STUDIEN-STECKBRIEF

Untersuchungen und Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen von Windenergieanlagen im Wald

(Hurst et al. 2016)

Zentrale Inhalte und fachliche Einordnung

Herausgeber: Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende
Bearbeitung: Holger Ohlenburg, Dr. Elke Bruns

TITEL DER STUDIE

Fledermäuse und Windkraft im Wald[1]

IM FOKUS

  • Windenergieanlagen (WEA) im Wald,
  • Erkenntnisse zur räumlichen und zeitlichen Aktivität ausgewählterFledermausarten sowie zur Aktivität in unterschiedlichen Höhen (u. a. Mopsfledermaus),
  • Empfehlungen zu Voruntersuchungen, Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen.

ZENTRALE ERGEBNISSE

  • Zusammenstellung des Kenntnisstandes über die Ökologie und Verbreitung verschiedener Waldfledermausarten,
  • Vertiefung des Kenntnisstands bezüglich besonders planungs- und genehmigungsrelevanter Aspekte,
  • Empfehlungen zur Erfassung von Fledermäusen vor und nach Errichtung von WEA (Untersuchungsmethoden),
  • Empfehlungen zu Maßnahmen zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Konflikte und zur Vermeidung und zum Ausgleich von Beeinträchtigungen durch WEA-Vorhaben.

RELEVANZ FÜR DIE PRAXIS

Für den Ausbau der Windenergie werden auch Waldstandorte für WEA-Vorhaben genutzt. Fledermäuse als besonders und streng geschützte Arten sind dabei regelmäßig planungsrelevant. Die durchgeführten Analysen resultieren in Empfehlungen für Erfassungsstandards, die genauere Prognosen der Auswirkungen von WEA auf Fledermäuse ermöglichen. Darüber hinaus macht die Studie Vorschläge für die Planung von Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen bei WEA-Vorhaben auf Waldstandorten. Dadurch hat die Studie eine hohe Praxisrelevanz.

FORMALES

  • Forschungsnehmer: Freiburger Institut für angewandte Tierökologie GmbH (FrInaT) (Projektleitung), NACHTaktiv, Institut für Tierökologie und Naturbildung (ITN), Biologische Gutachten Dietz.
  • Autoren/Hrsg.: Hurst, J., Biedermann, M., Dietz, C., Dietz, M., Karst, I., Krannich, E., Petermann, R., Schorcht, W., Brinkmann, R.
  • Förderung: BfN mit Mitteln des BMUB – FKZ: 3512 84 0200, Laufzeit: 01.08.2012 - 30.04.2016.

1. Hintergrund

Für die Planung und Genehmigung von WEA im Wald spielt die Beurteilung von Auswirkungen auf waldlebende Fledermausarten eine wesentliche Rolle. Zentral zu betrachten sind dabei mögliche Kollisionen von Fledermäusen mit den Rotorblättern der WEA. Bisher gab es kein gesichertes Wissen darüber, ob an Waldstandorten im Vergleich zu Offenlandstandorten möglicherweise höhere Kollisionsrisiken für Fledermäuse bestehen, beziehungsweise ein erweitertes Artenspektrum betroffen ist. Die Kenntnislücken über das spezifische Gefährdungspotenzial sollten geschlossen werden. Neben dem Kollisionsrisiko, das für die Beurteilung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots relevant ist, stellt der Lebensraum- bzw. Lebensstättenverlust bei der Errichtung von WEA im Wald eine zweite spezifische Gefährdungsursache für Fledermäuse dar, die ebenfalls untersucht werden sollte. Aus dem bekannten Wissen und den neuen Erkenntnissen sollten Empfehlungen für Erfassungen und Maßnahmen beim Bau von WEA im Wald abgeleitet werden, die Behörden und Vorhabensträgern als Grundlage für die Prüfung und Bewertung von Fledermausvorkommen in Wäldern dienen sollen.

