Nimbostratus-Wolken, aus denen anhaltende und auch kräftigere Niederschläge fallen, ziehen in Höhen von zirka 2.000 bis 5.000 Metern.
Eine Funktion von Hochspannungsleitungen – und auch Windenergieanlagen oder Windparks – als Wetterscheide ist demnach insgesamt äußerst unwahrscheinlich. Als Wetterscheide kommen lediglich Höhenzüge (z. B. Gebirgskämme) oder auch sehr großflächige Gewässer in Frage, da diese einen nennenswerten Einfluss auf die das Wetter bedingenden, großen Luftmassenströmungen und deren Temperaturen und Luftfeuchtigkeitsgehalte haben.
Klimatische Auswirkungen von Windenergieanlagen
Windenergieanlagen (WEA) können gewisse mikroklimatische Auswirkungen haben. Zum einen werden durch die sich drehenden Rotoren Luftmassen aus höheren Luftschichten nach unten befördert und umgekehrt. Die Luftmassen werden durchmischt, was zu Veränderungen von Temperaturen und Feuchtigkeit der Luft und des Bodens führen kann. Zum anderen werden die Luftströme des Windes auf der windabgewandten Seite – der Leeseite – der Anlagen verwirbelt. Zusätzlich zu diesen Turbulenzen herrschen auf der Leeseite zudem geringfügig verringerte Windgeschwindigkeiten. Diese Effekte wurden mittlerweile in zahlreichen wissenschaftlichen Studien bestätigt (z. B. Armstrong et al. 2014 und 2016, Kaffine 2018; Keith et al. 2004; Platis et al. 2018; Rajewski et al. 2013 und 2014).
Insbesondere im Kontext großer Offenland-Windparks[1] wurden geringfügig höhere Boden- und bodennahe Lufttemperaturen sowie zum Teil eine geringere Luftfeuchtigkeit im Leebereich der WEA in den Nacht- und den frühen Morgenstunden simuliert (z. B. Baidya Roy und Traiteur 2010; Fitch et al. 2013), vor Ort gemessen (z. B. Armstrong et al. 2016; Rajewski et al. 2013) und durch satellitengestützte Fernerkundung ermittelt (z. B. Zhou et al. 2012).[2] Am restlichen Tage ergaben sich in mehreren Studien etwas schwächere, umgekehrte Effekte. Zusammenhänge zwischen WEA und kleinräumigen Niederschlagsmengen und -verteilungen sind aber nicht belegt.
Die Errichtung von WEA auf Waldstandorten dürfte zu lokalen und kleinflächigen Veränderungen des spezifischen – kühleren und feuchteren – Waldinnenklimas führen, insbesondere wenn Standorte in vor der Projektrealisierung geschlossenen und älteren Baumbeständen liegen, konstatieren Reichenbach et al. (2015, S. 223).
Dass die Veränderungen der Luftströmungen (Verwirbelungen und Turbulenzen) durchaus auch bis in Entfernungen von mehreren Kilometern messbar sind, wurde ebenfalls in mehreren Studien nachgewiesen (z. B. Rajewski et al. 2013; Fitch et al. 2013; Platis et al. 2018). Weitergehende Effekte auf das regionale Klima bzw. Wetter wurden hierbei allerdings nicht genauer untersucht.
Aus großräumigen Klima-Modellierungen entstammen Prognosen, dass sich eine sehr großflächige Windenergienutzung insgesamt erhöhend auf regionale Niederschlagsmengen auswirken könnte (Fiedler und Bukovsky 2011) oder sich globale Auswirkungen auf die Wolkenbedeckung, Niederschlagsmuster und -mengen ergeben könnten (Wang und Prinn 2010).[3] Auch ergaben die Modellierungen eine Erhöhung der Oberflächentemperaturen an Land, um mehr als ein Grad Celsius sowie einen ähnlich hohen kühlenden Effekt auf Meeresstandorten. Für eine Validierung der Ergebnisse seien laut den Autoren jedoch noch weitere theoretische Überlegungen sowie Vor-Ort-Messungen erforderlich. (ebd.) Die Effekte sind also noch keineswegs gesichert und lassen zudem keine Aussagen und Prognosen auf kleinräumiger Ebene zu.
Fazit
Wenngleich kleinklimatische Effekte insbesondere in großen Windparks auftreten können, so sind Auswirkungen von WEA bzw. Windparks auf das allgemeine lokale Wetter- und Niederschlagsgeschehen nicht nachweisbar.
Hinsichtlich der lokal- und regionalklimatischen Effekte der Windenergienutzung bestehen zwar noch Kenntnislücken, die im Rahmen von Forschungsprojekten geschlossen werden sollten (vgl. z. B. Emanuel et al. 2016, S. ES58). Als Wetterscheide jedoch dürften WEA weder einzeln noch zusammen in größerer Zahl – und auch Hochspannungsfreileitungen – nicht wirken. Die Auswirkungen von WEA auf lokale Temperatur- und Windverhältnisse dürften im konkreten Einzelfall allesamt außerhalb der menschlichen Wahrnehmbarkeit liegen.
Quellen
[1] Die Studien betrafen Windparks von 54 WEA (Armstrong et al. 2016) bis zu ĂĽber 2.000 WEA (Zhou et al. 2012).
[2] Die schottische Studie von Armstrong et al. (2016) ergab beispielsweise, dass der Betrieb der WEA zu einer Erhöhung der oberflächennahen Lufttemperatur um durchschnittlich 0,25 Grad Celsius führte. Die Autoren wiesen jedoch darauf hin, dass die Effekte der WEA insgesamt sehr gering waren und andere Faktoren (wie z. B. die Vegetationsbedeckung) einen größeren Einfluss auf die Temperatur hatten (ebd. 2016, S. 7).
[3] Den Modellierungen von Fiedler und Bukovsky (2011) lag die Zahl von 200.000 WEA in den USA zugrunde. Wang und Prinn (2010) nahmen Windenergieanlagen auf insgesamt weltweit über 58 Millionen Quadratkilometern Landfläche sowie über zehn Millionen Quadratkilometern Wasserflächen für ihre Berechnungen an.
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