Frage
Reicht es im Rahmen der Aufstellung eines sachlichen Teilflächennutzungsplanes für die Windenergie in Rheinland-Pfalz aus, vorhandene faunistische Daten und Gutachten auszuwerten oder sind die Gebiete erneut zu untersuchen? Wie hoch sind die Anforderungen an die Untersuchungstiefe auf Ebene der Flächennutzungsplanung?
Vollständige Antwort
Faunistische Erfassungen auf Flächennutzungsplan-Ebene am Beispiel Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz gibt es Beispiele (noch nicht abgeschlossener) Teilfortschreibungen „Windenergie“ von Flächennutzungsplänen (FNP), bei denen im Rahmen des Umweltberichtes zunächst auf bereits vorliegende Daten zurückgegriffen wurde. Die Daten stammten aus Gutachten des Landesumweltamtes auf Regionsebene (z. B. LUWG 2010), Abfragen aktueller Artvorkommen beim Landesamt für Umwelt und weiteren Behörden sowie auf Angaben im rheinland-pfälzischen Artenschutzleitfaden (Richarz et al. 2012). Die Prüfung der Betroffenheit besonders oder streng geschützter Tierarten und die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Tötungs- und Beeinträchtigungsverbote soll in diesen Fällen anschließend im Rahmen von Einzelfallprüfungen auf der nachgelagerten Genehmigungsebene erfolgen.
Andere Kommunen sind hingegen aufgrund der Rechtsentwicklung und der Rechtsprechung zu artenschutzrechtlichen Fragen in Rheinland-Pfalz (z. B. OVG Koblenz, Urteil vom 29.01.2015 AZ 1 C 10414/14 OVG) dazu übergegangen, bereits auf FNP-Ebene bei so genannten Windkonzentrationszonenplanungen eine abschließende Prüfung artenschutzrechtlicher Sachverhalte auf Grundlage einer faunistischen Untersuchungstiefe, die der einer Anlagengenehmigung entspricht, vorzunehmen. Ein Grund hierfür ist, dass die Anfechtungsrisiken aufgrund der Rechtsfolgen einer Windkonzentrationszonenplanung für Dritte (Ausschlusswirkung) hoch sind und das Verschieben der Klärung artenschutzrechtlicher Fragen auf die nachfolgende Entscheidungsebene hier Risiken für die Bestandskraft der Konzentrationsplanung birgt.
Verzichtet man auf faunistische Erfassungen auf dieser Planungsebene, besteht zum einen das Risiko, dass die Konzentrationszonenplanung durch Anfechtung unwirksam wird bzw. der Flächennutzungsplan aufgrund von artenschutzrechtlichen Hindernissen nicht vollzugfähig sein könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2013 AZ 4 C 1.12). Zum anderen besteht das Risiko, dass der Windenergienutzung nicht substanziell Raum verschafft würde, wenn Windkonzentrationszonen mit dem Risiko des Eintretens artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände behaftet wären (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22.09.2015 AZ 10 D 82/13.NE).
Behördliche Vorgaben zu faunistischen Erfassungen in Rheinland-Pfalz
Die Prüfung artenschutzrechtlicher Sachverhalte im Rahmen der Windkonzentrationszonenplanung auf Flächennutzungsplan-Ebene stellt eine Herausforderung dar. Konkrete Anlagenstandorte, Anlagentypen, die Zuwegung und Erschließung sowie baubedingte Beeinträchtigungen durch Montage- und Kranaufstellflächen sind häufig noch nicht im Einzelnen bekannt. Eine abschließende Klärung der Zulässigkeit von Vorhaben vor dem Hintergrund artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände ist daher zwar nicht möglich. Wohl aber müssen die der artenschutzrechtlichen Prüfung zugrundeliegenden Daten eine Abschätzung ermöglichen, ob der Verwirklichung der Planung artenschutzrechtliche Verbotstatbestände als unüberwindbare Vollzugshindernisse entgegenstehen werden. Unzweifelhaft dürfte sein, dass dafür jeweils aktuelle Informationen zu den Vorkommen relevanter Vogel- und Fledermausarten und deren potenzieller Betroffenheit erforderlich sind. Ob diese Informationen auf Basis vorhandener Daten oder jeweils durch Erhebungen beizubringen sind, wird in den einschlägigen Leitfäden in Rheinland-Pfalz jedoch nicht explizit vorgegeben.
Hinweise zur Prüf- und Erfassungstiefe sowie zu Erfassungsmethoden sind im Windenergie-Rundschreiben der Länderministerien Rheinland-Pfalz (2013) sowie im Artenschutz-Leitfaden des LUWG (2012) zu finden. Die konkreten Hinweise zur Erfassungstiefe sind allerdings eher allgemein gehalten.