2. Vorgehensweise und Methode

Die Darstellung der Bedeutung des Waldes für heimische Fledermausarten beruht auf einer Literaturauswertung. Um die identifizierten windenergie- relevanten Kenntnislücken über Lebensraumfunktionen des Waldes für Fledermäuse zu schließen, wurden drei Metastudien (siehe Tabelle 1) und drei artspezifische Feldstudien durchgeführt (siehe Tabelle 2). Mit Hilfe einer Literaturauswertung und ergänzender Experten-Befragungen wurde weiterhin untersucht, inwiefern anhand bestimmter Schlüsselparameter und vorhandener Daten bereits eine Einschätzung der Gefährdung von Fledermauspopulationen möglich ist (Studienkapitel 10). In einem weiteren Arbeitsschritt wurden Handreichungen der Bundesländer hinsichtlich der Erfassung von Fledermäusen bei Planung und Betrieb von WEA auf Waldstandorten ausgewertet und davon ausgehend vorläufige Empfehlungen für Erfassungen an Waldstandorten abgeleitet, die bereits in Hurst et al. (2015)[2] veröffentlicht wurden. Aus den Ergebnissen der Literaturrecherche und der Feldstudien wurden diese Empfehlungen aktualisiert und weiterentwickelt und zudem um Hinweise für Maßnahmen zur Vermeidung erhöhter Kollisionsrisiken sowie zur Vermeidung und zum Ausgleich von Lebensstättenverlusten an Waldstandorten ergänzt.

Tabelle 1: Metastudien – Analyse unterschiedlicher Daten zu Fledermausvorkommen in Wäldern

Methodischer AnsatzAAnsatz

Erwarteter Erkenntnisgewinn

Entwicklung von Verbreitungsmodellen anhand von Punktdaten zu Wochenstubenkolonien des bundesweiten FFH-Stichprobenmonitorings für windenergie-empfindliche Arten und Überlagerung zu Diversitätskarten (Kapitel 2). Identifizierung von Gebieten mit vergleichsweise hohem Konfliktpotenzial.
Auswertung eines großen Datensatzes an akustischen Dauererfassungen hinsichtlich des Einflusses unterschiedlicher Habitatfaktoren zu unterschiedlichen Jahreszeiten auf die Anwesenheit von Fledermäusen (Kapitel 3). Identifizierung von Landschaftsparametern, die Einfluss auf die Fledermausaktivität haben. Dies könnte bei der Identifizierung von besonders konfliktreichen WEA-Standorten dienlich sein.
Auswertung von Daten aus akustischen Aktivitätsmessungen in verschiedenen Höhen über dem Wald sowie in Bodennähe hinsichtlich der Artenzusammensetzung, des Auftretens und der Abhängigkeit der Aktivität von klimatischen Faktoren in unterschiedlichen Höhen (Kapitel 4). Weitere Erkenntnisse zur Fledermausaktivität in der Höhe, davon abgeleitet Hinweise zum art- und zeitspezifischen Kollisionsrisiko sowie zu Erfassungsmethoden an Waldstandorten.

Tabelle 2: Feldstudien – Untersuchung zu Funktion und Nutzung des Waldes mit besonderem Fokus auf der Höhenaktivität bestimmter Fledermausarten

Methodischer Ansatz

Erwarteter Erkenntnisgewinn

Mopsfledermaus – Telemetrierung und akustische Untersuchungen der Höhenaktivität in drei Wochenstubengebieten sowie an einem Schwärmquartier (Kapitel 5 und 6). Ermittlung einer etwaigen Höhenaktivität und somit erhöhten Kollisionsgefahr in Quartiernähe sowie Bewertung von Lebensstättenverlusten in Quartiergebieten.
Zwergfledermaus – Untersuchung der Höhenaktivität an einem bekannten Massenwinterquartier zur Schwärmzeit sowie an Referenzstandorten in der Umgebung (Kapitel 7). Ermittlung einer etwaigen höheren Höhenaktivität und somit eines erhöhten Kollisionsrisikos im Umfeld von Quartieren.
Kleinabendsegler – Untersuchung der Herkunft, der Quartiernutzung und der Aktivität durch Beringungen und genetische Analysen von in Fledermauskästen vorgefundenen Individuen in einem Paarungs- und Überwinterungsgebiet (Kapitel 8 und 9). Rückschlüsse auf das artspezifische Kollisionsrisiko.

3. Ergebnisse

3.1 Empfehlungen zu Untersuchungen vor dem Bau von WEA

Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass praktisch an allen Waldstandorten mit Vorkommen planungsrelevanter Fledermausarten zu rechnen sei. Bereits vorhandene Daten sollten stets gesammelt und ausgewertet werden. Bei jedem WEA-Vorhaben im Wald seien jedoch auch Erfassungen vor Ort (akustische Messungen, Netzfänge und Telemetrie) unerlässlich, um die standortspezifischen Beeinträchtigungen für Fledermäuse feststellen und geeignete Maßnahmen planen zu können.

Nach Hurst et al. (2015)[2] habe sich die akustische Dauererfassung über eine Saison hinweg in den letzten Jahren bereits als Standardmethode für die Abschätzung des Kollisionsrisikos durchgesetzt. Für eine hohe Erfassungsqualität empfehlen die Autoren, dass:

  • stets mehrere Geräte im Untersuchungsgebiet verteilt werden (aufgrund der Varianz der Messergebnisse an benachbarten Gerätestandorten),
  • optimalerweise auch Erfassungsgeräte in der Höhe (d. h. über den Baumkronen) eingesetzt werden (da von der Aktivität am Boden nur eingeschränkt auf das Kollisionsrisiko rückgeschlossen werden kann),
  • in Bodennähe installierte Erfassungsgeräte an Standorten ohne geschlossenes Kronendach, im Bereich von Lichtungen oder an Waldkanten platziert werden.

Pauschale Abschaltzeiten (siehe 3.3) sollten nicht allein auf Grundlage von Erfassungen in Bodennähe verändert, insbesondere nicht reduziert werden. Zur Erfassung von Lebensstättenverlusten existiere, so die Autoren, ebenfalls ein weithin etabliertes Methodenspektrum zur Identifikation der waldnutzenden Fledermausarten sowie ihrer Quartiere. Hierzu gehören nach der Autorenschaft:

  • eine Habitatkartierung des WEA-Standortes sowie seines Umfeldes auf Eignung als Fledermaus- Lebensraum,
  • eine detaillierte Kartierung der Baumquartiere auf den Rodungsflächen,
  • ergänzende Netzfänge, um das genaue Artenspektrum erfassen und die Eingriffswirkungen artspezifisch bewerten zu können,
  • die Telemetrierung reproduktiver Weibchen über mehrere Tage zur Ermittlung von Wochenstubenquartieren und Quartierzentren sowie Ausflugszählungen zur Bestimmung der Koloniegrößen,
  • bei Nachweis von Wochenstuben kleinräumig jagender Arten ergänzend Strukturkartierungen hinsichtlich essenzieller Jagdhabitate sowie die Telemetrierung von Weibchen,
  • Detektorbegehungen zur Ermittlung von Paarungsquartieren.

3.2 Empfehlungen für betriebsbegleitende Erfassungen

Betriebsbegleitende akustische Aktivitäts-Messungen auf Höhe der WEA-Gondel dienen der Erfassung des tatsächlichen Kollisionsrisikos und zur Anpassung von Abschaltzeiten als Vermeidungsmaßnahme (RENEBAT-Vorhaben[3], [4], [5]). Diese Methodik wird von den Autoren – unter Berücksichtigung des jeweils aktuellsten Forschungsstands – grundsätzlich empfohlen (siehe 3.3).[a] Ergänzend sei ein weiterer Detektor am Mast im Bereich des unteren Rotorendes zur Erfassung der Aktivität zu installieren, insbesondere bei Anlagen mit nahe an die Waldoberkante reichenden Rotoren bzw. bei Unterschreitung des empfohlenen 50-Meter-Abstands, um ggf. die Abschaltzeiten anzupassen (siehe 3.3). Wenn Anlagen an Standorten errichtet würden, an denen das Kollisionsrisiko nicht sicher prognostiziert werden kann, dann sei dies mit einem betriebsbegleitenden Monitoring (z. B. Schlagopfersuchen zur Überprüfung von Abschaltzeiten) zu verbinden. Um dabei zu Ergebnissen mit hinreichender Aussagekraft zu gelangen, müsse eine [a] Eine Anpassung an neue Anlagentypen erfolgt derzeit im Forschungsvorhaben RENEBAT III[5]. ausreichende Absuchbarkeit des Anlagenumfeldes gegeben sein, was sich an Waldstandorten häufig schwierig gestaltet.

3.3 Empfehlungen für Vermeidungsmaßnahmen

Zur Vermeidung von bedeutenden Lebensstättenverlusten für Fledermäuse raten die Autoren, bereits im Rahmen der räumlichen Planung (vorsorglich) besonders konfliktträchtige Waldgebiete von der Windenergienutzung freizuhalten. Konkret sind dies:

  • über 100-jährige Laub- und Laubmischwälder,
  • naturnahe Nadelwälder mit hohem Quartierpotenzial,
  • Wälder in Natura 2000-Gebieten, in denen Erhaltungsziele von Fledermäusen beeinträchtigt werden könnten.