Im Windenergie-Rundschreiben wird im Zusammenhang mit der Darstellung von WEA-Konzentrationsflächen in kommunalen Bauleitplänen ausdrücklich auf die Beachtung der artenschutzrechtlichen Anforderungen im Rundschreiben hingewiesen (Länderministerien Rheinland-Pfalz 2013, S. 7). In denen heißt es, dass „im Regelfall vertiefende Kartierungen der projektbedingt betroffenen Artvorkommen erforderlich [sind], die vor Ort vom Vorhabenträger zu veranlassen sind.“ (ebd., S. 36). An dieser Stelle findet sich auch ein Verweis auf die fachlichen Untersuchungsrahmen für die Erfassung von Vögeln und Fledermäusen im rheinland-pfälzischen Artenschutzleitfaden des LUWG (2012).
In diesem heißt es sowohl in Bezug auf die Avifauna, als auch auf die Fledermäuse, dass der Untersuchungsumfang sich danach richte, ob Verbotstatbestände, insbesondere das Tötungs- und Störungsverbot erfüllt werden können. Grundsätzlich sei zu prüfen, ob die relevanten Arten im Untersuchungsraum des Vorhabens aktuell vorkommen. Zwar wird in diesem Zusammenhang jeweils auf vorhandene Daten zu Verbreitung- und Artvorkommen der Fachbehörden sowie vielfach auch „hinreichend begründete Potenzialabschätzungen sowie worst-case-Annahmen“ als Grundlage hingewiesen. Es wird – wie im oben genannten Rundschreiben – ergänzt, dass „vertiefende Kartierungen für eine belastbare und sachgerechte Bearbeitung der natur- und artenschutzrechtlichen Fragestellungen erforderlich sind [...], die vor Ort vom Vorhabensträger zu veranlassen sind.“ (Richarz et al. 2012, S. 15f bzw. S. 19f). Die Kartierungen sind gemäß den Anhängen 7 und 8 des Leitfadens (ebd., S. 137ff.) nach Südbeck et al. (2005) für Vögel sowie nach Doerpinghaus et al. (2005) für Fledermäuse artspezifisch durchzuführen.
Das oben genannte Windenergie-Rundschreiben wird gegenwärtig überarbeitet. Weitergehende Vorgaben zu faunistischen Erfassungen sind jedoch nicht zu erwarten.
Die Auswertung der Leitfäden in Rheinland-Pfalz zeigt, dass die bestehenden Empfehlungen Interpretationsspielräume beinhalten. Die zuständigen Behörden – hier planende Kommune sowie die zuständige Fachbehörde vor Ort – können in Ausübung ihrer Einschätzungsprärogative einzelfallbezogen Anforderungen an die Erfassung formulieren.
Fazit
Zusammenfassend kommen wir zu der Einschätzung, dass es für eine rechtssichere Flächennutzungsplanung für die Windenergienutzung, insbesondere mit Festsetzung von Windkonzentrationszonen mit Ausschlusswirkung, häufig nicht ausreichen dürfte, allein auf vorhandene Daten zurückzugreifen.
Quellen
Doerpinghaus, A., Teichen, C., Gunnemann, H., Leopold, P., Neukirchen, M., Petermann, J., Schröder, E. (2005): Methoden zur Erfassung von Arten der Anhänge IV und V der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Naturschutz und Biologische Vielfalt 20. Bonn – Bad Godesberg. 454 S.
Länderministerien Rheinland-Pfalz (2013): Hinweise für die Beurteilung der Zulässigkeit der Errichtung von Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz. Windenergie-Rundschreiben vom 28.05.2013. 51 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 6. September 2017).
LUWG – Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (2010): Naturschutzfachliche Aspekte, Hinweise und Empfehlungen zur Berücksichtigung von avifaunistischen und fledermausrelevanten Schwerpunkträumen im Zuge der Standortekonzeption für die Windenergienutzung im Bereich der Region Rheinhessen-Nahe. Fachgutachten des LUWG in Zusammenarbeit mit den Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd (Obere Naturschutzbehörden) sowie der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Mainz.
Richarz, K., Hormann, M., Werner, M., Simon, L., Wolf, T. (2012): Naturschutzfachlicher Rahmen zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz. Artenschutz (Vögel, Fledermäuse) und NATURA 2000-Gebiete. Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland & Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 6. September 2017).
Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schikore, T., Schröder, K., Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. – Mugler Druck-Service, Radolfzell, 792 S.
Rechtsprechung
BVerwG (2013): Urteil vom 27.06.2013 AZ 4 C 1.12.
OVG Koblenz (2015): Urteil vom 29.01.2015, AZ 1 C 10414/14 OVG.
OVG Münster (2015): Urteil vom 22.09.2015, AZ 10 D 82/13.NE.