Kleinräumig sollten WEA keine Fledermausquartiere betreffen; es sei ein Puffer von 200 Metern zu tatsächlich genutzten Quartieren einzuhalten[b] sowie auch potenzielle Quartiere und Jagdgebiete soweit wie möglich zu meiden. Zur Vermeidung von Tötungen durch Rodungsarbeiten sollte eine Markierung potenzieller Quartierbäume und eine Besatzkontrolle unmittelbar vor der Fällung erfolgen. Gegebenenfalls sei die Fällung auf einen Zeitpunkt zu verschieben, an dem die Tiere das Quartier verlassen haben. Zur Vermeidung eines erhöhten Tötungsrisikos durch Kollisionen wird auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse die Einhaltung eines Mindestabstands von 50 Metern zwischen Rotorblattspitze und Waldoberkante empfohlen. Zudem wird empfohlen, Abschaltzeiten generell ab dem ersten Betriebsjahr festzulegen und diese zu einem „anerkannten Stand der Technik“ zu erklären, da nach den Ergebnissen der Metaanalysen sowie generell zum Fledermauszuggeschehen (Breitfrontzug)[6] praktisch an jedem Waldstandort mit einem erhöhten Kollisionsrisiko zu rechnen sei.

Im ersten Betriebsjahr sind dies im Regelfall pauschale Abschaltzeiten, wie sie bereits gemäß verschiedenen Länderleitfäden festgelegt werden (z. B. in Rheinland-Pfalz[7], dem Saarland[8] und Baden-Württemberg[9]):

  • gesamter Aktivitätszeitraum der Fledermäuse von April bis Oktober,
  • zur Nachtzeit oder im Herbst ab wenigen Stunden vor Sonnenuntergang,
  • bei Windgeschwindigkeiten unter sechs Metern pro Sekunde und Temperaturen über zehn Grad Celsius,
  • teilweise mit artspezifischen Anpassungen der Schwellenwerte für die Abschaltungen.

Anpassungen der Schwellenwerte für die Abschaltungen sollten eher anhand von Aktivitätsdichten als anhand der nachgewiesenen Arten vorgenommen werden.

Im zweiten Betriebsjahr erfolgt gemäß den aktuellen Länderleitfäden eine Berechnung von anlagenspezifischen Abschaltalgorithmen nach der im Forschungsvorhaben RENEBAT I entwickelten Methodik. In diesem Zusammenhang wird von den Autoren auf die methodische Weiterentwicklung, das Internet-Tool „ProBat“ zur automatisierten anlagenspezifischen Berechnung von Abschaltzeiten auf Grundlage von Aktivitäts- und Windmessungen (Behr 2016)[5] hingewiesen. Die an Offenlandstandorten entwickelte Methodik ist aufgrund der ähnlichen Aktivitätsmuster prinzipiell auch im Wald geeignet.

An Sonderstandorten (wie z. B. Schwärmquartieren) könnte die Übertragbarkeit jedoch eingeschränkt sein. Daher wird zum Beispiel bei Vorhandensein von Quartieren kollisionsgefährdeter Arten in Anlagennähe zu einer genauen Prüfung der Aktivitätsmuster und ggf. zum zumindest zeitweisen Einsatz pauschaler Abschaltzeiten geraten. Sollten bereits bei Voruntersuchungen z. B. in der Nähe von Quartieren hohe Konzentrationen von kollisionsgefährdeten Arten nachgewiesen werden oder Hinweise auf eine Zugkonzentration vorliegen, sollte eine Standortaufgabe erwogen werden.

Grundsätzlich wird das Vorgehen befürwortet, die Ermittlung anlagenspezifischer Abschaltzeiten anhand behördlich festgelegter Schwellenwerte für die Zahl noch tolerierbarer Schlagopfer pro Anlage vorzunehmen. In vielen Bundesländern wird derzeit ein Wert von ein bis unter zwei toten Tieren pro WEA und Jahr von den Genehmigungsbehörden festgesetzt (z. B. Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg). Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass aufgrund der Biologie der Fledermäuse eine Anwendung strenger Grenzwerte empfehlenswert ist. Daher sollten die Schwellenwerte einzelfallbezogen nach unten anpassbar sein. Eine Absenkung könne zum Beispiel erforderlich werden, wenn beispielsweise mit Summationswirkungen durch größere Windparks oder durch eine große Zahl vorhandener Altanlagen ohne Abschaltzeiten zu rechnen sei.

Um sicherzugehen, dass die in der Genehmigung festgelegten Abschaltzeiten eingehalten werden, empfehlen die Autoren, dass eine behördliche Kontrolle anhand der Betriebsdaten (Witterungsbedingungen und Rotordrehzahl) durchgeführt wird.

Die Festlegung von Mortalitäts-Schwellenwerten auf Grundlage von Populationsberechnungen werde – nach den Ergebnissen der Literaturauswertung und der ergänzenden Expertenbefragung – bis auf Weiteres nicht möglich sein. Zu groß seien die Unsicherheiten bzgl. der Populationsgrößen und der Populationsparameter. Schwierig sei zudem die Abgrenzung lokaler Populationen bei den ziehenden Arten. Aus Sicht der Autoren wäre eine intensive und langfristige Untersuchung von Populationstrends vielversprechender. Diese böten eine Grundlage für eine Prioritätensetzung auf besonders gefährdete Arten und würden gezielte Schutzmaßnahmen ermöglichen.

3.4 Empfehlungen für Ausgleichsmaßnahmen

Lebensstättenverluste sollen durch Maßnahmen zur Verbesserung von Waldhabitaten „in der Fläche“ ausgeglichen werden. Die Autoren machen einen Konventions-Vorschlag zur Bemessung des Flächenumfangs und der Anzahl notwendiger künstlicher Quartiere für den zusätzlichen vorgezogenen Ausgleich. Darüber hinaus finden sich detaillierte Hinweise zu geeigneten Aufwertungs- Maßnahmen, zum Beispiel:

  • zur Nutzungsaufgabe von Wäldern,
  • zur naturnahen Bewirtschaftung,
  • zu Aufforstung und Waldumbau,
  • zu künstlichen Nisthilfen und zur künstlichen Schaffung von Quartieren an Bäumen,
  • zur Habitatvernetzung.

Der Durchführung von Funktions- und Wirksamkeitskontrollen für diese Maßnahmen sei zukünftig stärkere Beachtung zu schenken.

3.5 Artspezifische Informationen

Teil der Ergebnisdokumentation des Forschungsvorhabens sind artspezifische Informationen und Hinweise zu Lebensraumfunktionen, Gefährdungsprognosen sowie zur Eignung von Erfassungsmethoden und Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen in Form von Art-Steckbriefen, die auf der Internetseite des projektleitenden Freiburger Instituts für angewandte Tierökologie (FrInaT) abrufbar sind. Hier finden sich auch konkrete Vorschläge für Untersuchungsstandards zu den einzelnen Fledermausarten.

4. Einordnung der Empfehlungen

Der Bundesverband Windenergie (BWE) betont anlässlich der Veröffentlichung der Studie, dass sich „die Branche den wachsenden Ansprüchen des Natur- und Artenschutzes stellt und an einer fachlich fundierten Begleitung der Energiewende ein hohes Interesse hat.“[10] Damit signalisiert er eine positive Haltung gegenüber der Studie. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kommentiert die Ergebnisse der Studie ebenfalls und weist auf den hohen Stellenwert von Voruntersuchungen zur Qualitätssicherung in der Planungspraxis hin. Im Hinblick auf eine naturverträgliche Standortwahl von WEA würde der NABU jedoch weitere Waldflächen von der WEA-Entwicklung freihalten. Die empfohlenen Maßnahmen zum Schutz von Fledermäusen und deren Lebensräumen finden die Zustimmung des NABU. Jedoch bestünden in der Praxis noch große Vollzugsdefizite. Zum Beispiel solle die tatsächliche Einhaltung der behördlichen Auflagen für Abschaltungen zur Vermeidung von Kollisionen überprüft werden.[11]

Einzelne Vertreter von NABU-Landesverbänden und des Bundesverbands für Fledermauskunde Deutschland (BVF) kritisieren, dass „ein bis zwei“ Individuen pro WEA und die Abschaltalgorithmen als Mittel zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit inzwischen anerkannt seien. Angesichts der Wissensdefizite über Bestandsgrößen und Raumnutzung gelten pauschale Abschaltungen bzw. betriebsbegleitend optimierte Abschaltungen (Abschaltalgorithmen) zwar als bestverfügbarer Ansatz, um Tötungsrisiken für Fledermäuse zu vermindern. Jedoch könne sich auch eine geringe Zahl von Kollisionsopfern pro Windenergieanlage und Jahr zu hohen Kollisionsopferzahlen summieren. Der Nachweis über die Wirksamkeit von Abschaltungen für den Individuenschutz und den langfristigen Bestandserhalt sei in der Praxis noch zu erbringen.

Nach Auffassung des KNE würde die Umsetzung der Studien-Empfehlungen die Entscheidungsgrundlagen für die Anlagengenehmigung verbessern. Insbesondere die Auswirkungsprognosen sowie die Planung von Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen für Fledermäuse bei WEAVorhaben auf Waldstandorten würden unterstützt. Bessere Auswirkungsprognosen können auch dazu beitragen, dass Standortentscheidungen und -modifikationen substanzieller begründet werden können. Eine Aufnahme der Empfehlungen als „Fachstandards“ in die Leitfäden und Handreichungen vor allem der waldreichen Bundesländer – und eine Berücksichtigung von Behörden und Gutachtern – würde zu einer Qualitätssicherung bei der Gutachtenerstellung beitragen und die Berücksichtigung in Planungs- und Genehmigungsverfahren befördern.

4. Quellen

[1] Hurst, J., Biedermann, M., Dietz, C., Dietz, M., Karst, I., Krannich, E., Petermann, R., Schorcht, W., Brinkmann, R. (2016): Fledermäuse und Windkraft im Wald. Naturschutz und Biologische Vielfalt 153. Hrsg. vom BfN – Bundesamt für Naturschutz. Landwirtschaftsverlag, Münster. 400 S.

[2] Hurst, J., Balzer, S., Biedermann, M., Dietz, C., Dietz, M., Höhne, E., Karst, I., Petermann, R., Schorcht, W., Steck, C., Brinkmann, R. (2015): Erfassungsstandards für Fledermäuse bei Windkraftprojekten in Wäldern. Diskussion aktueller Empfehlungen der Bundesländer. Natur und Landschaft 90 (4): S. 157-169.

[3] Behr, O., Brinkmann, R., Niermann, I., Korner-Nievergelt, F. (2011): Fledermausfreundliche Betriebsalgorithmen für Windenergieanlagen. In: Brinkmann, R., O. Behr, I. Niermann, M. Reich (Hrsg.): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Cuvillier Verlag, Göttingen. S. 354-383.

[4] Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, R. (2015): Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II): Ergebnisse eines Forschungsvorhabens. Umwelt und Raum 7. Institut für Umweltplanung, Hannover. 369 S.

[5] Behr, O. (2016): WINDBAT – Fledermäuse und Regenerative Energien. Forschung. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 18.05.2017).

[6] Meschede, A., Schorcht, W., Karst, I., Biedermann, M., Fuchs, D., Bontadina, F. (2017): Wanderrouten der Fledermäuse. Abschlussbericht zum F+E-Vorhaben „Identifizierung von Fledermauswanderrouten und -korridoren“ (FKZ: 3512 86 0200). BfNSkripten 453: 237 S.

[7] Land Rheinland-Pfalz (2012): Naturschutzfachlicher Rahmen zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz Artenschutz (Vögel, Fledermäuse) und NATURA 2000-Gebiete. Mainz. 145 S.

[8] Land Saarland (2013): Leitfaden zur Beachtung artenschutz- rechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland betreffend die besonders relevanten Artengruppen der Vögel und Fledermäuse. Saarbrücken. 112 S.

[9] LUBW (2014): Hinweise zur Untersuchung von Fledermausarten bei Bauleitplanung und Genehmigung von Windkraftanlagen. Karlsruhe. 42 S.

[10] BWE-Pressemitteilung v. 07.02.2017: „Windenergie nimmt Rücksicht auf Artenschutz“.

[11] NABU-Pressemitteilung v. 21.02.2017: „Der Wald - ein sensibler Ort für Windräder“.

5. Weitere Besprechungen und Pressestimmen

Bayerischer Rundfunk Wissen v. 08.02.2017: „Windräder als Todesfallen“.

BfN (2017): Mehr Schutz für Fledermäuse im Wald beim Bau von Windrädern. Kurz-Zusammenfassung. Natur und Landschaft 92 (4): S. 182.

BfN-Pressemitteilung v. 07.02.2017: „Mehr Schutz für Fledermäuse im Wald beim Bau von Windrädern – Empfehlungen des BfN zur Lebensraumsicherung und Kollisionsvermeidung“.

SPIEGEL-Online v. 07.02.2017: Windräder im Wald gefährden Fledermäuse“.

Wirtschaftswoche-Online v. 07.02.2017: „Fledermaus contra Windkraft – Versuch einer Kollisionsentschärfung“.